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Lichtenfels, ein kleines Abenteuer in meiner Jugend.

geschrieben von: der nordländer

Datum: 03.08.11 12:05

Wir schreiben das Jahr 1983, genau gesagt September 1983. Kohl ist Kanzler, kein Wunder...ich bin ja auch noch nicht wahlberechtigt, und ich gehe noch zur Schule, in die 10. Klasse auf einer Oldenburger Schule. Es ist ein schönes und ein ereignisreiches Jahr. Meine ganze Zeit opfere ich meinem Hobby, dem fotografieren von Eisenbahnen. Vor allem, weil in diesem Jahr doch so einige Fahrzeuge aus der Anfangszeit der Bundesbahn von den Gleisen verschwinden und ich diese noch unbedingt auf Zelluloid bannen möchte.

Es liegt ein super heißer Sommer hinter uns, dass schöne Wetter hat mir einige gute Bilder und Erlebnisse gebracht, nur eine Sache fehlte mir in diesem Jahr noch zu meinem Glück. Im Herbst sollten die letzten Vorkriegs Elloks der Baureihe 144 in Würzburg ausgemustert werden...und da musste ich hin, koste es was ich wollte!

Nun gab es bis dahin noch das eine oder andere Problem zu bewältigen. Erstens waren keine Ferien! Ich weis bis heute nicht, wie ich es geschafft habe, meinen Vater von diesem Projekt zu überzeugen, aber er hat für mich gelogen, dass sich die Balken bogen. Er hat meinem Lehrer was von einer Praktikumstelle bei der Bahn erzählt, und das der Besuch dort unheimlich wichtig für eine eventuelle Lehrstelle für mich wäre. So hatte ich meinen Vater auch noch nie gesehen...er konnte ja lügen ohne rot zu werden, cool!

Das zweite Problem war, wo dort übernachten? War ich doch bisher immer mit meinen Eltern unterwegs, oder bei Verwandten untergekommen. Jetzt sollte es aber ins fränkische Lichtenfels gehen und dort kannte ich niemanden. Also ab in die Oldenburger Jugendherberge um einen Jugendherbergsausweis zu besorgen, denn einen solchen hatte ich bis dato nämlich noch nicht. Die freundlich Herbergsmutter aus Oldenburg sagte mir, dass es in ein paar Tagen neue Ausweise geben würde und es lohne sich jetzt nicht mehr einen Alten zu nehmen. Sie riet mir, diesen am Zielort zu besorgen...ein folgenreicher Fehler bahnte sich an!

Das Problem der Finanzierung lies sich auch regeln, wozu hat man den Omas und Opas? Also konnte ich mich erst mal sorgenfrei auf den Reisetermin freuen.

Der Tag der Abreise war da. An diesem Donnerstag verabschiedete ich mich von meinem Schulfreund Roland, der mich nur zu gerne begleitet hätte, nachdem ich bei meinem, doch etwas misstrauischen, Klassenlehrer noch mal größte Überzeugungsarbeit leisten musste.
Es war ein traumhaft schöner Herbsttag und ich genoss die fahrt durch die goldene Herbstlandschaft, nicht ohne noch ein paar Fotos aus dem fahrenden Zug zu machen, sobald ich ein spannendes Eisenbahnfahrzeug erspäht hatte.

Bei der abendlichen Ankunft in Würzburg riskierte ich noch einen schnellen Blick in den Lokschuppen, da standen sie, die Objekte meiner Begierde. Bis morgen dachte ich und bestieg meinen Anschlusszug nach Lichtenfels. Dort angekommen machte ich mich frohen Mutes auf den Weg in die Herberge. Es war inzwischen dunkel, ich hatte Hunger und wollte zeitig schlafen gehen, froh war ich die Jugendherberge zu erblicken.

Laut war es dort drinnen, eine Schulklasse auf Klassenfahrt vergnügte sich um eine Tischtennisplatte. Die Anmeldung war verschlossen, kein Herbergsvater, niemand war zu sehen. Auch nach längerem warten tat sich nichts. Erstaunlich schnell kam ich mit den anderen Jugendlichen ins Gespräch und war erleichtert, so eine gute Aufnahme zu erfahren. Sie gaben mir den Tipp, doch vorne an der Haustür zu klingeln, dort wo der Herbergsvater wohnen würde. Gesagt, getan. Ich klingelte und nach einiger Zeit wurde geöffnet. Oh schreck, dachte ich nur! Vor mir stand ein fetter, grantelnder und sichtlich angetrunkener älterer Herr in Feinrippunterhemd und Kniebundhose! Er raunzte mich an was ich wolle und ich erklärte im eingeschüchtert, dass ich ein Bett bräuchte.

Er beorderte mich zur Anmeldung. Mit einem lauten Scheppern öffnete er das Fenster auf seinem Tresen und schnauzte nur: „Herbergsausweis“! „Ähh...hab ich nicht“ stotterte ich zurück. Er sagte darauf nur, dass ich ohne Ausweis nicht hier bleiben könne. All meine Erklärungsversuche, dass man mir doch gesagt hatte ich könne den Ausweis vor Ort erweben, ließen ihn kalt. „Hier in Bayern nicht!“ muffelte er nur, schloss sein Fenster und torkelte von dannen! Toll!

Die anwesenden Jugendlichen von der Klassenfahrt trösteten mich und wünschten mir viel Glück. Nun stand ich da, Tränen im Gesicht, nicht genug Geld für ein Hotel und keine Ahnung was ich machen sollte. Also erst mal zurück zum Bahnhof. Dort stand ich und überlegte was tun. Mein Blick fiel auf die Wache der Bahnhofspolizei und ich überlegte ob ich reingehen soll. Doch die Polizisten hatten mich längst erblickt und ehe ich reagieren konnte, hatten sie mich schon aufgegriffen. Ich erklärte ihnen meine Notlage und fragte ob sie nicht wissen würden wo ich hin gehen kann. Das angebotene Hotel musste ich aus Geldnot ablehnen, daher erlaubten sie mir in einem Warteraum zu nächtigen...na ja, immerhin!

Ab jetzt begann für meine Eltern die unruhigste Nacht ihres Lebens! Für die Polizisten war klar, dass es sich bei mir um einen Ausreißer handeln muss! Hätten sie mich direkt gefragt und hätten sie, mit mir gemeinsam, zu Hause angerufen, dann hätten sie meinen Eltern so einiges ersparen können. Statt dessen aber spielten die beiden Herren lieber „Stille Post“! Die Bahnpolizisten aus Lichtenfels riefen nämlich jetzt bei der Bereitschaftspolizei in Oldenburg an. Denen sagten sie, dass ich ohne Geld und außerhalb der Ferien(!) durch Lichtenfels geirrt sei. Die Bereitschaftspolizisten riefen jetzt die Kollegen von dem zuständigen Revier an, die wiederum telefonierten mit meinen Eltern.

Meine Mutter , jetzt natürlich voll panisch, wollte von den Polizisten vom Revier wissen was mit mir sei. Die wussten das aber nicht und telefonierten mit der Bereitschaftspolizei. Die wiederum mussten jetzt die Bahnhofspolizei in Lichtenfels kontaktieren um zu Fragen ob mit mir alles in Ordnung wäre. Scheinbar haben die das dann in den völlig falschen Hals bekommen. Jetzt noch misstrauischer, kamen sie mit einer Taschenlampe an mein Nachtlager um meinen Ausweis nochmals zu kontrollieren und mich auszufragen. Mit neuen Erkenntnissen bewaffnet ging die „Stille-Post-Kette“ von vorne los!

In der Zwischenzeit wurde meine Nacht auch ein wenig unruhiger. Nachdem mich die netten Herren von der Bahnpolizei ja aus dem Schlaf gerissen hatten, kam ein kicherndes Pärchen in das Wartezimmer. Sie hofften wohl, diesen Raum für sich zu haben, doch daraus wurde nichts, denn da war ja ich. Im Laufe der Nacht kamen immer wieder Leute rein, die aus irgendeinem Grund meinten, mitten in der Nacht, dieses blöde, kleine Wartezimmer besuchen zu müssen! Ab 4 Uhr morgens begann dann ein hochmotiviertes Rangiererteam mit seiner Arbeit, welche daraus bestand, sämtliche Waggons im Bahnhofsbereich hin und her zu fahren!

Die „Stille Post“ de Polizei hat dann meine Eltern drei mal in diese Nacht aus dem Schlaf gerissen, obwohl das ja falsch ist, denn geschlafen hatten sie nicht in dieser Nacht! Keiner dieser Anrufe hat irgendwelche Klarheit geschaffen, weder für die Lichtenfelser Bahnpolizei, noch für meine Eltern. Morgens um 8 Uhr rief ich dann zu Hause an, nur um mal „Hallo“ zu sagen, ich wusste ja nicht was in der nacht so telefoniert worden ist. Meine Mutter war völlig aufgelöst und fragte ganz aufgeregt was den bloß passiert sei! „Nix“ sagte ich und war doch sehr verwundert...

Für die kommenden 2 Nächte habe ich dann ein wirklich billiges Gasthaus gefunden, na ja...Hauptsache ein Bett! Die Tage waren dann aber wunderschön. Ich habe super tolle Bilder gemacht, viel erlebt und nette Menschen kennen gelernt. Tage, von denen ich noch mein ganzes Leben zehren werde! Ich bereue nichts!

Ach so, anzumerken wäre noch, dass der Herbergsvater von Lichtenfels nicht mehr lange Herbergsvater von Lichtenfels war! Das war uns dann doch ein Anliegen.

Aber nun zum Wesentlichen, nämlich einigen der an dem Wochenende entstandenen Bildern:


https://picload.org/image/ddwdrooi/3464396234303137.jpg

Einfahrt von 144 081 in den Bahnhof von Lichtenfels...auch wenn es die Bilder nicht vermitteln, ich war nicht alleine dort ;) vielleicht gibt es hier ja den einen oder anderen Fan, der neben mir stand, an diesem 23. September 1983!?


https://picload.org/image/ddwdrooa/3337626330636363.jpg

Ja, sie war „verhasst“, die 144 021 in den Produktfarben der 80er! Trotzdem war ich entzückt sie zu erwischen...gab ja nur noch diese Eine (von zweien)! 23.09.1983 Gibt es eigentlich noch die Bahnhofsgaststätte in Lichtenfels? Die war damals noch so „urtypisch“...und in den Zugpausen gab’s dort für mich immer ein Paar Wiener und ‚ne Halbe.


https://picload.org/image/ddwdrolr/3539613966326434.jpg

144 039 rangiert vor ihren nächsten Zug, und 194 5xx (mist jetzt hab ich vergessen die Nummer aufzuschreiben...kann auf Wunsch aber nachgereicht werden) fährt durch, in Richtung Frankenwald... (23.09.83)


https://picload.org/image/ddwdroor/3237333262633430.jpg

...und da kommt sie auch schon wieder zurück, im schönsten Abendlicht...nach ein Paar Wiener und eine Halben natürlich.


https://picload.org/image/ddwdroal/3038633533363765.jpg

Der nächste Tag...ein paar engagierte junge Eisenbahnfreunde aus der Region haben eine Abschiedfahrt organisiert...bzw. die 144 039 wurde festlich geschmückt und zog einen Planzug, als symbolische „Letzte Fahrt“. Im Hintergrund rangiert 144 138.


https://picload.org/image/ddwdrola/3839646437623731.jpg

Am späten Nachmittag des 24. September kommen 144 138 und 145 155 in Lichtenfels an...keine Ahnung ob die „Dotra“ planmäßig war, oder der Rückführung der Fahrzeuge wegen des Fahrplanwechsels diente!? Schade eigentlich das ich damals so Bahnhofgebunden war...bei dem Wetter wären sicher auch schöne Streckenaufnahmen entstanden! Egal, Hauptsache ist, ich war dabei...


https://picload.org/image/ddwdroai/3065393432316530.jpg

„Die Ablösung“ 145 155 neben einer der Nachfolgerinnen, 111 110.


https://picload.org/image/ddwdrolw/6537336238636362.jpg

Der frühe Abend des 24. September 1983...die Abschiedfahrt mit 144 039 ist zurück, Wehmut kommt auf...


https://picload.org/image/ddwdroll/3936623361393439.jpg

Ja und dann noch ein abschließender, nächtlicher Besuch im Bw Lichtenfels mit 144 081.


https://picload.org/image/ddwdroaw/3131306238323331.jpg

Rückfahrt am 25. September 1983, dem ersten Tag des Winterfahrplans 1983/84. Planmäßige 144er Einsätze gibt es nun nicht mehr...und der Umlauf der 118er umfasst gerade mal noch 5 Plantage...und so präsentiert sich auch das Bw Würzburg an diesem Tag. Aus heutiger Sicht allerdings auch ein Altbaueldorado!


https://picload.org/image/ddwdroow/3534376431666563.jpg

Ja so hatte ich das gerne gesehen...die betagte 118 003 schleppt ihre sehr viel jüngere Kollegin ab!


https://picload.org/image/ddwdroli/6262343430656665.jpg

Nun sollte es aber auch wirklich wieder nach Hause gehen...und dann das: Ich steh da und warte auf meinen IC Richtung Bremen und dann kommt sie, die 202 004! Die hatte ich noch nicht! Also Tasche stehen lasse und einen Spurt auf den nächsten Bahnsteig einlegen. Das war ein netter Abschluß dieser Fahrt...


https://picload.org/image/ddwdrool/3363306435303336.jpg


ENDE


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