Auf Schienen vom Kapitalismus in den Sozialismus und zurück - 13.000km mit dem Zug durch Asien und ein bisschen Europa
Teil 17a: Schmalspurbahnen in Yunnan - Die Geschichte der Yunnan-Bahn
In diesem (und den drei folgenden) Teil(en) bin ich mal nicht mit dem Zug unterwegs, sondern widme mich dem „Yunnan Railway Museum“. Dieses sehenswerte und für chinesische Verhältnisse hervorragend aufgemachte Museum erzählt die Geschichte der Eisenbahn in der Provinz „Yunnan“. Das Museum ist im Nordbahnhof untergebracht, dem ehemaligen Endpunkt der Yunnan-Bahn. Das tolle Museum und die hochinteressante Geschichte dieser spektakulären Bahn sowie weiterer ehemaliger und projektierter Schmalspurbahnen in Yunnan haben mich dazu animiert, mit den Informationen von Schautafeln im Museum (teilweise ergänzt um Angaben aus
[de.wikipedia.org] und
[en.wikipedia.org]), selbst gezeichneten Karten und Bildern einen vierteiligen Bericht zur Geschichte der Schmalspurbahnen in Yunnan zu verfassen:
Teil A: Die Geschichte der Yunnan Bahn
Teil B: Weitere Schmalspurbahnstrecken- und -projekte in Yunnan
Teil C: Historische Schmalspurfahrzeuge aus Yunnan
Teil D: Historische Schmalspurdampfloks aus Yunnan
Bild 1: Der moderne Nordbahnhof, der gleichzeitig auch das „Yunnan Railway Museum“ beherbergt.
Einst Endpunkt der berühmten Yunnan-Bahn, ist er heute fast verwaist, wie ich bereits im letzten Bericht erwähnte.
Bild 2: Ein deutscher Modelleisenbahner würde für so eine Anlage (gesehen in einem Schaufenster in Kunming) wahrscheinlich nur Spott übrig haben.
Es zeigt die Stadt Kunming (Yunnanfou) zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Während das Modell die damalige Realität nur sehr entfernt abbildet, entspricht das
Modell des Bahnhofsgebäudes im französischen Stil detailgetreu den Tatsachen, auch wenn die Architektur irgendwie überhaupt nicht nach China passt. Aber nicht
nur beim Bau des Bahnhofes mischten die Franzosen kräftig mit, auch anderswo in Sachen Eisenbahn hatten die Franzosen in Yunnan kräftig die Hände mit im Spiel.
Einleitung
Die Yunnan-Bahn ist eine Eisenbahnstrecke, die von der vietnamesischen Hafenstadt Haiphong in Tonkin, dem nördlichsten Teil von Vietnam, bis nach Kunming, der Hauptstadt der chinesischen Provinz Yunnan, hinaufführt. Von Haiphong führt die Strecke über Hanoi und das zunächst sehr breite Tal des Roten Flusses bis zur vietnamesischen Grenzstadt Lao Cai. Von dort führt die Strecke über die chinesische Grenzstadt Hekou, Lahadi, Miladi (Zhieun), Amichou (Kaiyuan), Yiliang und Chengong nach Yunnanfu (Kunming).
Bild 3: Die Yunnan-Bahn führt von der vietnamesischen Küstenstadt und Hafen Haiphong über Hanoi,
Lao Cai (vietnamesische Grenzstation), Hekou (chinesische Grenzstation) nach Kunming (Yunnanfou)
Die Bahn hat eine Länge von 855 km (davon 465 km in China) und überquert insgesamt 173 Brücken (davon 107 Brücken in China) und durchfährt 158 Tunnels (davon 155 Tunnels in China) und wurde von den Franzosen in den Jahren 1901 bis 1910 gebaut. Dabei überwindet sie mehr als 1.900 Höhenmeter. Die Strecke wurde in Meterspur ausgeführt und am 1. April 1910 eröffnet. Bis heute verkehren auf ihr Züge, auch wenn auf chinesischer Seite der Personenverkehr vor ein paar Jahren stillgelegt wurde.
Bild 4: Dieses Bogenviadukt ist eine der mehr als 170 Brücken auf dem Weg von Haiphong nach Kunming.
Neben gemauerten Brücken gab es auch einige imposante Stahlviadukte (Bilder siehe weiter unten).
Bild 5: Auf chinesischer Seite führt die Bahn größtenteils durch enge Flusstäler und Schluchten. Das schwierige Terrain erforderte den Bau von Hangviadukten wie diesem…
Bild 6: … und mehr als 150 Tunnels. Dieses Bild zeigt den Bau eines Tunnels bei Kilometer 413 (von Hekou aus gemessen), im Hintergrund ein weiteres Hangviadukt.
Zeittafel Yunnan-Bahn
1901 | Beginn Bauarbeiten Haiphong – Lao Cai |
1906 | Beginn Bauarbeiten Lao Cai - Kunming |
13.1.1909 | Eröffnung Lao Cai - Bisezhai |
1.4.1910 | Eröffnung Bisezhai - Kunming |
ab 1941 | teilweiser Abbau und Sprengung auf chin. Seite |
28.2.1946 | Übergang des chin. Teils der Strecke in chin. Verwaltung |
1.7.1958 | Strecke wieder durchgehend befahrbar |
1977 | Stilllegung Kunming Süd – Kunming Nord |
1979 | Unterbrechung Strecke zw. China und Vietnam |
1997 | Wiederaufbau Strecke zw. China und Vietnam |
1999 | Stilllegung weiterer Streckenteile rund um Kunming |
2003 | Einstellung Personenverkehr auf chin. Seite |
Planung der Strecke
Bereits seit Mitte des 19.Jahrhunderts gab es bei vielen Kolonialmächten Pläne, das weite chinesische Hinterland mit Eisenbahnstrecken zu erschließen. Den Zugang zu den chinesischen Häfen hatte man sich ja bereits in mehreren Kriegen erkämpft. Aber das chinesische Hinterland stellte einen riesigen Absatzmarkt für europäische Industrieprodukte dar (wie sich die Argumente fast 200 Jahre später gleichen!) und es warteten große Rohstoffvorkommen.
Bild 7: Ein zeitgenössisches Dokument beschreibt die Geschichte, wie es zur Konzession und zum Bau der Yunnan-Bahn kam.
Seit Mitte des 19 Jahrhunderts dehnte Frankreich seinen Machtbereich in Indochina aus und 1883 wurde Vietnam schließlich französische Kolonie. Für die Franzosen sollte das nördliche Vietnam (Tonkin) Sprungbrett zur wirtschaftlichen Eroberung des chinesischen Hinterlandes dienen, da die chinesischen Häfen ja weitestgehend nur den Engländern offen standen. Der Bau einer Eisenbahnstrecke von der vietnamesischen Küste in das Hochland von Yunnan und weiter bis zum Jangtsekiang war dazu gerade ideal.
Bild 8: Dieses Höhenprofil der Yunnan-Bahn in der ursprünglichen Projektierung zeigt, wie aufwendig die Bezwingung der gebirgigen Landschaft in Yunnan wurde.
Ausgeführt wurde später eine andere Streckenführung, da die im Bild gezeigte Streckenführung von der Geologie und der Baustoffbeschaffung ungeeignet war.
Bereits im gleichen Jahr mit der Gründung der Kolonie Vietnam attackierten die Franzosen auch die Chinesen, die die französischen Angriffe aber zunächst erfolgreich abwehrten. Trotzdem forderten die Franzosen neben 2,5 Mrd. Franc Kompensation auch den Bau einer Bahnlinie nach Kunming. Die Chinesen sollten die notwendigen Arbeiter kostenlos stellen und die Gesamtkosten für den Bau der Strecke innerhalb von zehn Jahren den Franzosen zurück bezahlen. Nach einer ersten Planung schätzten die Franzosen die Kosten für einen Bau der Strecke auf 35 Mio. Franc. Die Chinesen lehnten jedoch ab und da die Franzosen erst einmal genügend Probleme hatten, die Aufstände in Vietnam gegen die neuen Kolonialherrschaft zu unterdrücken, gerieten die Pläne zum Bau der Bahnlinie zunächst einmal wieder ins Hintertreffen.
Bild 9: Dieses Bild zeigt, wie zwischen Kilometer 105 und 117 ein Seitental mittels zahlreicher Tunnels und Brücken ausgefahren wird, um an Höhe zu gewinnen.
1897 unternahmen die Franzosen einen neuen Anlauf und rangen der immer schwächer werdenden Qing-Dynastie die Erlaubnis zur Durchführung erster Vermessungsarbeiten ab, zumal die Zeit drängte, denn die Engländer hatten bereits ebenfalls große Pläne für den Bau einer Bahnlinie von ihrer neuen Kolonie Burma nach Yunnan. So entstand eine detaillierte Streckenplanung und die ursprüngliche Schätzung der Kosten verdoppelte sich auf 70 Mio. Franc. Die Franzosen drängten nun auf den Bau der Strecke und forderten vom chinesischen Kaiserhaus eine entsprechende Konzession. China sollte das Land kostenlos zur Verfügung stellen, die Franzosen würden dann die Strecke zunächst bauen, betreiben und verwalten. Über einen Übergang in chinesische Verwaltung sollte nach der Eröffnung der Strecke verhandelt werden. Doch das Kaiserhaus lehnte diesen aus französischer Sicht sehr großzügigen Vertrag ab. Daraufhin verwiesen die Franzosen auf ähnliche Verträge, die das Deutsche Kaiserreich mit dem chinesischen Kaiserhaus zum Bau von Eisenbahnlinien rund um Qingdao (Tsingtao) erfolgreich geschlossen hatte. Die Franzosen fühlten sich benachteiligt und drohten mal wieder mit Krieg, was die Chinesen schließlich zum Einlenken brachte.
Bild 10: In Zeiten von GPS und Laser ist kaum mehr vorstellbar, wie mühsam die Vermessung der Strecke in dem unwegsamen und gebirgigen
Gelände gewesen sein muss. Die Beschriftung des Bildes zeigt, dass die Chinesen mit der englischen Sprache noch etwas auf Kriegsfuß stehen.
Bild 11: Als Ergebnis der Vermessungsarbeiten entstanden detaillierte Baupläne für einzelne Streckenabschnitte,
hier im Bild der erste chinesische Streckenabschnitt von Lao Cai nach Mongtze (Mengzi).
1898/99 wurden detaillierte Vermessungsarbeiten durchgeführt und die veranschlagten Kosten verdoppelten sich nochmals auf ca. 140 Mio. Franc. Mit dem Segen der französischen Nationalversammlung wurde 1901 die „Haiphong – Kunming Eisenbahngesellschaft“ gegründet und das notwendige Kapital an der Pariser Börse eingesammelt. Die neu gegründete Gesellschaft beauftragte die „Indochina Railway Construction Company“ mit dem Bau für zunächst 95 Mio. Franc. Während auf vietnamesischer Seite die Bauarbeiten auch aufgrund der recht einfachen Topographie recht schnell begannen, verzögerte sich der Bau auf chinesischem Territorium immer weiter. Bei einer weiteren Vermessungsaktion im Bergland von Yunnan stellte man fest, dass der ursprünglich geplante Streckenverlauf durch das Tal des XinXianHe-Flusses aufgrund vieler Lehmhügel große geologische Probleme bereiten würde und in der Nähe kein ausreichendes Baumaterial zu finden sei. So wurde 1902 ein Antrag für eine neue Streckenführung durch das Tal des Nanxi-Flusses gestellt und 1904 vom Generalgouverneur von Indochina noch im gleichen Jahr genehmigt.
Bau der Strecke
Der Bau der Yunnan-Bahn wurde damals als drittgrößtes Bauprojekt der Welt nach dem Bau des Suez- und des Panama-Kanals bezeichnet. Am 1.3.1906 begannen schließlich die Arbeiten auf chinesischem Territorium, nachdem Schienen durch das Tal des Roten Flusses bereits den vietnamesischen Grenzort Lao Cai erreicht hatten. Bis zum Beginn der Regenzeit kam man gut voran und am 5.8.1906 lagen bereits die ersten 30km Schienen auf chinesischer Seite.
Bild 12: Ein französischer Ingenieur beaufsichtigt mit seinem Hund die Bauarbeiten an der Strecke.
Dieses Bild verdeutlicht, warum die Yunnan-Bahn bis heute massiv mit Erdrutschen zu kämpfen hat.
Bild 13: Durch die oft tief eingeschnittenen Schluchten führt die Strecke immer weiter hinauf in Richtung Yunnan.
Bild 14: An manchen Stellen wurde die Strecke auch regelrecht in die Felswände hineingesprengt.
Bild 15: Der Bau der Tunnels hatte streng den vorgegebenen Bauskizzen zu folgen.
Bild 16: Während sich man beim Bau der offenen Strecke den lokalen Gegebenheiten
anpassen musste, ging man beim Bau der Bahnhöfe keine Kompromisse ein: auch zigtausende
Kilometer vom Heimatland entfernt blieb man der französischen Einheitsbauart treu.
Bild 17: Bei der Wahl der Schienen war man hingegen nicht so wählerisch. Selbst Produkte vom damaligen Erzfeind kamen zum Einbau…
Bild 18: …und selbst Krupp goss damals noch Schienen für die Franzosen. Ein gutes Jahrzehnt später goss man dort dann hauptsächlich Kanonen gegen die Franzosen.
Der Weiterbau verzögerte sich aber immer weiter. Zwei Jahre später am 30.4.1908 waren mit 111,8km nicht einmal ein Viertel der bis nach Kunming benötigten Schienen verlegt. Das gebirgige Gelände stellte die Ingenieure immer wieder vor neue Probleme. So war der Bau von über 150 Tunnels und mehr als 100, teilweise sehr spektakulärer, Brücken notwendig. Das unwegsame Gelände machte den Transport von benötigten Materialen und Eisenteilen für Brücken zu den einzelnen Bauabschnitten sehr schwierig. Überschwemmungen während der Regenzeit, die wie aktuell ja auch wieder gesehen in Südchina sehr heftig ausfallen können, und Erdbeben sorgten immer wieder für Damm- und Erdrutsche. Mühsam mussten eigentlich bereits fertig gestellte Abschnitte wieder vor vorne neu gebaut werden. Zudem grassierten unter den Arbeitern Seuchen und Malaria, unter den mehr als 60.000 eingesetzten Arbeitern starben über 12.000 an Krankheit und mangelhafter Ernährung. Immer wieder kam es aufgrund der katastrophalen Arbeitsbedingungen zu Aufständen unter den Arbeitern, die aber immer gewalttätig niedergeschlagen wurden.
Bild 19: Die einheimischen Arbeiter mussten unter miserabelsten Bedingungen schuften, mehr als
12.000 starben an Krankheit oder Entbehrung. Die französischen Bauherren lebten unter besseren
Bedingungen, aber auch sie starben reihenweise an Tropenkrankheiten. Wie die Skizzen zeigen,
kamen damals schon aufgrund der Holzknappheit vermehrt Stahlschwellen zum Einsatz.
Bild 20: Steinbrücken und –viadukte wurden nur in Gegenden gebaut, wo es vor Ort
geeignete Baumaterialien gab. An anderen Stellen baute man dagegen Stahlviadukte.
Bild 21: Mit einfachsten Mitteln errichteten die lokalen Arbeiter unter Anweisung der Franzosen spektakuläre Brücken und Viadukte ...
Bild 22: … wie dieses Bild eines Stahlviadukts auf der Strecke zeigt.
Am 13.1.1909 erreichte nach fast drei Jahren Bauzeit die erste Lok den Bahnhof Mengzi bei Kilometer 165. Von dort ging es dann recht flott weiter, nachdem alle Brücken und Tunnels fertig waren und das Gelände auf der Hochfläche die Erbauer nicht mehr vor so große Herausforderungen stellte. Nach knapp vierjähriger Bauzeit erreichten am 30.1.1910 die Schienen dann Kunming. Die Baukosten betrugen schließlich 165.467.000 Franc und lagen damit nochmals 70% über den ursprünglich vertraglich festgelegten Kosten. Am 1.4.1910 wurde die Strecke dann offiziell eröffnet.
Bild 23: Zur feierlichen Eröffnung der Yunnan-Bahn erschien diese Festschrift, bei deren Design
nicht nur der europäische Jugendstil, sondern auch die lokale Kultur Berücksichtigung fand.
Bild 24: Die Eröffnung der Strecke wurde am Bahnhof Kunming (Yunnanfou) mit einem festlichen Diner gefeiert.
Natürlich durften hier im Fernen Osten auch der französische Wein und die Tricolore nicht fehlen. Die chinesischen
Offiziellen durften immerhin auf gleicher Höhe wie die französischen Bauherren an der Tafel Platz nehmen.
Betrieb und Geschichte bis 1946
Kurz nach Eröffnung der Strecke brach 1911 die Qing-Dynastie zusammen und nach jahrtausendelanger Kaiserherrschaft entstand die erste chinesische Republik. Die Bahn blieb trotzdem weiter unter französischer Verwaltung, von der ursprünglich im Rahmen der Konzession vereinbarten Verhandlungen zum Übergang in chinesische Verwaltung wollten die Franzosen nach der Eröffnung nichts mehr wissen.
Bild 25: Der Endbahnhof in Kunming hatte anfangs eher bescheidenen Umfang, wenn man diesen Gleisplan betrachtet.
Bild 26: Diese Postkarte vom Bahnhof Kunming aus dem Jahre 1928 zeigt, wie ein Zug gerade angekommen ist.
Bild 27: Die folgenden beiden Bilder zeigen zeitgenössische Aufnahmen der Bahnhöfe entlang der Strecke…
Bild 28: …die man vom Stil her eher an einer französischen Nebenbahn
wie an einer Eisenbahnstrecke im tiefsten Asien vermuten würde.
Der Verkehr entwickelte sich auf der Strecke zunächst recht gut. Bereits vor dem Erreichen Kunmings wurde auf den bereits fertig gestellten Teilstrecken lukrativer Verkehr betrieben. 1908 wurde der Teilabschnitt Lao Cai – Lahadi eröffnet und brachte bereits 104.852 Franc an Einnahmen, im folgenden Jahr war die Strecke bis Panxi (Kilometer 301) in Betrieb und generierte 1.149.879 Franc an Einnahmen. Aufgrund der hohen Nachfrage wurde die Anzahl der Bahnhöfe auf chinesischem Territorium von 34 auf 43 erhöht, zudem wurden Personenzüge auf Teilstrecken des chinesischen Abschnitts der Yunnan-Bahn eingeführt. Seit den 30er Jahren verkehrten dann von Hanoi nach Kunming durchgehende luxuriöse Züge für hohe französische Beamten und Wirtschaftsmogule. Die mit Gummirädern bereiften Triebwagen (dazu in einem der folgenden Berichte noch mehr) erreichten dabei angeblich Geschwindigkeiten von über 100km/h.
Bild 29: Ein Fahrplan für durchgehende Züge zwischen Hanoi und Yunnanfou (Kunming) aus dem Jahre 1938.
Ursprünglich war nur ein Zugpaar pro Woche vorgesehen, der Verkehr wurde aber auf zwei Zugpaare erhöht, wie
die handschriftlichen Ergänzungen zeigen. Die Fahrt dauerte knapp 24 Stunden, wobei man zwischendurch den
Zug wechseln musste. Auf chinesischer Seite verkehrte ein Triebwagen, auf indochinesischer Seite
wohl ein normaler Zug mit Dampfbespannung. Reisende auf dem Weg von Hanoi nach Kunming, die beim
Umsteigen in Pho-Moi ein Frühstück wünschen, müssen dies beim Besteigen des Zuges dem Schaffner zur
Kenntnis bringen und ihre Wünsche äußern. Zur Auswahl stehen heiße Schokolade, Milchkaffee und
Tee mit Milch sowie Schinkensandwiches oder Spiegelei. In beiden Richtungen bestand die Möglichkeit, während
einer knapp einstündigen Pause im Bahnhof Kai-Yuen ein Mittagessen auf eigene Kosten einzunehmen. Über
das Speiseangebot zum Mittagessen schweigt sich der Fahrplan im Gegensatz zum Frühstück aus.
Ein bisschen Französisch-Kenntnisse aus meinem Französisch-LK haben noch überlebt ;-)
Bild 30: Neben den Fahrzeiten enthält der Fahrplan für den Reisenden auch viele Hinweise zu den Zoll- und
Grenzbestimmungen. Der Fahrgast wird darauf aufmerksam gemacht, dass er in den jeweiligen
Grenzbahnhöfen Lao Cai und Hekou den Zollbeamten sein Gepäck vorzuzeigen hat. Will der Fahrgast sein
Gepäck aufgeben, so hat er dies in den Zollbüros an den Bahnhöfen Haiphong, Hanoi, Pho-Moi, Lao Cai,
Hekou, Mongtseu Pitchechai oder Kunming tun. Dort wird das Gepäck durchsucht und dann verplombt. Während
der Reise kann auf dieses Gepäck nur mit ausschließlicher Zustimmung der Zollbeamten zugegriffen werden.
Bei der Aushändigung des Gepäcks nach der Ankunft hat man ebenfalls nochmals mit einer Durchsuchung
seines Gepäcks zu rechnen. Für die Einreise nach China muss ein gültiger Reisepass an der Grenze zu China
vorgezeigt werden. Für Franzosen genügt der französische Ausweis und ein Visum, das von einem chinesischen
Konsularbeamten ausgestellt worden sein muss. Die Fahrpreise setzen sich aus einem Teil für die französische
Strecke und einem Teil für die chinesische Strecke zusammen. Für die erste Klasse entsprechen 25 UOC
Fahrtpreis auf chinesischer Seite immerhin einem Gegenwert von 15 Gramm Gold (heutiger Preis für 15 Gramm
Gold sind knapp 450€!), dazu kommen auch noch Steuern. Auffällig ist, dass eine Hin- und Rückfahrkarte
insbesondere auf chinesischer Seite kaum mehr kostet als eine einfache Hinfahrt.
Seit 1931 gab es in China ständig bewaffnete Konflikte mit Japan, die 1937 schließlich im Krieg und der Besetzung aller chinesischer Gebiete entlang der Küste mündeten. Die nationalchinesische Regierung und viele Menschen flohen vor den japanischen Eroberern in die Gebirgsregionen von Yunnan und Szechuan. Der Yunnan-Bahn kam jetzt eine hochwichtige strategische Bedeutung zur Versorgung der Nationalchinesen zu, die von hier oben unterstützt von Franzosen, Engländern und US-Amerikanern den bewaffneten Widerstand gegen die japanischen Besatzer führten. Den Japanern blieb das natürlich nicht verschlossen und sie forderten von den Franzosen erfolglos die Einstellung des Bahnverkehrs. Daraufhin bombardierten die Japaner die Strecke und mit dem offiziellen Eintritt Japans in den Zweiten Weltkrieg marschierten die Japaner teilweise in Vietnam ein (Teilung der Herrschaft mit dem in Südfrankreich ansässigen Vichy-Regime). Jetzt wollten die Japaner die Strecke zur Eroberung des chinesischen Hinterlandes nutzen, woraufhin die Nationalchinesen fast alle Brücken auf chinesischer Seite sprengten. Die Versorgung der Nationalchinesen erfolgte nun von Indien aus über die bekannte „Burma Road“, nachdem die Japaner auch in Burma einmarschiert waren, erfolgte die Versorgung durch die Luft. Da die Strecke der Yunnan-Bahn aufgrund der gesprengten Brücken zwecklos war, fanden die Schienen während des Krieges Verwendung beim Bau neuer Bahnen in Yunnan und Sichuan, u.a. in Richtung Burma, um die Hochebene weiter gegen die Japaner zu verteidigen (näheres dazu im nächsten Bericht).
Bild 31: Eine kleine Übersichtstafel im Museum, die die auf der Strecke eingesetzten Fahrzeuge zeigt. Zwei der Fahrzeuge bekommt ihr in einem
der nächsten Beiträge auch noch in echt zu sehen, u.a. den Meachilin-Triebwagen (gemeint ist natürlich ein Michelin-Triebwagen) mit Gummibereifung.
Bild 32: Dieses (vermutlich retuschierte Foto) zeigt zwei Dampfloks, wie sie gerade einen Zug durch das wilde Gebirgsland von Yunnan ziehen.
Bild 33: Dieses (vermutlich ebenfalls retuschierte Foto) zeigt, wie
eine Dampflok auf einem der zahlreichen Viadukte eine Schlucht überquert.
Da seit dem 1.8.1943 keine diplomatischen Verbindungen mehr zwischen Frankreich und China bestanden, übernahmen die Nationalchinesen die Verwaltung der Bahn auf chinesischer Seite. Bis dahin versahen die Franzosen auf chinesischer Seite noch die Verwaltung der Bahn. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges marschierten die Nationalchinesen in Vietnam zwecks Entwaffnung der Japaner ein und hatten so kurzfristig Kontrolle über die gesamte, allerdings vollkommen zerstörte Bahnstrecke. Bereits Ende 1945 hatten die Franzosen aber wieder das Zepter in Vietnam übernommen, allerdings kam es schon im Folgejahr zum Beginn des ersten Indochina-Krieges. Die Franzosen mussten sich nun zunächst um Vietnam kümmern und somit erhielten die Nationalchinesen am 28.2.1946 in einem Vertrag mit Frankreich die volle Kontrolle über den chinesischen Teil der Strecke.
Betrieb und Geschichte nach 1946
Während in Europa nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wieder Ruhe und Frieden einkehrte, brodelte es im Fernen Osten weiter. Vietnam erkämpfte sich in langen und verlustreichen Guerillakämpfen seine Unabhängigkeit von der französischen Kolonialherrschaft, in China gab es jahrelangen Bürgerkrieg, den Mao Tse Tung schließlich für sich entscheiden konnte. Erst jetzt konnte man sich wieder um die zerstörte Infrastruktur kümmern und schließlich war am 1.7.1958 die Strecke wieder auf durchgehender Länge befahrbar, auf chinesischer Seite wurde die Strecke in „Kunming Hekou Eisenbahn“ umbenannt. Kurze Zeit blühte der Verkehr wieder auf. Aber die Annäherung Nordvietnams an Moskau bei gleichzeitiger Abwendung Chinas von Moskau nach dem Ende des zweiten Vietnamkrieges führte dazu, dass die Strecke immer mehr faktisch in zwei Teilstrecken auf chinesischer und vietnamesischer Seite zerfiel.
Kunming wurde in den 70er Jahren von mehreren Seiten an das normalspurige Netz der chinesischen Staatsbahn angeschlossen und die einstmals so bedeutende Yunnan-Bahn wurde in China auch aufgrund seiner „exotischen“ Spurweite immer mehr zum Fremdkörper. So wurde 1977 die Strecke zwischen dem Süd- und dem Nordbahnhof in Kunming stillgelegt und abgebaut. Am Nordbahnhof verbleib ein kleines, isoliertes Netz aus Reststücken der Yunnan-Bahn und kleinen Stichstrecken, die im Zweiten Weltkrieg gebaut wurden. 1999 wurden weitere Streckenabschnitte rund um Kunming stillgelegt.
Bild 34: Diese Zeittafel im Museum fasst die abwechslungsreiche und meistens eher traurige Geschichte der Yunnan-Bahn nach dem Zweiten Weltkrieg zusammen.
Die wachsenden Spannungen zwischen China und dem seit 1976 wiedervereinigten Vietnam gipfelten schließlich 1979 im vietnamesisch-chinesischen Krieg, nachdem die Vietnamesen in Kambodscha einmarschiert waren und die von Peking unterstützten Roten Khmer vertrieben hatten. Auch in diesem Krieg litt die Strecke, u.a. wurde auch die Grenzbrücke zwischen Lao Cai und Hekou gesprengt, was die faktische Trennung der Strecke in zwei Teilabschnitte zementierte. Erst lange nach dem Zusammenbruch des Kommunismus in Osteuropa näherten sich China und Vietnam langsam wieder etwas an und 1997 konnten dann erstmals seit vielen Jahren wieder durchgehende Züge von Hanoi bis kurz vor Kunming verkehren.
Bild 35: Diese Aufnahme neueren Datum zeigt, wie ein Güterzug eine nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges wieder aufgebaute Brücke passiert.
Doch die Freude währte nicht lange. Wie beim Bau der Strecke gefährdeten Erdrutsche auf chinesischer Seite immer wieder den Betrieb der Bahn. Daher wurde 2003 der Personenverkehr auf chinesischer Seite eingestellt. Güterzüge verkehren allerdings noch immer (wie bereits im letzten Bericht gesehen) und auf vietnamesischer Seite erfreut sich der Personenverkehr insbesondere bei Touristen auf dem Weg nach Sa Pa großer Beliebtheit. Auf chinesischer Seite baut man gerade an einer Normalspurstrecke von Kunming nach Hekou, 2015 sollen dort die ersten Züge rollen. Trotzdem scheint man auch weiter auf chinesischer Seite in die alte Yunnan-Bahn zu investieren. Laut Berichten wurden 2004 für 100 Mio. Yuan 10 neue Diesellokomotiven gekauft. Der Yunnan-Bahn wäre es zu wünschen, dass es dort weiterhin Zugverkehr geben wird.
Wujiazhai (Renziqiao)-Brücke
Das wohl berühmteste Bauwerk auf der Yunnan-Bahn ist die Wujiazhai (Renziqiao)-Brücke (Mensch-Brücke). Ihren Namen hat sie bekommen, weil sie genau die gleiche Form wie das chinesische Schriftzeichen für Mensch hat. Die Brücke hat eine Spannweite von 67 Metern und ermöglicht Zügen, in 100 Metern Höhe eine Schlucht zu überqueren.
Bild 36: Eine Dampflok auf der „Mensch-Brücke“, dem berühmtesten Bauwerk der Yunnan-Bahn.
Bild 37: Ein Modell der “Mensch-Brücke” im Eisenbahnmuseum von Kunming.
Alle Teile und Werkzeuge zum Bau der Brücke bei Streckenkilometer 112 konnten mit dem Zug nur bis Streckenkilometer 82 transportiert werden. Von dort mussten die Arbeiter alles von Hand durchs Gebirge bis zur Baustelle tragen. Zum Werkzeug gehörte auch eine 350m lange Eisenkette. Sie diente dazu, die beiden schrägen Stützpfeiler von beiden Seiten wie bei einer Hängebrücke herabzulassen, bis sie sich in der Mitte trafen. Für den Transport der Kette waren 200 Arbeitern notwendig, somit lastete auf jeder Schulter mehr als 25kg Gewicht. Im Zick-Zack trugen die Arbeiter dann während der Regenzeit die Kette die matschigen Hügel hinauf.
Bild 38: Diese Konstruktionsskizze zeigt, wie die beiden schrägen Stützpfeiler wie bei einer Hängebrücke von beiden Seiten herabgelassen wurden.
Bild 39: Nachdem sich die beiden Brückenträger in der Mitte getroffen hatten, konnten die Fahrbahnträger montiert werden und die Brücke war fertig.
Im
zweiten Teil geht es dann um die Geschichte weiterer Schmalspurbahnen in Yunnan und kühnen Eisenbahnprojekten auf Schmalspur in Yunnan, die aber nie vollständig verwirklicht wurden. Die Strecken sind nicht so spektakulär und gut dokumentiert wie die Yunnan-Bahn, aber ihre Geschichte ist mindestens genauso interessant.
Zugliste
Zug Von Nach Kilometer Land Traktion Spurweite
S3 Niederhöchstadt Frankfurt(Main)Hbf 11,8 DE Elektr. 1435mm
ICE 75 Frankfurt(Main)Hbf Zürich HB 449,6 DE/CH Elektr. 1435mm
IC 585 Zürich HB Chur 116,1 CH Elektr. 1435mm
R 1169 Chur San Murezzan/St.Moritz 89,25 CH Elektr. 1000mm
RE 1145 Bravuogn/Bergün Preda 12,57 CH Elektr. 1000mm
R 1658 Poschiavo Ospizio Bernina 21,294 CH Elektr. 1000mm
R 1641 Morteratsch Diavolezza 4,635 CH Elektr. 1000mm
R 1658 Poschiavo Ospizio Bernina 21,294 CH Elektr. 1000mm
RE 1124 St.Moritz Chur 89,25 CH Elektr. 1000mm
IC 570 Chur Zürich 116,1 CH Elektr. 1435mm
S6 Zürich Baden 22,53 CH Elektr. 1435mm
S6 Baden Zürich 22,53 CH Elektr. 1435mm
S6 Zürich Baden 22,53 CH Elektr. 1435mm
IR 1972 Baden Basel SBB 65,9 CH Elektr. 1435mm
ICE 370 Basel SBB Freiburg Hbf 66,8 CH/DE Elektr. 1435mm
RB31603 Freiburg Hbf Littenweiler 7,22 DE Elektr. 1435mm
RB31620 Littenweiler Freiburg Hbf 7,22 DE Elektr. 1435mm
ICE 270 Freiburg Hbf Frankfurt(Main)Hbf 294,4 DE Elektr. 1435mm
S3 Frankfurt(Main)Hbf Niederhöchstadt 11,8 DE Elektr. 1435mm
S3 Niederhöchstadt Frankfurt(Main)Hbf 11,8 DE Elektr. 1435mm
S8 Frankfurt(Main)Hbf Frankfurt-Flughafen 11,4 DE Elektr. 1435mm
Chollima Pyongyang Yonggwang Pyongyang Puhung 1,5(ca.) KP Elektr. 1435mm
Zug Nr. 5 Pyongyang Sinuiju-(Grenze DPRK) 225 KP Elektr. 1435mm
K 28 (Grenze China)-Dandong Beijing 1132 CN Diesel 1435mm
K 177 Beijing Xi Datong 368 CN Elektr. 1435mm
2671 Datong Xi'an 1006 CN Elektr. 1435mm
Z94 Xi'an Suzhou 1425 CN Elektr. 1435mm
K8418 Suzhou Huangshan (Tunxi) 588 CN Diesel 1435mm
K155 Huangshan (Tunxi) Guilin Bei 1277 CN Diesel 1435mm
K181 Guilin Bei Kunming 1265 CN Diesel 1435mm
8763,523
Weitere Bildimpressionen aus China
Weitere Bildimpressionen von mir aus China auf Flickr. Zum Anschauen auf eines der Bilder oder den Link klicken:



Best-Of China 





Yunnan 


Inhaltsverzeichnis
Prolog
Teil 0: 13.000km mit dem Zug durch 10 Länder, aber wo? BÜ-Bilderrätsel mit 10 Bildern
Teil 1: Prolog - Warum ich mit dem Zug 13.000km durch die Gegend gereist bin
Schweiz
Teil 2: Ein Kurzabstecher in das kapitalistische Musterland - Bilder von der Albulabahn
Teil 3: Über den Bernina zurück nach Deutschland
Nordkorea
Teil 4: "Willkommen im sozialistischen Paradies" - Eine Einführung zu Nordkorea (Teil A)
Teil 4: "Willkommen im sozialistischen Paradies" - Eine Einführung zu Nordkorea (Teil B)
Teil 5: Unterwegs mit der atombombensicheren Metro in Pyongyang - (Teil A)
Teil 5: Unterwegs mit der atombombensicheren Metro in Pyongyang - (Teil B)
Teil 6: Zugimpressionen aus Nordkorea und ein schweres Verbrechen
Teil 7: Mit O-Bussen durch den Alltag in Pyongyang
Teil 8: Mit der Tram durch Pyongyang - Eine Stadtrundfahrt (Teil A)
Teil 8: Mit der Tram durch Pyongyang - Eine Stadtrundfahrt (Teil B)
Teil 9: Von Pyongyang nach Beijing - Teil A: Die Vertreibung aus dem "sozialistischen Paradies"
Teil 9: Von Pyongyang nach Beijing - Teil B: Verwirrung an der Grenze
China
Teil 9: Von Pyongyang nach Beijing - Teil C: Zurück im Kapitalismus?!
Teil 9: Von Pyongyang nach Beijing - Teil D: Im Morgenlicht nach Beijing
Teil 10: Eine kurze Einführung in die chinesische Eisenbahn
Teil 11: Mit dem Zug von Beijing nach Datong
Teil 12: Mit dem Zug von Datong nach Xi'an
Teil 13: Mit dem Zug von Xi'an nach Suzhou
Teil 14: Suzhou nach Huangshan (Tunxi)
Teil 15: Von Huangshan (Tunxi) nach Guilin
Teil 16: Von Guilin nach Kunming
2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2010:09:01:21:31:51.