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Drehscheibe Wehrden (viel Text und 5 Bilder)

geschrieben von: Philosoph

Datum: 21.08.06 19:13

Nachdem das Rätsel erfolgreich gelöst wurde (ohne Gerd Schütz hättet ihr ganz schön alt ausgesehen!) nun noch ein ergänzender Beitrag zu diesem äusserst interessanten Thema.

Zunächst aber noch ein trauriger Hinweis. Die Bilder der Drehscheibenreste habt Ihr dem Engagement von Herrn Menke (junior) vom Museumsbahnhof Borgholz zu verdanken, dem dieses Thema keine Ruhe gelassen hat. Dessen Vater, der langjährige Bahnhofsvorsteher vom Bahnhof Borgholz, Herr Erich Menke ist kürzlich im Alter von 85 Jahren verstorben. Da viele von Euch einen Bezug zu dieser Strecke und somit sicher auch zu Borgholz hatten, dachte ich, dass diese traurige Information hier angemessen ist.

Herr Menke hat in Herrn Peter Rochell jemanden aufgetrieben, der nicht nur die Fotos zur Drehscheibe sondern ca. weitere 100 Bilder rund um Wehrden zur Verfügung gestellt hat. Diese werde ich zeigen, wenn ich mein derzeitiges Projekt beendet habe.

Nun aber zur Drehscheibe in Wehrden:

Zunächst zur Orientierung und besseren Verständnis der Betriebssituation eine Übersichtskarte. Leider ist die Engländer-Kurve hier nicht verzeichnet.

http://img176.exs.cx/img176/227/scherfholzbdw12jj.jpg

Weite Teile der folgenden Informationen sind nur mündlich aus einem Interview mit einem ehemaligen FdL aus Wehrden überliefert.

Demnach erhielt Wehrden die Drehscheibe, weil eine 26m-Drehscheibe in Ottbergen ohne totalen Umbau des Lokschuppens und Verschwenkung der Streckengleise nicht unterzubringen war. (Ottbergen behielt bis zum Ende eine 20,5m-Drehscheibe, auf der Schnellzugloks mit 34er-Tender nicht gedreht werden konnten.) In Wehrden wurde die Drehscheibe vom EG aus in Ri. Ottbergen/Holzminden gesehen rechts neben der Holzminden-Scherfeder Strecke eingebaut. Der Standort kann gut durch folgendes Foto belegt werden:

http://img244.imageshack.us/img244/353/fotosklinger046po5.jpg

Im Hintergrund ist gut das Ausfahrsignal Richtung Holzminden zu erkennen. Im Übrigen diente die Drehscheibe wohl nicht ausschließlich zum drehen der Loks, war doch auch ein Grubengleis vorhanden, wie im nächsten Bild gut erkennbar:

http://img244.imageshack.us/img244/6493/fotosklinger043ac7.jpg

Der Zeitpunkt des Einbaus ist leider völlig unklar. Laut dem Fdl geschah dies bereits vor bzw. während des Krieges, was damals aber wenig sinnvoll erscheint, da damals alle Strecken im Dreieck Holzminden-Ottbergen-Wehrden 2-Gleisig waren und mit den großen Bw`s in Holzminden und Ottbergen eigentlich gar nicht so der Bedarf einer Drehscheibe in Wehrden gestellt hat. Möglicherweise hat man aber bereits im Krieg mit einer Zerstörung der Brücken gerechnet und vorausschauend die Drehscheibe aufgebaut. Auch die Engländer-Kurve wurde ja bereits während des Krieges geplant und mit dem Bau begonnen. Nach dem Krieg zum Zeitpunkt des Erzverkehrs und der noch zerstörten Corveyer Brücke ist mit Sicherheit mehr Bedarf vorhanden gewesen um bei Überlastung der Engländerkurve, immerhin mußte diese 1946-1954 den Gesamtverkehr Kreiensen-Altenbeken tragen, die Loks der kopfmachenden Züge drehen zu können.

Sie soll bis um 1954 in Betrieb gewesen sein und wäre damit vermutlich die am kürzesten genutzte Drehscheibe aller Zeiten in Deutschland. Nach dem Bau der Umgehungskurve Wehrden hat sie wohl überwiegend entlastende Funktion gehabt, allerdings hat die Strecke Holzminden - Scherfede nach dem 2. Weltkrieg auch zur Entlastung der Nord-Süd-Strecke gedient. Insbesondere VW-Züge sind demnach bis Wehrden mit Braunschweiger 50ern gefahren. Dort übernahmen Ottberger 44er Tender voraus die Züge bis Scherfede, machten dort Kopf und fuhren von dort weiter nach Kassel. Auch die 50er von diesen Leistungen sollen noch in Wehrden für die Rückfahrt gedreht worden sein.

In einem Bahnhofsplan von 1922 ist sie noch nicht, 1955 ist sie nicht mehr eingezeichnet, war also nicht mehr betriebsfähig oder schon ausgebaut. Högemann schreibt dagegen folgendes:

"Bis zu Beginn der sechziger Jahre wurden hier (Wehrden) noch regelmäßig Güterzüge aufgelöst und gebildet. Für das Wenden der Lokomotiven gab es bis 1962 sogar eine 26-m-Drehscheibe!"

So schlecht ist die These nicht, da der Abschnitt Wehrden-Holzminden um 1960/62 eingleisig zurückgebaut worden und damit auch der Bahnhof Wehrden umgebaut worden ist. Sicher ist somit, dass die Drehscheibe zu diesem Zeitpunkt ausgebaut wurde. Ob sie bis dahin in Betrieb war ist zweifelhaft. Vieles spricht eher für 1954.

Rätselhaft ist auch die Größe der Drehscheibe, gemäß dem folgenden Foto:

http://img177.imageshack.us/img177/9687/drehscheibeiizz0.jpg

Für mich sieht das nach einer nachträglichen Verkleinerung der Drehscheibe aus. Aber vielleicht kann ja auch zu diesem Thema noch jemand etwas beitragen???


Auf dem nachfolgenden Foto von 1980 kann man zumindest die Drehscheibe noch erahnen. Die letzten Reste der Drehscheibe wurden Anfang 1980 mit dem Bau der Hallenkonstruktion abgerissen. Heute sucht man vergeblich irgendwelche Hinweise.

http://img70.exs.cx/img70/4737/1001bu.jpg


Da die Corveyer Weserbrücke von versprengten Deutschen ganz kurz vor
Kriegsende doch noch gesprengt wurde, mußte in Wehrden immer Kopf gemacht werden. Daher wurde zunächst wie beschrieben die 26 m - Drehscheibe genutzt.

Durch den zunehmenden Erzverkehr aus dem Harzvorland und der Grube Echte mit Anschluß der Kreisbahn Kreiensen Osterode hier als Dreigleissystem nach Kreiensen wurde die Drehscheibe jedoch schnell als viel zu umständlich erkannt und schnellstens eine Verbindungskurve gebaut. Die Engländer waren angeblich so bemüht um die Fürstenberger Brücke und die Umgehungskurve Wehrden, weil darauf auch der Erzverkehr aus dem Raum Salzgitter ins Ruhrgebiet rollen sollte, der wiederum Voraussetzung für die Erfüllung von Reparationslieferungen war. Deshalb wurde die Umgehungskurve auch "Engländer-Kurve" genannt.

Die Verbindungskurve wurde 1946 eingleisig zwischen der Haltestelle Amelunxen und der damals noch zweigleisigen Fürstenberger-Weserbrücke, welche ab dem 01.09.1946 wieder befahrbar war, errichtet. Gesichert wurde die Kurve durch insgesamt 6 Signale die durch die neu eingerichteten Abzw. Steinberg und Wildberg bedient wurden.

Nach dem die Corveyer-Weserbrücke 1954 wieder aufgebaut wurde und der Erzverkehr zum Erliegen kam, verlor die Verbindungskurve ihre Bedeutung. Nachdem nur noch wenige Züge die Kurve nutzen, wurde sie am 15.12.1965 stillgelegt und anschließend alle Anlagen abgebaut.

Zur weiteren Lektüre zur Engländer-Kurve verweise ich auf den Sensationsbeitrag von 03 1008: [drehscheibe-online.ist-im-web.de]

Würde mich freuen, wenn ihr noch zahlreich zu den noch ungeklärten Fragen Stellung nehmt. Damit würdet Ihr auch Herrn Menke eine große Freude machen, damit er diese Informationen im Museum korrekt darstellen kann.

Der nächste Teil der Aar-Salzbödebahn muss nun bis nächste Woche warten.


Carsten

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