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Aktivurlaub auf der Abraumhalde („Aua dA“)

Teil 14: Eine chinesische Pilgerfahrt ins rote Herz der Revolution – Auf den Spuren des wohl berühmtesten Chinesen


Nach dem kurzen Einschub in Form eines Entschuldigungberichts folgt nun die Fortsetzung der aktuellen Berichtsreihe. Wie bereits im vorletzten Bericht richtig erraten, geht die Reise nun nach Changsha, Hauptstadt der Provinz Hunan im südlichen Zentralchina, um eine typisch chinesische Pilgerfahrt zu unternehmen. Hunan bedeutet „südlich des Sees“ (hu = See, nan = Süden), da die Provinz südlich des Dongting-Sees, einst größter See Chinas, liegt (im Gegensatz zur Provinz Hubei, die liegt nämlich nördlich des Sees, denn hu = See, bei = Nord). Flächenmäßig (210.000 km2) und gemessen an der Bevölkerungsgröße (ca. 72 Mio.) liegt die Provinz jeweils im oberen Drittel aller chinesischer Provinzen. Mit Ausnahme des Nordens ist die Provinz in allen Himmelsrichtungen von Bergen umgeben. Trotzdem war und ist die Provinz dank der fruchtbaren Böden und des feuchtwarmen Klimas eine der wichtigsten Korn- und Reiskammern Chinas.

Berühmtester Sohn Hunans ist zweifelsohne wie ebenfalls bereits im vorletzten Bericht richtig erraten der große Steuermann Mao Zedong. Er wurde in einem kleinen Bauerndorf in der Nähe von Changsha geboren. Seine bäuerliche Herkunft prägte auch seine Revolutionstheorie, die nicht wie der klassische Kommunismus den Arbeiter, sondern den Bauern im Zentrum der Revolution sah, mit ein Grund für seinen späteren Erfolg, war doch zu damaliger Zeit die Anzahl der Bauern in China um ein Vielfaches höher wie die Anzahl der Arbeiter.
Im Zweiten Weltkrieg konnte Hunan auch dank der geographisch geschützten Lage den japanischen Eroberern lange Paroli bieten, erst 1944, sieben Jahre nach Beginn des Japanisch-ChinesischenKrieges konnten die Japaner Changsha erobern. Nach der japanischen Kapitulation kontrollierten die Nationalchinesen noch lange Hunan, erst 1949 kurz vor Gründung der Volksrepublik konnte Mao seine Heimatprovinz „zurückerobern“. Umso eifriger folgte die Provinz dann aber Maos Aktionen wie dem „Großen Sprung nach Vorne“ oder der „Großen Kulturrevolution“. Seinem Nachfolger Deng Xiaoping samt dessen eingeleiteter, wirtschaftlicher Reformen folgte Hunan dagegen zunächst eher widerwillig. Die wirtschaftliche Entwicklung, die sich zunächst hauptsächlich auf die Küstenprovinzen konzentrierte, ging an Hunan vorbei. Seit einigen Jahren zieht die Industrie aber von den Küsten westwärts und inzwischen gehört Hunan zu den wirtschaftlich dynamischsten Provinzen Chinas. Abgesehen davon gibt es aber noch immer sehr ländliche Regionen, in denen es erst seit wenigen Jahren Strom und Telefon gibt. Doch dazu später mehr.

Der Grund für den Besuch in Hunan war die Einladung eines Bekannten meiner Frau. Demzufolge war das Reiseprogramm ohne jeglichen Eisenbahnschwerpunkt, ein bisschen Eisenbahn fiel aber trotzdem ab. Eigentlich wollte ich standesgemäß mit dem Zug von Peking nach Changsha reisen. Das Angebot ist schließlich reichhaltig, vom Hochgeschwindigkeitszug mit sechs Stunden Fahrtzeit bis zu Nachtzuglangläufern mit über 19 Stunden Reisezeit ist fast alles dabei, was das Eisenbahnerherz begehrt. Leider war meine Frau alles andere als begeistert („Schneller Zug? In China? Spinnst du? Viel zu teuer und viel zu unsicher! Langsamer Zug? 19 Stunden? Spinnst du? Viel zu laut und zu dreckig!“). Meine Gegenargumente zum Flugzeug („Flugzeug? In China? Spinnst du? Viel zu langweilig!“) zogen nicht so wirklich, also musste ich mich beugen. Selbst ein Kompromiss (Anreise mit dem Flugzeug, Rückreise mit dem Zug) wäre nur unter Gefährdung meiner Ehe möglich gewesen. Also klingelte um vier Uhr morgens in Peking der Wecker (mit dem Zug wären weitaus zivilere Abfahrtszeiten möglich gewesen) und zwei Stunden später saßen wir total verschlafen im Flieger nach Changsha.

Dort angekommen erwarteten uns Regen und feuchtwarme Temperaturen und im Gegensatz zu Peking fast schon Luft in Luftkurortqualität. Meine Frau hatte ihrem Bekannten vorab von meiner Liebe zur Eisenbahn erzählt und er hatte sich doch tatsächlich die Mühe gemacht, alle in Changsha zu findenden Denkmalloks abzuklappern. Erstes Ziel war somit der Campus der Technischen Universität von Changsha. Auf dem weitläufigen Gelände sollten drei Loks abgestellt sein. Allerdings ist das Gelände der Öffentlichkeit eigentlich nicht zugänglich. Daher dachten wir uns folgende Geschichte vorab aus: ich bin potentieller Dozent für Englisch, meine Frau meine Übersetzerin (obwohl sie eigentlich kaum ein Wort Englisch kann) und ihr Bekannter unser Fahrer. Hätten wir uns aber sparen
können. Als wir am Kontrollpunkt vor dem Eingang angerollt kamen und der Wachmann sah, dass eine Langnase in einem recht noblen Auto sitzt, öffnete sich die Schranke sofort ohne weitere Nachfrage. Auf dem weitläufigen Gelände mit viel tropischer Vegetation (ich fühlte mich an Singapur erinnert) fanden sich vor der Fakultät für Eisenbahntechnik dann tatsächlich eine Dampf-, eine Diesel- und eine E-Lok. Im strömenden Regen bannte ich alle drei schnell auf den Chip, anschließend ging es wieder zurück in den dichten Verkehr, der sich fast genauso heftig staute wie in Peking.

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Bild 1: Blick auf den Platz vor der Eisenbahnfakultät der Universität Changsha. Wie man sieht, war es äußerst feucht. In der Mitte des Platzes thront eine Dampflok, die wir uns doch gleich mal näher anschauen werden...


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Bild 2: ... also erst einmal ein bisschen ranzoomen. Viel erkennt man da aber auch nicht, also zunächst ein Bild von der Seite …


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Bild 3: Das ist unverkennbar eine JS, genauer gesagt JS 1953. Leider hat sich links noch meine Frau mit dem Regenschirm ins Bild geschlichen. Also gleich zwei junge Damen im Bild, denn …

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Bild 4: … JS 1953 ist gerade mal zwei Jahre älter wie meine Frau, wie das Fabrikschild ausweist. Gebaut wurde die Lok laut Fabrikschild in Datong. Keine 30 Jahre alt und schon auf dem Denkmalsockel. Die Baureihe JS wurde zwischen 1957 und 1965 in 1.135 Exemplaren gebaut, zwischen 1981 und 1988 folgten nochmals 781 Exemplare (zu der dann auch JS 1953 gehört). Allerdings verwirrt mich die Nummer 1953 etwas, denn die Loks der Baureihe JS wurden mit 5001 bis 6135 bzw. 8000 bis 8423 durchnummeriert. Lediglich Loks, die direkt an Industriebahnen kamen, hatten teilweise Nummern abweichend von diesem Schema. Die Loks haben eine Länge von ca. 23m, ein Leistung von 2.270PS und eine Höchstgeschwindigkeit von 85km/h.


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Bild 5: Aber JS 1953 muss sich nicht schämen, denn neben ihr stehen noch zwei weitere Loks auf dem Platz. Zum einen DF4B 1983 in ihrer klassischen, grünen Lackierung (daher bekam sie von chinesischen Eisenbahnfreunden auch die passenden Spitznamen Melone oder Militärpolizei). Mehr Infos zu der Lokbaureihe hatte ich ja in meinem Bericht aus Pingzhuang bereits gegeben. Und der Blick auf das Fabrikschild zeigt, ...


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Bild 6: … dass die Lok sogar noch drei Jahre jünger wie ihre Dampfkollegin ist, erblickte sie doch erst 1990 bei Dalian Locomotive Works das Licht der Welt.


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Bild 7: Dampf und Diesel hatten wir, jetzt fehlt nur noch eine E-Lok. Die gibt’s natürlich auch in Form von SS3 2013. Modellbahngerecht fehlt nur die Oberleitung.


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Bild 8: Das Fabrikschild der E-Lok habe ich auch noch abgelichtet. Die Baureihe SS3 (SS steht für Shaoshan, den Geburtsort Maos.
Dazu weiter unten in diesem Bericht noch viel mehr) wurde seit 1978 gebaut. Einst der ganze Stolz der Chinesischen Eisenbahn (war es doch die erste große E-Lok-Baureihe, die die Chinesen mehr oder weniger selbst entwickelten und bauten), ist sie mittlerweile immer seltener zu sehen. Viele der bis 1993 gebauten Exemplare sind in letzter Zeit dem Schneidbrenner zum Opfer gefallen).



Für mein Empfinden war der Empfang sehr freundlich: vom Flughafen mit leerem Magen erst zum Lokomotiven anschauen. Für chinesisches Empfinden war der Empfang sehr unfreundlich: vom Flughafen mit leerem Magen erst zum Lokomotiven anschauen. Daher ging es nach dem Lokomotiven anschauen erst einmal zum Essen, denn für einen Chinesen zählen eigentlich nur zwei Dinge im Leben: Geld und Essen. In einem alten Holzhaus in einem tropischen Garten wurde ein reichhaltiges und sehr scharfes Essen serviert.

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Bild 9: Das Ambiente des Restaurants war durchaus ansprechend. Die Sitzgelegenheiten und der Tisch waren traditionsgemäß sehr niedrig (30cm bzw. 50cm), was bei mir aber aufgrund meiner Körpergröße schnell sehr unbequem wurde. Dafür war das servierte Mittagessen reichhaltig und sehr scharf. Ich oute mich wieder als unverbesserliche Langnase. Ein Chinese würde nie so viel Reis essen. Wenn überhaupt, dann erst nach dem Essen um den Magen zu schließen.


Jetzt war der Magen wieder gut gefüllt und es stand wieder Eisenbahn auf dem Programm. Am Ufer des mächtigen Xiang-Flusses (einem Nebenfluss des Yangtsekiang) sollte es einen Eisenbahnpark mit Dampfloks und Wagen geben. Leider war der Park komplett mit blickdichten Bauzäunen umstellt. Es fand sich einfach keine Lücke, also musste ich im Hüpfen mit Fotoapparat über dem Kopf ein Foto machen:

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Bild 10: Die Dampflok hinter dem Bauzaun. Weitere Details zur Lok kann ich euch leider nicht liefern. Über den blickdichten Bauzaun kam ich nicht rüber und auf dem Bild lässt sich auch keine Nummer erkennen.



Weiterlesen kann ihre Gesundheit gefährden!
Die folgenden Bilder und Texte enthalten fast ausschließlich off-topic Anteile.
Personen mit ausgeprägter Allergie gegen Plätzchen backen und anderen off-topic
Inhalten wird daher dringend vom weiteren Genuss des Beitrags abgeraten.



Mittlerweile herrschte dichter Nebel und die schräg gegenüber auf einer Insel im Xiang-Fluss liegende, riesige Granitbüste des jungen Mao erschien nur schemenhaft und so fuhren wir direkt weiter zu den nicht weit entfernten Yuelu-Bergen. Am Fuße der Berge liegt die heutige Hunan-Universität, ihre Gebäude aus den 1920er-Jahren erinnern an amerikanische Universitäten. In den Bergen selbst gibt (bzw. gab) es viele Tempel, Pavillons und Seen. Auch Mao soll sich in jungen Jahren des Öfteren hier aufgehalten haben und Gedichte verfasst haben. Das macht den Ort natürlich zu einem perfekten Pilgerort für chinesische Touristen, zumal Mao in den letzten Jahren ja wieder erheblich an Popularität gewonnen hat. Man konnte sich überall mit lebensgroßen Mao-Wachsfiguren fotografieren lassen und Schulgruppen versammelten sich immer wieder an einigen Stellen, um altes, sozialistisches Liedgut zum Besten zu geben (Kommentar meiner Frau: „So extrem war das zu unserer Schulzeit aber nicht!“). Ich fand es aber äußerst trist. Das lag zum einen am Sauwetter mit Nieselregen und Nebel, zum anderen daran, dass sämtliche Gebäude in den 80er-Jahren mit viel Beton, aber wenig Liebe zum Detail wieder aufgebaut wurden, nachdem Mao, der doch einst so schöne Stunden hier verbracht hatte, im Rahmen der Kulturrevolution alle historischen Gebäude kurz und klein hatte schlagen lassen.

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Bild 11: Im Gegensatz zu anderen großen chinesischen Städten begegnet einem Mao in Changsha an fast jeder Ecke. Hier ist es eine Statue im Park der Universität von Changsha.


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Bild 12: Mit der lateinischen Schrift stehen die Chinesen noch immer auf Kriegsfuß. Ohne das Symbol hätte ich mit dem Wort „Procshe“ erst einmal nichts anfangen können. Vielleicht hat man den Namen auch absichtlich verfälscht, um Markenklagen aus dem Weg zu gehen.


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Bild 13: Vor einem Pavillon geben Schulkinder sozialistische Weisen zum Besten. Selbst meine Frau war von diesem Szenario etwas überrascht.


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Bild 14: Zwei Kerzen am Opferaltar eines Tempels.


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Bild 15: Aufgrund des Wetters waren passend zur Stimmung manchmal nur schwarz-weiß Aufnahmen möglich.


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Bild 16: Auch in China hat die „Schlösserwut“ bereits um sich gegriffen, am beliebtesten sind wohl Schlösser in Herzchenform.


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Bild 17: Immer wieder waren Gedichte in Felsen und Fußwege eingemeißelt.


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Bild 18: An vielen Bäumen sind rote Bändchen angebunden, auf denen Chinesen ihre Wünsche aufgeschrieben haben, in der Hoffnung, dass sie dann irgendwann in Erfüllung gehen.


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Bild 19: Mitten in der Idylle stehen dann immer wieder Bauten in sozialistische Architektur. Dies war der Eingang zu einem Zoo, der mittlerweile schon wieder geschlossen ist.


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Bild 20: Wenigstens die bunten Souvenirstände bringen ein bisschen Farbe in die ansonsten triste Grundstimmung. Nur der Sonnenschirm eines Getränkeherstellers des Klassenfeindes ist eher in zurückhaltenden Farben gehalten.



Gegen Abend ging es dann wieder nach Changsha. Zunächst besichtigten wir die Universität, in der Mao Zedong in seinen Anfangsjahren studiert hatte. In dem wunderschönen Gebäude inmitten eines Parks befindet sich heute noch eine Universität, die eigentlich nicht öffentlich zugänglich ist. Wir haben uns trotzdem reingeschlichen. Prompt wurde ich auch von einer Studentin angesprochen, die mich allerdings nicht tadelte, sondern mir eine englischsprachige Führung anbot („to pläctis mei Änglish“). Aus Zeitgründen musste ich leider ablehnen.


Zum Abendessen gingen wir dann in die Innenstadt. Im Gegensatz zu vielen anderen chinesischen Großstädten konnte Changsha wenigstens ein bisschen seinen Charme erhalten. Es gibt noch viele kleine Gässchen und eine Fußgängerzone, auch wenn am Rande des Gassengewirrs die 30-40stöckigen Luxusappartment-Türme wie Pilze aus dem Boden schießen (in Changsha baut man gerade am höchsten Gebäude der Welt, ob’s wirklich was wird, ist aber noch offen). Changsha ist eines der wichtigsten Zentren der chinesischen Medienindustrie. Viele der beliebtesten chinesischen Seifenopern und Shows werden hier produziert. Dementsprechend gibt es auch eine für chinesische Verhältnisse sehr interessante Nachtclubszene. Von allen chinesischen Städten, die ich bis jetzt besucht hatte, kam mir Changsha am offensten und lässigsten herüber. Changsha ist in China berühmt für seine Küche, insbesondere den stinkenden Tofu. Dazu wird Tofu mit Fischsauce über Monate fermentiert, was neben einem eigenartigen, grünlichen Aussehen auch zu einem bestialischen Gestank (Mischung aus Verwesung und Kloake) führt. Frittiert soll es eine Delikatesse sein, ich habe dankend verzichtet. Immerhin bekam ich dann in einer kleinen Gasse in einem Straßenrestaurant noch ein leckeres Nudelgericht.

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Bild 21: Abendstimmung in der Innenstadt von Changsha.


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Bild 22: Das liebe ich an Asien. Im Freien einfach einen Tisch mit ein paar Schüsseln, ein paar Hocker und kleine Tischchen auf die Straße gestellt. Schmuddelig, spottbillig und saulecker. Für das Nudelgericht musste man sich die verschiedensten Zutaten suchen, sich dann für eine Nudelsorte entscheiden und anschließend noch zwischen Suppe und Gebraten wählen. Keine zwei Minuten später steht das Ganze dann dampfend auf dem Tisch. Guten Appetit!



Das Nachtleben hätte mich gereizt, aber direkt nach dem Essen ging es zurück ins Hotel, denn am nächsten Tag stand dann der Höhepunkt der Pilgerfahrt auf dem Programm: eine Fahrt nach Shaoshan. Warum Shaoshan? Dazu mal wieder ein bisschen Geschichte (wen es nicht interessiert, der kann den kursiven Teil einfach überscrollen):

In Shaoshan wurde am 26. Dezember 1893 ein Junge in eine recht wohlhabende Bauernfamilie geboren. Damals dachte wohl keiner, dass dieser Junge China verändern würde wie kein anderer Mensch in den letzten mehr als 2.000 Jahren zuvor. Sein Name: Mao Zedong. Sein Leben verlief zunächst unspektakulär, mit 13 Jahren wurde er bereits mit der Tochter einer anderen wohlhabenden Bauernfamilie zwangsverheiratet, was ihn zeitlebens zu einem Verächter der Zwangsehe machte (eine seiner ersten Amtshandlungen nach der Gründung der VR China 1949 war es, die Zwangsehe unter Strafe zu stellen und ein hohes Mindestalter für die Hochzeit einzuführen; in China liegt es heute noch bei 21 bzw. 23 Jahren, in Deutschland bei 16 bzw. 18!). Dank seinen wohlhabenden Eltern konnte er mit 18 Jahren ein Studium in Changsha aufnehmen, damals ein Revolutionsherd. So kam er zum ersten Mal in Kontakt mit der Revolution, die 1912 die Jahrtausende alte chinesische Monarchie hinwegfegte. Anfangs noch ausschließlich nationalistisch gesinnt, kam er auch durch einem Umzug nach Peking mehr und mehr mit sozialistischem Gedankengut in Kontakt. Er war aber noch lange kein überzeugter Kommunist, viel mehr ging es ihm darum, das einfache Volk gegen die verkrusteten Strukturen aufzubringen (in Chinas Gesellschaft, Kultur und Staatswesen gab es in den 2.000 Jahren zuvor praktisch keinerlei Veränderung).

1921 wurde die kommunistische Partei Chinas gegründet, Mao wurde Mitglied und Generalsekretär für Hunan. Dennoch blieb Mao eher nationalistisch gesinnt und wurde auch Mitglied bei den nationalistischen Kuomintang. Selbst als der „rechte“ Chiang Kai Shek 1925 die Führung der Kuomintang übernahm, verfolgte er weiter unter den Kuomintang Pläne für eine Landreform, die die Enteignung aller Großgrundbesitzer auch mit Gewalt und Erschießungen vorsah. Erst als Chiang Kai Shek den Kommunisten den Krieg erklärte, wandte sich Mao von den Kuomintang ab und wurde Oberkommandierender der „Roten Armee“. Seine militärischen Kampagnen verliefen aber erfolglos (manche Historiker behaupten, Mao habe dies mit Absicht gemacht). Aufgrund dessen und auch, weil er nicht sozialistische Kernthesen propagierte, sondern anstatt Klassenkampf und Arbeitern vielmehr den Bauern als Vertreter des einfachen Volkes in den Mittelpunkt seiner Revolutionstheorie stellte, verlor er 1927 sämtliche Posten in der kommunistischen Partei. Er zog sich vor den vorrückenden Truppen der Kuomintang in den Süden Chinas zurück und gründete dort einen winzigen Sowjetstaat nach seinen Idealen. Später stießen Zhu De (den „Roten Deutschen General“ kennt ihr ja schon aus den Berichten aus Fuxin) und Zhou Enlai mit seinen Truppen zu ihm. Weiter von den Kuomintang in den Süden nach Jiangxi verjagt, sammelten sich die überbleibenden Reste der Kommunisten dort. Nach japanischen Überfällen im Norden Chinas verzichtete Chiang Kai Shek zunächst auf die weitere Verfolgung der Kommunisten. So konnten die Kommunisten ihren Machtbereich im Süden Chinas ausdehnen. Während Mao sich um die Landreform, Bildungsprogramme und die Gleichberechtigung der Frauen kümmerte, lag die eigentliche Macht bei Zhou Enlai, denn er kontrollierte die Armeeeinheiten.

Nachdem sich Chiang Kai Shek mit den Japanern im Norden arrangiert hatte (siehe mein einführender Bericht über Liaoning), konzentrierte er sich wieder auf den Kampf gegen die Kommunisten. Diese entschieden sich 1934 für eine Flucht in Richtung Norden, wo es in der Provinz Shaanxi einen weiteren Sowjetstaat gab. Mehr als 100.000 kommunistische Kämpfer brachen auf, weniger als 10.000 erreichten ein Jahr später das Ziel: der Mythos des „Langen Marsches“ war geboren. Mao machte sich zum Vorsitzenden der Militärkommission, beschränkte sich aber hauptsächlich auf theoretische Arbeit, die operative Durchführung lag hauptsächlich in den Händen von Zhou Enlai und Zhu De. Während seiner „Denkarbeit“ in einer Lösshöhlen kam er zum Ergebnis, dass die Japaner, die mittlerweile unter Verwendung brutaler Mittel immer größere Teile Chinas besetzten, nur zusammen mit den Kuomintang zu besiegen seien. So gab es nochmals eine Allianz mit Chiang Kai Shek und der japanische Vormarsch in China konnte etwas gebremst werden.

Aber bereits vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Kapitulation der Japaner flammte die Feindschaft zwischen den Kommunisten und den Kuomintang wieder auf, die unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in den nächsten chinesischen Bürgerkrieg mündeten. Die Unterstützung für die Kommunisten war vor allem auf dem Land groß und zusammen mit der Hilfe durch die Sowjetunion brachten die Kommunisten immer größere Landstriche unter ihre Kontrolle. Am 1. Oktober 1949 war Mao zunächst am Ziel angelangt: in Peking wurde die Volksrepublik China unter seiner Führung ausgerufen. Nach der Konsolidierung der Macht und dem aus chinesischer Sicht erfolgreichen Koreakrieg stand 1953 der erste Fünfjahresplan an: die Abhängigkeit Chinas von der Landwirtschaft sollte verringert werden und China somit (wieder) zur Weltmacht aufsteigen. Neben der Zwangskollektivierung von Landwirtschaft und (wenig vorhandener) Industrie wurden auch Programme zur Verbesserung der medizinischen Versorgung, Bildung, Alphabetisierungsrate (u.a. Vereinfachung der chinesischen Schrift) und Gleichberechtigung der Frau aufgesetzt. Mit dem zweiten Fünfjahresplan sollte China dann zum „Großen Sprung nach Vorne“ ansetzen. Statt kleiner Landwirtschaftskooperativen wurden große Kommunen gegründet, massive Infrastrukturprojekte gestartet (u.a. Bau des neuen Hauptbahnhofs in Peking und vieler Eisenbahnlinien vor allem im Süden und Westen Chinas) und die Eisen- und Stahlproduktion sollte massiv ausgebaut werden. Es endete im Desaster, wohl bis zu 20 Millionen (manche Quellen sagen sogar mehr als 45 Millionen) Chinesen verhungerten oder starben an sonstigen Entbehrungen. 1962 musste Mao seine Fehler eingestehen, er behielt seine Posten, verlor aber massiv an Einfluss. Es oblag Deng Xiaoping, das Land wirtschaftlich wieder halbwegs auf die Beine zu bringen.

Mao gab sich mit seinem Machtverlust nicht zufrieden und startete 1966 die „Große Kulturrevolution“. Alle Autoritäten wurden in Frage gestellt, junge Menschen wurden zum Rebellieren aufgefordert und Städter auf das Land geschickt werden, um dort von den Bauern umerzogen zu werden. In China herrschte Chaos, und Mao konnte seine Machtfülle wieder etwas ausdehnen. Aber vor allem aufgrund seiner immer schlechter werdenden Gesundheit schwand sie recht schnell wieder. Am 9. September 1976 starb er schließlich in Peking, nachdem seine „Kampfgenossen“ Zhu De und Zhou Enlai bereits wenige Monate zuvor verstorben waren. Was bleibt ist sein Platz in der Geschichte. Ein Mann, der China aus seiner Jahrhunderte langen Agonie in ein neues Zeitalter katapultierte, den Jahrzehnte lange tobenden Bürgerkrieg beendete, China einen angemessenen Platz in der Welt verschaffte, dabei aber auch lapidar Millionen von Opfern wissentlich in Kauf nahm.

Adaptiert von [en.wikipedia.org].



Der Besuch in Shaoshan ging übrigens von mir aus. Meine Frau hatte daran keinerlei Interesse und auch unsere Gastgeber waren sehr überrascht, dass ausgerechnet eine Langnase nach Shaoshan möchte. Ich bin weder ein Mao-Fan, noch wollte ich unbedingt ein Selfie vor Maos Geburtshaus (das ist der häufigste Grund von Chinesen für einen Besuch in Shaoshan). Mich interessierte vielmehr, wie die Chinesen mit dem Mann umgehen, dessen Portrait zwar über dem Platz des Himmlischen
Friedens thront und einen von jedem Geldschein anblickt, andererseits aber aus dem kollektiven Wissen des chinesischen Volkes fast verbannt wurde. Meine Frau hat in der Schule nichts über Mao gelernt, ein Kommentar im Loose-Reiseführer zum Mao-Mausoleum auf dem Platz des Himmlischen Friedens trifft es ganz gut: „Im Zentrum Pekings liegt seit über 30 Jahren eine Leiche und kein Mensch traut sich, sie endlich wegzuräumen.“. Legen wir also los mit der chinesischen Variante einer Pilgerfahrt.

Eine Pilgerfahrt will gut vorbereitet sein. So ging es am Morgen zunächst in eine Nudelküche, um ein typisch chinesisches Frühstück einzunehmen:

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Bild 23: Typisch chinesisches Frühstück: Nudelsuppe mit Rindfleisch und viel Chili.



Über die Autobahn ging es dann in ca. einer Stunde nach Shaoshan. Wir hätten auch mit dem Zug fahren können, die Fahrt wäre landschaftlich sicherlich reizvoll gewesen. Aber unsere Gastgeber wollten uns persönlich fahren, eine Fahrt mit dem Zug kam nicht in Frage, denn damit fahren ja nur die armen Leute. In Shaoshan angekommen war als erstes Schlange stehen angesagt. Der Eintritt zu allen Einrichtungen ist zwar frei, trotzdem musste man sich gegen Vorlage des Ausweises eine Eintrittskarte holen. Vor dem Geburtshaus Maos mäanderte eine Menschenmenge durch den Wartebereich im Freien. An der Kleidung konnte man erkennen, dass es praktisch ausschließlich Menschen vom Land mit Kind und Kegel waren, die unbedingt Maos Geburtshaus sehen wollten. Ich wurde wie ein außerirdischer Alien mit gehöriger Skepsis betrachtet. Was will denn eine Langnase in Shaoshan? Es traute sich nicht einmal jemand ein Foto von mir zu machen.

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Bild 24: Nach mehr als einer halben Stunde Wartezeit kam endlich das Geburtshaus von Mao in Sicht. Da waren wir aber noch lange nicht innen drin...



Der Wartebereich war so angelegt, dass man erst im allerletzten Augenblick das Geburtshaus zu sehen bekam. Ein U-förmiges Lehmhaus mit Strohdach. Im Inneren konnte man die kargen Kämmerchen, in denen Mao geboren bzw. anfangs gelebt hatte, bewundern. Fotografieren war zwar überall verboten, was die Chinesen aber nicht interessierte. So dachte ich, dass ich Maos Schlafkämmerchen auch mal fotografieren könnte. Aber gerade hier wachten mehrere Aufpasser in Militäruniform und noch bevor ich meine Kamera einnschalten konnte, fühlte ich, wie mich eine kalte Hand eines Militärpolizisten aus dem dunklen Hintergrund sehr fest am Handgelenk packte. Ist ja schlimmer wie in Nordkorea hier.

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Bild 24: Alle Chinesen dürfen im Inneren der heiligen Hallen fotografieren. Nur mir wurde das untersagt.



Nach dem Rundgang durch das Haus hätte man noch vom Vorplatz Selfies mit dem Geburtshaus im Hintergrund schießen können, wovon alle chinesischen Besucher reichlich Gebrauch machten. Ich verzichtete aber dankend darauf und so gingen wir in Richtung Ausgang. Bis jetzt gab es keinerlei Anzeichen für touristische Vermarktung. Keine Souvenirverkäufer, keine Geschäfte, nichts. Das sollte sich jetzt aber ändern (alles andere hätte mich in China auch gewundert). Vor dem Ausgang musste man durch einen mehr als hundert Meter langen Plastikplanenschlauch, in dem sich Souvenirgeschäft an Souvenirgeschäft reihte. Ich wurde kein einziges Mal auf Englisch angesprochen, man hat sich wohl ausschließlich auf chinesische Kunden eingerichtet. Während des gesamten Aufenthalts in Shaoshan sah ich nicht eine einzige Langnase.

Nachdem wir uns durch die Souvenirgeschäfte gekämpft hatten, ging es zu einem monumentalem Platz, an dessen Ende eine große Mao-Statue thronte, die dicht umringt von Chinesen war, die verzweifelt versuchten, sowohl sich als auch die Statue auf das Selfie-Bild zu bringen. Plötzlich tönte laut und blechernd eine Durchsage aus den Lautsprechern. Meine Frau übersetzte für mich. Eine hohe Beamtin, Rang und Namen habe ich schon wieder vergessen, habe für mehrere Hundert Yuan
einen riesigen Blumenkranz gekauft, der jetzt niedergelegt werden würde. Und tatsächlich. Im Stechschritt kamen vier Soldaten an, nahmen einen riesigen Blumenkranz entgegen und salutierten knapp hundert Meter vor der Statue. Die Beamtin und ihre Entourage verbeugten sich und marschierten dann den Soldaten hinterher, die den Kranz durch die Menschenmasse im Stechschritt zur Statue trugen Fasziniert beobachtete ich die Soldaten. Nicht nur die Schritte, selbst das Atmen und das Augenzwinkern erfolgten absolut synchron. Meine Frau und unsere Gastgeber betrachteten das Ganze mit amüsiertem Kopfschütteln. Zum einen das auch für sie ungewohnte, altbackene Zeremoniell und dann auch noch diese komische Langnase, die das alles fasziniert bestaunt.

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Bild 25: Ein älteres Ehepaar posiert vor der großen Mao-Statue für ein Erinnerungsbild. Ihre Kleidung passt treffend zur Mao-Statue. Beide scheinen im modernen China wie aus einer anderen Zeit gefallen zu sein.


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Bild 26: Blumenniederlegung vor der großen Mao-Statue. Klein und bescheiden, das sind beides Fremdwörter in China.



Direkt neben dem Platz befand sich die mehrere hundert Jahre alte Ahnenhalle der Familie Mao, die wie oben beschrieben recht wohlhabend war. Im Inneren war eine Ausstellung mit Fotos, wie Mao und zahlreiche andere bedeutende Persönlichkeiten Shaoshan besuchten. Zudem sollten Bilder und Geschichten zeigen, wie rührend sich Mao um seine Familie und die Bewohner Shaoshans in allen seinen Lebensphasen gekümmert habe. Am Anfang der Ausstellung gab es ein Vorwort, sogar auf Englisch, das den Zweck der Ausstellung treffend beschrieb.

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Bild 27: Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen. Das direkt neben dem Schild stehende MaoBild zeige ich euch unkommentiert …


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Bild 28: Ohne Kommentar.



Weiter ging es dann in ein Museum, das Maos Lebensgeschichte erzählt. Das neue Museum überraschte mit einer sehr modernen Aufmachung und einem Schuss Museumspädagogik. Ich war zunächst positiv überrascht. Es war anfänglich erstaunlich objektiv, selbst negative Begebenheiten wurden nicht komplett ausgeblendet. Dann aber folgten Skulpturen und Bilder, wie ich sie sonst nur aus Nordkorea kannte und mit dem Jahr 1958 endete plötzlich die Ausstellung. Ich dachte erst, dass es in einem anderen Ausstellungssaal weitergeht. Aber ich fand die Türe nicht. Ich ließ meine Frau mehrere Aufpasser fragen, aber alle sagten, die Ausstellung sei hier zu Ende. Dabei hat Mao doch noch fast 20 Jahre gelebt! Im oberen Stock gab es noch eine kleine Ausstellung zu elf Familienangehörigen Maos, die alle gemeinsam mit ihm gekämpft hatten, aber entweder von den Kuomintang ermordet wurden oder im Kampf starben (u.a. starb einer der Söhne Maos im Koreakrieg).

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Bild 29: Mao-Statue im Mao Museum. Original oder ...


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Bild 30: Kopie? Oder Kopie und Original? Eine gewisse Ähnlichkeit zwischen der Mao-Statue im Mao-Museum von Shaoshan und der Kim-Statue in der Halle des Volkes in Pyonyang ist jedenfalls schon zu erkennen.


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Bild 31: Mao hat weder Kosten noch Mühen gescheut, um sich um das Wohlergehen (fast) jedes einzelnen Chinesen zu kümmern.


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Bild 32: Aber wir schweifen vom Thema ab, schließlich sind wir hier ja in einem Eisenbahnforum. Mao hat sich natürlich auch um den Ausbau der Eisenbahn gekümmert (hier geht es konkret um die Eröffnung der Strecke von Chengdu nach Chongqing im Jahre 1952, der ersten Eisenbahnstrecke, die in der Ägide der Volksrepublik China neu eröffnet wurde). Der Bahnhof von Chengdu sieht heute allerdings irgendwie anders aus.


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Bild 33: Mao ist längst tot. Dampfloks sind dagegen in China noch immer aktiv...


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Bild 34: Und auch hier die Frage Original oder Kopie. Irgendwo habe ich das Relief schon mal gesehen. Nein, nicht in Nordkorea, ich meine das war im Eisenbanmuseum von Peking (da wollte ich ja auch schon lange einen Bericht hier für das Forum schreiben. Schäm, schäm).



Wir hatten jetzt erst einmal Hunger und kehrten in eines der zahlreichen Restaurants ein. Dort gab es natürlich ausschließlich Maos Lieblingsspeisen, darunter auch stinkenden Tofu, den ich aber sofort auf den Tisch nebenan verbannte. Auch der Rest schmeckte jetzt nicht so sonderlich toll. Entweder war das Restaurant schlecht oder Mao hatte einen schlechten Geschmack, wahrscheinlich war es sogar beides. Nachdem wir mit dem Essen fertig waren, wollte uns die Restaurantbesitzerin noch eine angeblich handgearbeitete, 70cm große Mao-Bronzebüste für knapp 70€ andrehen. Sieht ja toll aus, aber leider habe ich zuhause keine Wohnzimmeranrichte, auf der die Büste ausreichend zur Geltung kommen würde und habe daher dankend vom Kauf Abstand genommen.

Weiter ging es dann in ein weiteres, ebenfalls nagelneues Museum, in dem persönliche Gegenstände Maos wie Zahnbürste oder Bademantel ausgestellt waren. Alles war wie neu und ungebraucht. Kein Wunder, angeblich soll sich Mao doch in seinem Leben nie die Zähne geputzt haben und einmal 15 Jahre ohne Bad oder Dusche ausgekommen sein (was im Museum natürlich nicht erwähnt wurde).

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Bild 35: Auf dem Dach spiegeln sich die güldenen Lettern eines Gedichtes von Mao in einem Wasserbecken.


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Bild 36: Als (ehemals) passionierter Tischtennisspieler musste ich natürlich Maos persönliche Schläger samt Netz ablichten. Noppen außen ohne Schwamm, das habe ich ja früher gehasst wie die Pest. Mao spielte wohl tatsächlich Tischtennis …


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Bild 37: ... zumindest stand neben den Schlägern quasi als Beweismittel dieses Foto.



Zum Abschluss ging es dann noch zu einem angeblich ganz malerischen Revolutionsort in der Nähe. Dort mussten wir zunächst über 100 Yuan Eintritt pro Person löhnen und bekamen dann ein gänzlich unmalerisches, kleines Tal zu sehen. An dessen Ende hatte man für den lieben Mao eine Versammlungshalle samt angeschlossenen Übernachtungsräumen und atombombensicheren Bunkern gebaut. Er war mit seinem Kabinett tatsächlich ein einziges Mal da, für eine ganze Woche, das Jahr habe ich schon wieder vergessen. Oberhalb hatte man für die lieben Herren noch eine chinesische Felsenlandschaft mit sehr viel Beton und einen kleinen Zoo, sprich ein paar ausgestöpften Vögeln in Glasvitrinen gebaut. Es war alles heruntergekommen, es roch modrig und erinnerte mich irgendwie an Regierungsgästehäuser in Myanmar. Selbst die chinesischen Touristen, die sich sonst für alles begeistern können, waren sehr enttäuscht, wie mir meine Frau mehrfach übersetzte. So traten wir auch den Rückweg nach Changsha an.

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Bild 38: “Tagungshotel“ für die sozialistische Elite in den Bergen von Shaoshan. Mao nutzte es tatsächlich, ein einziges Mal...


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Bild 39: Dieses Bild von einem Souvenirstand zeigt perfekt das Fazit der Pilgerfahrt nach Shaoshan. Handtaschen sind in China mittlerweile wichtiger als Mao.



Was bleibt also von der chinesischen Pilgerfahrt übrig? Ich habe auch dank der Auseinandersetzung mit der Person Maos vor dem Besuch und durch den Besuch selbst wieder viel über China und seine Bewohner gelernt. So manches kann ich seither wieder etwas besser verstehen. Was Mao wohl zu dem ganzen Trara sagen würde, der in Shaoshan rund um seine Person veranstaltet wird? Einerseits wäre ihm die kapitalistische Ausbeutung wohl zuwider gewesen, andererseits hätte der ganze Kult seiner durchaus nicht uneitlen Persönlichkeit wohl geschmeichelt. Also im Prinzip genauso ambivalent wie seine Lebensleistung.

Wem das alles noch nicht genug ist, der findet weitere Bilder aus Hunan, insbesondere aus Maos Geburtsort, in meinen Fotoalben auf Flickr:
Best of Hunan
Hunan


Das war jetzt ein sehr anstrengender Bericht mit wenig Eisenbahn und viel off-topic. Aber eine Pilgerfahrt muss anstrengend sein, sie ist ja schließlich kein Erholungsurlaub. Jetzt habt ihr es hinter euch. Im nächsten Bericht schauen wir uns dann noch im wirklich ländlichen Norden Hunans um. Es gibt wieder ein bisschen Eisenbahn zu sehen, aber vor allem wieder ein China, wie ihr es vielleicht nicht erwarten würdet.





Inhaltsverzeichnis Aktivurlaub auf der Abraumhalde („Aua dA“)

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Teil 0: Wie immer ein Rätsel zu Beginn - Bahnhof der Superlative gesucht (Rätsel m1B)
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Teil 1: Hurra, hurra, hurra, ein neuer Reisebericht ist da - Die Leidensgeschichte oder wie alles begann
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Teil 2: Mit dem chinesischen Bummel-ICE vom Bahnhof der Superlative zur Abraumhalde der Vaporative
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Teil 3: Sonnenuntergang am Pool – Eine erste Inspektion der Clubanlage
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Teil 4a: Im Fotogefecht rund um die Abraumhalde - Die Jagd auf den roten deutschen General
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Teil 4b: Vom Winde verweht und dann auch noch zu später Stunde Ärger im BW
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Teil 5: Zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen - Landschaftspflege am Bahndamm
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Teil 6a: Kampf gegen die Langeweile – Einen Morgen ohne Abraumhalde, schaffen wir das?
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Teil 6b: Wir lassen’s ordentlich krachen - Die Popcorn-Dampfmaschine im Einsatz
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Teil 7a: Durchfall und eisiger Wind aus Sibirien - Es ist arschkalt, im wahrsten Sinne des Wortes
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Teil 7b: Alle anderen lassen’s ordentlich krachen und feiern – Und haben wir auch was zu feiern?
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Teil 8a: Wenn einem so viel Gutes widerfährt – Der General und die Kohlensammler von der Abraumhalde
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Teil 8b: Aller guten Dinge sind drei – Mission Sonnenuntergang im großen Abschlussfinale
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Teil 9: Und sag zum Abschied leise auf Wiedersehen – Die Schrankenwärterassistentin winkt zum Abschied
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Teil 10a: Im Heckeneilzug dabei, einmal quer durch die Mandschurei in die Innere Mongolei (1.Etappe)
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Teil 10b: Im Heckeneilzug dabei, einmal quer durch die Mandschurei in die Innere Mongolei (2.Etappe)
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Teil 11: Lüsterne Spannerfotos am Morgen vertreiben Kummer und Sorgen - Zwei Dicke Damen bei der Morgentoilette
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Teil 12: Erst ist die Autobatterie leer, dann die Strecke - Innere Leere in der Inneren Mongolei
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Teil 13: Viel Wind um fast nichts – Im Schlafwagen vom Rotwind mit Ostwind und massiver Zugverfrühung zurück nach Peking
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„Duìbùqǐ“ – Mein Entschuldigungsbericht
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Teil 14: Eine chinesische Pilgerfahrt ins rote Herz der Revolution – Auf den Spuren des wohl berühmtesten Chinesen
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2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2016:03:31:09:29:41.
Guten Abend,


vielen Dank für diesen, für mich sehr interessanten Beitrag. Auch wenn es etwas Offtopic war.
Da ich aber zur Zeit die Bücher von Qiu Xiaolong und seinem Inspektor Chen verschlinge, passt die kleine Exkursion zum Thema Mao sehr gut, oder und
um damit zum Thema zurückzukehren, der Film LAST TRAIN HOME. Was wohl alles ohne die vielen Berichte zum Thema China nicht so in meine Welt gekommen wäre.

Vielen Dank nochmals.

SvenM

Re: Bild 30 ?

geschrieben von: Frankfurter

Datum: 31.03.16 03:32

Zensiert oder vom Internet verschluckt?

Danke für die Interessanten Berichte,

Manfred

Re: Bild 30 ?

geschrieben von: Flo1979

Datum: 31.03.16 09:41

Hallo Manfred,

Vielen Dank für den Hinweis. Da war wohl mal wieder der böse Kim am Werk. Dabei ist das Foto doch absolut propagandakonform! Der "Große Führer" ist ins beste Licht gerückt und keine Körperteile abgeschnitten.

Nein im Ernst. Da habe ich die falsche Bild-URL erwischt. Die funktioniert nur wenn man gleichzeitig bei Flickr angemeldet ist. Deswegen ist mir das auch nicht aufgefallen. Jetzt sollte Bild 30 aber sichtbar sein.

Viele Grüße

Florian

Wieder super! :-) (o.w.T)

geschrieben von: Roni

Datum: 01.04.16 00:45

(Dieser Beitrag enthält keinen Text)
lg, Roni - [raildata.info] - Meine DSO-Reportagen Teil 1 (2005 bis 06/2019): [www.drehscheibe-online.de] - Meine DSO-Reportagen Teil 2 (neueste): [www.drehscheibe-online.de]
https://raildata.info/raildatabanner1.jpg

Vielen Dank

geschrieben von: Dominik86

Datum: 02.04.16 19:27

Hallo Florian,

vielen Dank für Deine Bilder. Das weckt ja bei mir richtiges "Heimweh" nach Hunan. Danke für den Changsha-Tipp, den werde ich mir doch tatsächlich mitnehmen und auch einmal dort auf die Jagd nach den Lokomotiven gehen.

Shaoshan hast Du genauso erlebt wie wir damals, leider haben sie wohl das Museum geändert, denn es ging damals nach den 50er Jahren noch weiter. Zwar wurde die Große proletarische Kulturrevolution natürlich verschwiegen, aber Maos Treffen mit Nixon war dann doch eine Schautafel wert und wie viele Chinesen dann um den großen Vorsitzenden trauerten..

Maos Lieblingsgerichte sind gar nicht so schlecht wie das Restaurant, das Schweinefleisch koche ich selber (auf Wunsch kann ich Dir mein Rezept schicken) und es schmeckt bisher eigentlich allen und ist der Renner hier. Stinkendes Tofu geht auch. Aber die hunanesische Küche ist herrlich, wenn man genug Reis hat. ;-)

Da ist Dir in Shaoshan wohl auch Deine Größe zum Verhängnis geworden. Da ich ungefähr die Größe des Durchschnitts-Südchinesen habe, bin ich da gar nicht aufgefallen und konnte Bilder von Maos Häuschen machen, war aber nicht sooo wahnsinnig interessant. (Leider habt ihr Liu Shaoqis Geburtshaus nicht besucht, da kriegt man Souvenire viel billiger, weil nix los ist. ;-))

Danke für die tollen Bilder!

Liebe Grüße,
Dominik

Re: Vielen Dank

geschrieben von: Flo1979

Datum: 03.04.16 14:16

Dominik86 schrieb:
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> Maos Lieblingsgerichte sind gar nicht so schlecht
> wie das Restaurant, das Schweinefleisch koche ich
> selber (auf Wunsch kann ich Dir mein Rezept
> schicken) und es schmeckt bisher eigentlich allen
> und ist der Renner hier. Stinkendes Tofu geht
> auch. Aber die hunanesische Küche ist herrlich,
> wenn man genug Reis hat. ;-)

Meine Frau kocht das auch sehr gut. Aber das Restaurant war einfach eine Zumutung. Ansonsten war das Essen in Hunan ganz gut, im nächsten Bericht gibt's dazu noch ein bisschen mehr.


> Da ist Dir in Shaoshan wohl auch Deine Größe zum
> Verhängnis geworden. Da ich ungefähr die Größe des
> Durchschnitts-Südchinesen habe, bin ich da gar
> nicht aufgefallen und konnte Bilder von Maos
> Häuschen machen, war aber nicht sooo wahnsinnig
> interessant. (Leider habt ihr Liu Shaoqis
> Geburtshaus nicht besucht, da kriegt man Souvenire
> viel billiger, weil nix los ist. ;-))

Außen war das Fotografieren kein Problem, nur innendrin. Egal, war sowieso nicht sehenswert. Souvenirs habe ich mir keine gekauft, selbst geschenkt hätte ich die Mao-Statue nicht genommen ;-)

Viele Grüße

Florian
Toller Bewricht!! Bei Deinen Berichten lernt man viel!! Vielen Dank!

LG Gustav
HIER sind meine Reiseberichte zu finden!