Hallo zusammen,
vor etwa einem Jahr hatte ich hier von meinem Erstkontakt mit der Bremerhavener Straßenbahn im Jahre 1976 berichtet. Sechs Jahre vergingen anschließend, bis ich zum zweiten Mal dorthin fuhr - buchstäblich fünf Minuten vor Zwölf. Denn im Jahre 1981 hatte man die Stilllegung der Straßenbahn beschlossen, und am 30.7.82 sollte der letzte Betriebstag sein. Keine drei Wochen blieben der Straßenbahn Bremerhaven also noch, als ich sie am 14.7.82 zum zweiten und letzten Mal besuchte.
Es sei hier noch einmal festgehalten, dass der Straßenbahnbetrieb zwar seit 1964 nur noch aus der Linie 2 vom Hauptbahnhof zur Stadtgrenze Langen am Nordrand der Stadt bestand. Diese war aber die stark belastete Hauptverkehrsachse der Stadt, die Straßenbahn also keineswegs zu einer Art Anhängsel in einem Netz aus stark frequentierten Buslinien verkommen.
Seit meinem Erstbesuch 1976 hatten sich zwei Dinge verändert: Im Jahre 1978 hatte man die drei letzten schaffnerbesetzten Züge aus 3x-Tw und zweiachsigen Verbandstyp-Bw abgestellt. Seitdem stand dem Planbedarf von acht Kursen auch nur noch ein Bestand von acht Straßenbahnzügen gegenüber – den 1968 beschafften Hansa-Gelenkzügen (Tw 80-84, Bw 218-222) und den drei 1967 gebraucht aus Offenbach übernommenen Großraumzügen (Tw 77-79, Bw 215-217). Als Konsequenz wurden seither zwei der acht Kurse planmäßig mit Bussen gefahren. Weiterhin hatte man zwischenzeitlich für die Dauer der Sommermonate die Zugfolge von 10 auf 12 Minuten gedehnt, wodurch der Planbedarf dann nur sieben Kurse betrug. Auch dies ging zu Lasten der Straßenbahn, die in ihren letzten Monaten somit nur noch mit fünf Zügen pro Tag unterwegs war.
Bei dem Besuch steuerte ich als erstes die Endstation an der Stadtgrenze Langen an. Alles weitere wurde zu Fuß und mit der Straßenbahn selbst erledigt.
(Bild 1) Hier startet gerade ein Hansa-Zug, bestehend aus Tw 80 und Bw 218, in Richtung Innenstadt.
(Bild 2) Gleich darauf biegt Tw 83 mit Bw 221 in die Wendeschleife ein. Bei beiden Zügen fällt auf, dass ein „Zaungast“ dem Fahrer über die Schulter blickt. Überhaupt stand die Straßenbahn in diesen Tagen mehr als sonst im Mittelpunkt der Öffentlichkeit. Auch im Kiosk an der Endhaltestelle, wo ich eine Tageskarte erwarb, liefen aufgeregte Debatten. Es war offenkundig, dass die Stilllegung auf viel Ablehnung bei der Bevölkerung stieß.
(Bild 3) Mit einem weiteren Hansa-Zug aus Tw 82 und Bw 222 bin ich dann einmal die komplette Strecke bis zur entgegengesetzten Endstelle Hauptbahnhof gefahren. Diese präsentierte sich unspektakulär und wenig fotogünstig. Man kann erkennen, dass das Gegengleis immer noch vorhanden und mit Fahrleitung überspannt war, obwohl es schon lange nicht mehr benutzt wurde. Südlich der Geestebrücke fuhr die Linie 2 in einer großen Schleife entgegen des Uhrzeigersinnes über Borriesstraße – Hbf – Friedrich-Ebert-Str. durch das dortige Stadtviertel. Bis 1964 hatte die Linie 3 diese Schleife in der Gegenrichtung durchfahren.
(Bild 4) Die erwähnte Geestebrücke war natürlich ein bevorzugtes Fotomotiv. Sie lag am südlichen Rand dessen, was man als Bremerhavens Stadtkern bezeichnen könnte; Bremerhaven wurde ja – ähnlich wie manche Städte im Ruhrgebiet – durch die Zusammenlegung mehrer zuvor selbständiger Gemeinden gebildet. Auf diesem Bild verlässt ein vierter Hansa-Zug, gebildet aus Tw 81 und Bw 219, die Brücke Richtung Hauptbahnhof.
(Bild 5) Auf der Brücke selber sehen wir den in die Gegenrichtung fahrenden Großraum-Zug aus Tw 77 und Bw 217, der das Quintett der an diesem Tag eingesetzten Straßenbahnen vervollständigte. Die übrigen zwei Kurse fuhren ja als Gelenkbusse. Der Tw fällt durch seine noch komplett vorhandenen Alu-Zierleisten einschließlich des „Düwag-Spitzes“ am Bug auf. Mit Bw 216 gab es auch einen Beiwagen, der noch über seinen komplette Alu-Zierrat verfügte. Der war aber normalerweise mit dem Tw 78 gekuppelt.
(Bild 6) Hier Tw 82 und Bw 222 beim Verlassen der Brücke, ebenfalls Richtung Langen.
(Bild 7) Kurz hinter der Geestebrücke folgt Bremerhavens „Rennmeile“, die Bürgermeister-Smidt-Straße als Haupteinkaufsstraße. Die Straße war damals schon Fußgängerzone, in der man die Straßenbahn beibehalten hatte, was wegen der üppigen Straßenbreite kein Problem war. Hier im Bild ist Tw 77 mit Bw 217 aus Langen zurück und hält an der Haltestelle „Theodor-Heuss-Platz“, bevor es weiter Richtung Hauptbahnhof geht.
(Bild 8) Diese etwas weiter nördlich mit Tw 80 und Bw 218 eingefangene Szene zeigt deutlich, dass sich die Straßenbahn harmonisch in den Fußgängerbereich einfügte und absolut nicht störte.
(Bild 9) Ein komplett anderes Bild bot sich weiter nördlich bei der Durchfahrt durch den Ortsteil Lehe. Aufgrund der schmalen Straßen wurde eingleisig im Richtungsbetrieb gefahren – Richtung Norden durch die Lange Straße und Richtung Süden überwiegend durch die Nordstraße. Auch für den Straßenverkehr bestand weitgehend Einbahnregelung, so dass dieser Streckenabschnitt ebenfalls keine großen Probleme bereitete – im Gegenteil fuhren die Züge hier meist ziemlich flott. Wir sehen abermals den Zug 82-222, der hier auf der Langen Straße Richtung Langen unterwegs ist. Aufgrund der Einbahnregelung parken die Autos in Fahrtrichtung links.
(Bild 10) Einbahnregelung bestand auch auf der Nordstraße, durch die der größte Teil der Strecke in der Gegenrichtung verlief. Lediglich auf dem hier gezeigten letzten Stück durch die Krüselstraße gab es Gegenverkehr. Aber auch hier lag das Straßenbahngleis auf der „richtigen“ Seite.
(Bild 11) Kurz davor - in der im Hintergrund von Bild 10 erkennbaren Biegung - lag die Haltestelle „Krüselstraße“, die für meinen Geschmack einen ausgezeichneten Fotopunkt darstellte. Dort überraschte mich ein „neuer“ Großraumzug in Gestalt von Tw 79 mit Bw 215. Er war zwischenzeitlich für den Zug 77-217 eingewechselt worden.
(Bild 12) Am Nordrand von Lehe befand sich der Betriebshof. Der Blick in die Wagenhalle zeigt, was neben den fünf auf der Strecke befindlichen Zügen noch übrig war: Rechts der an diesem Tag nicht eingesetzte Tw 84 (mit Bw 220), daneben der ausgewechselte Zug 77-217, weiter hinten die an diesem Tag nicht benötigte Garnitur 78-216. Links sehen wir vorne zwei Arbeitswagen – den Schienenreinigungswagen 253 und den Schleifwagen 254. Dahinter sind die 3x-Tw 68 (abgestellt seit 1978), 71 (abgestellt seit 1975) und ganz hinten der seit Anfang der 1970er-Jahre nicht mehr im Personenverkehr eingesetzte Verbands-Tw 76 zu erkennen. Daneben stehen noch die beiden seit 1978 nicht mehr eingesetzten Beiwagen 208 und 210, ebenfalls vom Verbandstyp II.
(Bild 13) Freundlicherweise gestattete man mir das Betreten der Wagenhalle, wo ich zunächst Tw 78 mit Bw 216 aufnahm. Ich habe bisher nirgendwo Bilder dieses Zuges aus den letztem Betriebsmonaten der Bremerhavener Straßenbahn gesehen und vermute daher, dass man bei ihm vielleicht im Hinblick auf das bevorstehende Ende eine fällige Reparatur oder Zwischenuntersuchung nicht mehr durchgeführt hatte.
(Bild 14) Auch am rechten Rand der Wagenhalle standen ganz hinten noch drei inzwischen überzählige Fahrzeuge: vorne der 3x-Tw 70 (auch seit 1978 nicht mehr im Personenverkehr), dahinter die Salzlore 277 und zum Schluss der Arbeits-Tw 252, der auf dem Fahrgestell eines Original-Tw der ersten Serie von 1908 aufgebaut worden ist.
(Bild 15) Ein Blick zur anderen Seite der Wagenhalle auf den Tw 68 vom gleichen Typ wie Tw 70.
(Bild 16) Rechts nebenan stand der Verbandstyp-Bw 208.
(Bild 17) Und dieses kleine „Wagenhallen-Stilleben“ bildet den Abschluss der Depot-Aufnahmen.
(Bild 18) In der Wurster Straße lag auf Höhe des Betriebshofes die Haltestelle „Eckernfeldstraße“, von wo aus das Depot über eine kurze Stichstrecke angebunden war. Hier habe ich zwei Züge abgepasst: den Hansa-Gelenkzug 81-219…
(Bild 19) … und den Großraumzug 79-215. Beide Züge sind übrigens „Ganzreklamezüge“ in dem Sinne, dass Trieb- und Beiwagen die gleiche Werbung haben. Bei Tw 79 und Bw 215 gilt das sogar für die Dachwerbetafeln.
(Bild 20) Eine – allerdings nicht nur für die Straßenbahn – nicht ungefährliche Stelle dürfte diese im Ortsteil Speckenbüttel gewesen sein. Die Straße nebst Straßenbahn unterquerte hier die Bahnstrecke Bremerhaven-Cuxhaven, und die unmittelbar hinter der Brücke einmündende Straße war schwer einsehbar.
(Bild 21) Meine Rundreise endete natürlich dort, wo sie angefangen hatte – in der Schleife an der Stadtgrenze Langen, denn dort wartete mein Auto (Citroen Dyane 4 – 23 PS!) auf mich. Ein Weitwinkel besaß ich damals noch nicht, und daher war das Nebeneinander der fast wie siamesische Zwillinge wirkenden Tw 82 und 83 nur in dieser Form machbar.
(Bild 22) Dieses Foto vom abfahrbereiten Zug 82-222 ist mein letztes von der Bremerhavener Straßenbahn.
In den verbleibenden 16 Tagen bis zur letzten Fahrt musste die Bremerhavener Straßenbahn noch eine letzte Einschränkung hinnehmen: Da Entwerter für die neugelieferten Busse benötigt wurden, stellte man die Hansa-Bw 218-222 ab, um aus ihnen die Entwertergeräte auszubauen. In den letzten Tagen fuhren daher die Hansa-Gelenk-Tw (im Gegensatz zu den Großraumzügen) solo – sicherlich nicht optimal für eine Zeit, in der vermutlich zahlreiche „Abschiedsfahrgäste“ zu den üblichen Fahrgästen hinzukamen. Die letzte Fahrt machte am 30.7.82 abends dann auch der auf Bild 5 und 7 zu sehende Zug 77-217.
Viele Grüße,
Stefan
3-mal bearbeitet. Zuletzt am 2022:07:08:21:20:36.