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[C] Wir bauen ein A...

geschrieben von: Blaulicht

Datum: 08.12.19 11:12

[C] Wir bauen ein A…

Hallo,

Frage: Wie würden wohl die Meisten den Teilsatz aus der Überschrift fortsetzten? Da kommt einem doch sofort das schöne neue Spiel aus Loriots Kultklassiker „Weihnachten bei Hoppenstedts“ Wir bauen ein Atomkraftwerk in den Sinn, selbstverständlich originalverpackt.
Aber darum soll es hier nicht gehen. Man kann den Satz auch mit „Wir bauen ein Arbeitsgerät oder einen Arbeitswagen“ ergänzen und darum soll es nun gehen. Im ersten Teil soll es aber um ein Arbeitsgerät, konkret um einen Gleismesswagen nicht zu verwechseln mit einem Gleismessfahrzeug gehen.


1. Ausgangssituation

Im Zuge des Umspurungs-Vorhaben wurde 1960 eine Liste mit schienengebunden Spezialfahrzeugen erstellt und 1963 in eine Vorlage beim Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik aufgenommen.

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Bild 1: Auszug aus der Vorlage für den Ministerrat 1963 mit den ausgewiesenen schienengebundenen Spezialfahrzeugen.

Wie in einen Beitrag vor wenigen Tagen dargelegt wurde zwischen 1963-67 ein Gleismessfahrzeug für die Nahverkehrsbetriebe der DDR entwickelt.

[www.drehscheibe-online.de]

In der Folge wurden 1970 drei Gleismessfahrzeuge nach Entwicklungen der Deutschen Reichsbahn für die Straßenbahnbetreibe gebaut.
Der VEB Nahverkehr Karl-Marx-Stadt verfolgte diesbezüglich die Anschaffung eines eigenen derartigen Fahrzeuges. Letztlich musste man sich damit abfinden, dass sich Karl-Marx-Stadt gemeinsam mit den VEB Dresdner Verkehrsbetriebe ein Fahrzeug teilen sollten. Dem musste man seinerzeit zwangsläufig zustimmen. Diese Situation befriedigte die Karl-Marx-Städter allerdings nicht. Was blieb demnach übrig? Richtig, selberbauen.
Um den Aufwand in überschaubaren Grenzen zu halten sah man vom Bau eines eigenen Gleismessfahrzeuges ab und favorisierte stattdessen den Bau eine Gleismesswagens. Wie ging das aber vonstatten?


2. Der Weg zur Konstruktion des Gleismesswagens

Am Anfang standen u.a. Fragen wie:
Wer soll die Arbeit übernehmen?
Was soll konstruiert sowie gebaut werden und welchem Zweck dient die Entwicklung?
In welchem Kostenrahmen soll sich das Projekt bewegen?

Hier soll in der Chronologie der Quellen etwas vorgegriffen werden. Mit einem innerbetrieblichen Schreiben vom 18. Februar 1974 konnte der Leiter der Abteilung Gleisbau die drei wichtigsten Fragen in drei Sätzen beantworten.

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Bild 2: Innerbetriebliches Anschreiben des Leiters der Abteilung Gleisbau bezüglich Bau einer Gleismessvorrichtung vom 18.02.1974.
Im Eifer des Gefechts hat man zwar einen richtigen Kostenrahmen benannt, diesen aber falsch ausgedrückt, denn 3000 TM = 3.000.000,-Mark wird man kaum gemeint haben.

Zurück zur eigentlichen Chronologie: Zunächst wurden im November/Dezember 1973 Ziel, Sinn und Zweck der betrieblichen Neuerer-Vereinbarung formuliert und die Mitarbeiter benannt. Es gab auch schon eine erste Vorstellung wie die zu bauende Gleismessvorrichtung aussehen sollte. Der Beginn der Tätigkeit wurde mit dem 1. Dezember 1973 festgelegt. Es bestand die Zielstellung bis zum 31. März 1974 die Konstruktion und die Erstellung der Zeichnungssätze zu beenden. Interessanterweise beschränkte man sich zunächst nur auf die Spurweite von 925mm. Im Laufe der Konstruktionsarbeiten kam die Idee auf, den Messwagen für Schmal- und Regelspur zu konstruieren.

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Bild 3: Das eigentliche noch vorhandene Ausgangsdokument zum Bau des Gleismesswagens benennt die Mitglieder des Neuererkollektivs, den geplanten Realisierungszeitraum bis zum Zeichnungsabschluss sowie Sinn und Zweck des Gefährts. Im Dokument wird der Einsatz im 925mm Netz benannt.
Das Dokument ist bezüglich seiner Erstellung nicht terminiert. Man kann davon ausgehen, dass es um den 1. Dezember 1973 herum verfasst wurde.

Im Januar 1974 wurde dieses Dokument noch einmal überarbeitet, um die noch fehlenden Punkte ergänzt und wuchs von zwei auf vier Seiten an. In der Ergänzung wurde auch die Möglichkeit der Messung von Spurweiten von 925mm und 1435mm manifestiert.

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Bild 4: Ergänztes Themenblatt zum Vorhaben Bau eines Gleismesswagens vom 31. Januar 1974.

Zurück zum weiteren Weg der Konstruktion. Ab Dezember 1973 wurden konstruktive Vorbetrachtungen bezüglich der zu erfassenden Messdaten sowie deren Dokumentation gleistet. Es war diesbezüglich zu klären, was muss an Material beschafft werden, in welchem Maßstab sollen die Messergebnisse dargestellt werden? Weiterhin galt es auch abzusprechen wie der Messwagen bezüglich seiner Erkennbarkeit durch andere Verkehrsteilnehmer gestaltet werden muss. Hierzu soll ein Blick in die erhaltenden handschriftlichen Aufzeichnungen die Gedankengänge der Erbauer darlegen.

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Bild 5: Erste handschriftliche Aufzeichnungen bezüglich der angedachten Konstruktion des Geismesswagens, 1973.

Bis Ende März 1974 sollten die Zeichnungssätze für den Gleismesswagen erstellt sein. Mitte März wurde eine erste Übersichtskizze erstellt. Man kann erkennen, dass es sich um eine tischartige Konstruktion mit Leichtbaurädern unterschiedlichen Durchmessers sowie einem soliden Griff zum Schieben handeln wird. Zugleich ist erkennbar, dass der Gleismesswagen für die Spurweiten 925mm und 1435mm nutzbar sein wird.

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Bild 6: Eine erste Übersichtszeichnung datiert vom 12. März 1974 und zeigt die tischartige Konstruktion mit Leichtbau-Rädern unterschiedlichen Durchmessers und der Möglichkeit des Spurweitenwechsels.

Noch einmal zurück zu den handschriftlichen Aufzeichnungen. Bislang wurden noch nicht alle Punkte die o.g. wurden abschließend geklärt. Ein zweiter Blick in die Aufzeichnungen klärt auf, welche Dinge noch einer genaueren Betrachtung bedurften.

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Bild 7: Handschriftliche Aufzeichnungen vom März 1974 u.a. bezüglich der der Absprache mit Oberleutnant Schauer vom VPKA Karl-Marx-Stadt, Abteilung Verkehrspolizei bezüglich der äußeren Gestaltung des Messwagens sowie der Spurmessvorrichtung, der Anzeigevorrichtung, der Berechnung zum Spießgang der Achsen, möglichen Messabweichungen, der Zeichnungsauflistung und der Berechnung des Getriebes.

Wie ging es nun weiter? Mit einem Schreiben vom 22. Mai 1974 teilte das Neuererkollektiv mit, dass die Konstruktionsarbeiten mit Anfertigung der Zeichnungen bis zum 31. März 1974, also termingerecht, abgeschlossen wurden.

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Bild 8: Betriebsinternes Schreiben vom 22. Mai 1974 bezüglich der termingerechten Fertigstellung der Konstruktionsarbeiten und der zugehörigen Berechnungen sowie der zeichnerischen Unterlagen.

Bis zum 30. Juni 1974 war auch die Messvorrichtung planmäßig fertiggestellt worden. Dies wurde in einem weiteren betriebsinternen Schreiben vom 1. Juli 1974 mitgeteilt.

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Bild 9: Betriebsinternes Schreiben bezüglich der termingerechten Fertigstellung der Messvorrichtung vom 1. Juli 1974.

Bis Anfang August 1974 konnte die Messvorrichtung fertiggestellt, justiert und (zumindest im Betriebshof) erprobt werden. Hierbei konnten noch bestehende Mängel erkannt und behoben werden. Eine Erprobung im öffentlichen Straßenverkehr konnte bislang aber nicht erfolgen.
Der Grund: Gemäß Absprache mit der Verkehrspolizei muss das Gerät über Warnleuchten verfügen – siehe Bild 7, Blatt 1). Die Beschaffung derartiger Warnleuchten oder einer Warnblinkanlage stellte das Neuererkollektiv vor ein Problem, denn diese waren gegenwärtig nicht verfügbar. Auch private Initiative führte hier vorerst nicht weiter.

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Bild 10: Betriebsinternes Schreiben vom 8. August 1974 dass die Gleismessvorrichtung soweit fertiggestellt ist und erprobt wurde. Der Einsatz im öffentlichen Verkehrsraum ist auf Grund des Nichtvorhandenseins der geforderten Warnleuchten zunächst nicht möglich.

Zur weiteren Veranschaulichung soll einmal kurz auf das Problem der Warnleuchten eingegangen werden. Betriebe mussten ihren Bedarf über den Industriegroßhandel abdecken. Hierfür galten festgelegte Industriepreise. Die dort gehandelten Waren wurden teilweise aber auch als Komsumgut zu festen EVP-Preisen (Enderbraucherpreise) im Einzelhandel angeboten. Dies erklärt auch die im o.g. Anschreiben „privaten Bemühungen“. Aber im KFZ-Zubehörhandel waren 1974 zumindest in Karl-Marx-Stadt keine Warnleuchten erhältlich. Damit der Leser sich ein Bild vom „Problemartikel“ machen kann soll an dieser Stelle ein Foto von der begehrten Fahrzeug-Sicherungsleuchte BL2 folgen.
Die Fahrzeug-Sicherungsleuchte BL2 kostete im EVP 56,-Mark und war nicht billig.
Für die Freunde der Formgestaltung sei angemerkt, dass die Fahrzeug-Sicherungsleuchte BL2 seinerzeit von Formgestalter Wolfgang Dyroff gestaltet wurde. Produziert wurde diese Leuchte von der Elektromechanischen Werkstatt Heinz Purschke in Leipzig.

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Bild 11: Fahrzeug-Sicherungsleuchte BL2, Formgestaltung Wolfgang Dyroff, produziert von der Elektromechanischen Werkstatt Heinz Purschke in Leipzig.


3. Zeichnungssatz/Stücklisten

Bis Ende März 1974 wurde der Zeichnungssatz für die Konstruktion des Gleismesswagens erstellt. Insgesamt wurden letzlich 38 Einzelzeichnungen angefertigt wurden. Im weiteren Verlauf wurde eine dreiseitige Stückliste der Einzelteile erstellt.

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Bild 12: Auszug aus der Zeichnungs- und Stückliste für den Bau des neu konstruierten Gleismesswagens.

Zur weiteren Verdeutlichung der Arbeit sollen beispielhaft aus den vielen Einzelzeichnungen einmal einige wenige markante herausgezogen werden, deren dargestellte Einzelteile und Funktion sich jedermann auch ohne Kenntnis des Originalfahrzeuges sofort erschließen.

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Bild 13: Zeichnung Achse komplett – feststehende Antriebsachse, 4. März 1974.

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Bild 14: Zeichnung Welle einstellbar für Spurwechsel 925/1435mm, 5. März 1974.

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Bild 15: Zeichnung Anzeigevorrichtung Gleismesswagen, 4. März 1974.


4. Kosten und Nutzen

Wenn etwas Neues eingeführt werden soll liegen in der Regel Gründe zur Effektivitätssteigerung oder Verbesserung der Arbeitsbedingungen dahinter. So auch beim selbst konstruierten Gleismesswagen. Um die weitere Betrachtung einzuleiten soll zunächst noch einmal auf die handschriftlichen Aufzeichnungen des Jahres 1973 geschaut werden. Hier findet sich eine Darlegung der gegenwärtigen Zustände (1973) bei der Gleisaufmessung. Weiterhin sei noch einmal auf die Punkte 9, 13 und 14 in Bild 4 verwiesen.

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Bild 16: Auszug aus den handschriftlichen Aufzeichnungen zum bisherigen Arbeitskräfteeinsatz bei Gleisaufmessungen, 1973.

Mit dem neuen Gleismesswagen und seiner selbsttätigen Aufschreibung der Messergebnisse sollte zumindest der „Aufschreiber“ entfallen. Durch die dann mögliche permanente Aufschreibung der Ergebnisse hätte sich auch der Zeitbedarf des Meßgehilfen deutlich verringert oder anders herum der Aktionsradius pro Zeiteinheit erweitert.
Welcher Zeitaufwand wurde aber nun für Konstruktion und Bau des Gleismesswagens aufgebracht. Auch hier gibt die vorliegende Akte Auskunft.

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Bild 17: Arbeitsstundenabrechnung für die Neuerervereinbarung Gleismesswagen bezüglich Konstruktion und Bau des Gleismesswagens 1974.


5. Fotos vom Gleismesswagen

Zwischen März und Juli 1974 wurden die Einzelteile des Gleismesswagens gefertigt und nach und nach zusammengefügt. Es gelang auch die von der Verkehrspolizei in Bild 7 und 11 benannten Warnleuchten in Form der Fahrzeugsicherungsleuchte BL2 in zwei Exemplaren zu beschaffen. Damit und in Kombination mit dem Warnanstrich war ein Einsatz im öffentlichen Verkehrsraum möglich.
Zuvor wurde das Gefährt fotogerecht präsentiert. Hierfür engagierte man nicht einen betriebseigenen „Knipser“ sondern holte sich eine Fachkraft ins Haus.

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Bild 18: Fotograf Alfred Hoffmann erhielt die Aufgabe den Gleismesswagen fotografisch zu dokumentieren.

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Bild 19: Gesamtansicht des Gleismesswagens auf 925mm Gleis, 1974.

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Bild 20: Detailansicht Gleismesswagen auf 925mm Gleis, 1974.

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Bild 21: Detailansicht Messarm Gleismesswagen auf 925mm Gleis, 1974.

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Bild 22: Detailansicht Anzeigevorrichtung Gleismesswagen auf 925mm Gleis, 1974.


Schaut man sich die Fotos 19 und 20 genau an, kann man erkennen, dass das Gerät noch nicht vollständig ist. Der Gleismesswagen ist in der Lage die Spurweite sowie die Überhöhung zu messen und anzuzeigen. Es fehlt aber der Antriebsmechanismus für den Aufschrieb der Messergebnisse. An der Antriebsachse ist ein Zahnradritzel für die Aufnahme einer Gliederkette erkennbar. Die Kette selbst fehlt und der Blechkasten unter dem Tisch ist ohne Funktion. Das ursprüngliche Vorhaben die Arbeitskraft des „Aufschreibers“ einzusparen ist damit nicht gegeben.
Warum das Getriebe und die Schreibvorrichtung noch fehlen konnte nicht geklärt werden. Sie wurde auch später nicht nachgerüstet wie ein Foto aus dem Jahr 1976 belegt. Dennoch wurde der Gleismesswagen auch anderen Betrieben vorgestellt. Dies vielleicht auch in der Absicht einen Weg zur Beschaffung des Aufschrieb-Mechanismus in kleinserieller Fertigung zu finden.

Am 22. Mai 1975 wurde der Gleismesswagen Vertretern der Verkehrsbetriebe Halle, Zwickau und Jena vorgeführt. Es wurde grundsätzliches Interesse bekundet, aber offensichtlich konnte oder wollte keiner der beteiligten Betriebe eine kleinserielle Fertigung übernehmen.

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Bild 23: Vermerk über die Vorführung des Gleismesswagens gegenüber Vertretern der Verkehrsbetriebe Halle, Zwickau und Jena am 22. Mai 1975.

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Bild 24: Einsatz des Gleismesswagens mit ausgezogenen Achsen im Regelspurnetz, hier bei der Vermessung der Neubaustrecke Richtung Gablenz in Höhe Augustusburger Straße/Tschaikowskistraße 1976. Die Antriebskette fehlt immer noch und somit erfolgt kein Aufschrieb der Messergebnisse. Man braucht also den Messgehilfen (Schieber) und den „Aufschreiber“ (links).
Zwei der Personen führen schwere Vorschlaghämmer mit. Offensichtlich wurden kleinere Korrekturen der Spurweite mit gezielten Hammerschlägen durchgeführt.


6. Schlussbetrachtung

Die ursprünglich geplante Anschaffung eines eigenen Gleismessfahrzeuges (GNF) musste bereits 1968 verworfen. Stattdessen wurde die gemeinsame Nutzung eines der drei gebauten Gleismessfahrzeuge mit den Dresdner Verkehrsbetrieben vorgeschlagen. Dies wäre aber immer mit aufwendigem Transport und einem Nutzungsvertrag verbunden.

Im Rahmen der Neuererbewegung wurde stattdessen ein eigener Gleismesswagen 1974 konstruiert und gebaut. Eine der damit verbundenen Zielstellungen war die Einsparung von Arbeitskräften.
Es wurde ein grundsätzlich brauchbares Gerät erstellt, dem letztlich aber die Aufgabe der Dokumentation der Messergebnisse nicht übertragen werden konnte. Das Gerät war letztlich bis zu Beginn der 1990er Jahre vorhanden.

Eines Tages stand das Gerät auf dem Schrottplatz im Bhf. Altendorf und wurde auch von den seinerzeit jungen Mitgliedern der Straßenbahnfreunde Chemnitz e.V. entdeckt. Es kam aber damals keiner von uns auf die Idee, dass noch vollständige Gerät zu bergen und museal zu erhalten. Die hier im Beitrag dargelegten Hintergründe zu diesem Gerät waren beim Verein auch nicht bekannt.
Heute zeugen nur noch der vollständige Zeichnungssatz sowie die Dokumentation über Konstruktion und Bau des Gleismesswagens von seiner einstigen Existenz.

Damit schließt sich für heute der Archivschrank wieder. Um noch einmal auf die Einleitung am Beginn des Beitrages und die Anleihe bei Loriots Familie Hoppenstedt zurückzukommen, wo ja auch weitere technische "Raritäten" vorgestellt werden. Vielleicht gibt es hierzu demnächst einen weiteren Teil zu einer technischen Errungenschaft des VEB Nahverkehr Karl-Marx-Stadt.

MfG.

Blaulicht



3-mal bearbeitet. Zuletzt am 2019:12:08:14:13:25.

Re: [C] Wir bauen ein A...

geschrieben von: Bahnhof Mickten

Datum: 08.12.19 15:54

Und wann fallen die Tiere um und stürzen die Häuser ein?

:-)

Schönen zweiten Advent,

Helge

Re: [C] Wir bauen einen Gleismeßwagen..

geschrieben von: 86_018

Datum: 08.12.19 16:17

Hallo Blaulicht,

wie es zu DDR Zeiten üblich war, die Neuererarbeit brachte Punkte im Wettbewerb. Da wurde eben manches Rad nochmal erfunden. Bei der Eisenbahn gab es sowas schon viele Jahre vorher.

https://abload.de/img/imgleismewagenaik5k.jpg

Aber es gab noch kein [www]. um dort danach zu suchen.
Steht heute im Museum der Rollbockbahn in Oberheinsdorf bei Reichenbach.

MfG
Helmut

Re: [C] Wir bauen ein A...

geschrieben von: shuttlefred

Datum: 10.12.19 14:36

Danke für diesen sehr interessanten Beitrag zu einem (sicher nicht nur mir) bislang unbekannten Arbeitsmittel. Die überlieferten Dokumente ermöglichen neben den technischen Aspekten auch einen überaus interessanten Einblick in die damaligen Arbeitsumstände. Allein das Problem der Beschaffung der geforderten Warnleuchte zeigt die damaligen Umstände.

der Shuttlefred

Re: [C] Wir bauen ein A...

geschrieben von: ehemaliger Nutzer

Datum: 11.12.19 23:18

Vielen Dank für den Bericht. Wenn es noch Zeichnungen gibt könnte man dieses interessante Gefährt ja nachbauen.