DREHSCHEIBE-Online 

Anzeige

HIER KLICKEN!
   
   
   

https://www.drehscheibe-online.de/galerie/ds_bild.php?id=201,k2_178175-0894242de.jpg
Foto enthält Positionsdaten zur Ansicht bei: DS RailView | OpenRailwayMap | Google Maps | Bing Maps
   
Eine alte Dame unterquert die ,,Unvollendete"
   
geschrieben von JH-Eifel am: 26.11.20, 20:15
Aufrufe: 1302

Am Karsamstag, den 11.04.2020 um 13:36 Uhr passiert 221 122 der Efw, als Tfzf 93273 Bahnkilometer 13,8 und die Feldwegbrücke bei Bliesheim auf der Kursbuchstrecke 474 Richtung Euskirchen. Nachdem die V200 über den rechten Rhein aus Mainz nach Köln gelangte, um dort noch eine ihrer Efw-Schwestern der Baureihe V160 abzusetzen, ging es dann weiter in die Voreifel. Dort wurde 221 122 für Schotterzüge bei Bauarbeiten im Raum Rheinbach benötigt. Nach ein wenig Warten in der Frühjahrssonne und der bei solchen Bauzügen oft üblichen Verspätungen gelang eine Ablichtung dieser für ungefähr eine Stunde früher annoncierten Leistung. Ist es auch nur ein Lok-Zug, so stellt diese Leistung einen würdigen Ersatz für die an Karfreitagen oft verkehrenden Gesellschaftssonderzüge dar und gibt durch den fehlenden Zug den Blick ungehindert frei auf die unterquerte ehemalige Bahnbrücke, auf welche ich später eingehen möchte. Insofern war ich froh, dass es fast so wirkte, als wenn die Bahn in dieser durch Corona geprägten Zeit ein attraktives Bauzugprogramm als Ersatz für die fehlenden Sonderzüge aufgelegt hatte.

Die Lokomotive mit Kraus-Maffei Fabriknummer 19242 wurde 1964 bei der Bundesbahn in Dienst gestellt und ist in Ihrem Leben bereits weit herumgekommen. So ist sie nach Beheimatungen in z.B. Villingen, Oldenburg, Gelsenkirchen, oder Oberhausen nach Ihrer Ausmusterung am 26.09.1987 bei der Deutschen Bundesbahn zuletzt Griechenland (1989-2002) und bei der Prignitzer Eisenbahn GmbH (2002-2003) eingesetzt worden. So schön diese alte Dame in ihrem historischen Kleid anzusehen mag sein und sicherlich in diesen Wochen des Öfteren auf der Wunschliste der ein oder anderen Fotografen stand, umso interessanter ist das Motiv, welches Sie durcheilte. Fehlte mir jedoch bissweilen immer noch ein passender schöner Zug um dieses historische Relikt mitten im Wald nahe des Bliesheimer Autobahnkreuzes (A61 und A553) bei Erftstadt / Liblar umzusetzen.

Die im Hintergrund als Feldwegbrücke genutztes Bauwerk hat eine besondere historische Bedeutung und ist dem Kenner sicherlich gleich ins Auge gefallen. Es handelt sich um die Brücke der unvollendeten strategischen Ruhr-Mosel-Entlastungslinie. Die Strecke sollte von Holzheim über Liblar und Rheinbach zur Ahrtalbahn nach Rech führen. An dieser Strecke sind einige Bauwerke auch heute noch zu erkennen. In nächster Umgebung, im Ahrtal lassen sich ebenfalls deutliche Relikte erkennen. Einige wurden teilweise einer Umnutzung unterzogen. Einer der Tunnel an der Ahr wurde z.B. zum Eingang des ehemaligen Regierungsbunkers. Die Bauarbeiten und Planung der strategischen Bahnstrecke begannen noch kurz vor dem Ersten Weltkrieg. Die Fertigstellung wurde durch den Beginn des Krieges 1914 unterbrochen. Eine Weiterführung der Baumaßnahmen wurde nach dem Krieg durch die französischen Besatzungstruppen gestoppt. Diente doch die geplante Strecke vornehmlich dem Zwecke eines Aufmarsches gegen Frankreich. Über diese Strecke sollten die Züge zügig das Elsass, Saarland und Lothringen erreichen können ohne Ballungsgebiete zu passieren. Die geplante Strecke sollte zweigleisig ausgeführt werden und bedurfte gerade beim Abstieg in das Ahrtal aufwendiger Bauwerke, um den deutliche Höhenunterscheid überwinden zu können. Die strategischen Planungen standen unter dem Einfluss des damaligen preußischen Generalstabschef Alfred von Schliefen, welcher einen großen Teil solcher Bahnlinien planen ließ. Der noch 1911 zum Generalfeldmarschall beförderte Schlieffen selbst wurde 1906 zur Disposition gestellt. Er starb 1913 und erlebte weder die Fertigstellung der Bahnstrecke noch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges, welcher im militärischen Verlauf maßgeblich von seiner strategischen Planung beeinflusst wurde. Die Wichtigkeit der Eisenbahn hatte er vor allem aus den Lehren der Reichseinigungskriege und den Ideen des Generalfeldmarschall Helmut Graf von Moltke erkannt. Der Eisenbahntransport war für die Zuführung von Material und Truppen an die Front von enormer Bedeutung; was auch durch die seit 1871 aufgestellten Eisenbahn-Bataillonen und Regimenter, sowie deren Ausbau manifestiert wurde. Regional war es auch nicht verwunderlich, dass im Vorfeld der wichtigen Festung Cöln besonderen Wert auf den strategischen und taktischen Eisenbahntransport gelegt wurde, zumal das Umland in den Verteidigungsplanungen der Festung Cöln mit eingebogen wurde. Die Bedeutung der Eisenbahn im Bereich der nahen Festung Cöln wurde auch durch den Einsatz eines eigenen für die Festung Cöln zuständigen Verkehrsoffizier vom Platz deutlich. Von der hier erwähnten strategischen Bahn sind heute nur die Abschnitte beim Güteranschluss des Kraftwerkes Nießeraußem und die RB38 bei Horrem noch in Betrieb.


Bildmanipulation: Das Graffiti am unteren rechten Brückenpfeiler wurde geringfügig gemildert und unkenntlich gemacht.



Zuletzt bearbeitet am 26.11.20, 20:23

Datum: 11.04.2020 Ort: Bliesheim Land: Nordrhein-Westfalen
BR: 220,221 (alle V200-west) Fahrzeugeinsteller: Efw
Kategorie: Zug schräg von vorn

EXIF-Daten:
Bildgröße: 800 x 1280 Pixel


geschrieben von: Rübezahl
Datum: 28.11.20, 13:35

Überaus feines Voreifel -Motiv !!

* und Gruß

Rübezahl

geschrieben von: Frank H
Datum: 29.11.20, 11:10

Dieses Bild gefällt mir wirklich ausnehmend gut, auch wenn der Lok natürlich ein paar Wagen gut gestanden hätten. Aber so fokussiert sich der Blick halt auf das (in diesem Fall) Besondere, und auch die Stelle ist mit der Kurve, der fotogenen Brücke und den ansatzweise blühenden Bäumen sehr schön gewählt! Hätte ich dort gestanden, wäre es mein Kalenderbild für den kommenden April geworden (so wurde es die gleiche Lok vor dem Rotenfels ;) )

* und viele Grüße,

Frank

geschrieben von: JH-Eifel
Datum: 04.12.20, 15:15

Besten Dank für das Lob von allen. Die gleiche Lok am Rotenfels hatte ich auch auf der Agenda, leider gibt es auch Tage an denen man keine Zeit zum Fotografiren hat:). So muss ich mich mit diesem Bild zufrieden geben.

direkter Link zu diesem Beitrag:


(c) 2024 - Arbeitsgemeinschaft DREHSCHEIBE e.V.