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Terres rouges
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 10.03.24, 16:48
Noch fahren sie, die luxemburgischen Ableger der Z2-Familie, bei den CFL als Reihe 2000 bezeichnet. Doch die Ablösung in Form fabrikneuer Coradia Stream steht schon in den Startlöchern! Sofern sich deren bereits wegen der Corona-Pandemie nach hinten verschobene Betriebsaufnahme nicht nochmals verzögert, dürften in den nächsten Wochen und Monaten die ersten Exemplare in den Fahrgasteinsatz gelangen... Es wird also auch im Großherzogtum zunehmend eng für die mittlerweile über 30 Jahre alten Z2.

Aktuell gehören neben Einsätzen als Doppeltraktion von Luxemburg Stadt über Ettelbrück nach Diekirch sowie dem Pendel auf der Nebenstrecke Kautenbach - Wiltz im Ösling vor allem die drei kurzen Stichbahnen im Süden des Landes zum Refugium der Klassiker: Bettembourg - Volmerange-les-Mines (F), Noertzange - Rumelange und Esch-sur-Alzette - Audun-le-Tiche (F). Hier sind wir im Land der Roten Erde, von den Luxemburgern Minett oder Terres Rouges genannt. Der Name rührt vom kräftigen Rot des Erzes her, das maßgeblich zum wirtschaftlichen Aufschwung der Eisen- und Stahlindustrie ab dem 19. Jahrhundert und bis in die 1960er Jahre beitrug.

Vieles davon ist heute passé, aber die verbliebenen Zeugen des außergewöhnlichen Industrieerbes der Region erlauben eine Reise in die Vergangenheit. Eine hervorgehobene Stellung nimmt dabei sicher der Komplex des ehemaligen Hochofens von Belval ein, dem nach dem endgültigen Erkalten des Feuers als Ort für Kulturveranstaltungen und Außenstelle der Universität (Cité des Sciences, de la Recherche et de l’Innovation) neues Leben eingehaucht wurde. Doch auch abseits der großen Attraktionen wartet das Grenzgebiet zu Lothringen mit zahlreichen interessanten Landmarken auf, die untrennbar mit der örtlichen Industriegeschichte verbunden sind.

In Audun-le-Tiche, bereits auf Lothringer Seite der Grenze gelegen, ist es ein unübersehbarer Koloss aus Eisen und Stahl, der das Tal der Alzette überspannt: 375 Meter lang, 30 Meter hoch, 12 Segmente stark. Über den Viadukt führt die seit den 1990er Jahren stillgelegte Bahnlinie nach Fontoy an der Artère Nord-Est, die Verlängerung der bis heute betriebenen, darunter verlaufenden Strecke Esch - Audun-le-Tiche. Grenzüberschreitende Züge mussten einstmals eine lange Schleife beschreiben, um auf die höhere Ebene zu gelangen. Vor der Deelektrifizierung krochen unter anderem schwere Montanzüge mit den nur 60 km/h schnellen "fers à repasser" der SNCF-Reihe CC 14100 über das Bauwerk.

Am frostigen 3. März 2023 stand ich exakt auf der Staatsgrenze, als ich mit bibbernden Fingern den Auslöser für die RB 6461 (Audun-le-Tiche - Esch-sur-Alzette) drückte. Der Z2 mit der Nummer 2010 befand sich gerade noch auf französischem Boden, während die sich in meinem Rücken erstreckende Industriebrache, an der beinahe die komplette Fahrt bis zum nur wenige Kilometer entfernten Endbahnhof entlang führt, schon zum luxemburgischen Esch gehört.

Datum: 03.03.2023 Ort: Audun-le-Tiche [info] Land: Europa: Frankreich
BR: LU-2000 Fahrzeugeinsteller: CFL
Kategorie: Zug schräg von vorn
Top 3 der Woche: 8 Punkte

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Au canal des houillères
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 02.03.24, 17:40
Mit seinen 65 Kilometern Länge schafft der Saar-Kohlen-Kanal/Canal des Houillères de la Sarre seit den 1860er Jahren eine Verbindung zwischen dem saarländischen Montanrevier und dem Rhein-Marne-Kanal bei Gondrexange. Die auf ein Dekret von Kaiser Napoleon I. zurückgehende Wasserstraße stellte im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert einen wichtigen Transportweg für - der Name lässt es bereits erahnen - saarländische Kohle in Richtung der französischen Industriezentren dar und erleichterte in Gegenrichtung zugleich die Versorgung der Hüttenwerke an der Saar mit Eisenerz. Im Zusammenhang mit dem Kanalbau wurde nämlich auch die Saar von Saargemünd/Sarreguemines bis Luisenthal und Ensdorf kanalisiert, ein Jahrhundert bevor die Großschifffahrt von deutscher Seite aus das Saarland erreichte!

Längst hat der Kohlenkanal seine Bedeutung für den Gütertransport eingebüßt, eine Entwicklung, die wie auf vielen anderen französischen Kanälen schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann. Denn zu dieser Zeit wurden die meisten Bahnlinien eröffnet, die den Lauf der heute nur noch freizeitmäßig genutzten Wasserstraße begleiten. Bei Wittring überquert die Strecke Sarreguemines - Straßburg den Kanal gleich mehrfach, unter anderem mittels einer fotogenen Stahlfachwerkbrücke.

Bis in den Herbst 2022 hinein polterten mehrmals pro Woche auch Güterzüge von und nach Sarralbe über das Bauwerk. Am 24. März 2021 war es die DE18 309 der CFL Cargo mit einer Leine leerer Propen/Propylen-Kesselwagen, welche die Lok früher am Morgen aus dem Gleisanschluss des Solvay/Ineos-Chemiewerks abgeholt hat: [www.drehscheibe-online.de] Zunächst wird sie die unter der Zugnummer 63752 (Sarralbe - Hausbergen) laufende Fuhre nach Sarreguemines bringen, wo der Zug umfahren werden kann, um gut eine Stunde später in Gegenrichtung nochmal vorbei zu kommen und schließlich über die "Ligne 9" quer durch die Nordvogesen Kurs auf den Straßburger Rangierbahnhof zu nehmen. Seit Inbetriebnahme einer neuen Pipeline von Carling nach Sarralbe ist dieser Zug - wie der gesamte Bahnbetrieb im einstigen Nebenbahnknoten - Geschichte. Verkehrswege überholen sich, wie uns schon der Saar-Kohlen-Kanal gelehrt hat...

Zuletzt bearbeitet am 09.03.24, 11:38

Datum: 24.03.2021 Ort: Wittring [info] Land: Europa: Frankreich
BR: LU-DE18 Fahrzeugeinsteller: CFL
Kategorie: Bahn und Infrastruktur
Top 3 der Woche: 16 Punkte

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Link(s) Natursteine, rechts Mühlauhafen
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 25.02.24, 18:15
Mit jährlich rund acht Millionen Tonnen umgeschlagener Güter ist der Mannheimer Hafen einer der bedeutendsten Binnenhäfen Europas. Neben Rheinau-, Industrie- und Altrheinhafen zählt dazu auch der innenstadtnahe (und deshalb immer wieder zur Diskussion gestellte) Handelshafen, dessen älteste Teile in die 1870er Jahre zurückreichen.

Im Jahr 1880 wusste "Die Gartenlaube", ein "illustriertes Familienblatt" (heute würde man wohl von einer Boulevardzeitung sprechen), zu berichten: "Am 15. August 1875 feierte die Stadt Mannheim ein Fest, großartig in seinen Dimensionen, glänzend in seinem Verlaufe, hervorragend durch seine Bedeutung. Es galt der Eröffnung der neuen Hafenanstalten. Und Mannheim hatte in der That alle Ursache, diesen Eröffnungsact festlich zu begehen, denn mit der [...] Fertigstellung des großen Hafencanals und einiger anderen Abtheilungen des Gesammthafens hatte eine lange Periode ständiger Verlegenheiten für Handel und Verkehr ihren Abschluß gefunden, und da gleichzeitig auch der inmitten des Hafengebiets gelegene Centralgüterbahnhof vollendet worden war, so waren damit diejenigen Voraussetzungen erfüllt, welche unbedingt zutreffen mußten, sollte Mannheim das Emporium Süddeutschlands für den Großhandel in Colonialwaaren, Droguen, Getreide, Tabak etc. sowie für den Speditionshandel bleiben können." (Die Gartenlaube, 1880, Heft 8, S. 134/135)

Zentraler Bestandteil dieser Idee "des genialen badischen Handelsministeris Mathy [...], dessen Scharfblick es nicht entgehen konnte, daß eine Verbesserung der Mannheimer Hafen- und Verkehrsanstalten gleichbedeutend war mit der Förderung der Interessen der badischen Staatsbahnen" war der "große Hafencanal", der mittlerweile auf den Namen Mühlauhafen hört. Daran, dass sich "auf dem rechten Ufer der Centralgüterbahnhof, auf dem linken der Fruchtbahnhof" anschließt, hat sich bis heute wenig geändert. Einzig die bahnseitigen Verkehre haben sich äußerst unterschiedlich entwickelt. Während der Hauptgüterbahnhof u.a. dank des angegliederten Containerterminals rege bedient wird, werden die Gleise des (ehemaligen) Fruchtbahnhofs in aller Regel nur einmal in der Woche befahren.

Dann nämlich bekommt die dort angesiedelte Firma Link Natursteine, die mit Baustoffen, Erden und eben Natursteinen im großen Stil handelt, Quarzsand per Bahn zugestellt. Am eiskalten 1. März 2021 war 294 658 für die Bedienung eingeteilt. Der erste Corona-Winter, der Grenzübertritte nur unter erschwerten Bedingungen zuließ, führte dazu, dass ich die schon lange geplante Dokumentation dieses Zuges endlich einmal in die Tat umsetzte. Seit meiner Schulzeit im nahen Elisabeth-Gymnasium stand das auf dem Zettel... Neun Jahre nach dem Abi konnte schließlich ein Haken dran gesetzt werden. ;)

Während die Lok, die für das Rangieren der Tads mehrere Stunden vor Ort bleiben muss, Wagen für Wagen über den Entladebunker zog und dabei jeweils nur wenige Meter vorankam, pflügten die beiden Nilgänse rechterhand in wesentlich sportlicherem Tempo durch das Wasser des Mühlauhafens. Die dampfenden Fabrikanlagen im Hintergrund (jenseits des Rheins) gehören bereits zur BASF auf Ludwigshafener Gemarkung.

Datum: 01.03.2021 Ort: Mannheim, Handelshafen [info] Land: Baden-Württemberg
BR: 294 (alle V90-Baureihen) Fahrzeugeinsteller: DB
Kategorie: Zug schräg von vorn
Top 3 der Woche: 13 Punkte

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O lu trenu di Balagna
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 23.02.24, 19:12
- Fortsetzung und Schluss zu [www.drehscheibe-online.de] -

Mit dem letzten Teil meiner bildlichen Reise durch Korsika möchte ich zu einen kleinen Ausflug in die musikalische Tradition der Insel einladen. Denn wie - völlig zu Recht - unter anderem der Internetauftritt der Stadt Bonifacio verrät: "Es ist unmöglich die korsische Kultur zu erkunden, ohne ein Polyphoniekonzert angehört zu haben! Tauchen Sie in die Tiefen der korsischen Seele ein, ein Genuss für die Ohren, dem man sich nicht widersetzen kann!"

Es geht dabei um das ureigenste Stück korsischen Liedguts: Die Paghjella, den polyphonen Männergesang der korsischen Volksmusik. Sie entwickelte sich wohl aus dem gregorianischen Choral der Kirchenmusik, fand schnell aber auch ihren Weg über die Kirchen hinaus (obwohl sie immer noch bevorzugt dort gesungen wird) in das weltliche, traditionelle Korsika. Generationen von Hirten und Handwerkern, Fuhrleuten und Dorfbewohnern entwickelten über Jahrhunderte eine ganz eigene Kunst: Die tiefste von insgesamt drei Stimmen (u bassu) begleitet die mittlere Stimme (a segonda), welche die Melodie trägt. Die dritte und höchste Stimme (a terza) komplettiert mit ihren verzierenden Einsätzen das stimmliche Bild. Die Liedtexte sind Zeugen ihrer jeweiligen Entstehungszeit und besingen vergangene Epochen, die Liebe, die korsische Natur oder die Jungfrau Maria. Der Clou: Indem die Texte leicht versetzt gesungen werden, entsteht der faszinierende Effekt eines Widerhalls.

Herausgesucht habe ich mit „Versu balaninu“ eine Ode an die Balagne, den Landstrich im äußersten Nordwesten Korsikas, durch den auch die gleichnamige „Tramway“ verläuft: [www.youtube.com]

Auch beim Auslösen des Fotos, das den als Zug 341 (L’Île-Rousse – Calvi) in den Sonnenuntergang fahrenden X 97054 samt Remorque zeigt, hatte ich die zugleich schöne und traurige, wehmütig stimmende Melodik der Paghjella noch in den Ohren, wie ich sie am Vorabend in der Dorfkirche des kleinen Bergnests Speloncato genießen durfte. Eine unvergleichliche Atmosphäre und ein ausgesprochen schönes Alternativprogramm zu Feuerwerk und militärischem Défilé am 14. Juli!

Natürlich beschränkt sich die korsische Musik nicht auf die 2009 von der UNESCO in die Liste des dringend erhaltungsbedürftigen immateriellen Kulturerbes aufgenommene Paghjella. Aber auch vielen anderen Liedern von der Insel sind die korsische Sprache und die Tendenz zu getragenen, melancholischen Melodien gemein. (Mindestens) eines über „U trinighellu“ – die Schmalspurbahn – gibt es selbstverständlich auch. „A canzona di u trenu“ [www.youtube.com] ist in seiner originalen Fassung allerdings alles andere als ein Plädoyer für die Bahn… Sie habe den Kutschern und Gastwirten in den kleinen Bergdörfern die Arbeit geraubt und man möge doch am besten auf sie und ihre Fahrgäste schießen.

Heute alles keine Gefahren mehr, die einen von einer Reise auf die Île de Beauté abhalten sollten. In diesem Sinne: Au revoir! – Oder auch: Avvèdeci!

Datum: 15.07.2023 Ort: Lumio [info] Land: Europa: Frankreich
BR: FR-X 97050 Fahrzeugeinsteller: CFC
Kategorie: Stimmungen mit Zug
Top 3 der Woche: 15 Punkte

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Promenade au bord de la mer
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 10.02.24, 17:55 sternsternstern Top 3 der Woche vom 18.02.24
- Fortsetzung zu [www.drehscheibe-online.de] -

Zurück in den äußersten Nordwesten Korsikas, wo die Balagne-Küste nicht nur zum Zugfahren und Baden einlädt, sondern auch ein ergiebiges Revier für Spaziergänge und kleinere Wanderungen mit Meerblick bietet! Besonders gut kombinieren lassen sich alle drei Aktivitäten, wenn man vom Haltepunkt Bodri - zwischen Strand und gleichnamigem Campingplatz gelegen - dem schmalen Fußpfad in Richtung L'Île-Rousse folgt. Er bahnt sich immer entlang des Küstensaums seinen Weg durch die bunt blühende, duftende Flora und über mitunter bizarr geformte Steinformationen.

An seinem Ende lockt nicht nur der Ausblick auf die L'Île-Rousse vorgelagerten Pietra-Inseln samt kleinem Fährhafen [www.drehscheibe-online.de] , sondern auch eine wunderschöne, seichte (Kies-)Badebucht, wo es gleich viel entspannter zugeht als an der rummeligen Plage de Bodri selbst, die mit ihrem feinen Sandstrand und der angegliederten Bar nicht nur Campingplatzbesucher in ihren Bann zieht und entsprechend gut gefüllt ist. Jeder findet hier also auf wenigen Kilometern das, was ihm gefällt. Egal, wie man sich entscheidet: Badesachen einpacken nicht vergessen!

Nach einem ausgiebigen Bad und Chill Out in besagter Bucht trieb am schon fortgeschrittenen Abend ein böig auffrischender Nordwestwind dichte Schleierwolken vor die Sonne. Das Signal, einzupacken und den Rückweg in Angriff zu nehmen... Die See zeigte sich jetzt - für Mittelmeerverhältnisse im Hochsommer - bemerkenswert aufgewühlt und die salzige Gischt spritzte teilweise bis zum Pfad hinauf. Als passend zum Train 341 (L'Île-Rousse - Calvi), dem letzten Zug des Tages, die Sonne nochmals zwischen Wolkendecke und Horizont zum Vorschein kam und die komplette Szenerie in ein goldgelbes Licht tauchte, musste aber natürlich ein kurzer Zwischenstop eingelegt werden. :)

PS: Die Rückstände eines eher liederlich entfernten Graffitis am Beiwagen habe ich virtuell vollständig wegpoliert.

Zuletzt bearbeitet am 10.02.24, 17:58

Datum: 13.07.2023 Ort: Bodri [info] Land: Europa: Frankreich
BR: FR-X 97050 Fahrzeugeinsteller: CFC
Kategorie: Bahn und Landschaft
Top 3 der Woche: 30 Punkte

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Dans la vallée des vaches
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 04.02.24, 15:44
- Fortsetzung zu [www.drehscheibe-online.de] -

In Ponte-Leccia zweigt von der transkorsischen Hauptstrecke die 73 Kilometer lange "Ligne de la Balagne" ab, die den gleichnamigen Landstrich im Nordwesten der Insel erschließt, allen voran die Hafenstädte L'Île-Rousse und Calvi. 1879 wurde sie in das "réseau complémentaire" des Plan Freycinet, der allen Franzosen einen Zugang zur Eisenbahn gewähren sollte und gesetzliche Grundlage zahlloser Nebenbahnen war, aufgenommen, ein Jahrzehnt später in zwei Abschnitten eröffnet: Am 10. Januar 1889 von Ponte-Leccia bis Palasca, am 15. November 1890 von Palasca zum Streckenendpunkt Calvi.

Bereits kurz hinter Ponte-Leccia taucht die Bahn dabei in eine weitgehend unbesiedelte Gegend ein. Noch einmal stärker zeigt sich dieser Charakter der völligen Abgeschiedenheit nach Passieren des ehemaligen Bahnhofs von Pietralba - viele Kilometer und einige Höhenmeter vom zugehörigen Bergdorf entfernt -, von wo aus die Gleise sich in einer Aneinanderreihung von Kurven und Gegenkurven dem Scheitelpunkt der Strecke entgegen winden. Die parallel durch das Flusstal führende Straße hat seit Eröffnung der gut ausgebauten Route territoriale 30 "La Balanina" im Jahr 1998 ihre verkehrliche Bedeutung weitgehend eingebüßt, sodass die allerorts weidenden Kühe, Schaf- und Ziegenherden das Asphaltband zunehmend für sich erobert haben.

Am Morgen des 16. Juli 2023 war ich im "Tal der Kühe" unterwegs, um den Pont de Volparone - einen der wenigen Kunstbauten der kostengünstig errichteten Nebenlinie - aus erhöhter Warte zu fotografieren. Um halb neun durchbrach das Brummen des AMG 800 als Zug 100 (Calvi - Ponte-Leccia) kurzzeitig die sonst nur äußerst selten von Motorengeräuschen gestörte Stille.

Es ist einer von zwei täglichen Zügen pro Richtung - einer am Morgen, einer am Nachmittag. Das Angebot ist damit zahlenmäßig und auch von der Fahrplanlage her seit Eröffnung der Strecke vor 130 Jahren praktisch identisch, wie ein Blick in alte Kursbuchtabellen belegt... Nur das Rollmaterial hat sich natürlich verändert. Über viele Jahre hinweg konnten wegen des mäßigen Oberbaus nur leichte Fahrzeuge wie die kurzen Billard-Triebwagen oder das kuriose "Sous-marin de Calvi", ein selbst konstruierter Locotracteur, die "Ligne de la Balagne" befahren. In jüngerer Vergangenheit wurde sie allerdings mehrfach ertüchtigt und seit Mitte 2013 sind auch hier die omnipräsenten AMG 800 für die beiden "Fernzüge" zuständig. Einzig die "Soulés" haben zwischen Calvi und L'Île-Rousse auf der "Tramway de Balagne" noch ihre Nische gefunden, wohin uns der nächste Teil der Reise wieder zurückführen wird.

In der Galerie ist die Brücke übrigens keine Unbekannte. Carsten und Olli waren auch schon hier und haben sie in unterschiedlichen Varianten interpretiert: [www.drehscheibe-online.de] , [www.drehscheibe-online.de]

Zuletzt bearbeitet am 04.02.24, 17:21

Datum: 16.07.2023 Ort: Pietralba [info] Land: Europa: Frankreich
BR: FR-AMG 800 Fahrzeugeinsteller: CFC
Kategorie: Bahn und Landschaft
Top 3 der Woche: 12 Punkte

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Les caprices du ciel corse
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 27.01.24, 15:09
- Fortsetzung zu [www.drehscheibe-online.de] -

Wie angekündigt kehren wir der korsischen Küste vorübergehend den Rücken und machen uns auf ins bergige Landesinnere der Insel. Diese nicht minder beeindruckende Landschaft wird von Nordosten nach Südwesten von der 157 Kilometer langen transkorsischen Hauptstrecke Bastia - Ponte-Leccia - Corte - Ajaccio durchquert, die sich mit Steigungen von bis zu 30 Promille ihren Weg durch anspruchsvolles Terrain bahnt. Wenig überraschend sind es somit die Kunstbauten, die auch nach der vollständigen Übernahme des Regelbetriebs durch die modernen AMG 800 im Jahr 2012 noch genug Faszination ausstrahlen, um der Strecke die fotografische Aufwartung zu machen.

Mehr als 50 Tunnel, darunter der 3916 Meter lange Scheiteltunnel von Vizzavona, sowie unzählige Brücken und Viadukte mussten von 1878 bis 1894 errichtet werden, um der Strecke - mal entlang wilder Gebirgsflüsse, mal quer durch schroffe Felslandschaften - den Auf- und Abstieg von den Küsten ins Gebirge und wieder zurück zu ermöglichen. Neben dem berühmten, von Gustave Eiffel errichteten Viaduc du Vecchio im Zentralabschnitt zählt der Steinbogenviadukt unmittelbar am Stadtrand von Corte zu den besonders markanten Bauwerken. Bekannt ist er unter verschiedenen Namen: Der offiziellere davon ist wohl "Viaduc d'Aghili", der plakativere mit Sicherheit "Le Centu Chiave", was auf korsisch soviel wie "Hundert Bögen" bedeutet. In der Realität sind es zwar nur vierzehn, was der optischen Wirkung allerdings keinen Abbruch tut.

Am Abend des 14. Juli 2023 erklomm ich den zugewucherten Hang hinauf zu einer alten, steinernen Cabane, aus deren Schatten sich ein schöner Blick auf die "Centu Chiave" bot. Ob das Bruchsteingebäude wohl bald einer Erweiterung des benachbarten Neubaugebiets zum Opfer fallen wird...? Denn auch wenn auf dem Bild alles nach wilder Bergeinsamkeit aussieht, steht das Grundstück als Bauland zum Verkauf. Das kleine, aber lebendige Corte, das im 18. Jahrhundert während der korsischen Unabhängigkeit unter Pasquale Paoli kurzzeitig Inselhauptstadt war, dehnt sich aus. Die Università di Corsica, die - natürlich - den Namen des verehrten Inselhelden trägt, ist dabei sicher ein maßgeblicher Faktor.

Spannend machte es mal wieder das Wetter, das sich im korsischen Hochgebirge mitunter auch dann kapriziös zeigt, wenn an den Küsten bei 38 Grad die Sonne vom makellos blauen Himmel brennt. Gewittergrollen und sich empor türmende Quellwolken sorgen nicht nur bei Wanderern auf dem berüchtigten GR20 regelmäßig für bange Blicke nach oben - Auch die Nerven des Bahnfotografen werden strapaziert, wenn die Sonne immer wieder an den sich minütlich verändernden Konturen der Wolken kratzt oder für längere Zeit hinter einer von ihnen verschwindet. Planbar ist das alles kaum. Letztlich näherten sich im Vorder- und Hintergrund schon wieder dunkle Schatten eines herumwabernden, mehr oder weniger ortsfesten Cumulus, als Zug 9 (Bastia - Ajaccio) sich in gemächlichem Tempo über den Viadukt schob. Aber die Brücke selbst bekam noch Sonne ab, Glück gehabt!

Zuletzt bearbeitet am 27.01.24, 18:10

Datum: 14.07.2023 Ort: Corte [info] Land: Europa: Frankreich
BR: FR-AMG 800 Fahrzeugeinsteller: CFC
Kategorie: Bahn und Landschaft
Top 3 der Woche: 16 Punkte

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Aïe, ça pique !
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 20.01.24, 16:10
- Fortsetzung zu [www.drehscheibe-online.de] -

Am nächsten Tag - dem französischen Nationalfeiertag, von dem in der korsischen Balagne allerdings nicht viel zu spüren war - hatte man die am Vortag auf der "Tramway de Balagne" zwischen Calvi und L'Île-Rousse eingesetzte Traktion X 97055 + XR 9702 gegen die zweite für die Sommersaison in Calvi vorgehaltene Einheit aus X 97054 samt zugehöriger Remorque getauscht. Damit war mir auch schon der Gesamtbestand der zu diesem Zeitpunkt im Planbetrieb fahrenden Soulés begegnet. Denn der Rest der mittlerweile ältesten Triebwagen-Serie der Chemins de Fer de la Corse, die von Soulé ab 1989 in Bagnères-de-Bigorre produziert wurde und bis zur vollständigen Inbetriebnahme der neuen AMG 800 im Jahr 2012 das Rückgrat des Zugverkehrs auf der Insel-Hauptstrecke Bastia - Ajaccio bildete, steht heute in der Zentralwerkstatt Casamozza auf Reserve oder rottet im kleinen Bahnhof von Francardo neben den Gleisen vor sich hin...: [www.flickr.com]

Die erste "Tramway" des Tages - Zug 330 (Calvi - L'Île-Rousse) - kurvte gegen drei viertel acht vor dem Hintergrund der Baie de Calvi und der Halbinsel La Revellata mit ihrem Leuchtturm durch die typische Macchia-Landschaft. Das Strauchwerk, das sich wie ein grün-brauner Teppich über weite Teile der Insel legt, hat zwei (wenn nicht viel mehr...) Gesichter, die sich wortwörtlich mit allen Sinnen erspüren lassen. Einerseits duftet die Macchia mit ihrer Mischung aus Kräutern wie Myrte, wildem Rosmarin, Wacholder oder Lavendel in den angenehmsten Geruchsnoten, gerade wenn diese sich mit der salzigen Seeluft verbinden. Andererseits zeigt sie sich auch als schier undurchdringliches Dickicht aus ineinander verschlungenen Ranken und Dornen, das jeden noch so kurzen Fußweg abseits der Pfade zur Tortur werden lassen. So fluchte auch ich leise, als ich mich langsam - mehr als einmal zur Umkehr und dem Einschlagen eines neuen Weges gezwungen - zu meinem anvisierten Aussichtspunkt kämpfte. Der Blick sprach dann aber für sich und ließ sich auf einem in der Morgensonne langsam wärmer werdenden Stein auch ausgiebig genießen. Nur nach der Zugdurchfahrt ging es wohl oder übel noch mal in umgekehrter Richtung durch Ginster und Co zurück zum Weg... ;)

Im nächsten Teil unserer fotografischen Reise machen wir dann einen Abstecher ins Inselinnere!

Zuletzt bearbeitet am 20.01.24, 18:16

Datum: 14.07.2023 Ort: Lumio [info] Land: Europa: Frankreich
BR: FR-X 97050 Fahrzeugeinsteller: CFC
Kategorie: Bahn und Landschaft
Top 3 der Woche: 17 Punkte

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Kalliste
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 14.01.24, 13:54 sternsternstern Top 3 der Woche vom 28.01.24
Korsika ist weithin berühmt für seine landschaftliche Schönheit, seien es die schroffen Felsformationen des korsischen Hochgebirges entlang des berüchtigten GR20, die menschenleeren Weiten des kargen Binnenlandes oder die pittoresken, in den aberwitzigsten Farben leuchtenden Küsten. Dementsprechend hat sich im Laufe der Zeit eine erkleckliche Zahl von Beinamen für die viertgrößte Insel im Mittelmeer herausgebildet. Im Französischen ist sie landläufig als "Île de Beauté" bekannt und eine Legende besagt, dass bereits die antiken Griechen sie Καλλίστη / Kallístê nannten, was sich in etwa mit "die Schönste" übersetzen lässt. Heute gilt diese etymologische Herleitung in weiten Kreisen der Wissenschaft zwar als widerlegt, doch wer mag es angesichts der offensichtlichen landschaftlichen Reize im Überdruss verübeln, dass sie sich hartnäckig hält...?

So steht der Name Kalliste auch Pate für ein 1992/93 im finnischen Rauma gebautes Fährschiff der Reederei La Méridionale aus Marseille. Fast ausnahmslos kam sie in der letzten Dekade auf der traditionellen Route zwischen der Hafenstadt am Golfe du Lion und Propriano im Südwesten Korsikas zum Einsatz, doch das Jahr 2023 brachte Bewegung in die Liniendienste der "Kalliste". Zunächst im Winter auf die eigene Verbindung nach Porto-Vecchio versetzt, war für den weiteren Jahresverlauf eigentlich eine Beschäftigung im Verkehr mit den Maghreb-Staaten geplant. Doch es kam anders und für die Sommersaison wurde sie als Ersatz für die verunfallte "Monte d'Oro" an Corsica Linea vermietet und vom roten Konkurrenten mit Fahrten von Marseille nach L'Île-Rousse betraut. Eine schöne Gelegenheit, das Schiff, das seit 2010 in verschiedenen Blautönen lackiert ist, gemeinsam mit den farblich passenden Zügen der "Tramway de Balagne" ins Bild zu setzen!

Das gezielt anzugehen, hätte ein vorheriges Studium der Fährfahrpläne erfordert, doch manchmal hat man ja auch einfach Glück. :) So am späten Nachmittag des 13. Juli 2023, als es zur Begegnung mit X 97055 und Steuerwagen XR 9702 als Zug 339 (L'Île-Rousse - Calvi) kam. Das Erreichen dieser Stelle setzt neben einem kurzen Kampf durch die stachlige Macchia auch einen längeren, aber absolut wunderschönen Fußweg vom Haltepunkt oder Strandparkplatz Bodri voraus, denn aus Richtung L'Île-Rousse ist der Weg heute offiziell gesperrt und man steht vor mannshohen Absperrungen, wenn man nicht komplett am Gleis entlang wandern möchte.

Mit diesem Bild lade ich euch ein auf eine kleine fotografische Reise mit der korsischen Schmalspurbahn, die ich als Serie in den nächsten Wochen fortsetzen werde. Und vielleicht hat der ein oder andere ja auch selbst noch was beizutragen. Ich würde mich freuen! :)

PS: Rückstände eines eher liederlich entfernten Graffitis an der Remorque habe ich virtuell vollständig wegpoliert.

Zuletzt bearbeitet am 16.01.24, 20:56

Datum: 13.07.2023 Ort: L'Île-Rousse [info] Land: Europa: Frankreich
BR: FR-X 97050 Fahrzeugeinsteller: CFC
Kategorie: Bahn und Landschaft
Top 3 der Woche: 30 Punkte

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Alerte orange
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 10.01.24, 19:33
Eher seltene Gäste im Elsass sind die Sybics der SNCF-Gütersparte Fret. Denn das Gros der Frachtenzüge in Frankreichs äußerstem Nordosten ist im Sibelit-Korridor unterwegs. Das Akronym steht für die Société pour l’itinéraire Belgique, Lorraine-Luxembourg, Italie SA, in der sich SNCF Fret, Lineas, CFL und SBB Cargo zusammengeschlossen haben, um gegenüber dem Weg durchs deutsche Rheintal nicht völlig ins Hintertreffen zu geraten, wenn es um Transporte aus dem Benelux-Raum, vor allem von den belgischen und niederländischen Seehäfen, in Richtung Schweiz und Italien geht. Für die rund 300 wöchentlichen Züge steht ein Pool von allesamt mehrsystemfähigen Loks (BB 37000 der SNCF, Serien 13 und 3000 von Lineas bzw. der CFL) zur Verfügung, sodass auf die Sybics entlang dieser internationalen Achse nicht mehr zurückgegriffen werden muss.

Will man sie erwischen, kommen also nur die rein nationalen Züge in Frage, die ihren Ausgangs- oder Endpunkt im Straßburger Rangierbahnhof Hausbergen haben, allen voran die Kronenbourg-Bierzüge sowie die häufigen Getreidetransporte für Roquette in Beinheim. Zwar werden auch diese Großkundenverkehre überwiegend mit Primas (hier meist BB 27000) bespannt, aber sporadisch verirrt sich mit ihnen eben doch mal eine Fret-Sybic an den Rhein.

Am 29. Januar 2016 war das entsprechende Glück schon früh am Tag mit von der Partie, als am Rhein-Marne-Kanal unweit von Steinbourg bei dramatischen Lichtverhältnissen - die Sonne hatte erst vor Sekunden die Schienenoberkante preisgegeben - die BB 26222 auf der Bühne erschien. Am Haken hatte sie eine Schlange älterer "Transcéreales"-Getreidewagen als FRET 53913 (Blainville-Damelevières - Hausbergen). Heute, acht Jahre später, schaue ich noch einmal ganz anders auf das Foto, denn die leuchtend orangefarbene Front ist mittlerweile zur absoluten Rarität geworden und die letzten sechs verbliebenen "Tri-feux" (die mit Dreilicht-Spitzensignal ausgestattete letzte Serie der Sybics) in der Originallackierung sind (nicht nur) in der französischen Szene zu begehrten Jagdobjekten geworden... Grund genug für einen Griff ins Archiv!

Datum: 29.01.2016 Ort: Steinbourg [info] Land: Europa: Frankreich
BR: FR-BB 26000 Fahrzeugeinsteller: SNCF
Kategorie: Zug schräg von vorn
Top 3 der Woche: 10 Punkte

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Pause-café
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 09.01.24, 14:25
Beinahe museal zeigt sich bis heute der Abzweigbahnhof Saint-Denis-près-Martel, wo sich am südwestlichen Rand des Zentralmassivs die Strecke aus Brive-la-Gaillarde in Richtung Aurillac, Capdenac und - nur noch auf einem Teilstück im Tourismusverkehr befahren - Souillac verzweigt. Entsprechend ist er gern besuchtes Fotomotiv, wobei der Fokus häufig auf den noch reichlich vorhandenen Formsignalen liegt.

Doch auch das schmucke Empfangsgebäude selbst, in dem der Agent de circulation - der Fahrdienstleiter - in einem Umfeld völlig frei von grünen Absperrzäunen, blauen Bahnsteiglaternen oder anderen neuzeitlichen Segnungen residiert, lohnt einen Blick. Bemerkenswert etwa die üppig bemessene Zahl an Kaminen, an denen man sich perfekt in den Schlaf zählen kann...;)

Im Dezember 2021 legte die ehemalige Straßburger BB 67510 als Infra 814745 (Bretenoux-Biars - Brive-Estavel) einen ausgedehnten Halt vor dem pastellfarbenen Bau ein, nachdem sie am Morgen einen Zug ins Etablissement Industriel des Voies (EIV) nach Bretenoux gebracht hatte, [www.drehscheibe-online.de] . Da es auf der Rückfahrt keine Wagen zu befördern gab, war die Crew mit deutlicher Verfrühung unterwegs und konnte sich bis zur planmäßigen Abfahrtszeit erstmal zur wohlverdienten Kaffeepause in die Stube des Agent de circulation verabschieden.

Datum: 17.12.2021 Ort: Saint-Denis-près-Martel [info] Land: Europa: Frankreich
BR: FR-BB 67400 Fahrzeugeinsteller: SNCF
Kategorie: Bahn und Infrastruktur
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Le nain et le géant
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 08.01.24, 17:43
Das französische Massif Central und seine Viadukte - zeitlos schöne Giganten aus Eisen, Stahl oder Stein und doch zugleich stille Zeugen einer längst vergangenen Epoche - gehören untrennbar zusammen. Viele von ihnen assoziiert man mit dem klangvollen Namen Gustave Eiffel, bei den Bauwerken von Rouzat und Neuvial, dem kühnen Garabit oder dem seit Jahren stillgelegten Viaduc de la Tardes auch völlig zurecht. Im Falle des Viadukts von Busseau-sur-Creuse im gleichnamigen Département indes entbehrt die immer wieder aufkommende Zuschreibung jeglicher Grundlage, denn der eiserne Koloss wurde bereits 1864 fertiggestellt, zwei Jahre bevor Eiffel in Levallois-Perret bei Paris seine eigene Firma gründete und mit ihr seinen Siegeszug im Brückenbau begann.

Das tut der Faszination, die von der rund 338 Meter langen und 56 Meter hohen Brücke ausgeht, allerdings keinen Abbruch, denn auch das Ingenieurteam der Compagnie du Chemin de fer de Paris à Orléans (PO) rund um Wilhelm Nördling war zu technischen Ausnahmeleistungen imstande. Seit nunmehr fast 160 Jahren führt der Viadukt die Bahnstrecke von Montluçon nach Saint-Sulpice-Laurière, wo sie auf die aus Paris kommende POLT trifft, sicher über den Talgrund. Doch wie auf so vielen Strecken im Zentralmassiv ist ihre verkehrliche Bedeutung immer weiter geschrumpft. So sind die legendären Turbotrains, wie sie Jochen noch 2002 als durchgehende Verbindung von Lyon nach Bordeaux festhalten konnte [www.drehscheibe-online.de] , längst Geschichte und auch die Kooperative Railcoop, die die von der SNCF aufgegebene überregionale Verbindung wiederbeleben wollte, steht mittlerweile vor einem finanziellen Scherbenhaufen. So muss sich der Fotograf mit einem kurzen TER-Triebwagen abfinden, der im Vergleich zu den Dimensionen des Riesen aus Gusseisen regelrecht zwergenhaft wirkt.

Dennoch stand eine Umsetzung im tiefen Streiflicht schon länger auf meinem Wunschzettel. Das ist allerdings gar nicht so einfach, denn das kümmerliche Angebot zwischen Montluçon und Guéret beschränkte sich in den letzten Jahren stets auf ein bis zwei tägliche Zugpaare, wovon der morgendliche Westfahrer nur wenige Wochen im Jahr im passenden Winkel von der aufgehenden Sonne beschienen wurde, während er über den Viadukt rumpelte. Auf einer im Übrigen etwas verkorksten Tour zum SMDA-Wasserzug, der spontan ausfiel, gelang das ersehnte Foto endlich und polierte die Bilanz des Abstechers nach Zentralfrankreich merklich auf.

Fürs Notizbuch: 10. Februar 2023, 8:26 Uhr, TER 868701 (Montluçon - Limoges).

Datum: 10.02.2023 Ort: Busseau-sur-Creuse [info] Land: Europa: Frankreich
BR: FR-X 73500 Fahrzeugeinsteller: SNCF
Kategorie: Stimmungen mit Zug
Top 3 der Woche: 16 Punkte

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A plat ventre dans la neige
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 04.01.24, 16:17
Bäuchlings im Schnee lag ich für diese Aufnahme, um den weiten Blick über die Jura-Landschaft mit glitzernder Schneeauflage und dem Licht-und-Schatten-Spiel, das der nahe Waldrand auf die Weide in ihrem winterlichen Kleid warf, einfangen zu können. Aber es war - so die einhellige Einschätzung von Fotokumpel Matthias und mir - die einzige Möglichkeit, eine unattraktive landwirtschaftliche Halle auszublenden und zugleich einen sauberen Bildabschluss zu setzen. Da mussten wir jetzt also durch, ganz nach dem Motto "Nur die Harten kommen in den Garten". Hosen und Anorak sollten in der Sonne, die an diesem wunderschönen Wintertag vom Himmel strahlte, schnell wieder getrocknet sein...

Dankenswerterweise weitaus pünktlicher als der "Picasso"-Triebwagen, wegen dem wir alle eigentlich an die "Ligne des Horlogers" - die "Uhrmacherlinie" - gekommen waren, erlöste uns hier der AGC im Design der alten Région Franche-Comté als TER 18109 (Besançon - Morteau), der sich oberhalb der kleinen Kirche von Les Combes im Weiler La Colombière gemächlich seinem Zielbahnhof näherte. Der Scheitelpunkt im Wald bei Gilley war bereits passiert, als die Zeiger des lokaltypischen "Clocher comtois" langsam der Elf entgegen tickten.

Hinweis für etwaige "Nachahmungstäter": Die unterhalb des Gleises stehenden Nadelbäume, die schon vor knapp zwei Jahren dem VT gefährlich nahe kamen, dürften eine Wiederholung dieses Blickwinkels aktuell unmöglich machen.

Datum: 15.01.2022 Ort: Colombière [info] Land: Europa: Frankreich
BR: FR-X 76500 Fahrzeugeinsteller: SNCF
Kategorie: Bahn und Landschaft
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Treni in movimento
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 27.12.23, 16:09
Nicht allzu üppig ist der Verkehr auf der eingleisigen Strecke Domodossola - Borgomanero - Novara, die auch nach der Elektrifizierung um die Jahrtausendwende herum vielerorts noch eine gehörige Portion Nebenbahnatmosphäre versprüht. Zwar ist sie als Entlastungsroute für die Simplonstrecke offiziell Teil des transeuropäischen Korridors Rotterdam - Genua. Das zeigt sich allerdings nur ein paar Mal am Tag in Form der "Rollenden Autobahn" Freiburg - Novara von RAlpin (zu einem beträchtlichen Teil nachts). Auch die wenigen, auf die Hauptverkehrszeiten konzentrierten Regionalzüge fallen nicht stärker ins Gewicht, sodass mehrstündige Zuglücken im durchgehenden Verkehr eher die Regel denn die Ausnahme sind.

Kurzzeitig Hochbetrieb kehrt in den schmucken Bahnhof von Villadossola, der noch mit niedrigen Bahnsteigen und niveaugleichen Gleisübergängen ausgestattet ist, allerdings ein, wenn am Vormittag die Bedienung des Stahlwalzwerks der Duferco Travi e Profilati in Pallanzeno stattfindet, die ich euch kürzlich schon einmal vorgestellt habe: [www.drehscheibe-online.de]

Das emsige Treiben setzt ein, sobald der mit Stahlknüppeln beladene Eingangszug aus Richtung Süden in den Bahnhof gerollt ist. Der "Tigre" kuppelt ab, die "Aragosta" der Reihe D145 lässt den Motor aufheulen und verlässt ihr Abstellgleis, um sich ans andere Zugende zu setzen. Die Streckenlok rollt anschließend oder mit ihr gemeinsam ebenfalls vom Nordkopf des Bahnhofs zurück... Nach Rückkunft der Fuhre aus Pallanzeno vollzieht sich dann ein ähnliches Schauspiel in umgekehrter Richtung. Hier sehen wir gerade die D145 2055, wie sie zusammen mit E652 117 am Hausbahnsteig rangiert. Passend dazu warnen die Verbotsschilder vor einem Überschreiten der Gleise während der "treni in movimento".

Zuletzt bearbeitet am 27.12.23, 16:15

Datum: 08.11.2023 Ort: Villadossola [info] Land: Europa: Italien
BR: IT-D145 Fahrzeugeinsteller: Mercitalia Rail
Kategorie: Bahn und Infrastruktur
Top 3 der Woche: 6 Punkte

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Der diskrete Charme des Pavese
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 23.12.23, 13:53
Es gibt Bahnstrecken, an die man wegen ihrer landschaftlichen Schönheit - völlig unabhängig von den eingesetzten Fahrzeugen - einfach gerne fährt. Und es gibt die Nebenbahnen rund um Pavia.

Doch wie das manchmal so ist in unserem Hobby, locken einen besondere Fahrzeugeinsätze dann auch dorthin, wo man sonst eher nicht unterwegs wäre. Und häufig kommt es so, dass - wenn man sich darauf einlässt - auch diese Landstriche einen gewissen Charme entfalten... Nicht anders erging es uns Ende November, als wir durch die irgendwo zwischen Spätherbst und frühem Winter wechselnde Poebene östlich von Pavia fuhren, sich die zähen Hochnebelfelder langsam auflösten und wir Kurs auf den Landbahnhof von Belgioioso nahmen, eine kleine Kreuzungsstation in der Campagna Sottana.

Nach einem ausgiebigen Streifzug durch das Areal fiel die Motivwahl schließlich auf den alten Güterschuppen, der am Ende der längst nicht mehr angebundenen und von einem roten Blätterteppich überwachsenen Nebengleise sein trauriges Dasein fristet. Und als es auf unserem im Schatten liegenden Schwellenstapel schon langsam etwas kalt wurde, tauchte sie dann endlich auf, die erwartete D 445 1018, der Grund, warum wir angereist waren. Die Lok zeigt sich seit nunmehr knapp zwei Jahren wieder im graffitifreien "Altlack" Verde magnolia-Isabella und ist damit zum inoffiziellen Flaggschiff der Diesellokflotte von Mercitalia Rail mutiert. Hintergrund für die Frischekur war, so hört man, dass es sich bei der 1975 in Savigliano gebauten Maschine um die letzte erhaltene handelt, die am 6. Oktober 1979 den Eröffnungszug zur Wiederinbetriebnahme der Tendabahn bespannte.

Am Haken hatte die Retro-Lok den Auto-Ganzzug MRS 50499 (Alessandria Smistamento - Chignolo Po), den sie in beachtlicher Geschwindigkeit und mit nicht zu überhörendem Geräuschpegel der Logistikplattform der Fratelli Elia entgegen wuchtete. Dieser werktägliche Neuwagenverkehr ist seit Jahren eine feste Größe auf der Strecke und bis heute - von gelegentlichen Gastspielen der glücklosen D146 abgesehen - eine der letzten Bastionen der "diesel unificati" im Güterzugdienst.

Datum: 28.11.2023 Ort: Belgioioso [info] Land: Europa: Italien
BR: IT-D445 Fahrzeugeinsteller: Mercitalia Rail
Kategorie: Bahn und Infrastruktur
Top 3 der Woche: 11 Punkte

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Colline in fiamme
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 21.12.23, 20:27
Sizilien bietet zahllose Facetten, die den Besucher zwischen Faszination und Unverständnis schwanken lassen. Eine davon ist die Beziehung der Inselbewohner zur Naturgewalt Feuer. Am plakativsten wird das Verhältnis ohne Zweifel am Ätna, dem mit 3357 Metern höchsten Vulkan Europas, dem auch 500.000 Jahre nach seiner Entstehung noch lange nicht die Puste ausgegangen ist. Dass der Bergkoloss munter vor sich hin zischt, raucht und Lava spuckt, hat zahllose Generationen nicht abgehalten, sich in seinem Schatten niederzulassen. Zusammen mit den der Nordküste vorgelagerten Liparischen Vulkanen Stromboli und Vulcano kann Sizilien mit Fug und Recht als Insel der Feuerberge angesehen werden. Beim Ätna steckt das sogar schon im Namen, der sich nach ganz überwiegender Auffassung von der indogermanischen Bezeichnung für „brennend“ ableitet.

Brennende Berge findet man aber auch abseits der Vulkane mühelos. Und sie sind meist menschgemacht. Mit einer erstaunlichen Unbekümmertheit werden selbst bei größter Trockenheit im Spätsommer Feuer entfacht, um Abfälle zu beseitigen, Stoppelfelder nach der Ernte in der Hoffnung auf fruchtbare Asche abzubrennen oder Weideflächen zu gewinnen. Nicht selten geraten diese Feuer außer Kontrolle und greifen auf die umgebende Natur über. Gerade in den vergangenen Jahren hielten unzählige Wald- und Buschbrände die Feuerwehren auf Trab...

So war es wenig überraschend, dass ein Rauschleier über den Berghängen unweit des Badeortes Gioiosa Marea an der sizilianischen Nordküste hing, als ich am frühen Morgen des 15. September 2019 dort aufschlug, um den Nachtzug aus Rom in die Inselhauptstadt im Streiflicht abzupassen. Während ich auf dem Überführungsbauwerk stand, das etwaige Murenabgänge über die Bahnstrecke hinweg in Richtung Meer leiten soll, stiegen immer wieder neue Rußwolken aus dem Seitental auf und trübten die Luft sichtbar ein - Wenigstens fotografisch kein uninteressantes Schauspiel (das in diesem Fall auch weitgehend unter Kontrolle schien)!

Davon unbeeindruckt erschien wenig später der ICN 1957 (Roma Termini - Palermo) auf der Bildfläche und heulte mit dem "Caimano" E 656 497 an der Spitze seinem Zielbahnhof entgegen. 2019 war das letzte Jahr, in dem die altbewährten Gelenk-Sechsachser noch in nennenswertem Umfang vor den Fernzügen auf Sizilien anzutreffen waren. Zwar waren bereits die ersten für den Intercity-Dienst akquirierten E 464 in die Laufpläne eingeschert, aber insgesamt 15 "Caimani" standen noch zur Verfügung und fuhren im Herbst rund die Hälfte der Leistungen. Neben E 656 030, 039, 046, 052, 074, 091, 093 und 096 aus der ersten bzw. 294 aus der dritten Bauserie waren dies auch E 656 424, 431, 435, 462, 492 und eben die gezeigte 497 aus der mit Doppellampen ausgestatteten fünften Bauserie. Mittlerweile steht die 1986 abgelieferte Lok in Foligno und harrt der Dinge, die da kommen mögen... Möglicherweise eine Aufarbeitung durch die Fondazione FS für den Sonderzugeinsatz.

Zuletzt bearbeitet am 23.12.23, 01:47

Datum: 15.09.2019 Ort: Airone [info] Land: Europa: Italien
BR: IT-E656 Fahrzeugeinsteller: Trenitalia
Kategorie: Stimmungen mit Zug
Top 3 der Woche: 16 Punkte

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La prima neve
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 13.12.23, 17:28 sternsternstern Top 3 der Woche vom 24.12.23
Der erste Schnee des Winters ist ja immer etwas besonderes. In den Abruzzen fiel er in der Saison 2022/23 Ende November und bescherte den Berggipfeln eine romantische weiße Auflage, die nach unten hin puderförmig auslief, während im Tal noch unverkennbar die Farben des Herbstes regierten, wenn auch bereits in einem fortgeschrittenen Stadium...

Das Schauspiel sollte natürlich auch gemeinsam mit der Eisenbahn ins Bild gerückt werden, was gar nicht so einfach war, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. So streifte ich am Stadtrand von Avezzano, Ausgangspunkt der schon mit einigen meiner letzten Fotos dokumentierten Nebenbahn nach Roccasecca, länger um einen Bahnübergang herum, von dem aus sich zwischen Bewuchs, Bebauung und Straßenschneisen ein Fenster auf die Bergkette des Sirente-Velino auftut, nach Gran Sasso und Maiella das dritthöchste Massiv des Apennins. Letztlich entschied ich mich des Panoramas wegen für die Schattenseite des Zuges.

Spannend machten es bis zuletzt die Wolken, deren Schatten im Sekundentakt wechselnde Formen annahmen und nicht nur in atemberaubender Geschwindigkeit über die Hänge des Monte Velino (2.487 m) flitzten, sondern ebenso leider auch über das Bahngleis im Vordergrund. Das andauernde An und Aus des Sonnenlichts zehrte doch etwas an den Nerven, erst recht, nachdem der vorangegangene Schülerzug nach Capistrello im tiefsten Wolkenschatten vorüber gerauscht war. Für den ALn 668 3334 als Regionale 20195 (Avezzano - Cassino) sollte dann aber zum Glück alles passen. :)

Datum: 23.11.2022 Ort: Avezzano [info] Land: Europa: Italien
BR: IT-ALn668 Fahrzeugeinsteller: Trenitalia
Kategorie: Stimmungen mit Zug
Top 3 der Woche: 21 Punkte

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Oldies but Goldies
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 04.12.23, 15:47
Im Jahr 2023 rückte die grenzüberschreitende Schmalspurstrecke von Domodossola nach Locarno - im italienischen Streckenabschnitt besser bekannt als Vigezzina, im schweizerischen als Centovallibahn - verstärkt in den Fokus der Eisenbahnfreunde. Denn durch technische Probleme an den dort planmäßig im Interregio-Verkehr eingesetzten Panoramatriebwagen, die zwischenzeitlich komplett abgestellt werden mussten, wurden die Fahrzeugumläufe gehörig durcheinander gewirbelt. Gut, dass noch immer eine größere Zahl der ET-Oldies aus den 50er und 60er Jahren betriebsfähig ist, welche in die Bresche springen konnten und nun auch einen Teil der internationalen Züge übernahmen.

Anfang November war die angespannteste Phase gerade überstanden und die erste Panorama-Einheit schon wieder in den Betrieb eingeschert. Nichtsdestotrotz lockte mich das traumhafte Herbstwetter an einen der wohl schönsten Streckenabschnitte: Den Aufstieg aus dem Val d'Ossola auf die Hänge oberhalb des Val Vigezzo. In spektakulärer Schleifenentwicklung schraubt sich die Meterspur hier auf wenigen Kilometern von Domodossola (267 Meter über dem Meer) bzw. Masera (297m) bis nach Trontano, wo mit 519 Metern eine erste Zwischenetappe erreicht ist, ehe es - nun mit moderaterer Steigung - noch weiter hinauf zum Scheitelpunkt bei Santa Maria Maggiore geht.

Jedenfalls die inneritalienischen Regionalzüge zwischen Domodossola und Re waren - abgesehen von einer Vevey-Doppeltraktion am frühen Morgen - fest in der Hand der über 60 Jahre alten ABe 8/8. Mindestens ein weiterer bediente auch weiterhin als IR die Gesamtstrecke bis Locarno. Wenige Minuten bevor die Schatten der umgebenden Berge die letzten wärmenden Sonnenstrahlen aus der Landschaft verbannen sollten, quietschte der ABe 8/8 Nr. 22 als Regionale 262 (Re - Domodossola) durch die engen Gleisbögen. Bei Creggio umrundete der Oldie von 1959, der seit seiner Übernahme durch die italienische SSIF im Jahr 1982 auf den Namen "Ticino" hört (vorher lief er als "Lemano" bei der FART), den markanten mittelalterlichen Turm, um den sich natürlich auch die ein oder andere Legende rankt, [www.visitossola.it] .

Aus dem Hintergrund grüßen die frisch schneebedeckten Berge des grenznahen Naturparks der Alpe Veglia und Alpe Devero. Ein schöner Kontrast zur goldgelben Herbstlandschaft, der in den letzten, eher schneearmen Jahren gar nicht so selbstverständlich war!

PS: Einzelne kahle Zweige in unmittelbarer Nähe der rechten Fahrzeugfront habe ich digital zurückgeschnitten.

Datum: 08.11.2023 Ort: Creggio [info] Land: Europa: Italien
BR: IT-ABe 8/8 Fahrzeugeinsteller: SSIF
Kategorie: Bahn und Landschaft
Top 3 der Woche: 23 Punkte

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L'aragosta in montagna
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 24.11.23, 17:59
Gämsen und Steinböcke, Schneehasen und Murmeltiere, Kühe und Bergziegen - Die Reihe der Tiere, die man spontan in den Alpen verortet, ist lang. Langusten zählen sicherlich nicht dazu. Normalerweise jedenfalls. Es sei denn, die Bahn bringt mal wieder alles durcheinander... Doch der Reihe nach!

Wir sind natürlich mal wieder im Reich der Spitznamen unterwegs, die - mal mehr, mal weniger passend - den meisten charakteristischen Lokomotivbaureihen zugeschrieben werden, sei es vom Bahnpersonal selbst oder aus der Fanszene. Für die schwere Rangierlokreihe D145, die in den 1980er Jahren in zwei Unterserien (eine von FIAT Ferroviaria, eine von TIBB) mit insgesamt 100 Exemplaren an die Ferrovie dello Stato geliefert wurde, hat sich rasch die Bezeichnung als "Aragosta" (deutsch: Languste) eingebürgert. Vor allem dürfte sich das auf die damals neuartige orangefarbene Lackierung beziehen, die tatsächlich an die Meerestiere erinnert, in zweiter Linie vielleicht auch auf die ungewöhnlich langen Vorbauten.

Heute, vierzig Jahre später, befinden sich die lange Zeit im schweren Rangierdienst und für kurze Streckeneinsätze im Güterverkehr unverzichtbaren "Aragoste" langsam, aber unaufhaltsam auf dem Rückzug. Vielerorts hat in den letzten Jahren eine neue Generation von Dieselloks die Nachfolge angetreten, wenn nicht die Verkehre ersatzlos weggefallen oder an die private Konkurrenz übergegangen sind. So rangieren etwa auf beiden Seiten der Straße von Messina, wo der Trajektverkehr nach Sizilien bis 2022 zahllose D145er beschäftigte, neuerdings angemietete DE18 von Vossloh. Anderswo kommen die Nachfolgerinnen in Gestalt der "EffiShunter" von CZ LOKO aus Tschechien.

Umso erfreulicher ist es, dass sich eines der 2023 verbliebenen Habitate der "Langusten" im Alpenraum findet, nicht weit von der Schweizer Grenze. Von Villadossola aus, gelegen an der eingleisigen Nebenlinie Domodossola - Novara, wird bis zu fünfmal in der Woche das Stahlwalzwerk der Duferco Travi e Profilati in Pallanzeno bedient. Im Wareneingang werden sogenannte Knüppel - ein längliches, stählernes Halbzeug mit quadratischem Querschnitt - auf Rungenwagen angeliefert, im Ausgang fertige Profile und Produktionsschrott mitgenommen.

Am 8. November 2023 hat die D145 2055 aus der zweiten, von TIBB konstruierten Bauserie ihr Ziel fast erreicht. Nachdem die als Rangierfahrt aus Domodossola gekommenen Wagen in der Zugmitte getrennt wurden, zieht die Lok die erste Hälfte aus dem Streckengleis über die sichtbare Weiche in die Übergabegruppe zum Werk, wo für die letzten Meter eine 245 mit Stangenantrieb übernehmen wird. Dabei geht es vorbei am ehemaligen Empfangsgebäude des heutigen Haltepunkts, das von üppigem Blumenschmuck umgeben ist. Neben einer Armada von Topfpflanzen pflegen die privaten Besitzer auch ein paar Blumenbeete auf dem Bahnsteig. Zusammen mit der bunten Wäsche, die über dem benachbarten Ristorante vom Balkon hängt, ein Stück (vermeintlich) heiler Welt im Val d'Ossola...

Datum: 08.11.2023 Ort: Pallanzeno [info] Land: Europa: Italien
BR: IT-D145 Fahrzeugeinsteller: Mercitalia Rail
Kategorie: Zug schräg von vorn
Top 3 der Woche: 3 Punkte

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Un passo dal cielo
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 21.11.23, 15:59
Dem Himmel ganz nah ist, wer im kleinen Abruzzen-Örtchen Pescocanale auf den Kirchhof tritt. Ob nur im wörtlichen oder zugleich im übertragenen Sinn, das hängt wohl maßgeblich davon ab, ob man gläubiger Christ ist oder nicht... Jedenfalls markiert der gepflasterte Platz unmittelbar vor der Chiesa di San Michele Arcangelo, die dem Erzengel Michael geweiht ist, den höchsten Punkt der historisch gewachsenen Siedlungsstruktur - Seinerzeit sicher ein bewusst getroffenes Statement.

An einem herrlichen Novembertag im farbenfrohen Herbst 2022 genoss ich die wärmende Sonne auf einer der dort zum Verweilen einladenden Bänke. Nur ein Maler war in meinem Rücken mit kleineren Renovierungen an der Fassade beschäftigt. Ansonsten blieb der Platz über eine halbe Stunde menschenleer. Pünktlich zur planmäßigen Durchfahrtszeit des Regionale 20193 (Avezzano - Cassino) begab ich mich ans Geländer, das den Rand des Platzes zum tief eingeschnittenen Tal hin abgrenzt. Seit vor wenigen Jahren ein paar große Bäume gefällt wurden, eröffnet sich von dort nämlich ein beispiellos schöner Weitblick auf den gut 150 Meter tiefer gelegenen Haltepunkt des Ortes, das bereits mit einer meiner letzten Galerie-Einstellungen porträtierte Tunnelportal [www.drehscheibe-online.de] und nicht zuletzt die Häuser des an die steile Bergflanke angeschmiegten Nachbarorts Capistrello.

Wie lange die ALn 668 des Depots Sulmona auf der Strecke, mittlerweile einem der letzten sicheren Rückzugsorte der Fiat-Klassiker bei Trenitalia, noch durchhalten werden, gilt es abzuwarten. In den vergangenen Tagen waren erste zaghafte Einsätze der PESA-Atribo (ATR 220) im Fahrgastverkehr geplant... Wer noch mal hin will, sollte also nicht allzu lange zögern!

Datum: 23.11.2022 Ort: Pescocanale [info] Land: Europa: Italien
BR: IT-ALn668 Fahrzeugeinsteller: Trenitalia
Kategorie: Bahn und Landschaft
Top 3 der Woche: 28 Punkte

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Profumi d’autunno
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 16.11.23, 18:25
Der Herbst und seine Düfte - Der Wandel, den die Natur in der bunten Übergangsjahreszeit durchschreitet, wenn das Laub zunächst seine goldgelbe Färbung annimmt, ehe es von den ersten Herbststürmen davon getragen wird, wenn die Hagebutten in den Hecken und Sträuchern sprießen, macht sich vor allem optisch bemerkbar. Doch man riecht ihn auch!

Das nasse Gras, saftig vom Tau und den Niederschlägen durchtränkt, quietscht nicht nur unter den Füßen, auch sein Geruch hat so gar nichts mehr mit den trockenen Halmen des Spätsommers gemeinsam. Der erdige Duft gefallener Blätter tritt anstelle der Aromen frischen Grüns. Und natürlich mischt sich in diesen naturgegebenen Wandel auch die Veränderung des menschlichen Lebens im Herbst. Die Heizperiode beginnt, die Öfen werden angefeuert. Wenn dies - wie in vielen kleinen Orten der Abruzzen - noch ganz klassisch mit Brennholz aus den Wäldern der Umgebung geschieht, liegt der Rauchschleier von Holzfeuer über den Dächern, für Augen und Nase gleichermaßen unverwechselbar.

Ist gerade ein Zug auf den Gleisen unterwegs, kommt mitunter noch eine weitere Facette zur olfaktorischen Melange hinzu. Man mag sie oder nicht, aber jedenfalls das manchmal verklärte Gemüt des Fans der klassischen Eisenbahn findet auch am "Dieselduft" seine Freude, wenn ihn ein ALn 668 versprüht. Die Bezeichnung als Automotrice (A) leggera (L) a nafta (n) ist hier noch Programm...

Für die Statistik: Regionale 20192 (Cassino - Avezzano), gebildet aus ALn 668 3323 und einem weiteren 668, lässt am 24. November 2022 Capistrello hinter sich und nimmt Kurs auf die Galleria del Salviano.

Datum: 24.11.2022 Ort: Capistrello [info] Land: Europa: Italien
BR: IT-ALn668 Fahrzeugeinsteller: Trenitalia
Kategorie: Stimmungen mit Zug
Top 3 der Woche: 14 Punkte

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Canavesana ai tempi del Gruppo Torinese Trasporti
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 15.11.23, 18:53
Bis zum Jahresende 2020 ließ sich im oberen Abschnitt der Ferrovia Canavesana zwischen Rivarolo und Pont Canavese noch die typische Atmosphäre der einst zahlreichen "ferrovie concesse" erleben, in privater Regie auf Grundlage staatlicher Konzessionen erbauter Nebenbahnen, die Ortschaften und mitunter ganze Gegenden an die weite Eisenbahnwelt anschlossen, die von den FS noch nicht bedacht worden waren. Die damals für die Betriebsabwicklung zuständige Gruppo Torinese Trasporti (GTT) setzte für das rudimentäre und überwiegend auf Schüler zugeschnittene Zugangebot, das bereits durch zahlreiche Buskurse ergänzt wurde, noch Dieseltriebwagen der 668er-Familie aus den 70er Jahren ein, die das farbenfrohe Unternehmensdesign trugen.

Am 13. Oktober 2017 erreichten zwei von ihnen, ALn 668 906 und 907 (1972 von FIAT Ferroviaria gebaut), als Zug 702 (Pont Canavese - Rivarolo) den ehemaligen Bahnhof und nunmehrigen Haltepunkt Valperga. Sie waren aus dem Bestand der benachbarten Ferrovia Torino - Ceres in die GTT bzw. deren Vorgängergesellschaft SATTI (Società Anonima Torinese Tranvie Intercomunali) gelangt und gemeinsam mit dem Dritten im Bunde, ALn 668 905, bis zur Betriebseinstellung die Stammfahrzeuge im Alto Canavese.

Vor den im leichten Dunst daliegenden Gipfeln der Grajischen Alpen breitet sich Bausubstanz in einem wilden Epochen- und Stilmix aus. Das zweistöckige Empfangsgebäude, das aus der Eröffnungszeit der Strecke um das Jahr 1906 stammt, wird von zweckmäßiger Wohnbebauung neueren Datums und zweifelhafter Ästhetik in den Schatten gestellt. An längst vergangene Zeiten erinnern derweil der ein bisschen schief geratene Turm der Chiesa Parrocchiale di San Giorgio Martire aus dem 16. Jahrhundert und das auf einem Hügel thronende Castello di Valperga, das heute von einer neoklassizistischen Fassade geprägt wird. Unmittelbar links davon die Chiesa San Giorgio mit ihrem romanischen Glockenturm, 1150 erstmals urkundlich erwähnt.

Und heute? Die historischen Gebäude sind selbstredend alle noch vorhanden, doch auf den Bahngleisen ruht der Verkehr seit nunmehr fast drei Jahren. Der vor Ort aufgrund der nicht immer überzeugenden Performance der GTT überwiegend begrüßte Betreiberwechsel auf Trenitalia wurde zwar zum 1. Januar 2021 vollzogen, allerdings nur zwischen Turin/Settimo und Rivarolo, wo jetzt moderne "Pop"-Triebwagen die Pendler in die Großstadt bringen. Die versprochene Elektrifizierung des oberen Streckenabschnitts nach Pont Canavese lässt indes immer noch auf sich warten. Als Zeithorizont für eine Wiederinbetriebnahme geistert aktuell der September 2025 durch die Medien. Um diesen Termin einzuhalten, sollte es aber demnächst tatsächlich mit den auf 18 Monate veranschlagten Arbeiten losgehen...

Datum: 13.10.2017 Ort: Valperga [info] Land: Europa: Italien
BR: IT-ALn668 Fahrzeugeinsteller: Gruppo Torinese Trasporti (GTT)
Kategorie: Zug schräg von vorn
Top 3 der Woche: 8 Punkte

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Sand im Getriebe
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 12.11.23, 19:43
Kräftig Sand ins Getriebe des europäischen Schienengüterverkehrs gestreut hat Mutter Natur, als sich am späten Nachmittag des 27. August 2023 an der Falaise de la Praz in der oberen Maurienne ein massiver Felssturz ereignete, der neben Autobahn und Route Départementale auch die mit Abstand wichtigste Eisenbahnverbindung zwischen Frankreich und Italien jäh unterbrach. Während die Autoroute mittlerweile wieder befahrbar ist, ruht der Bahnverkehr bis auf weiteres... Zunächst erhoffte man sich, Ende des Jahres den Betrieb wieder aufnehmen zu können. Mittlerweile gehen Experten aufgrund des labilen Hangs und der notwendig gewordenen Sicherungsarbeiten frühestens vom zweiten Halbjahr 2024 aus. Anderswo kursiert bereits 2025...

Entsprechend gravierend sind die Auswirkungen: Güterbahnen und Spediteure mussten binnen kürzester Zeit alternative Transportmöglichkeiten erarbeiten, um die Warenströme nicht völlig versiegen oder dauerhaft auf die Straße abwandern zu lassen. Ein Teil der Züge kann über die Küstenstrecke und den Grenzübergang Ventimiglia umgeleitet werden, doch sind die dortigen Kapazitäten aufgrund des dichten Vorort-Nahverkehrs rund um Marseille und Nizza, die teilweise noch bestehende Eingleisigkeit auf italienischer Seite und nicht zuletzt die seit einigen Jahren kastrierte Infrastruktur in Ventimiglia (seit Schließung des Güterbahnhofs Parco Roja stehen dort für das Umspannen und ggf. Zwischenabstellen von Güterzügen nur noch wenige Gleise zur Verfügung) begrenzt. Daher müssen andere Verkehre weiträumige Umwege in Kauf nehmen - So schlägt etwa der Ambrogio-KLV von Bayonne nach Candiolo bei Turin aktuell die Route über Paris (!) und Basel ein, DB Cargo führt ein KLV-Zugpaar über Kehl... Wieder andere Kunden dürften direkt auf den LKW ausweichen.

Weitaus ruhiger waren die Zeiten im Oktober 2017, als an einem Freitag, den 13., eine Doppeltraktion BB 36300 - unterstützt durch eine hier nicht sichtbare dritte Lok am Zugschluss - damit beschäftigt war, den schweren Getreideganzzug MRI 47331 ([Gevrey -] Modane - Torino Orbassano) talwärts gen Poebene zu bremsen und dabei den kurzen Viadukt bei Chiomonte passierte. Die in ihr herbstliches Kleid gehüllte Alpenlandschaft gipfelt hier in einem Felsgrat, den die markanten Felsformationen der Denti di Chiomonte zieren.

Datum: 13.10.2017 Ort: Chiomonte [info] Land: Europa: Italien
BR: FR-BB 36300 Fahrzeugeinsteller: SNCF
Kategorie: Bahn und Landschaft
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Vietato sporgersi
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 02.11.23, 13:44
Kopf einziehen heißt es für Fahrgäste am offenen Fenster, wenn ihr Zug auf der Fahrt von Avezzano nach Cassino hinter dem Bahnhof Capistrello für die nächsten Kilometer in eine Abfolge von engen Tunneln und dichter Vegetation eintaucht! Nicht weniger als sieben Tunnel ermöglichen es dem Schienenstrang, auf einer Strecke von fünf Kilometern mit einem durchschnittlichen Gefälle von 20 Promille (in der Spitze bis zu 30 Promille) einen Höhenunterschied von etwa 100 Metern zu überwinden. Das aufwendige System aus Tunneln und Kehrschleifen, die Galleria elicoidale di Capistrello, erstreckt sich auf mehreren Ebenen entlang der Bergflanken und im engen Flusstal bis hinunter zum Haltepunkt von Pescocanale.

Dementsprechend war es auch dieser schroffe Gebirgsabschnitt, der die durchgehende Eröffnung der Nebenbahn, deren Bau mit der Legge Baccarini beschlossen wurde, um einige Zeit verzögerte - Bis ins Jahr 1902. Seit dem Abschluss der Bauarbeiten vor über hundert Jahren hat sich dann wiederum eher wenig verändert in der abgelegenen Schlucht, außer dem leider munter empor geschossenen Bewuchs, der einige potentielle Fotomotive hinter einem undurchdringlichen Blättervorhang versteckt. Im Herbst leuchtet der immerhin ausgesprochen schön!

Am 24. November 2022 hat ALn 668 3324 als Regionale 20193 (Avezzano - Cassino) den Großteil seiner Talfahrt bereits absolviert und taucht kurz vor dem Haltepunkt Pescocanale wieder ans Tageslicht, den goldgelb umrahmten Tunnel Nummer sechs von sieben hinter sich lassend. Der links des Portals rasch an Höhe gewinnende Fußweg führt übrigens ziemlich direkt nach Capistrello und dürfte bei guter Kondition und entsprechendem Ehrgeiz nur unwesentlich langsamer als die Bahnfahrt sein... Ich nahm ihn nach dem Foto indes ganz gemütlich in Angriff.

Datum: 24.11.2022 Ort: Pescocanale [info] Land: Europa: Italien
BR: IT-ALn668 Fahrzeugeinsteller: Trenitalia
Kategorie: Bahn und Infrastruktur
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Mare, olivi e automotrici
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 29.10.23, 15:20
Abgesehen von einigen wenigen Stellen, an denen exponierte Felsmassive bis an den Meeressaum heranreichen, ist die ionische Küste Kalabriens, anders als die Westflanke der italienischen Stiefelspitze, vergleichsweise flach.

Der Landschaftseindruck, der sich auf weiten Strecken der 472 Kilometer langen Ferrovia Jonica mehrfach in ganz ähnlicher Form wiederholt, ist trotzdem reizvoll: Olivenbäume, das endlose Meer und irgendwo dazwischen die Triebwagen, die mehr oder weniger häufig vorbei dieseln.

Die Hauptlast im Regionalverkehr tragen dabei auch im Jahr 2023, obwohl die Ablieferung neuer "Blues" gerade begonnen hat und schon seit etlichen Jahren ein paar "Swing" von PESA mitmischen, die Fiat-Klassiker der Reihe ALn 663.

Am 28. Juni 2023 war einer von ihnen als Regionale 5536 (Reggio di Calabria - Catanzaro Lido) unterwegs, beobachtet von der Rampe zum Leuchtturm am Capo Stilo bei Monasterace. Offiziell ist der gesamte Hügel der Verwaltung des Miltärs unterstellt und das Betreten untersagt, wovon rostende Hinweisschilder künden. Das schert aber niemanden und die Landmarke ist ein beliebtes Ziel für Ausflügler, Picknickende - Und Eisenbahnfotografen natürlich...

Datum: 28.06.2023 Ort: Monasterace [info] Land: Europa: Italien
BR: IT-ALn663 Fahrzeugeinsteller: Trenitalia
Kategorie: Bahn und Landschaft
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Che bella sorpresa !
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 28.10.23, 23:14
Anlässlich eines Hochsommeraufenthalts in den Abruzzen wollte ich mich mal einem Thema widmen, für das man auf lange Tage mit frühem Sonnenschein angewiesen ist: Der mit einem werktäglichen Zugpaar gewährleisteten Anbindung der zwischen Avezzano und Roccasecca/Cassino eingesetzten ALn 668 an ihr Heimatdepot in Sulmona, welche die betagten Triebwagen auf den wohl spektakulärsten Teilabschnitt der Gebirgsbahn Rom - Pescara führt.

Während der Gegenzug am späten Nachmittag unterwegs ist, macht sich der bergwärts fahrende Regionale 4741 (Sulmona - Avezzano) schon morgens um halb sieben auf die Reise. Also - mal wieder - ein Ziel für Frühaufsteher (oder solche, die es werden wollen...)! Das gilt umso mehr, wenn man ihn im ausgesetzten Abschnitt zwischen Prezza und Goriano Sicoli fotografieren möchte, der nur mittels längerer Wanderungen erreichbar ist.

So steckten mir schon etwa dreihundert Höhenmeter, auf rund zwei Dritteln der Strecke ohne richtige Wege, in den Knochen, als ich endlich am anvisierten Panoramablick auf den Talkessel von Sulmona eintraf. Anstrengend, aber unglaublich schön, denn man hat dabei genug Zeit, die große Bergwelt auf sich wirken zu lassen.

Während ich also zwischen knorrigen Koniferen und gelb blühenden Ginstersträuchern im Gras saß und sich die Herzfrequenz langsam wieder dem Ruhepuls näherte, konnte ich schon mal grübeln, in welcher Zusammensetzung der Zug wohl heute erscheinen würde: Denn sowohl eine Doppel- als auch eine Dreifachtraktion 668 ist möglich.

Was letztlich aufgeboten wurde, lag allerdings wirklich außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit: Man hatte den beiden Triebwagen in Sulmona kurzerhand die altlackierte D 345 1116 vorgespannt! Derartige Vorspannfahrten kamen bis Anfang des Jahrtausends sporadisch vor, gerade bei großen Schneemengen im Winter zur Unterstützung auf steilen Bergstrecken, z. B. zwischen Sulmona - Carpinone, auf der heutigen "Transiberiana d'Italia". Aber eine solche Kombination als planmäßiger Regionalzug im Jahr 2023, das hätte ich mir in den kühnsten Träumen nicht ausgemalt... In etwa so, als wollte man in Deutschland einen 628 fotografieren, der dann völlig unvermittelt mit einer 215 davor erscheint!

Dass der Rückweg im Anschluss umso beschwingter angetreten wurde, muss ich wohl nicht noch einmal gesondert erwähnen. ;)

PS: Ein eigentlich dünnes Kabel, das im Streiflicht vor der Lok aber doch etwas vorwitzig funkelte, hat Photoshop geext.

Datum: 19.06.2023 Ort: Goriano Sicoli [info] Land: Europa: Italien
BR: IT-D345 Fahrzeugeinsteller: Trenitalia
Kategorie: Bahn und Landschaft
Top 3 der Woche: 18 Punkte

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Trattori in viaggio
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 25.10.23, 17:55
Was kann man sich in der Freizeit Schöneres vorstellen, als in aller Früh noch vor sechs Uhr in einem nur so vor Beton strotzenden Industriegebiet am Rande der Stadt aufzuschlagen? Da dürfte den allermeisten Leuten vermutlich sehr, sehr viel einfallen. Erst recht, wenn in gerade einmal 20 Kilometern Entfernung endlose Adria-Strände rufen...

Hat man sich allerdings erstmal in den Kopf gesetzt, die Anschlussbedienung des Traktorenwerks in Jesi fotografisch zu begleiten, bleibt einem wenig anderes übrig. Denn Dienstbeginn für die Lokmannschaft von Mercitalia Shunting & Terminal ist bereits morgens um fünf. Ohne viel Zeit zu verlieren, rollen sie dann mit ihrer 255er, einer 1988 bis 1991 in insgesamt 30 Exemplaren bei Badoni und Greco gefertigten Rangierlokreihe, über die Via C. Marx (!) direkt auf den Werkshof, wo die bunt beladenen Wagen schon zur Abholung bereitstehen.

Die unterschiedlich farbige Ladung hat einen einfachen Hintergrund: Der Standort von CNH Industrial in den Marken gehört zu Europas größten Traktorfabriken und wird vom italienisch-amerikanischen Agartechnik-Multi für die Produktion unterschiedlicher Typen der drei großen Konzernmarken Case, New Holland und Steyr genutzt. Die unter dem Branding New Holland vom Band laufenden Traktoren sind dabei blau, Case und Steyr hingegen rot. Eine farbliche Aufteilung, die sich auch in den Hochregalen direkt neben dem Anschlussgleis widerspiegelt, wo ein rot-blaues Meer aus Motorhauben auf die Montage wartet.

Vor dieser Kulisse sind um 5:52 Uhr bereits alle Vorbereitungen für die Abfahrt getroffen. Ein letztes Mal schreitet der Rangierer in den ersten zarten Strahlen der Morgensonne im Catwalk-geeigneten Gang die Wagenschlange ab, ehe er dem Kollegen auf der Lok mitteilt, dass wirklich alles okay ist und dieser die Fuhre gemächlich in Richtung Bahnhof in Bewegung setzen wird. Später am Vormittag machen sich die Wagen dann hinter einer (völlig graffitierten) E405 als MRS 56364 (Jesi - Modena) auf den Weg zu den Kunden in der großen weiten Welt, in diesem Fall vor allem zu den Agrarbetrieben in der Poebene.

Zuletzt bearbeitet am 25.10.23, 18:06

Datum: 13.06.2023 Ort: Jesi [info] Land: Europa: Italien
BR: IT-255 Fahrzeugeinsteller: Mercitalia Shunting & Terminal (MIST)
Kategorie: Zug schräg von vorn
Top 3 der Woche: 10 Punkte

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Vecchie glorie
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 22.10.23, 15:19 sternsternstern Top 3 der Woche vom 05.11.23
Das Nebenbahnnetz, das den Apennin von Nord nach Süd durchzieht, war schon seit dem langsamen Aufkommen der Dieseltraktion in den 1930er Jahren eine Domäne für einteilige Dieseltriebwagen, die den oft nur bescheidenen Verkehrsbedürfnissen genügten. Während es zu Beginn die urtümlichen, braunen Fahrzeuge von Fiat, Breda und Co waren, die im Volksmund auf den Namen "Littorina" getauft wurden, setzten sich ab den frühen 1960er Jahren zunehmend die ALn 668 durch, die in ihren verschiedenen Bauserien und Weiterentwicklungen (ALn 663/776) für Jahrzehnte die unangefochtenen Herrscher abseits der großen Magistralen bleiben sollten. Bis in jüngste Vergangenheit.

Damit einher ging auch die Entwicklung der entsprechenden Bahnbetriebswerke und Werkstätten. Neben Sulmona in den Abruzzen steht das Deposito locomotive di Benevento exemplarisch für die frühe Dominanz der Dieseltriebwagen. 1928 gegründet, gelangten schon Anfang der 30er Jahre die ersten "Littorine" ins kampanische Hinterland. Schnell spezialisierte sich die Werkstatt auf Dieseltriebwagen und sollte in späteren Jahren kaum mehr andere Fahrzeuge beheimaten. So waren in den 80ern und 90ern stabil um die 90 (!) ALn 668/663 hier zu Hause und beschäftigten bis zu 200 Mitarbeiter. Doch spätestens im neuen Jahrtausend begann der Niedergang, zunächst schleichend, dann immer schneller. Stilllegungen gleich mehrerer Nebenbahnen wie Benevento - Campobasso (2013) oder Avellino - Rocchetta (2010) trugen ebenso ihren Teil dazu bei, wie groß angelegte Elektrifizierungsprojekte mit langjährigen Streckensperrungen (derzeit baut man zwischen Isernia und Campobasso sowie zwischen Benevento und Avellino/Salerno). So verdingen sich die verbliebenen ALn 663er im Jahr 2023 nur noch mit wenigen Leistungen ihr letztes Gnadenbrot. Eine Schließung des Depots seitens Trenitalia kursiert für Ende 2024, auch wenn da das letzte Wort offenbar noch nicht gesprochen ist.

Eine besondere Reminiszenz an - jedenfalls für Freunde klassischer Eisenbahn - bessere Zeiten stellen allerdings die seit ihrer Aufarbeitung vor einigen Jahren in Benevento beheimateten ALn 668 1870 und 1882 dar, die aus der von 1971 bis 1973 gebauten Serie, der letzten mit einer rundlicheren Frontpartie, stammen und von der Fondazione FS mit beachtlichem Erfolg im Ausflugsverkehr eingesetzt werden.

Ihre Stammstrecke ist dabei die Querverbindung von Avellino nach Rocchetta durch das dünn besiedelte Bergland der Irpinia. Nanu, habt ihr nicht ein paar Zeilen weiter oben gerade von deren Stilllegung gelesen...? Richtig! Allerdings wurde die Strecke nach einigen Jahren des Dornröschenschlafs auf Initiative der Fondazione FS tatsächlich zu neuem Leben erweckt und steht seit Mitte 2018 wieder durchgehend dem Bahnbetrieb zur Verfügung. Zwar nur mit verringerter Höchstgeschwindigkeit, aber für den Ausflugsverkehr reicht das ja völlig.

Am 18. Juni 2023 passierten ALn 668 1882 und 1870 als TS 96400 (Avellino - Lioni) in entsprechend gemächlicher Fahrt den markantesten Kunstbau der Strecke: Den Ponte Principe bei Lapio. Seit 1893 überspannt das beeindruckende Bauwerk mittels dreier, jeweils 98 Meter langer Fachwerkträger das Tal des Calore. Und noch heute scheinen die genieteten Eisenträger das Fluidum vergangener Zeiten auszuatmen. Ein bleibendes Denkmal für die Ingenieure der Società Industriale Italiana di costruzioni metalliche aus Castellammare di Stabia, die hier vor 130 Jahren ihr Können unter Beweis stellten, [www.comune.lapio.av.it] .

PS: Die Reste eines neuzeitlichen, aber schon wieder in Auflösung begriffenen Warnschildes am Brückenträger habe ich nachträglich entfernt, ebenso ein bisschen Flatterband im Brückeninneren.

PPS: Der Standort hart am Lichtraumprofil, den man aufgrund der geringen Geschwindigkeit locker bis zur Passage des Zuges wieder verlassen kann, wird vom freundlich winkenden Personal völlig entspannt gesehen. An anderen Strecken mit anderen Rahmenbedingungen aber bitte nicht nachmachen, liebe Kinder... ;)

Datum: 18.06.2023 Ort: Lapio [info] Land: Europa: Italien
BR: IT-ALn668 Fahrzeugeinsteller: Fondazione FS
Kategorie: ungewöhnliche Perspektiven
Top 3 der Woche: 29 Punkte

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Fluch und Segen
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 21.10.23, 21:17 sternsternstern Top 3 der Woche vom 05.11.23
Saharastaub - Bei bestimmten Wetterlagen ein Phänomen, dass sich auch noch Hunderte oder gar Tausende Kilometer entfernt von der namensgebenden Wüste, in der die zahllosen Sandpartikel aufgewirbelt wurden, bemerkbar machen kann. Je südlicher man in Europa reist, desto wahrscheinlicher ist eine Begegnung mit der staubigen Luft naturgemäß.

Für den Fotografen bedeutet der Saharastaub Fluch und Segen zugleich. Fluch, weil klassische Landschaftsmotive tagsüber in der getrübten Sonne völlig fahl wirken; Segen, weil in den Morgen- und Abendstunden mitunter Gegenlichtstimmungen aufkommen, wie sie bei klarer Luft kaum möglich sind.

Letzteres machte ich mir am 19. Juni 2023 zu eigen, als sich der Himmel über Mittelitalien nach einem noch klaren Morgen im Tagesverlauf immer weiter eintrübte - Vorboten einer mehrere Tage andauernden Hitzewelle im festen Griff der Wüstenluft... Wie erhofft tauchten die Strahlen der den Bergen rasch entgegen sinkenden Sonne die Hochebene bei Sella di Corno an der Grenze vom Latium/Lazio zu den Abruzzen für kurze Zeit in ein facettenreiches Licht und schnitten sich vor den schattigen Berghängen regelrecht durch die sandige Atmosphäre.

Ganz vornehm zurück nahm sich inmitten dieses Naturschauspiels der nummernmäßig unerkannt gebliebene ALn 776, der als Regionale 19741 (Terni - L'Aquila) durch die weit geschwungenen S-Kurven brummte. Dass er dabei über und über von Graffiti bedeckt war, sieht man ihm im Abendlicht funkelnd nicht an.

Zuletzt bearbeitet am 21.10.23, 21:40

Datum: 19.06.2023 Ort: Sella di Corno [info] Land: Europa: Italien
BR: IT-ALn776 Fahrzeugeinsteller: Busitalia
Kategorie: Stimmungen mit Zug
Top 3 der Woche: 30 Punkte

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Tra viti, ortaggi e ulivi
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 02.10.23, 18:27
Nach Begegnungen mit dem Fern- und Güterverkehr, die gemessen am Gesamtangebot jeweils nur eine Randerscheinung darstellen, setzen wir unseren fotografischen Streifzug durch Umbrien entlang der Apenninquerung Rom - Ancona nun mit dem typischen Zug der Strecke schlechthin fort: Einem lokbespannten Regionale, bestehend aus einer E464 und MDVE/MDVC-Wagen.

Diese klassische Kombination, wie sie den Nahverkehr auf beinahe allen italienischen Hauptbahnen in den letzten Dekaden geprägt hat, ist hier auch 2023 noch omnipräsent. Triebwagen mischen sich vor allem im nordöstlichen Streckenabschnitt in den Marken darunter, während in Umbrien neben den durchgehenden Verbindungen Rom - Ancona u.z. auch die nur auf Teilstrecken verkehrenden Züge noch fest in der Hand der Lok-Wagen-Kompositionen sind. Einzig die Frage, ob die "Monocabina" nun am Nord- oder Südenende hängt, sorgt beim Fotografieren für Spannung, da keine echte Systematik erkennbar wird. Auch das wiederum ist aber eigentlich typisch... Glück hatte ich am 12. Juni 2023 mit R 4944 (Spoleto - Foligno), der die Lok auf der - in diesem Fall - passenden Nordseite hatte.

Unterhalb der treppenförmig am Hang liegenden Altstadt von Trevi, die zu den Borghi più belli d’Italia - den schönsten Orten Italiens -, gehört, rollte er seinem Ziel entgegen. Auf diesem Abschnitt ist die Strecke Rom - Ancona seit den 90er Jahren zweigleisig ausgebaut und verläuft in ziemlich gerader Linienführung durch ausgedehnte Gemüsefelder im weitläufigen Tal des Clitunno. Diese natürliche Senke, die bereits von der antiken Via Flaminia genutzt wurde, wird an ihrem Westrand teils durch Weinberge, im Osten zum 1429 Meter hohen Monte Serano hin (hier erkennbar an den Antennenanlagen auf dem Gipfel) indes wegen der anderen Bodenstruktur praktisch ausschließlich durch Olivenhaine begrenzt.

Eine Erkenntnis, die mir eine jener Begegnungen einbrachte, wie man sie eigentlich nur von Fototouren abseits der ausgetretenen Pfade kennt: Als mich einer der Bauern (er war von der Fraktion "Gemüse") dort mit der Kamera unter dem Baum erblickte, hielt er spontan an, sprang aus seinem alten Fiat Panda und verstrickte mich sofort in ein Gespräch über das Woher und wohin, Land, Leute, Beruf und Berufung... Im Nu war eine halbe Stunde rum und man verabschiedete sich mit Handschlag und einem breiten Lachen im Gesicht. Nicht ohne zwischendurch einmal kurz den Auslöser zu drücken, wenn wieder ein Zug vorbeirauschte. :)

Datum: 12.06.2023 Ort: Trevi [info] Land: Europa: Italien
BR: IT-E464 Fahrzeugeinsteller: Trenitalia
Kategorie: Bahn und Landschaft
Top 3 der Woche: 8 Punkte

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Rottami per Terni
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 27.08.23, 14:51
Eine untergeordnete Rolle auf den Gleisen Umbriens spielt heutzutage der Güterverkehr. Langlaufende Züge in den Süden lassen die Region in aller Regel links liegen und auch örtliches Aufkommen wird nur sehr punktuell noch generiert. Ganze zwei Güterverkehrstarifpunkte haben im Portfolio von Mercitalia Rail bis 2023 überlebt - Der weitaus bedeutendere davon ist Terni, wo seit rund 140 Jahren die Stahlindustrie für beachtliche Tonnagen sorgt. Die im "italienischen Manchester" ansässigen Acciai Speciali Terni sind nach langjähriger Zugehörigkeit zur ThyssenKrupp AG seit Januar 2022 Teil des italienischen Arvedi-Konzern und haben sich auf die Herstellung rostfreien Stahls spezialisiert, von dem rund eine Million Tonnen im Jahr die Hallen der Walzwerke verlassen.

Unverzichtbarer Rohstoff dafür ist mit einem Anteil von beinahe 90% der in die Öfen wandernden "Backzutaten" Schrott, der im gigantischen "Parco Rottami" auf dem Werksgelände angeliefert wird: [www.youtube.com] Hierbei kommt der Bahn in der Logistik eine wichtige Rolle zu. So rollt seit vielen Jahren bis zu sechs mal in der Woche ein Ganzzug von einem Schrottverwerter in Vittuone Arluno (bei Mailand) nach Terni, beladen mit alten Spülbecken, Kfz-Schrott und vielem anderen mehr...

Während er in der Vergangenheit ganz überwiegend den steigungsärmeren Weg über Orte nahm, wird er er seit Mai 2023 für das restliche Fahrplanjahr entlang der Adria über Falconara Marittima und nach dortigem Kopfmachen auf die Apenninquerung via Fabriano, Foligno geleitet. Bauarbeiten auf der Direttissima Bologna - Florenz lassen grüßen!

Am 15. Juni 2023 machte es der in den Abendstunden südwärts fahrende MRS 51383 (Vittuone Arluno - Terni) mit einer immer wieder schwankenden Verspätung extrem spannend. Die zwischenzeitlich etwa eine Stunde Plus, mit der er aus Falconara abgefahren war, hätte einem Foto im Tageslicht an praktisch allen potentiellen Motiven den Garaus gemacht! So glühten die Drähte mit meinem TIS-Guide, der mich von zu Hause aus netterweise immer auf dem Laufenden hielt...;) Letztlich konnte der Zug dank einiger Reserven doch noch erfreulich viel Zeit gut machen und erlöste mich schließlich mit seiner "Tigre"-Doppelbespannung gerade noch rechtzeitig, ehe die Wiese, auf der ich wartete, vollständig in den Schatten der am Hang stehenden Bäume gefallen wäre. Da war die Freude natürlich riesig!

Auf dem Berg im Hintergrund erhebt sich - von derlei Auf und Ab der Gefühle unbeeindruckt - das historische Ortszentrum von Fossato di Vico mit seinen Türmen und Bogengängen (den sog. Rughe), das durch die zinnenbewehrte Porta Castri zugänglich und absolut sehenswert ist.

PS: Großes Glück hatte ich mit den - für Mercitalia-Verhältnisse - ungewöhnlich sauberen Loks. Die Zuglok glänzte tatsächlich wie eine Speckschwarte und war frei von jeglichen farblichen Verunstaltungen, die Vorspannlok hatte in der Realität ein paar kleinere Graffiti, die sich digital schnell entfernen ließen.

Datum: 15.06.2023 Ort: Fossato di Vico [info] Land: Europa: Italien
BR: IT-E652 Fahrzeugeinsteller: Mercitalia Rail
Kategorie: Bahn und Landschaft
Top 3 der Woche: 17 Punkte

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Dalla "Pio centrale" al Pendolino
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 25.08.23, 19:07 sternsternstern Top 3 der Woche vom 03.09.23
Verlässt man die Toskana in südöstlicher Richtung, gelangt man nach Umbrien, ins "grüne Herz Italiens". Als einzige Region der Apenninhalbinsel, die weder eine Meeresküste hat, noch an das benachbarte Ausland angrenzt, steht sie - wenn man nicht gerade auf den Spuren katholischer Heiliger wandelt - immer ein bisschen im Schatten anderer Reisedestinationen. Auch unter Bahnfotografen stellt das Land zwischen goldenen Feldern, grünen Hügeln und schroffen Berghängen bestenfalls eine Randnotiz dar - Grund genug, eine kleine Fotoserie zu starten, die vielleicht dem ein oder anderen Lust macht, abseits der ganz großen Touristenströme auf Entdeckungsreise zu gehen!

Wichtigster Schienenstrang Umbriens ist die Apenninquerung von Rom nach Ancona, die in Orte die alte Hauptbahn Rom - Florenz verlässt, um via Terni, Spoleto und Foligno im Appennino umbro-marchigiano ihren Scheitelpunkt auf 550 Meter über dem Meer zu erreichen, von wo sie - nunmehr auf dem Gebiet der Region Marken - zur Adriaküste hinab steigt. Zum Zeitpunkt ihrer ersten Planung in den 1840er Jahren gehörten weite Teile des durchquerten Territoriums noch zum Kirchenstaat, sodass das Eisenbahnprojekt zu Ehren des frisch gekürten Papstes Pius IX. auf den Namen "Strada Ferrata Pio Centrale" getauft wurde. Letztlich brauchte die Realisierung ihre Zeit und wurde erst durch das neu entstandene Königreich Italien vervollständigt - Der Beiname wurde somit schnell obsolet...

Heute zeigt sich die seit 1939 elektrifizierte Strecke abseits einiger bereits realisierter Ausbauabschnitte noch ziemlich ursprünglich. Eine kurvenreiche, eingleisige und stellenweise auch recht steile Streckenführung stellt den Betrieb vor Herausforderungen. Dies begünstigte die frühe Umstellung der hochwertigsten Zugläufe auf Elektrotriebzüge: Von den Veteranen der Reihe ETR 220 und ALe 601, die zwischen Rom und Ancona jeweils ihre letzten Intercity-Einsätze erbrachten, über ein Gastspiel der legendären "Settebello" und "Arlecchino" Mitte der 80er Jahre bis hin zum "Ur-Pendolino" ETR 401, der hier in den Weiten Umbriens das ideale Terrain gefunden hatte, um die Stärken des bogenschnellen Fahrens ausspielen zu können. Ihm folgten, jeweils allerdings erst nach ihrer Verdrängung auf prestigeträchtigeren Relationen, weitere Pendolino-Generationen. Zunächst der in der Fanszene Kultstatus genießende ETR 450, später der von Giorgetto Giugiaro designte ETR 460, wenn auch beide zuletzt mit deaktivierter Neigetechnik.

2023 ist die Apenninquerung eines der letzten Refugien der längst auf der Abschussliste stehenden ETR 460, die unter der mittelfristig ebenfalls auslaufenden Marke "Frecciabianca" in Tagesrandlage ein Zugpaar Ravenna - Rom vice versa erbringen. Im Hochsommer ist es in beiden Richtungen ein dankbares Fotoobjekt, das sich zwischen die zahlreichen Wendezüge und spärlichen Bewegungen im Güterverkehr mischt, wenn die Sonne noch oder schon wieder am Horizont kratzt. Am Abend des 11. Juni 2023 hatte ich für Frecciabianca 8852 (Roma Termini - Ravenna) nach einem längeren Kampf über einen von schier undurchdringlichem Dickicht überzogenen Hang auf der Nordseite des kleinen Viadukts von Fossato di Vico Stellung bezogen. Dort eröffnet sich nicht nur ein herrlicher Weitblick über die umbrische Landschaft, sondern auch die Möglichkeit, die vierspurige Schnellstraße mehr oder weniger elegant hinter Bewuchs zu verstecken...

Zuletzt bearbeitet am 25.08.23, 19:33

Datum: 11.06.2023 Ort: Fossato di Vico [info] Land: Europa: Italien
BR: IT-ETR460 Fahrzeugeinsteller: Trenitalia
Kategorie: Bahn und Landschaft
Top 3 der Woche: 21 Punkte

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Non c'è regola senza eccezioni
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 08.08.23, 13:23
Ehe wir uns auf unserer Italienreise anderen Regionen zuwenden, bleiben wir noch ein bisschen in der Toskana und kehren an die Strecke von Empoli nach Siena zurück, wo sich die Großdieselloks der Reihe D445 austoben können. Zu 99 Prozent stehen sie dabei auf der Südseite der Wendezüge. Doch die Binsenweisheit, dass es keine Regel ohne Ausnahme gibt, lässt sich auch hier anwenden: Am 20. Juni 2019 schwamm nämlich - sehr zu unserer Freude - eine gedrehte Garnitur im Umlauf mit, die am Abend plötzlich ganz neue Motivoptionen aufkommen ließ, die normalerweise nur mit Trieb- oder Steuerwagen "funktionieren".

Als wäre dies nicht Glück genug, war für die Traktion der umgekehrt gereihten MDVE/MDVC-Wagen mit D445 1073 die einzige Lok des Depots Siena eingeteilt, deren Front ein roter Kontrastbalken ziert, einstmals vor allem eine Spezialität der in Treviso beheimateten Maschinen. Und dass alle Wagen noch das XMPR-Design trugen, war in dieser Übergangsphase auf das neue DTR-Farbschema auch keine Selbstverständlichkeit mehr...

Um kurz nach acht klickten auf einer Straßenbrücke bei Vico d'Elsa die Kameras für den Regionale 11781 (Firenze S.M.N. - Siena), der im letzten Abendlicht der Universitätsstadt entgegen strebte. Die Sonne hatte sich erst kurz zuvor noch einmal gegen die aufkommenden Schleierwolken behaupten können.

Datum: 20.06.2019 Ort: Vico d'Elsa [info] Land: Europa: Italien
BR: IT-D445 Fahrzeugeinsteller: Trenitalia
Kategorie: Zug schräg von vorn
Top 3 der Woche: 14 Punkte

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Wenn Rituale Früchte tragen
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 06.08.23, 19:18 sternsternstern Top 3 der Woche vom 20.08.23
Während Italien in den letzten Wochen mit Rekordhitze bis zu 47 Grad von sich Reden machte, war der Frühling - nach einem viel zu trockenen Winter - in weiten Teilen der Apenninhalbinsel eher vom Gegenteil geprägt. Noch bis weit in den Juni hinein zeigte sich das Wetter ausgesprochen wechselhaft und ungewöhnlich nass. Gleich mehrfach suchten Starkregen und heftige Überschwemmungen den Norden des Landes heim, deren Folgen bis heute längst noch nicht überall bewältigt sind...

Vergleichsweise glimpflich davon kam bei all diesen Unwettern die Toskana. Nichtsdestotrotz war bei meinem Aufenthalt dort in der ersten Juniwoche zunächst nicht viel vom Sommer zu spüren. Da es - man kann schließlich nicht aus seiner Haut ;) - aber doch ein bisschen im "Foto-Finger" juckte, hatte ich es mir zum Ritual gemacht, morgens einfach mal den Wecker zu stellen und einen Blick aus dem Fenster ins Dämmerlicht vor dem auf einem Hügel bei Asciano gelegenen Agriturismo zu werfen. Wer wusste bei der instabilen Wetterlage schon, ob einen Wolken, Nebel oder Sonne erwarteten...? Die Herrschaften von meteo.it, iLMeteo und Co. jedenfalls nicht. Wenn es aussichtslos schien, drehte ich mich eben noch mal im Bett um, ansonsten ging es vor dem Frühstück auf der Terrasse für ein paar Fotos der morgendlichen Pendlerzüge raus an die nahegelegene Bahnstrecke.

Einer der Tage, an denen ich mein Glück versuchte, war der 6. Juni 2023. Tja, oben am Agriturismo machte der Himmel noch einen klaren Eindruck, unten im Tal in Asciano hing dann der Nebel, dem man vermeintlich ein Schnippchen geschlagen hatte... Entsprechend nur mäßig motiviert stapfte ich einen Wanderweg entlang auf eine weitere Hügelkuppe, von der man - wenn denn Sonne wäre - einen schönen Blick auf den Viadukt am Ortsausgang haben sollte; das wusste ich noch von einem früheren Besuch. Oben angekommen war es genauso "suppig" wie zuvor und von der Bahn nichts, aber auch wirklich gar nichts zu sehen. Irgendeiner inneren Ahnung folgend wartete ich auf einem abgeernteten Feld trotzdem ein paar Minuten bis zur nächsten Zugbewegung.

Und als es schon von dort her grummelte - verdächtig nach einem alten Fiat klingend, obwohl doch eigentlich ein Niederflurfahrzeug kommen sollte -, begann der dichte Schleier sich plötzlich zu lichten. Zaghaft, aber der Zwischenhalt am Haltepunkt Asciano-Monte Oliveto machte es möglich, dass er gerade rechtzeitig zur Durchfahrt des Regionale Veloce 19070 (Chiusi-Chianciano Terme - Siena) den Blick auf den Viadukt preisgab und die Nebelreste in den Hintergrund verwies. Schön, wenn Rituale Früchte tragen! :)

Derselbe Viadukt aus einer anderen Perspektive: [www.drehscheibe-online.de]

Datum: 06.06.2023 Ort: Asciano [info] Land: Europa: Italien
BR: IT-ALn663 Fahrzeugeinsteller: Trenitalia
Kategorie: Stimmungen mit Zug
Top 3 der Woche: 29 Punkte

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Prodotti tipici toscani: L'acido solforico
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 29.07.23, 21:58
Die Toskana - Traumziel deutscher Urlauber und Quell unzähliger regionaler Spezialitäten! Ein gutes Olivenöl (natürlich extravergine) und ein schmackhafter Rotwein (zum Beispiel ein renommierter Brunello di Montalcino aus dem schönen Val d'Orcia) dürfen im Korb mit den Reisemitbringseln nicht fehlen, vielleicht ergänzt um ein paar Cantucci (ein traditionelles Mandelgebäck) und ein Stück Speck aus Colonnata (mit IGP-Status!). Weitere lokale Produkte sollte man eher vor Ort genießen, etwa eine riesige Bistecca alla fiorentina vom Grill...

Mit einer Spezialität der etwas anderen Art kann das etwa auf halber Strecke zwischen Piombino und Grosseto in der Maremma gelegene Örtchen Scarlino aufwarten. Sie ist allerdings nur bedingt als Mitbringsel geeignet. Man sollte jedenfalls seinen eigenen Kesselwagen dafür mitbringen... Denn es handelt sich um Schwefelsäure, einen wichtigen, aber zugleich stark ätzenden Grundstoff der chemischen Industrie! Mit einer jährlichen Produktionskapazität von 600.000 Tonnen liefert das im Industriegebiet Casone ansässige Unternehmen Nuova Solmine einen Großteil der in Italien hergestellten Schwefelsäure. Während diese früher aus dem vor Ort in den Colline Metallifere, dem "Toskanischen Erzgebirge", abgebauten Mineral Pyrit gewonnen wurde - nicht ohne massive Eingriffe in die Umwelt -, bedient man sich heute auf dem Weltmarkt eingekauften Schwefels. Dieser wird anschließend verbrannt, um Schwefeldioxid als Ausgangsstoff für die eigentliche Schwefelsäureherstellung zu gewinnen.

Ist dieses Procedere einmal erfolgreich abgeschlossen, tritt das fertige Produkt seine Reise zu den Kunden nicht nur per LKW und Schiff an, sondern teilweise auch mit der Eisenbahn. Dafür rollt dreimal in der Woche ein Ganzzug von Scarlino nach Rho bei Mailand, ergänzt um einen einmal die Woche fahrenden Umlauf zum venezianischen Hafen Marghera. Während für den elektrifizierten Hauptlauf seit 2014 - abgesehen von einem kurzen Intermezzo der DB Cargo - die SNCF-Tochter Captrain Italia verantwortlich ist, erbringt die Nuova Solmine die erste bzw. letzte Meile auf dem Anschlussgleis vom Staatsbahnhof Scarlino Scalo zum Werk selbst.

Stammlok dafür ist ein Veteran mit deutschen Wurzeln: Eine Deutz-Mittelführerstandslok vom Typ DG 1200 BBM, die bei der Nuova Solmine unter ihrer Fabriknummer 57191 läuft. Geliefert wurde die Maschine 1961 allerdings als "V 35" an die Köln-Bonner Eisenbahnen, bei deren Nachfolger Häfen und Güterverkehr Köln (HGK) sie noch bis 2008 heimisch war, eine Remotorisierung und Modernisierung (u.a. mit modifizierter Frontpartie am langen Vorbau) bei ABB/Henschel im Jahr 1995 inklusive. Nach einer Zwischenstation beim Gleisbauunternehmen "DIE-LEI" ( [www.drehscheibe-online.de] ) gelangte die Lok schließlich 2015 über einen Lokhändler nach Italien.

Nicht ganz einfach gestaltet sich die fotografische Umsetzung der Rangierfahrten, denn in aller Regel traut sich der Deutz-Klassiker erst im Laufe des - mitunter fortgeschrittenen - Abends aus dem Werk. Und zwar immer erst dann, wenn der Leerzug bereits in Scarlino angekommen ist, wobei es zu dessen Abholung zunächst als Lokleerfahrt über das weitgehend in Straßenrandlage trassierte Gleis geht; wenig ergiebig... Mit etwas Glück wird nach der Abholung der Leerwagen beim Rangieren noch das rustikale Bahnübergangs-Ensemble unmittelbar am Werkstor, das mich irgendwie an einem Mischung aus rumänischer Nebenbahn und afrikanischer Savannenlandschaft erinnert, mit passender Lokstellung befahren. Die Zustellung der mit Schwefelsäure beladenen Wagen in den Staatsbahnhof erfolgt indes selbst im Hochsommer oft erst nach Einbruch der Dunkelheit - Lange Standzeiten der gefährlichen Fracht sollen tunlichst vermieden werden!

Dieses nötige Quäntchen Glück hatte ich am 6. Juni 2023, als die leeren Wagen aus MRV 53451 (Venezia Marghera Scalo - Scarlino) kurz vor "Licht aus" noch einmal im goldenen Abendlicht bis zum Bahnübergang vorgezogen wurden, um sie anschließend unter der (unzugänglichen) Verladeanlage auf dem Werksgelände zu platzieren.

Datum: 06.06.2023 Ort: Scarlino [info] Land: Europa: Italien
BR: 3422,3423 (alle Deutz Dieselloks) Fahrzeugeinsteller: Nuova Solmine
Kategorie: Zug schräg von vorn
Top 3 der Woche: 4 Punkte

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Un'esplosione di colori
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 26.07.23, 21:12 sternsternstern Top 3 der Woche vom 06.08.23
Ein letzter Hort klassischer Dieseltraktion in Italien ist auch Mitte 2023 das Deposito locomotive im toskanischen Siena, das neben einer üppigen Zahl an ALn 663/668 noch über knapp 30 einsatzfähige Großdieselloks der Reihe D445 verfügt. Die Nachfolger in Gestalt der trimodalen Hitachi-Triebwagen, die in der musikalischen Trenitalia-Tradition auf den Namen "Blues" getauft wurden, kommen auf der Hauptschlagader des D445er-Betriebs, der Strecke von Siena über Empoli nach Florenz, bislang nur in homöopathischen Dosen zum Einsatz.

So faszinierend die praktisch im Stundentakt vorbei dieselnden, lokbespannten Züge Florenz - Siena vice versa auch sind und so schön die durchfahrene toskanische Hügellandschaft ist, so rar sind leider die bewuchsfreien Abschnitte an der Dieselpiste - Und entsprechend eingeschränkt die Auswahl an Fotostellen. Im Frühjahr und Frühsommer jedoch sorgt Mutter Natur mit einer regelrechten Explosion der Farben für willkommene zusätzliche Akzente, wenn entlang von Feldern und Bahndamm der Klatschmohn in sattem Rot empor sprießt.

Besonders plakativ ließ sich das Schauspiel Anfang Juni an der alten, aus Ziegelsteinen errichteten Straßenbrücke bei Staggia Senese beobachten, wo die D445 1122 mit ihrem Regionale 19033 (Empoli - Siena) förmlich über einen roten Teppich zu defilieren schien.

PS: Um das Motiv adäquat einzufangen, habe ich das Bild aus zwei übereinander angeordneten Querformat-Aufnahmen zusammengesetzt.

Zuletzt bearbeitet am 28.07.23, 18:59

Datum: 09.06.2023 Ort: Staggia Senese [info] Land: Europa: Italien
BR: IT-D445 Fahrzeugeinsteller: Trenitalia
Kategorie: ungewöhnliche Perspektiven
Top 3 der Woche: 27 Punkte

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Tanz auf dem Vulkan
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 10.04.23, 20:25
Nicht gerade üppig in der Galerie vertreten sind die italienischen "Full-Chopper" der Reihe ALe 724, die zum Beginn der 80er Jahre maßstabsbildend für neue Triebwagentechnik waren, aber mit ihrer nur begrenzten geografischen Verbreitung vor allem in den Ballungsräumen Neapel und Turin sowie den wenig prestigeträchtigen Vorortdiensten, die sie Zeit ihrer Karriere verrichteten, für Reisende und Fanszene gleichermaßen im Schatten anderer Fahrzeugtypen standen. Anlass genug, einmal einen Blick auf die "Passante di Napoli" zu werfen, jene Durchmesserlinie der Staatsbahn, die heute als Linie 2 ins Neapolitaner Metronetz aufgenommen wurde und auf der die ALe 724 seit ihrer Ablieferung 1982/83 bis zum Dienstende vierzig Jahre später heimisch waren!

Kurz vor dem westlichen Ende der "Metropolitana" verläuft die Strecke auf besonders bemerkenswertem Terrain, mitten über der Kernzone des "Supervulkans" der Phlegräischen Felder/Campi Flegrei! Auf einem Gebiet von insgesamt mehr als 150 km² erstreckt sich die eingesunkene Caldera, wobei die vulkanische Aktivität heute auf den ersten Blick vor allem in Form vieler kleinerer Vulkankegel zu Tage tritt. Der größte davon ist der Solfatara-Krater, von dessen Hang dieses Foto entstanden ist. Ungeachtet der ständigen Bedrohung durch Erdbeben und eine potentielle, immer wahrscheinlicher werdende Eruption erstreckt sich zu seinen Füßen - wie eigentlich im gesamten Großraum Neapel - dichte Wohnbebauung, und das seit Jahrtausenden. Auch wenn man sich in Pozzuoli mit der Gefahr arrangiert zu haben scheint, schwingt doch immer eine Mischung aus Faszination und Schauer mit, wenn die beißend riechenden Schwefeldämpfe aus dem Vulkan hinüber wehen oder man als Tourist die Ruinen des römischen Macellums besichtigt, dessen Säulen von Bohrmuscheln übersäht sind. Denn die einstmals in Ufernähe errichteten und auch heute wieder auf dem Trockenen liegenden Bauten sind zwischenzeitlich einmal ins Meer ab- und wieder aufgetaucht! Die Erdkruste hat sich aufgrund der vulkanischen Aktivität mehrfach gesenkt und gehoben, insgesamt über 10 Meter...

Einen interessanten Kurzbeitrag über Faszination und Gefährdungspotential gibt's u.a. von Quarks: [www.youtube.com]

Aber kehren wir von dem ab, was unter der Erde vor sich hin brodelt und gehen kurz auf das Sichtbare ein, jedenfalls auf die markantesten Punkte: Im Vordergrund unterhalb der Fotostelle, zu der Yannick und ich uns durch ein schier undurchdringliches Dickicht aus Kakteen und sonstigem Dornengestrüpp den steilen Hang empor gekämpft hatten, erstreckt sich links das frisch sanierte und in Pastellgelb getünchte Santuario di San Gennaro alla Solfatara, ihm rechts gegenüber als kaum krasser denkbarer Kontrast das im Verfall begriffene ehemalige Militärkrankenhaus, das 1917 als Sanatorium für tuberkulosekranke Soldaten errichtet wurde und einer Nachnutzung harrt.

Auf der "Passante" rollt ein unerkannt gebliebener ALe 724 als M 7612 (Napoli San Giovanni-Barra - Pozzuoli Solfatara) seinem Endbahnhof entgegen, der knapp außerhalb des Bildausschnitts liegt. Dahinter neben neueren Wohnquartieren direkt an der Küstenlinie des Golfs von Pozzuoli das auf einem Tuffsteinfelsen errichtete historische Stadtquartier Rione Terra, das 1970 im Zuge eines vorhergesagten Absenkens des Erdbodens (die römische Markthalle mit Muschelbesatz lässt grüßen...) und wegen der prekären sanitären Zustände geräumt wurde, aber in jüngster Vergangenheit eine behutsame Wiederbelebung erfährt. Die sichtbaren Baukräne künden davon. Rechts schließt sich das Hafenbecken an, in dem gerade eine der kleinen Fähren manövriert, die Pozzuoli mit den Inseln Ischia und Procida verbinden.

Auch die Landzunge im Hintergrund, die den Golf von Pozzuoli vom offenen Tyrrhenischen Meer trennt, ist reich an historischer Bausubstanz. Links im Bild als markantester Punkt das Castello Aragonese von Baia, das Alfonso von Aragon (die Spanier waren also auch hier) im 15. Jahrhundert an der strategisch wichtigen Stelle errichten ließ. Weiter rechts zur tiefsten Stelle der Landzunge hin - im Bild nur erkennbar, wenn man es weiß - lassen sich die antiken Termen des römischen Seebads Baiae besichtigen, das der sittenstrenge Seneca als "deversorium vitiorum", als "Rasthaus der Laster" brandmarkte...

Jetzt aber genug der Geschichts- und Geografiestunde! Für alles weitere gilt: Am besten selbst hinfahren, auch wenn man 2023 nicht mehr mit dem "Full-Chopper" anreisen kann. ;)

PS: Graffiti auf den Mittelwagen digital entfernt.

Datum: 05.09.2019 Ort: Pozzuoli [info] Land: Europa: Italien
BR: IT-ALe724 Fahrzeugeinsteller: Trenitalia
Kategorie: Bahn und Landschaft
Top 3 der Woche: 12 Punkte

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Agricola - Der Bauer
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 04.04.23, 22:46
Da ich mich seinerzeit beim Wechsel von der Grund- auf die weiterführende Schule für das nur an wenigen Orten angebotene Kunstprofil entschied und bis zur Oberstufe immer den "lebendigen Sprachen" den Vorzug gab, kam ich nie in den Genuss (?) altsprachlich-humanistischer Bildung. Aber von den Lateinern habe ich mir sagen lassen, dass "Agricola" (der Bauer) wohl eines der ersten Worte war, das ins Vokalheft zu schreiben war... Und irgendwie musste ich genau daran denken, als ich das gezeigte Bild aus dem Archiv kramte. Vielleicht ist es das satt leuchtende Kornfeld, vielleicht das Landgut auf dem Hügel mit der darauf zuführenden Zypressen-Allee - Oder einfach das Idealbild einer Kulturlandschaft, wie man sie auch in einem Bilderbuch über die alten Römer hätte abdrucken können.

Wir sind in der südlichen Toskana, in den lehmigen Hügeln der Crete Senesi. Frühes Aufstehen war an diesem Junitag 2019 angesagt, um pünktlich zum Sonnenaufgang auf dem zuvor ausgeguckten Aussichtspunkt zu sein. Und so klickte die Kamera bereits um kurz vor sechs das erste Mal, eines meiner frühesten Eisenbahnfotos. Vielleicht war es also auch die unchristliche Uhrzeit, die mich an den Bauern hat denken lassen...;)

Protagonist auf den Gleisen ist ein Diesel-Minuetto, der als Regionale Veloce 3022 (Grosseto - Firenze S.M.N.) gerade den Friedhof von Buonconvento umkurvt. Ein gutes Drittel seiner rund 200 Kilometer langen Fahrtstrecke von der Provinzstadt in der Maremma in die Kunstmetropole am Arno hat er da schon geschafft.

Zuletzt bearbeitet am 06.04.23, 15:18

Datum: 21.06.2019 Ort: Buonconvento [info] Land: Europa: Italien
BR: IT-ALn501 Fahrzeugeinsteller: Trenitalia
Kategorie: Stimmungen mit Zug
Top 3 der Woche: 11 Punkte

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C'era una volta...
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 27.03.23, 18:48 sternsternstern Top 3 der Woche vom 09.04.23
Oder auch: A shot everyman and his dog has done!

Es war einmal eine Bahnstrecke, die verlief von Genua aus westwärts zur französischen Grenze, das einzige Gleis immer eng an die Küste geschmiegt. So schön, so unpraktisch für eine internationale Magistrale, oder eine Strecke, die dies sein will. Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts keimten daher Pläne auf, sie um ein zweites Gleis zu ergänzen. Bedingt durch die topografischen Gegebenheiten ging es mit der Umsetzung nur schleppend voran, 1936 zunächst auf dem kurzen Stück zwischen Albenga und Loano, dreißig Jahre später im Stadtgebiet von Genua und direkt an der Grenze im Westen. Während diese ersten Ausbauten den Charakter als Küstenstrecke nicht grundlegend veränderten, wich man bei den späteren Abschnitten auf Tunnel durch das Landesinnere aus. Am 11. Dezember 2016 war der besonders reizvolle Part rund um Imperia (von San Lorenzo al Mare bis Andora) an der Reihe, ein herber Schlag für die fotografierende Zunft - Und wohl auch für manch Reisenden auf dem Weg nach und von Imperia, wo der neue Bahnhof denkbar ungünstig zu den beiden Stadtkernen liegt.

Es war einmal eine Fotostelle, die in diesem Abschnitt lag. Natürlich nicht die einzige, aber eben DIE Fotostelle. Einen Innovationspreis wird man für den morgendlichen Blick auf Cervo mit seiner barocken Kirche San Giovanni Battista nicht mehr gewinnen können, denn so ziemlich jeder Freund von Italiens Bahnen stand dort wohl schon einmal. Ein schöneres Idiom als es die Briten dafür gefunden haben, fällt mir auch nicht ein. ;) Dennoch bleibt sie unvergessen, zu einzigartig war die beinahe kitschige Mischung aus Bahn und Meer. Dementsprechend traf man dort vor allem in den letzten Betriebsjahren und -monaten oft Gleichgesinnte aus aller Herren Länder und konnte zwischen den Zügen in geselliger Runde fachsimpeln. Irgendeine gemeinsame Sprache fand sich eigentlich immer: Italienisch, Deutsch, Französisch, Englisch...

Es war einmal ein Güterzug, der einmal pro Woche in fotogener Zeitlage an jener Fotostelle vorbei schaute. Und nicht irgendein Güterzug, sondern eine meist reinrassige Schlange aus FS-Teleskophaubenwagen. Immer samstags war er unterwegs, der MRI 48363 (Ventimiglia Parco Roja - Novi San Bovo). Am 20. Februar 2016 war es der "Tigre" E 652 134, der den Zug im mittlerweile geschlossenen Grenzgüterbahnhof von der SNCF übernommen hatte, um ihn entlang der Blumenriviera zum Ilva-Stahlwerk von Novi Ligure zu bringen. Um kurz nach neun klickten die Kameras, der Zug schepperte vorüber und hinterließ zufriedene Gesichter der zahlreich Angereisten... Cervo, es war einmal!

Zuletzt bearbeitet am 28.03.23, 08:15

Datum: 20.02.2016 Ort: Cervo [info] Land: Europa: Italien
BR: IT-E652 Fahrzeugeinsteller: Trenitalia
Kategorie: Bahn und Landschaft
Top 3 der Woche: 24 Punkte

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Steuerwagenparadies Italien
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 25.03.23, 19:47
Für Freunde von Steuerwagen (sofern es diese gibt - wahre Aficionados des "falschen" Zugendes dürfen sich gerne outen...! ;)) ist die Apenninhalbinsel ein echtes Eldorado. Unzählige verschiedene Bauarten haben sich im Laufe der letzten Jahrzehnte herausgebildet.

Angefangen hat es in den 1960er Jahren mit den "Piano ribassato"-Wagen, die mit ihrem Niederfluranateil neue Maßstäbe im Vorort- und Regionalverkehr setzten. In den darauffolgenden Dekaden kamen die MDVE/MDVC-Wagen hinzu, verschiedene Steuerwagenbauarten inklusive, als hasenkastenförmige "Schrankwand" oder aerodynamisch mit dem "Mazinga"-Kopf, letzterer wiederum wahlweise mit Stellpult für E- oder Dieselloks... Im Doppelstockbereich zunächst ab 1979 die "Casaralta"-Wagen, die auf den Voitures de Banlieue à deux niveaux (VB 2N) des Pariser Vorortverkehrs beruhten, im neuen Jahrtausend ergänzt um bzw. ersetzt von den modernen "Vivalto"-Garnituren. Auch in den Regionalverkehr abgewanderte UIC X-Wagen bekamen einen Führerstand verpasst und in jüngster Vergangenheit hielten die carrozze semipilota schließlich auch im bis dahin noch weitgehenden "unverpendelten" Fernverkehr Einzug. Wir sehen also: Die Typenvielfalt ist immens!

Dank der seit 1999 in insgesamt über 700 Exemplaren beschafften Wendezug-Loks der Reihe E 464, die rasch alle älteren E-Loks aus dem Nahverkehrsdienst verdrängten, konnten sich lokbespannte Zuggarnituren noch bis weit in die 2010er/2020er Jahre hinein auf den meisten elektrifizierten Strecken des Landes behaupten und sind erst mit den Ablieferungen der neuesten Triebwagen-Generation ("Pop" und "Rock") langsam auf dem Rückzug. Folgerichtig baute man auch die "Piano ribassato"-Wagen, mit denen in den 60ern der Siegeszug der Steuerwagen begann, noch einmal um und verpasste ihnen ab 2004 u.a. eine neue, recht gefällige Frontpartie.

Diesen Zustand repräsentierte auch das Exemplar, das am 18. April 2014 im Regionale 23686 (Roma Tiburtina - Pescara) mitlief und bei Goriano Sicoli im spektakulären Abstieg vom Scheitelpunkt der Apenninquerung Rom - Pescara in den Talkessel von Sulmona einen der zahlreichen Viadukte überquerte, die für Fotografen nur nach einem längeren - aber unglaublich schönen - Fußweg zu erreichen sind. Typisch für die Übergangsjahreszeiten in den Abruzzen sind die starken Kontraste in der Landschaft: Während auf den Bergen noch üppig Schnee liegt, erstrahlt die fruchtbare Ebene schon in saftigem Grün.

Zuletzt bearbeitet am 26.03.23, 12:53

Datum: 18.04.2014 Ort: Goriano Sicoli [info] Land: Europa: Italien
BR: Steuerwagen (außer von Triebwagen) Fahrzeugeinsteller: Trenitalia
Kategorie: Bahn und Landschaft
Top 3 der Woche: 16 Punkte

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Una giornata ventosa
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 16.03.23, 19:38
Am 11. Dezember 2022 wehte ein starker Nordwind aus den Alpen über den Comer See und die Brianza hinweg in Richtung Poebene. Die kräftigen Böen trieben immer wieder zerzauste Wolken über den Himmel, doch wenn einmal die Sonne schien, war die Intensität des Lichts kaum zu überbieten und die Farben zeigten jene Klarheit, wie sie nur an den kürzesten Tagen des Jahres hervortritt.

Passend dazu schickte die Fondazione FS den letzten "Lario Express" der Saison von Mailand aus auf den Weg nach Como und Lecco. Gebildet war der Treno storico 96003 (Milano Centrale - Lecco) an diesem Tag aus D445 1001 und einer stilechten Garnitur aus einem Corbellini-, drei Centoporte- sowie einem Gepäckwagen - Die (fast) perfekte Illusion eines italienischen Nahverkehrszugs der späten 70er oder frühen 80er Jahre. Nur der erste Wagen tanzt mit seiner braunen Farbgebung gegenüber dem Rest in "grigio ardesia" ein bisschen aus der Reihe.

Kurz vor seinem Zielbahnhof überquert der Zug die Stahlfachwerkbrücke über die Adda, deren Oberfläche vom Wind in ein Meer aus kleinen Wellen verwandelt wurde, die das letzte Herbstlaub an den feinen Kiesstrand trugen. Der Fluss bildet hier ein kurzes Nadelöhr zwischen dem Comer See (Lario) und dem kleinen Lago di Garlate, den er auf seinem Weg nach Süden durchfließt. Jenseits der Bahnbrücke lugen der Ponte Azzone Visconti (erbaut 1336 - 1338 als Verbindung zwischen Lecco und dem Herzogtum Mailand) und die kleine Isola Viscontea mit ihrem Türmchen hervor, hoch über alldem die Bergkette der Corni di Canzo.

PS: Einen gelben Baukran am anderen Flussufer (auf Höhe des Gepäckwagens) sowie einen im Eifer des Gefechts in den Bildausschnitt gelaufenen Mitfotografen habe ich weggepixelt.

Datum: 11.12.2022 Ort: Lecco [info] Land: Europa: Italien
BR: IT-D445 Fahrzeugeinsteller: Fondazione FS
Kategorie: Bahn und Landschaft
Top 3 der Woche: 17 Punkte

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Il tramonto sull'Aspromonte
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 15.03.23, 16:25
Wenn es Abend wird an der italienischen Stiefelspitze, versinkt der rot glühende Sonnenball hinter den Bergen des Aspromonte, jenes trockenen und mitunter bizarr gezackten Gebirgsmassivs in Kalabrien, wo das Erbe der Magna Graecia mit seinen griechischen Sprachinseln auf den Rückzugsort der ’Ndrangheta trifft. Unterstrichen wird der unwirtliche Eindruck mancherorts durch die Ruinen längst verlassener Häuser, nicht nur in der eindrucksvollen Geisterstadt Africo Vecchio, sondern zum Beispiel auch auf dem Felsen Rocca Bianca, der in Bova Marina direkt oberhalb von Bahnstrecke und Küste thront.

Pünktlich zum Sonnenuntergang brummte am 9. September 2019 ein einzelner ALn 663 als Regionale 22482 (Reggio di Calabria - Roccella Jonica) vorbei. Noch dominieren die Fiat-Triebwagen aus den späten 80er Jahren gemeinsam mit den nur drei ab 2015 nach Kalabrien gelieferten PESA Atribo (ATR 220) den Regionalverkehr auf der reizvollen Küstenlinie. Doch schon bald dürfte auch ihr Stern zu sinken beginnen, denn in diesen Tagen absolviert der erste bimodale HTR 412 von Hitachi Testfahrten auf der Ferrovia Jonica zwischen Reggio und Catanzaro. Insgesamt 13 Exemplare sollen davon in nächster Zeit geliefert werden und das bewährte, aktuellen Anforderungen an Barrierefreiheit und Klimatisierung aber nicht mehr genügende Fahrzeugmaterial verdrängen...

Datum: 09.09.2019 Ort: Bova Marina [info] Land: Europa: Italien
BR: IT-ALn663 Fahrzeugeinsteller: Trenitalia
Kategorie: Stimmungen mit Zug
Top 3 der Woche: 9 Punkte

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Segni dell'età
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 12.03.23, 19:31 sternsternstern Top 3 der Woche vom 26.03.23
Bald 50 Jahre ist es her, dass die D445 1020 (Savigliano 1975) an die Ferrovie dello Stato geliefert wurde - Ein halbes Jahrhundert, das nicht spurlos an der Lok vorübergegangen ist. Längst zeigt sie sichtliche Alterserscheinungen: Rostflecken überziehen das Dach, Schmutzschlieren rinnen von den Fenstern die Front herab und mancherorts platzt der ausgewaschene XMPR-Lack schon ab. Unklar, ob das, was darunter zum Vorschein kommt, eine Grundierung, abermals Rost oder die Ursprungslackierung in Verde Magnolia/Isabella ist, über die man seinerzeit bei der letzten großen Hauptuntersuchung einfach drüber lackiert hat...

Aber noch ist sie unverzichtbar, denn die Situation im überalterten Diesellokpark von Mercitalia Rail ist chronisch angespannt, seitdem man einerseits vor gut zehn Jahren einen Vorvertrag mit Ansaldo über die Lieferung von 40 neuen Streckenlokomotiven annulliert hat, andererseits aber immer mehr der alten Maschinen abgestellt werden, sei es zur Ersatzteilgewinnung oder weil sie offenbar einfach nicht mehr zu retten sind. So lassen sich die italienweit noch für Güterzüge zur Verfügung stehenden D445er an den Fingern beider Hände abzählen. Von der ersten Serie mit ihren charakteristischen Einfachleuchten, die Anfang 2012 nach dem Ausscheiden im Personenverkehr auf der Ferrovia Jonica in vielen Exemplare nach Turin kam, sind es Anfang 2023 neben der abgebildeten Lok noch D445 1018, 1019 und 1033.

Am 31. Januar 2023 hat die Protagonistin die Kimberly-Clark-Papierfabrik in Romagnano Sesia bedient und rollt nun mit der ungewöhnlich kurzen Leerwagenschlange als MRV 39705 (Romagnano Sesia - Novara Boschetto) bei San Bernardino zurück zum Ausgangspunkt ihres Ausflugs. Danach wird wieder für eine Woche Ruhe auf den Gleisen einkehren: [www.drehscheibe-online.de]

In ihrem Rücken erheben sich - gefiltert durch die Mischung aus Dunst und Smog, wie sie an vielen Wintertagen typisch für die Poebene ist - die mächtigen Alpengipfel, auf denen auch im schneearmen Winter 2022/23 ein Hauch der weißen Pracht liegt.

PS: Die Lok trägt zwar anders als manche ihrer Schwestern wenigstens an der Front keine großflächigen Graffiti, dafür aber gleich mehrere Tags, die ich nachträglich digital entfernt habe.

Datum: 31.01.2023 Ort: San Bernardino [info] Land: Europa: Italien
BR: IT-D445 Fahrzeugeinsteller: Mercitalia Rail
Kategorie: Zug schräg von vorn
Top 3 der Woche: 32 Punkte

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Zeitenwende(n)
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 08.03.23, 17:36
Seit jeher erfreut sich die Côte d'Azur auch bei der russischen Upper class großer Beliebtheit. Waren es im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert noch überwiegend Aristokraten - so begegnet einem u.a. der Name Romanow, wenn man im milden Südfrankreich auf Spurensuche ist -, traten in den letzten Jahrzehnten die reichen Oligarchen des "neuen" Russlands an ihre Stelle. Entsprechend wurde auch bereits vor dem Ersten Weltkrieg eine Bahnverbindung zwischen Russland und der Côte d’Azur eingerichtet: Von 1898 bis 1914 ging es per Luxuszug von St. Petersburg über Wien und Nizza nach Cannes, wobei die Fahrgäste damals in Warschau zwischen dem breitspurigen russischen Zug und seinem von der Compagnie Internationale des Wagons-Lits (CIWL) betriebenen mitteleuropäischen Pendant umsteigen mussten. Aufgrund seiner großen Beliebtheit im Hochadel der russischen und Habsburger Monarchie führte er inoffiziell auch den Namen „Train des Grand-Ducs“.

Fast 100 Jahre später nahm die RŽD im Jahre 2010 die traditionsreiche Verbindung wieder auf, wenn auch in abgewandelter Form. Als besonderes Aushängeschild sollte von nun an ein durchgehender Zug vom Weißrussischen Bahnhof in Moskau bis unter die geschwungenen Bögen der Bahnsteighalle von Nizza rollen. Die Bestellung moderner Weitstreckenwagen, die auch auf der mitteleuropäischen Regelspur freizügig eingesetzt werden konnten, machte es möglich. Es war sicher einer der spannendsten - und längsten - Zugläufe in der zweiten Dekade des 21. Jahrhunderts.

Das Ende des Prestigeprojekts kam dann unerwartet von einem Tag auf den anderen - Wie so vieles, was im Frühjahr 2020 geschah. Die Corona-Pandemie, die sich von Norditalien aus ihren Weg durch Europa bahnte, sollte nicht nur unseren Alltag in zuvor kaum vorstellbarem Maße über den Haufen werfen, sondern führte auch dazu, dass der "Moskau-Nizza-Express" am 5. März 2020 eingestellt wurde - "Vorübergehend", wie es zunächst hieß...

Doch seitdem aus Moskau nicht mehr nur Liebesgrüße nach Westen versendet werden, scheint auch das Schicksal des Nachtzugs an die Côte d'Azur besiegelt. Spätestens mit dem Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 dürfte wohl jedem klar geworden sein, dass es so bald keine Zugverbindung mehr von Russland ins französische Urlaubsparadies geben wird.

Am 20. Februar 2016 standen russische Truppen zwar auch längst auf der Krim und im Donbas, aber zumindest der "Moskau-Nizza-Express" rollte dessen ungeachtet durch Europa, ebenso wie sein Pendant nach Paris. Die viel zitierte Zeitenwende, die heute in aller Munde ist, war eben noch nicht vollzogen. So glitt im goldenen Morgenlicht des Wintertages EN 17 (Moskva Belorusskaya - Nice Ville) bei Mortola Inferiore unweit der italienisch-französischen Grenze in gemächlichem Tempo um die Kurve. Die ersten Sonnenstrahlen umspielten dabei die charakteristische "Nase" der führenden BB 22331, die den Zug erst kurz zuvor im Grenzbahnhof Ventimiglia von einem "Caimano" der Trenitalia übernommen hatte.

Datum: 20.02.2016 Ort: Mortola Inferiore [info] Land: Europa: Italien
BR: FR-BB 22200 Fahrzeugeinsteller: SNCF
Kategorie: Bahn und Landschaft
Top 3 der Woche: 22 Punkte

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Wo auch im Winter die Blumen blühen
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 19.02.23, 18:17
Wo auch im Winter die Blumen blühen, da muss er wohl sein, der mondäne Küstenabschnitt, der in Deutschland auf den klangvollen Namen Blumenriviera hört. Ein wegen seiner revolutionären Schriften aus Frankreich verbannter Schriftsteller soll hier begonnen haben mit der Blumenzucht. Da er offenbar großen Erfolg mit dem Versand der bunten und duftenden Ware ins ferne Paris hatte, taten es ihm die Einheimischen gleich und so schießen an der Riviera di Ponente zwischen Genua und Ventimiglia neben Zitrus- und Olivenhainen heute auch zahllose Gewächshäuser der Gärtnereien empor.

Auch abseits der bewirtschafteten Flächen blüht und duftet es im Januar, wenn auch eine Nummer kleiner und dezenter. So war das Warten auf den Zugverkehr entlang der alten Küstenstrecke nicht nur wegen der Aussicht auf Meer und Brandung ein besonderes Vergnügen. Unweit des bekannten Kirchenblicks von Cervo - wohl dem Motiv der Motive, das jeder einmal gemacht hat, ehe die Strecke Ende 2016 zweigleisig ausgebaut und in den Berg verbannt wurde - schaute ich am 29. Januar 2013 einmal in die Gegenrichtung. Düstere Wolken hingen an diesem wechselhaften Tag über der Küste, aber für den ein oder anderen Zug hatte die Sonne ein Einsehen.

Aus heutiger Sicht besonders interessant ist die "Fanta-Dose" ALe 801/940, die als Regionale 6229 (Ventimiglia - Savona) über den schmalen Laufsteg zwischen Steilhang und Küstensaum surrte. Die zwischen 1975 und 79 für den Vorortverkehr gebauten Elektrotriebwagen sollten sich wenige Jahre später - etwa zeitgleich mit der eingleisigen Küstenstrecke - aus der ligurischen Eisenbahnszene verabschieden.

Datum: 29.01.2013 Ort: Cervo [info] Land: Europa: Italien
BR: IT-ALe801/940 Fahrzeugeinsteller: Trenitalia
Kategorie: ungewöhnliche Perspektiven
Top 3 der Woche: 9 Punkte

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Doppio Minuetto
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 15.02.23, 19:24 sternsternstern Top 3 der Woche vom 26.02.23
Während die piemontesische Provinzhauptstadt Biella bereits seit 1856 in Richtung Santhià und Turin an das Schienennetz angeschlossen ist, ließ eine Verbindung in östlicher Richtung trotz jahrzehntelanger Bestrebungen auf sich warten. Erst 1925 wurde die private Società Ferrovie Elettriche Novaresi (SFEN) mit Bau und Betrieb der rund 50 Gleiskilometer nach Novara beauftragt - ganz modern elektrisch sollte es zugehen, wie schon der Gesellschaftsname zum Ausdruck brachte. Daraus wurde letztlich nichts, ohne dass dieser Umstand einer Eröffnung mit viel Pomp am 18 Mai 1939 entgegengestanden hätte, in Anwesenheit des "Duce" höchstselbst. "Una giornata formidabile!" titelte La Stampa damals [www.archiviolastampa.it] ... Nun ja, tatsächlich wurde der reguläre Zugbetrieb wegen einiger noch ausstehender Restarbeiten und Fahrzeugmangel erst mehr als ein Jahr später aufgenommen.

Die verhältnismäßig späte Entstehungszeit in den 1930er Jahren ist an der streckenbegleitenden Infrastruktur noch heute gut zu erkennen. Die Bahnhofsgebäude zeigen sich mit ihren kantigen Formen irgendwo zwischen Kolonialstil und Razionalismo und auch die Betonbogenbrücke bei Ghislarengo über den Sesia, einen linken Nebenfluss des Po, ist epochentypisch.

Der tiefe Wasserstand des am Monte Rosa-Massiv entspringenden Flusslaufs ließ am 31. Januar 2023 im breiten Flussbett mehrere kaum von der Strömung berührte "Pfützen" entstehen, die gemeinsam mit der weitgehenden Windstille schöne Spiegelungen ermöglichten. So ließ sich auch der als Regionale 11616 (Novara - Biella S. Paolo) vorbei kommende Minuetto gleich in doppelter Ausführung porträtieren.

Datum: 31.01.2023 Ort: Ghislarengo [info] Land: Europa: Italien
BR: IT-ALn501 Fahrzeugeinsteller: Trenitalia
Kategorie: Bahn und Infrastruktur
Top 3 der Woche: 27 Punkte

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Tradotta mattutina
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 11.02.23, 21:57
Die norditalienische Poebene ist seit jeher von einem dichten Nebenbahnnetz durchzogen, das sich in weiten Teilen bis heute erhalten hat. Wer die nötige Zeit mitbringt, kann sich vom Mündungsdelta bis an den Fuß der ersten Alpengipfel mit Regionalzügen abseits der Magistralen durch die endlosen Felder schaukeln lassen.

Merklich ausgedünnt hat man das Netz allerdings zum Beginn der 2010er Jahre im Piemont, wo zwischen 2012 und 2014 gleich vierzehn (!) Nebenbahnen ihren Personenverkehr (und damit meist den gesamten Betrieb) verloren. Das entsprach etwa einem Viertel des damaligen Netzes der Region!

Die Strecke von Novara nach Varallo Sesia weist immerhin im Abschnitt bis Romagnano noch mehr oder minder regelmäßigen Betrieb auf. Dort sorgt der US-Hygienepapier-Multi Kimberly-Clark, der am Standort überwiegend Küchenpapier ("Scottex") für den italienischen Markt produziert, für Aufkommen im Güterverkehr. Einmal die Woche - in der Regel dienstags - erhält er eine Lieferung Zellstoff über die Schiene.

Während die leere Rückfahrt vor der Alpensilhouette ein gerne fotografiertes Motiv ist (coming soon!), muss man für die morgendliche Hinfahrt kreativ werden, denn weder Sonnenstand noch "Motivlage" sind trivial. Am 31. Januar 2023 entschied ich mich für den ehemaligen Bahnhof San Bernardino, der weitab des namensgebenden Ortes inmitten von Reisfeldern liegt und heute das Herz eines jeden Lost places-Fans höher schlagen lässt...

Noch ehe die kurz zuvor aufgegangene Sonne Gelegenheit gehabt hätte, den frostigen Boden (und Fotografen) auch nur etwas aufzutauen, brummte der Diesel-Veteran D445 1020 (Baujahr 1975) mit ein paar Schiebewandwagen als MRS 39704 (Novara Boschetto - Romagnano Sesia) gemächlich heran und passierte unter fröhlichem Pfeifen der sympathischen Crew den Bahnsteig, der seit 2003 seiner Funktion beraubt ist.

Datum: 31.01.2023 Ort: San Bernardino [info] Land: Europa: Italien
BR: IT-D445 Fahrzeugeinsteller: Mercitalia Rail
Kategorie: Stimmungen mit Zug
Top 3 der Woche: 12 Punkte

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Sous une fine couche de neige
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 28.01.23, 19:52
Mitte Januar sorgten Temperaturen unterhalb der Nullgradmarke und leichte Niederschläge auch in den Vogesen für eine dünne Schneeschicht bis in mittlere Lagen, also auch in greifbarer Nähe der Bahnstrecken. Als am vergangenen Samstag, dem 21. Januar 2023, dann wenigstens für ein paar Stunden die Sonne durchbrach, galt es auf dem schmalen Grat zwischen schöner Ausleuchtung und langsam wegtauendem Schnee zu wandeln.

Während sich im Tal rund um Saint-Dié schon eine "Kuhflecken-Landschaft" breit machte, hing kurz vor der Einfahrt in den Tunnel de Vanémont 1 am Vormittag sogar noch ein bisschen Schnee auf den Bäumen, wenn auch weitaus weniger, als ein Stück weiter nördlich im Pfälzer Wald. Unweit des Scheitelpunkts der Ende 2021 reaktivierten Strecke nach Épinal, die seit Inkrafttreten des Winterfahrplans 2018/19 wegen maroden Oberbaus eingestellt war, befinden wir uns hier auf ziemlich genau 500 Metern über dem Meer.

Der als TER 831910 (Strasbourg - Épinal) verkehrende X 76660 passte genau in eine der spärlichen Lücken, in denen im Januar in der waldreichen Gegend die Sonne ihren Weg zwischen den Baumwipfeln hindurch findet.

Einladen möchte ich an dieser Stelle zu einem Vergleich mit dem sehenswerten, bereits in der Galerie enthaltenen Foto von User "fers à repasser", das an selber Stelle entstanden ist [www.drehscheibe-online.de] . Nicht nur die Jahreszeit ist eine andere, sondern vieles mehr hat sich in knapp 30 Jahren verändert. Angefangen beim Fahrzeugeinsatz über die längst demontierte Telegrafenleitung bis hin zu deutlichen Unterschieden in der Vegetation. Während man die Straßenböschung rechts erst kürzlich gerodet hat, sind die Nadelbäume und anderen Gehölze links des Gleises prächtig gediehen, sodass der Blick ins Tal dem Betrachter heute verborgen bleibt...

Zuletzt bearbeitet am 28.01.23, 20:59

Datum: 21.01.2023 Ort: Corcieux-Vanémont [info] Land: Europa: Frankreich
BR: FR-X 76500 Fahrzeugeinsteller: SNCF
Kategorie: Bahn und Landschaft
Top 3 der Woche: 8 Punkte

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Viaggio nel tempo
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 25.01.23, 18:19
Zwischen internationalen Magistralen und dicht getakteten Vorortlinien findet sich in der Brianza, dem nördlich von Mailand gelegenen Hügelland, auch noch ein Stück klassischer, beschaulicher Eisenbahn. Auf der Nebenstrecke von Como nach Molteno und weiter nach Lecco hängt (noch) kein Fahrdraht und eine Reihe von Zwischenhalten zeigt eine Facette der Eisenbahn, die in einem kaum stärker denkbaren Kontrast zu manch moderner - zwar barrierefreier, aber doch auch optisch kühler - "Verkehrsstation" steht. Der Bahnsteig vieler Haltepunkte besteht hinter der einfachen Bahnsteigkante nur aus Rasen - Kein Asphalt, keine Fliesen, nur frisch gemähtes Gras, Blumenbeete und ein paar Bäumchen.

Auch die alten Empfangsgebäude sind noch erhalten. Und dabei nicht einmal verwaist, sondern in unterschiedlicher Nutzung. Ihr Zustand oszilliert zwischen leichter Patina und dezenter Renovierung. Das von Casletto nutzt die Kommune, in Brenna hat sich die Greenpeace-Ortsgruppe eingerichtet und der alte Bahnhof von Moiana dient als Wohnhaus.

Was liegt also näher, als die Einladung zu einer kleinen Zeitreise anzunehmen und das Ensemble mit einem passenden Fahrzeug in Szene zu setzen? Sehr gelegen kommt da der "Lario Express", ein Sonderzug, den die Fondazione FS an ausgewählten Wochenenden von Mailand aus auf den Weg nach Como und Lecco schickt. Am 11. Dezember 2022, dem letzten Fahrtag der Saison, war für die Traktion des Treno storico 96003 (Milano Centrale - Lecco) D445 1001 eingeteilt. Die 1974 von Fiat Savigliano an die Ferrovie dello Stato gelieferte Lok verbrachte den Großteil ihrer aktiven Karriere am anderen Ende des Stiefels, ehe sie nach ihrem Ausscheiden beim Depot Reggio di Calabria ins Ausbesserungswerk Rimini überführt wurde, das sie im Oktober 2020 in der klassischen Livrea verde/isabella wieder verließ. Damit zeigt sie sich nun weitgehend im Betriebszustand der 90er-Jahre, also nach dem Austausch der runden Original-Frontfensterscheiben durch stabilere Pendants und der Nachrüstung mit 78-poliger Wendezugsteuerung.

Übrigens: Bis 2026 soll auch Como - Lecco unter Strom gesetzt werden, sicherlich mit einem Umbau der "stazioni sul prato", denen Giorgio Stagni auf seiner Seite einen ausführlichen Bildbericht gewidmet hat [www.stagniweb.it] , verbunden... [www.espansionetv.it]

Zuletzt bearbeitet am 25.01.23, 19:25

Datum: 11.12.2022 Ort: Moiana [info] Land: Europa: Italien
BR: IT-D445 Fahrzeugeinsteller: Fondazione FS
Kategorie: Bahn und Infrastruktur
Top 3 der Woche: 10 Punkte

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Dreifach Glück im zweiten Anlauf
geschrieben von: Julian en voyage (498) am: 17.01.23, 18:43 sternsternstern Top 3 der Woche vom 29.01.23
Seit ihrer Ablieferung an das Deposito Locomotive di Sulmona in den Jahren 1982/83 bildeten die ALn 668 3300 das Rückgrat im Zugbetrieb auf den von dort ausgehenden Nebenbahnen in Richtung L'Aquila/Terni, Carpinone sowie der nicht minder reizvollen Verbindung von Avezzano nach Roccasecca. Die letzte Serie der großen 668er-Familie wurde eigens für die anspruchsvollen Gebirgstrecken der Abruzzen beschafft und weist gegenüber den vorigen Bauserien eine spezielle Getriebeübersetzung sowie eine geringere Höchstgeschwindigkeit von nur 110 km/h auf. Durch die Einstellung des regulären Personenverkehrs auf der "Transiberiana d'Italia" (Sulmona - Castel di Sangro - Carpinone) im Jahr 2011 und die Lieferung neuer PESA Atribo (ATR 220) für die Züge zwischen Sulmona und L'Aquila ist die Nebenlinie Avezzano - Roccasecca heute, von umlaufbedingten Einzelleistungen abgesehen, das letzte verbliebene Einsatzgebiet der Fahrzeuge. Von den einstmals 40 Exemplaren stehen dafür nach ersten Ausmusterungen und vereinzelten Abgängen nach Foggia und Ancona noch rund zwei Dutzend in Sulmona zur Verfügung.

Der spektakulärste Streckenabschnitt erstreckt sich rund um das 5000 Einwohner-Städtchen Capistrello, wo die Gleise auf engstem Raum gut 100 Meter Höhendifferenz überwinden, unter anderem mit Hilfe zweier Kehrtunnel. Vom Portal eines der beiden aus bietet sich ein freier Blick auf die mittlere Ebene und den an die steilansteigende Bergflanke geschmiegten alten Stadtkern. Klar, dass ich mir dieses Motiv bei meinem Aufenthalt in den Abruzzen nicht entgehen lassen wollte!

Doch wem muss ich erzählen, dass das Fotografenhobby mitunter unerwartete Hürden bereithält...? Eigentlich stand Capistrello schon am Vortag unmittelbar nach diesem Foto [www.drehscheibe-online.de] auf der Agenda. Das verhinderte allerdings ein Unfall mit einem unvermittelt direkt vor meinem Auto aus dem Wald auf die Straße schießenden Reh. Keine schöne Erfahrung, weder für mich als Fahrer, noch (und vor allem) für das bemitleidenswerte Tier, das nach der Kollision noch Reißaus nehmen konnte, aber sicher nicht ohne bleibende Verletzungen davongekommen ist... Die Schäden an meinem Auto nahmen dann die drei (!) in einem Fiat Panda herbeigeeilten Beamten der Carabinieri Forestali auf, einer der schier unüberschaubaren Untergliederungen der italienischen Polizeibehörden, zuständig für alles, was irgendwie mit Wald und Wild zu tun hat. Gut, habe ich die also auch einmal kennengelernt. Da die Drei ebenso gründlich wie freundlich waren, konnte ich eine rechtzeitige Ankunft am Motiv trotz ursprünglich üppigen Zeitpolsters natürlich abschreiben.

Doch zumindest in fotografischer Hinsicht nahm die Sache noch einen positiven Ausgang. Glücklicher Umstand Nummer eins: Ich hatte mich ohnehin für ein paar Nächte im einzigen Hotel von Capistrello einquartiert, sodass einem Besuch am nächsten Tag nichts entgegenstand. Das Motiv war von dort sogar fußläufig erreichbar. Allerdings war nun das Wetter alles andere als freundlich. Da kam glücklicher Umstand Nummer zwei ins Spiel: Für rund eine Minute (ungelogen die einzige in der ganzen Stunde!) gaben die den kompletten Vormittag über in den umgebenden Bergen hängenden Wolken der Sonne ausreichend Raum, um alle wesentlichen Motivbestandteile zu erhellen. Und dass dann der wiederum einzige lichtmäßig passende Zug auch noch genau die nötigen paar Minuten Verspätung hatte, um zeitgleich mit der unerwarteten Wolkenlücke durch das Motiv zu brummen, war doch einigermaßen unglaublich. Dreifach Glück im zweiten Anlauf!

Just for the record: Regionale 20188 (Cassino - Avezzano) mit ALn 668 3313 an der Spitze.

Datum: 24.11.2022 Ort: Capistrello [info] Land: Europa: Italien
BR: IT-ALn668 Fahrzeugeinsteller: Trenitalia
Kategorie: Bahn und Landschaft
Top 3 der Woche: 24 Punkte

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