Auf Schienen vom Kapitalismus in den Sozialismus und zurück - 13.000km mit dem Zug durch Asien und ein bisschen Europa
Teil 33: Verfall, Müll und Kinderprostitution – Szenen am Bahndamm in Phnom Penh
Wie im
letzten Bericht angekündigt, machen wir uns im letzten Teil aus Phnom Penh noch zu einer kleinen Streckenwanderung auf, nachdem wir uns zuvor ja schon
im Bahnhof und
im Betriebswerk umgesehen hatten. Daher beginnen wir unsere Wanderung auch am Betriebswerk:
Bild 1: Links außerhalb des Bildes befindet sich das BW, in der Mitte führt das Streckengleis aus Phnom Penh heraus, während das
Gleis rechts wohl einst an das Ufer des Tonle Sap führte. Wo sich ganz rechts heute Rohre und Sand finden, lag bis vor kurzem noch der
„Boeng Kak“-See. Immobilienhaie haben die Regierung wohl solange bestochen, bis sie den See zuschütten ließ, damit diese jetzt dort
neue Hochhäuser bauen können. Der Tonle Sap hat zwei vielleicht weltweit einzigartige Besonderheiten zu bieten. Auf der Höhe Phnom
Penhs mündet er in den Mekong, nur um sich direkt danach wieder in Mekong und Bassac aufzuteilen. Zudem wechselt der Tonle Sap je
nach Jahreszeit die Fließrichtung. Nach der Regenzeit und der Schneeschmelze im Himalaya führt der Mekong soviel Wasser, dass der
Tonle Sap in den dann abflusslosen Tonle Sap-See fließt, der damit zu Spitzenzeiten mit über 10.000km2 Fläche zum größten Süßwassersee
Südostasiens wird. Wenn der Wasserstand im Mekong dann in der Trockenzeit wieder sinkt, wechselt auch der Tonle Sap wieder die
Fließrichtung und führt das Wasser aus dem Tonle Sap-See wieder in den Mekong. Der Wasserstand im Tonle Sap-See fällt dabei um mehr
als zehn Meter und seine Fläche reduziert sich auf gerade mal 2.500 km2, bis dann wieder Regenzeit und steigende Fluten des Mekong einsetzen.
Bild 2: Nach gut 200 Metern kommen wir am ersten Bahnübergang an.
Hier kreuzt der „Preah Monivong Boulevard“ die Gleise.
Bild 3: Direkt nach dem Bahnübergang liegt links neben der Strecke das ehemalige Ausbesserungswerk. Die Zufahrtsgleise
sind zugewuchert und vor dem AW rosten Waggons herum, die es nicht mehr bis ins AW hinein geschafft haben.
Bild 4: Die Hallen des Ausbesserungswerks waren wie die Hallen des BW verschlossen, aber hier konnte ich
einen Blick durch die vergitterten Fenster werfen: es scheint, als hätte man einfach von heute auf morgen alles
stehen und liegen lassen. Einige Kambodschaner, die einen Schlüssel besitzen, nutzen die Halle auch als Garage
für ihre Mopeds, Tuk-Tuks und Autos. Ganz rechts steht auch noch eine Dampflok ohne Tender.
Bild 5: Von der äußeren Empore der AW-Halle geht der Blick über das Vorfeld der AW-Halle nochmals zurück in Richtung
Betriebswerk (in Blickrichtung direkt vor dem Hochhaus) und Hauptbahnhof. Links neben der Mauer verläuft die Strecke.
Bild 6: Wo einst das Gleisdreieck zum Wenden der Lokomotiven lag, erstreckt sich heute ein See, im Hintergrund die Hallen des AW.
Bild 7: Auf dem Gelände plant man wohl schon seit längerem den Bau von Wohnblocks.
Dem Zustand des Plakats nach zu urteilen, wird es aber wohl eher bei den Plänen bleiben.
Bild 8: Wir kehren zurück zur Strecke, die mehr und mehr als Müllhalde missbraucht wird. Das Müllauto hatte noch gar nicht angehalten,
da stürmten schon Einwohner aus den Slumbehausungen direkt neben den Gleisen heran und suchten im Müll noch nach Verwertbarem.
Bild 9: Die Strecke verschwindet mehr und mehr unter dem Müll, der hier einfach abgekippt wird. Plastiktüten sind
in Asien eine wahre Plage, irgendwann werden die Asiaten daran ersticken (oder es gibt vorher kein Öl mehr).
In der unerträglich heißen Mittagssonne wanderte ich weiter der Strecke entlang. Meine Anwesenheit sorgte in den Slumbehausungen neben den Gleisen für Aufsehen. Allzu oft verirren sich Ausländer wohl nicht hierher. Plötzlich kam eine Frau dann mit einem vielleicht neun Jahre alten Mädchen an und sagte „You wan sex. Dwendy dolla.“, wobei sie mir das Mädchen entgegen schob. Schockiert schüttelte ich den Kopf, woraufhin sie sagte „You wan boy? I get you boy“. Nein, daran hatte ich auch überhaupt kein Interesse, ich wollte hier doch nur meinen „ferrophilen“ Neigungen nachgehen, was sie aber überhaupt nicht verstehen konnte. So machte ich mich leicht aufgewühlt weiter auf den Weg entlang der Bahngleise und ließ die Frau etwas verdattert zurück. Sie konnte es wohl einfach nicht verstehen, warum eine Langnase bei brütender Hitze auf einer stillgelegten Eisenbahnstrecke entlang wandert und dabei auch noch Fotos von den Gleisen macht.
Bild 10: Weiter geht es der Strecke entlang. Links die Mauern des AW,
rechts die Slumbehausungen entlang der Schienen.
Bild 11: Auch dieses Bild offenbart den maroden Zustand der Gleise.
Wenige Monate zuvor verkehrten auf diesen Gleisen noch Züge!
Bild 12: Nach kurzer Zeit erreichen wir den nächsten Bahnübergang.
Hier quert der „Kim Il-Sung Boulevard“ die Gleise.
Bild 13: Mir wurde es jetzt in der Mittagssonne zu heiß, deswegen kehrte ich um und machte
mich auf in mein kühles Zimmer über der „Kontaktbörse“ in der Innenstadt. Zum Abschluss
daher noch ein Teleschuss in Richtung weiteren Verlauf der Strecke, die mehr oder weniger
gerade durch Phnom Penh läuft, bis sie sich in den Außenbezirken in die Streckenäste
an die Küste nach Sihanoukville bzw. in den Nordwesten Richtung Battambang aufteilt.
Damit ist der eisenbahntechnische Teil des Besuchs in Phnom Penhs abgeschlossen. Aber ein Besuch Phnom Penhs ist nicht komplett ohne eine Besichtigung des „Toul Sleng Genocide Museums“. Es befindet sich auf dem Gelände der ehemaligen „Toul Svay High School“. Während ihrer Schreckensherrschaft richteten die „Roten Khmer“ hier das berüchtigte Foltergefängnis „S-21“ ein. Mehr als 15.000 Gefangene wurden hier mittels Stromstößen, „Waterboarding“ (das gab es schon damals) und Schlägen solange gefoltert, bis sie ihre angeblichen Verfehlungen gestanden. Dann wurden sie zu den „killing fields“ außerhalb der Stadt gebracht, wo man die Gefangenen mit Gewehrkolben zu Tode schlug oder sie einfach lebendig begrub (Erschießungen gab es keine, schließlich musste man die wertvolle Munition für die Kampfhandlungen sparen). Als die Vietnamesen 1979 das Gefängnis befreiten, fanden sie noch genau sieben lebende Insassen vor.
Bild 14: Von außen sehen die Gebäude der ehemaligen Schule harmlos aus, im Inneren verbirgt sich jedoch die Hölle.
Bild 15: Auf diesen eisernen Bettgestellen wurden die Gefangenen angekettet und mit Stromstößen malträtiert.
Bild 16: Die ehemaligen Klassenzimmer wurden in Folterzimmer umgewandelt. Zu Spitzenzeiten herrschte hier Folter-Schichtbetrieb.
Bild 17: Folterinstrumente und Blumen auf einem eisernen Bettgestell.
Bild 18: Die “Roten Khmer” dokumentierten ihre Gefangenen akribisch. Für die willkürlichen Verhaftungen reichte damals schon
das Tragen einer Brille oder leichtes Übergewicht, selbst vor Kindern und Babys machten die „Roten Khmer“ nicht halt. Der
damalige Leiter des Foltergefängnisses wurde vor kurzem vom Rote-Khmer-Tribunal zu einer Haftstrafe von 35 Jahren verurteilt.
Damit ist er einer der ganz wenigen „Roten Khmer“, der für seine Taten verurteilt wurden. Viele andere Führungskader dagegen
sind mittlerweile tot, seit Jahrzehnten untergetaucht oder werden von der heutigen Regierung gedeckt.
Bild 19: Wenn die Insassen nicht gerade gefoltert wurden, wurden sie in solche Zellen eingesperrt.
Bild 20: Unzählige Menschenleben zerbrachen in „Toul Sleng“ wie diese Fliesen in einem Gang der ehemaligen Schule.
Bild 21: Für die Gefangenen gab es kein Licht am Ende des Tunnels.
Bild 22: Selbst die Wände wurden mit Stacheldraht versehen, damit die Gefangenen nicht aus Verzweiflung
mit den Köpfen gegen die Wand stießen und somit vor ihrem Geständnis Selbstmord begehen würden.
Dies war der letzte Bericht aus Phnom Penh, im
nächsten Bericht geht es dann in Battambang weiter. Da der Zugverkehr ja eingestellt war, musste ich leider mit dem Bus vorlieb nehmen. Statt mindestens 16-stündiger Schaukelfahrt mit dem Zug ging es also im modernen Reisebus über eine hervorragend ausgebaute Straße (besser als jede deutsche Bundesstraße) in nicht einmal fünf Stunden von Phnom Penh ins rund 300km entfernte Battambang. Dort fahren wir dann endlich mit dem Zug. Wie das geht, wenn der Zugverkehr eigentlich stillgelegt ist? Schaut in die nächsten Berichte rein und lasst euch überraschen.
Zugliste
Zug Von Nach Kilometer Land Traktion Spurweite
S3 Niederhöchstadt Frankfurt(Main)Hbf 11,8 DE Elektr. 1435mm
ICE 75 Frankfurt(Main)Hbf Zürich HB 449,6 DE/CH Elektr. 1435mm
IC 585 Zürich HB Chur 116,1 CH Elektr. 1435mm
R 1169 Chur San Murezzan/St.Moritz 89,25 CH Elektr. 1000mm
RE 1145 Bravuogn/Bergün Preda 12,57 CH Elektr. 1000mm
R 1658 Poschiavo Ospizio Bernina 21,294 CH Elektr. 1000mm
R 1641 Morteratsch Diavolezza 4,635 CH Elektr. 1000mm
R 1658 Poschiavo Ospizio Bernina 21,294 CH Elektr. 1000mm
RE 1124 St.Moritz Chur 89,25 CH Elektr. 1000mm
IC 570 Chur Zürich 116,1 CH Elektr. 1435mm
S6 Zürich Baden 22,53 CH Elektr. 1435mm
S6 Baden Zürich 22,53 CH Elektr. 1435mm
S6 Zürich Baden 22,53 CH Elektr. 1435mm
IR 1972 Baden Basel SBB 65,9 CH Elektr. 1435mm
ICE 370 Basel SBB Freiburg Hbf 66,8 CH/DE Elektr. 1435mm
RB31603 Freiburg Hbf Littenweiler 7,22 DE Elektr. 1435mm
RB31620 Littenweiler Freiburg Hbf 7,22 DE Elektr. 1435mm
ICE 270 Freiburg Hbf Frankfurt(Main)Hbf 294,4 DE Elektr. 1435mm
S3 Frankfurt(Main)Hbf Niederhöchstadt 11,8 DE Elektr. 1435mm
S3 Niederhöchstadt Frankfurt(Main)Hbf 11,8 DE Elektr. 1435mm
S8 Frankfurt(Main)Hbf Frankfurt-Flughafen 11,4 DE Elektr. 1435mm
Chollima Pyongyang Yonggwang Pyongyang Puhung 1,5(ca.) KP Elektr. 1435mm
Zug Nr. 5 Pyongyang Sinuiju-(Grenze DPRK) 225 KP Elektr. 1435mm
K 28 (Grenze China)-Dandong Beijing 1132 CN Diesel 1435mm
K 177 Beijing Xi Datong 368 CN Elektr. 1435mm
2671 Datong Xi'an 1006 CN Elektr. 1435mm
Z94 Xi'an Suzhou 1425 CN Elektr. 1435mm
K8418 Suzhou Huangshan (Tunxi) 588 CN Diesel 1435mm
K155 Huangshan (Tunxi) Guilin Bei 1277 CN Diesel 1435mm
K181 Guilin Bei Kunming 1265 CN Diesel 1435mm
LC4 Lao Cai Hà Nôi 294 VN Diesel 1000mm
SE3 Hà Nôi Sài Gòn 1730 VN Diesel 1000mm
10787,523
Weitere Bildimpressionen aus Kambodscha
Weitere Bildimpressionen von mir aus Kambodscha auf Flickr. Zum Anschauen auf eines der Bilder oder den Link klicken:



Kambodscha 


Inhaltsverzeichnis
Prolog
Teil 0: 13.000km mit dem Zug durch 10 Länder, aber wo? BÜ-Bilderrätsel mit 10 Bildern
Teil 1: Prolog - Warum ich mit dem Zug 13.000km durch die Gegend gereist bin
Schweiz
Teil 2: Ein Kurzabstecher in das kapitalistische Musterland - Bilder von der Albulabahn
Teil 3: Über den Bernina zurück nach Deutschland
Nordkorea
Teil 4: "Willkommen im sozialistischen Paradies" - Eine Einführung zu Nordkorea (Teil A)
Teil 4: "Willkommen im sozialistischen Paradies" - Eine Einführung zu Nordkorea (Teil B)
Teil 5: Unterwegs mit der atombombensicheren Metro in Pyongyang - (Teil A)
Teil 5: Unterwegs mit der atombombensicheren Metro in Pyongyang - (Teil B)
Teil 6: Zugimpressionen aus Nordkorea und ein schweres Verbrechen
Teil 7: Mit O-Bussen durch den Alltag in Pyongyang
Teil 8: Mit der Tram durch Pyongyang - Eine Stadtrundfahrt (Teil A)
Teil 8: Mit der Tram durch Pyongyang - Eine Stadtrundfahrt (Teil B)
Teil 9: Von Pyongyang nach Beijing - Teil A: Die Vertreibung aus dem "sozialistischen Paradies"
Teil 9: Von Pyongyang nach Beijing - Teil B: Verwirrung an der Grenze
China
Teil 9: Von Pyongyang nach Beijing - Teil C: Zurück im Kapitalismus?!
Teil 9: Von Pyongyang nach Beijing - Teil D: Im Morgenlicht nach Beijing
Teil 10: Eine kurze Einführung in die chinesische Eisenbahn
Teil 11: Mit dem Zug von Beijing nach Datong
Teil 12: Mit dem Zug von Datong nach Xi'an
Teil 13: Mit dem Zug von Xi'an nach Suzhou
Teil 14: Suzhou nach Huangshan (Tunxi)
Teil 15: Von Huangshan (Tunxi) nach Guilin
Teil 16: Von Guilin nach Kunming
Teil 17a: Schmalspurbahnen in Yunnan - Die Geschichte der Yunnan-Bahn
Teil 17b: Schmalspurbahnen in Yunnan - Weitere Schmalspurbahnen und Eisenbahnprojekte in Yunnan
Teil 17c: Schmalspurbahnen in Yunnan - Historische Schmalspurfahrzeuge im „Yunnan Railway Museum“
Teil 17d: Schmalspurbahnen in Yunnan - Historische Dampflokomotiven im „Yunnan Railway Museum“
Vietnam
Teil 18 (Rätsel): Wie hängen diese Bilder zusammen?
Teil 19: Viele verschiedene V-Loktypen - Eine kurze Einführung in die vietnamesische Eisenbahn
Teil 20: Ein Abend im „Bia Hoi“-Garten mit Bahnhofsblick in Lao Cai
Teil 21a: Mit Baguette und Zug, aber leider ohne Rotwein von Lao Cai nach Hanoi
Teil 21b: Mit Baguette und Zug, aber leider ohne Rotwein von Lao Cai nach Hanoi
Teil 22a: Auf Schienen durch Häuserschluchten und über Bahnübergänge in Hà Nôi – Teil A
Teil 22b: Auf Schienen durch Häuserschluchten und über Bahnübergänge in Hà Nôi – Teil B
Teil 23a: Mit Millionticket, verstopften Toiletten, Siemens-Lok und Regen im Wiedervereinigungsexpress von Hà Nôi nach Sài Gòn – Teil A
Teil 23b: Mit Millionticket, verstopften Toiletten, Siemens-Lok und Regen im Wiedervereinigungsexpress von Hà Nôi nach Sài Gòn – Teil B
Teil 24: Die Geschichte der Zahnradbahn von Thap Cham nach Da Lat
Teil 25: Hochzeit auf einer Dampflok in Da Lat
Kambodscha
Teil 26: Um welches Eisenbahngefährt handelt es sich hier? - Rätsel
Teil 27: Eine kurze Einführung in die kambodschanische Eisenbahn
Teil 28: (Ein)Stimmungsbilder vom Bahnhof Phnom Penh
Teil 29: Art-Déco und Güterwagenschlangen – Ein Rundgang im Bahnhof von Phnom Penh
Teil 30: Diesellokomotiven und Dampflok(reste) der kambodschanischen Eisenbahn
Teil 31: Deutsche Wasserkräne und Bahnidylle im verwaisten Betriebswerk von Phnom Penh
Teil 32: Personen- und Güterwagen der kambodschanischen Eisenbahn
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2011:03:10:19:50:28.