Zu der großartigen Plandampf-Veranstaltung „Über’n Buckel“, an der ich leider nicht teilnehmen konnte, zunächst meine Anerkennung für Wolfgang Löckel und sein Team, die diese Tage in langer Vorarbeit und mit viel Mühe und Durchhaltevermögen organisiert und realisiert haben. Ich bin sicher, dass auch bei aller Fantasie so gut wie keiner von uns HiFo-Usern realistisch einschätzen kann, wie viele Hände und rauchende Köpfe hier reibungslos zusammenarbeiten mussten, wieviel Aufwand und Nerven die Organisation und schließlich die Durchführung der breit angelegten Plandampf-Veranstaltung gekostet hat. Und alles ehrenamtlich, in der Freizeit… Darum: DANKE, Wolfgang, an Dich und Deine vielen, vielen Helfer! Auch für mich als diesmal-nicht-Teilnehmer sind Eure Mühen wertvoll: Denn jede gelungene Plandampf-Veranstaltung zeigt der Öffentlichkeit und den Entscheidern in den DB-Dienststellen, dass sie als lebendiger Historie-Transfer von Bedeutung und als weithin beachteter Werbeträger sogar auch wirtschaftlich interessant sein können. Und nicht zuletzt erleben alle das Geschehen mit: So habe ich schon Tolles im DSO-Museumsbahnforum gesehen und werde gewiß auch anderweitig noch viele schöne Blickwinkel „über’n Buckel“ genießen können.
Mein Beitrag kann sich nur „ex post“ auf die weite Vergangenheit richten: Ein Tag vor 35 Jahren in Heilbronn - der 29.08.1972, ein Dienstag.
Als Heizer des Bw Lauda hatte ich am Vorabend mit 023 048 den N 3885 von Würzburg nach Osterburken gefahren, wo unser Dienstplan die Übernachtung im spartanischen Eisenbahner-Quartier vorsah. Doch davor lag zunächst noch ein langer, feucht-fröhlicher Abend in der Bahnhofswirtschaft von Osterburken.
Gleich nach unserer Ankunft in Osterburken um 20.34 Uhr stellten wir unsere 023 048 am ehemaligen Schuppen nächst dem Bahnhofsgebäude ab. 023 059, die mit einer Heilbronner Mannschaft um 19.36 Uhr den N 3867 aus Lauda gebracht hatte und die wir am nächsten Morgen übernehmen sollten, eine weitere 023, die um 19.34 mit N 2365 aus Heidelberg gekommen war, und die Mannheimer 50er, die schon um 18.34 mit N 2351 ebenfalls aus Heidelberg heraufgedampft war, dösten längst mit Ruhefeuer am Schuppen in die laue Sommernacht hinein. Die Kollegen aus Heilbronn und Mannheim hatten längst den Eisenbahner-Stammtisch rechts hinten in der Ecke besetzt, die ersten Pils gezischt und waren schon guter Dinge, als wir kurz nach 21 Uhr als letzte in die rauchige Wirtschaft stolperten.
Unsere Welt war noch in Ordnung: Die Olympischen Sommerspiele in München waren gerade erst am Sonntag, 26.08., eröffnet worden, Deutschland stand im sehr positiven Rampenlicht der Weltöffentlichkeit. Ich war stolz auf uns und zählte die Medaillen mit. Natürlich lief in der verräucherten Bahnhofskneipe der Fernseher und mit den Kollegen wurden hitzige Debatten geführt, in denen einer fachkundiger war als der andere, mit Eifer wurden die erfolgreiche Medaillen-Bilanz der DDR schlecht- und „unsere“ mittelmäßige gut-geredet. Ja, „die Spiele“ – sie hatten in diesen Tagen natürlich auch unter den Eisenbahner-Kollegen Vorrang und verdrängten vorübergehend die sonst üblichen Themen „Frauen“, „die Kaninchen zuhause“ oder „der Garagen-Neubau vom Nachbarn“. So ging es bis nach Mitternacht. - Keiner von uns ahnte indessen, dass diese heile Welt nur wenige Tage später jäh zerrissen werden sollte, durch den todbringenden Überfall palästinensischer Terroristen auf die israelische Olympiamannschaft am 05.09.1972…
Erst wenige Stunden jung war der folgende 29. August, als unbarmherzig unser blecherner Bundesbahn-Dienstwecker rappelte. „5. 01“ zeigte nüchtern die Bahnhofs-Uhr, die Kollegen aus Heilbronn pufften gerade mit der abends aus Heidelberg gekommenen 023 vor N 3841 nach hause ab und verschwanden mit langer, dicker Dampffahne im kühlen Morgendunst, als mein Lokführer-Kollege und ich wortkarg über den schmucklosen Bahnsteig 1 zur 023 059 schlurften. Rasch Bläser auf, Feuer hoch und an den Tau-triefenden B3y-Park angesetzt, mit dem wir um 5.37 Uhr als N 3843 den Kollegen nach Heilbronn folgen sollten. Die „Mannemer“ dagegen hatten mit ihrer 50er noch Zeit, für ihren N 2314 nach hause sollte das Ausfahrsignal Richtung Seckach erst um 6.23 Uhr auf „frei!“ wechseln.
In Heilbronn pünktlich um 6.47 Uhr angekommen rückten wir schnell ins Bw ein. Da war Hochbetrieb, Dampflok-Stau auf beiden Behandlungsgleisen! Erstmal aufs Bekohlen warten, Stop-and-go. Dann aufs Vorrücken auf den Kanal warten. - Ich hielt solange ein paar Eindrücke fest:
Am „Kanal“ im Bw Heilbronn: in der linken Reihe die Heilbronner Wannentenderlok 053 097 und 052 838, ebenfalls Bw Heilbronn; in der mittleren Reihe ganz vorne 023 019, auf der ich Anfang Juli 1972 meine Heizerprüfung gemacht hatte und die (nicht deshalb) heute im Museum Neuenmarkt-Wirsberg erhalten ist (nimmt auf dem ersten Foto Wasser), dahinter „meine“ 023 059, schließlich die nach uns rückwärts ins Bw eingerückte Kabinentender-051 441 Bw Heilbronn (nur auf dem 2. Foto ist im Vordergrund das Dach der Tender-Kabine zu sehen); in der rechten Reihe schließlich die Crailsheimer 044 374 und der Heilbronner Bubikopf 064 289, der heute ebenfalls erhalten ist und wieder in Heilbronn steht.
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Die alte 50 3097, die noch in Darmstadt stationiert war und auf der südhessischen Riedbahn Goddelau-Frankfurt im Einsatz war, als ich ihr 1964 erstmals im ehem. Bw Frankfurt 3 begegnet bin, war mir gesonderte Aufnahmen wert, als sie vom Kanal ins Stumpfgleis zum Umsetzen zur Drehscheibe rollte. Kraftvoll beschleunigte der Meister, das Wasser schießt hinten aus dem randvollen Tender – die Warterei am Kohlenbunker und am Kanal hat seine Geduld offensichtlich arg strapaziert, denn es „ruft“ die Kantine, oder gar der Feierabend…:
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Rechts ist der martialische Beton-Prellbock des Auszieh-Gleises zusehen, links die offenstehenden Schrankenbäume hinter dem Schuppen markieren die Strecke nach Eppingen:
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„Über’n Durst getrunken!“ - Zuviel des Guten bekommt die Heilbronner 052 838:
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Beachtenswert: das Spanngewicht mitten im Bw und rechts die hohen Kohlenschütten, die ein Jahr später unserem Laudaer Lokführer-Kollegen Geiers Karl zum peinlichen Verhängnis werden sollten – doch diese die Geschichte hab’ ich schon erzählt (hier: [
drehscheibe-online.ist-im-web.de] ).
Bis zur Abfahrt des N 3814, den wir um 12.37 mit 023 038 nach Osterburken bringen sollten, war noch Zeit. So entschloß ich mich trotz aller Müdigkeit nach der kurzen Nacht, den langen Fußmarsch zur Nord-Ausfahrt des Heilbronner Hbf auf mich zu nehmen und hielt diese Ansichten fest:
Mit voller Kraft ziehen die beiden Heilbronner Kabinentender-Loks 050 319 (Vorspann) und 052 646 ihren Dg Richtung Crailsheim durch die Weichenstraße und nehmen krachend Schwung für die Steigung zum Weinsberger Tunnel hinauf, während links die Würzburger 220 002 mit der Crailsheimer 023 027 auf ihren E 1556 aus Stuttgart wartet:
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Die handwerklichen Fehler – 220 unnötigerweise teilweise verdeckt, Zuglok stößt an E-Mast an - bitte ich mir noch nachträglich nachzusehen…
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Weniger spektakulär und lautstark kurz darauf, pünktlich um 10.06 Uhr, die Ausfahrt der Würzburger 220 002 mit der Crailsheimer 023 027, die E 1556 „über’n Buckel“ nach Heidelberg bringen. Die Männer in Schwarz auf der 023 überlassen die Arbeit weitgehend vorn dem Diesel-Kollegen und beschränken sich auf Schmierdampf: „Der muß ja schließlich nur am Rädchen drehen!“
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Die spätere DB-Museumslok V 200 002 ist inzwischen leider dem Feuersturm von Nürnberg-Gostenhof vor zwei Jahren zum Opfer gefallen.
Schließlich noch ein „Blitzlicht“ von unserer Rückfahrt: Blick von 023 038, schon vor dem in Osterburken von N 3814 zum N 3882 mutierten Zug nach Lauda, auf den Gegenzug N 3828, der mit 023 031 vor einer weiteren 023 bei Schwaigern dem Bergrücken des Ahorn und dem Eubigheimer Tunnel zustrebte:
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Ich hoffe, der kleine Rückblick hat gefallen und danke Olaf Ott, der mir zum geschilderten Treffen in Osterburken hinsichtlich der Lok- und Personal-Umläufe auf die Sprünge geholfen hat! So lebhaft mir das Geschehen auch noch vor Augen steht – die technischen Details sind, soweit nicht damals notiert und über die Zeit gerettet, heute, nach über 35 Jahren, doch schon verblasst…
Schöne Grüße aus Aachen und für euch alle eine gute Woche –
Reinhard Gumbert
Edit: Tippfehler - es geht offenbar nicht ohne...
2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2007:10:07:23:39:24.