Auf Schienen vom Kapitalismus in den Sozialismus und zurück - 13.000km mit dem Zug durch Asien und ein bisschen Europa
Teil 5: Unterwegs mit der atombombensicheren Metro in Pyongyang - Teil A
Nachdem ich euch in den beiden letzten
Berichten eingestimmt und ideologisch vorbereitet habe, "marschieren wir weiter auf dem sozialistischen Weg dem Sieg entgegen". Heute entführe ich euch tief in den Untergrund der nordkoreanischen Hauptstadt Pyongyang: Wir fahren eine Station mit der U-Bahn (Pyongyang Metro) auf der "Chollima-Linie" von "Puhung" (Wiederauferstehung) nach "Yonggwang" (Blühendes Licht). Vorab ein paar Informationen zum U-Bahnnetz in Pyongyang, die teilweise auf Vermutungen beruhen:
Um den schnellen Massentransport von Arbeitern, Bauern und Soldaten in der nordkoreanischen Hauptstadt Pyongyang zu erleichtern, wurde 1968 mit dem Bau eines U-Bahnnetzes begonnen. Vorbild waren U-Bahnen in anderen sozialistischen Städten, insbesondere Moskau. Dementsprechend wurden die Linien atombombensicher bis zu 100m tief in die Erde gegraben.
Bild 1: Das Symbol der Metro von Pyonyang, hier an der Station Yonggwang
Am 5. September 1973 wurde der erste Abschnitt der "Chollima-Linie" zwischen "Ponghwa" (Signalfeuer) und "Pukkunbol" (Roter Stern) offiziell eröffnet. 1987 wurde die Strecke bis "Puhung" verlängert und ist jetzt ca. 14km lang. Die etwa 10km lange "Hyoksin-Linie" wurde zwischen 1975 und 1978 in Betrieb genommen. Bis jetzt erstreckt sich das Netz auf den Teil Pyongyangs nordwestlich des Taedong-Flusses. Ursprünglich war auch eine Verbindung auf die andere Flussseite geplant, nachdem es beim Bau aber wohl einen Wassereinbruch mit mehr als hundert Toten gegeben haben soll, wurde die Anbindung nicht weiter verfolgt. Der Ausbau des Netzes ist aktuell angeblich nach Aussage unserer nordkoreanischen Reiseführer voll in Bau. Es gibt immer wieder Gerüchte, dass es auch ein ausgedehntes U-Bahnnetz gibt, das ausschließlich militärischen Zwecken oder Regierungsmitgliedern dienen soll. Bis heute gibt es dafür aber keine Beweise.
Bild 2: Das Streckennetz der U-Bahn von Pyongyang (Foto stammt von der Wikipedia-Seite U-Bahn Pjöngjang)
Es gibt keine gesicherten Angaben über den täglichen Betrieb. Ausländer dürfen nur in Begleitung der offiziellen Reiseführer von Puhung nach Yonggwang fahren, was immer wieder zu Gerüchten führt, dass es gar keine richtige U-Bahn geben würde, sondern nur diesen Abschnitt für touristische Zwecke. Dazu sollen bei Besuchen von Touristen die einheimischen Fahrgäste von Schauspieler gemimt werden. Falls dies so sein sollte, dann sind es jede Menge Schauspieler, denn bei unserem Besuch war doch schon einiges los.
Bild 3: Elektrische Anzeige des Streckennetzes der Metro in der Station Yonggwang. Unsere Reiseleiterin wollte demonstrieren, wie man mit den
Druckknöpfen seine gewünschte Reisestrecke anzeigen lassen kann. Aber entweder kapierte ich das Anzeigesystem nicht oder es war einfach nur kaputt.
Seit Betriebsbeginn der "Chollima-Linie" verkehrten Züge aus chinesischer Produktion der DK4-Reihe, gebaut bei Changchun Car Company (auch wenn die nordkoreanische Propaganda behauptet, dass die Waggons im eigenen Land gebaut wurden). 1998 wurden die Züge teilweise wieder nach China verkauft, weil sie wohl auch nicht sonderlich zuverlässig waren. Seither verkehren hauptsächlich ehemalige Züge der Berliner U-Bahn auf dem Netz. Die Züge der GI-Reihe (Baujahr 1978 - 1982 bei LEW "Hans Beimler" Henningsdorf) wurden 1996 und 1997 für 30.000 DM das Stück von der BVG erworben, sind seit 2001 aber wohl nicht mehr auf dem U-Bahnnetz im Einsatz, sondern verkehren nach Umrüstung auf dem normalen Eisenbahnnetz der nordkoreanischen Eisenbahn. Nach den guten Erfahrungen mit den gebrauchten Zügen aus Berlin kaufte Pyongyang 1998 insgesamt 108 Züge der Baureihe D für knapp 3 Millionen DM. Die Fahrzeuge wurden zwischen 1957 und 1965 bei den Deutschen Waggon- und Maschinenfabriken Berlin sowie O&K gebaut und waren bei der BVG schon ausgemustert und warteten auf die Verschrottung, als Pyongyang sie erwarb. Nordkorea zeigte auch Interesse an weiteren ausrangierten Fahrzeugen aus Berlin und Hamburg, allerdings scheiterte der Verkauf an den Forderungen Pyongyangs, die Züge in Deutschland im Inneren zu erneuern und außen neu zu lackieren (Graffitis widersprechen jeglicher sozialistischen Norm). Die Kosten dafür wären höher wie der angebotene Kaufpreis gewesen und so wurden die Züge verschrottet (so läuft das eben im Kapitalismus). Alle Züge verkehren auf 1435mm Spurweite mit 750 Volt Gleichstrom aus einer dritten Stromschiene.
Bild 4: The Pyongyang Metro - Ein Metrozug des Typs DK4 wartet in der Station Konsol (Aufbau) auf die Abfahrt. Er stammt aus chinesischer Produktion.
Bild 5: Ein Metrozug des Typs D wartet in der Station Yonggwang auf die Abfahrt. Früher verkehrte dieses Fahrzeug bei der Berliner U-Bahn.
Hier noch die technischen Daten der Züge im Überblick:
| Changchun Typ DK4 | Berlin Typ GI | Berlin Typ D |
Hersteller: | Changchun Car Company | LEW Hennigsdorf | DWM und O&K |
Baujahr: | 1972-1973 | 1978-1982 | 1957-1965 |
Einsatz in Pyongyang: | 1973-heute | 1997-2001 | 1999-heute |
Anzahl Züge: | 345 Doppeleinheiten | 60 Doppeleinheiten | 108 Doppeleinheiten |
Höchstgeschwindigkeit: | 90 km/h | 70 km/h | 70 km/h |
Max. Beschleunigung | 1.0 m/s2 | 1.15 m/s2 | 1.3 m/s2 |
Motorantrieb: | 4 x 66 kW | 4x120 kW | 4x150 kW |
Sitz/Stehplätze: | 42/186 | 66/153 | 72/163 |
Länge: | 18,80 m (Waggon) | 25,66 m (Doppeleinheit) | 31,70 m (Doppeleinheit) |
Breite: | 2,70 m | 2,28m | 2,65 m |
Gewicht: | 32,5 t | 35,0 t | 49,0 t |
Quellen:
Wikipedia,
The Pyongyang Metro
Die folgenden Texte zwischen den Bildern stammen aus der offiziellen Broschüre "The Pyongyang Metro", die man in der Station Yonggwang für 2 Euro kaufen kann. Ich lasse die Texte hier unkommentiert stehen, sie sprechen für sich selbst.
Bild 6: Die Broschüre "Pyongyang Metro", die man für 2 Euro aus dem Volkseigentum auslösen kann
The metro has a greater transport capacity than other means of passenger traffic and gets a large share share in guaranteeing the smothness of traffic in the city of Pyongyang. It fans out into all directions of the city and every citizen has access to its service. In constructing the metro, considerable thought was given to the prospect of the city's development. It links districts with each other and the city centre with its suburbs. The stations are within easy reach of squares, parks, stadiums and pleasure grounds and bus and trolley bus stops in the city.
Bild 7: Eingang zur Metrostation am Triumphbogen von Pyongyang. Im Vordergrund hängen
Oberleitungen für die O-Busse, die ich euch im übernächsten Bericht zeigen werde.
Bild 8: The Pyongyang Metro - Am Eingang zur Station Puhung freut sich eine Schülergruppe auf die Fahrt mit der Metro
Each station is equipped withe scalators. The high ceilinged stations are well-ventilated and this makes the passangers feel refreshed.
Bild 9: Das Ende der Rolltreppe in der Station Yonggwang. Von hier geht es...
Bild 10: ... auf endlos langen Rolltreppen in die Tiefe...
Bild 11: ... bis einem selbst Atombomben nichts mehr anhaben können. Wie man sieht, sind doch einige Fahrgäste unterwegs.
Voraus im traditionellen roten Kleid marschiert unsere Reiseleiterin Miss Kim voraus (das musste sie anziehen, da wir zuvor die
Leiche Kim Il-Sung begutachtet hatten; sie fühlte sich sichtlich unwohl darin). Der Kameramann ist von der nordkoreanischen Stasi
und filmte uns die ganze Zeit. Eine aus den Aufnahmen entstandene DVD konnten wir zum Abschluss unserer Reise für 40 Euro erwerben.
Each station offers an individual architectural style. The design of platforms, ceilings and lightinghave been made to match the name of each station or its symbol - Yonggwang (glory), Puhung (rehabilitation), Sungri (victory), Hwanggumbol (golden fields), Kwangbok (liberation) and so on.
Bild 12: The Pyongyang Metro - The illuminations in Yonggwang Station bring to view the victory celebrations
after the war with the fireworks fired over the square with myriad reams of confetti hanging in the air
Bild 13: Die Metrostation Puhung. Links fährt gerade ein Zug in die Endstation ein, rechts wartet ein Zug auf die Abfahrt.
Bild 14: Die Metrostation Yonggwang mit ihrer berauschenden Lichtinstallation. Im Hintergrund ein Wandmosaik des Berges
Paektu, dem heiligen Berg der koreanischen Revolution. Zu seinen Füßen wurde der "liebe Führer" laut Legende geboren.
The large walls and pillars in the underground stations are adorned with sculptures, embossed carvings, mosaic and other murals. The large colour-fast mosaic murals are bright and fascinating. A mosaic in Konguk (nation building) Station is about 30 metres long, with more than 10,000 pieces of mosaic coated on one square metre of the wall. There are two mosaic murals, each 80 metres long, at Yonggwang Station. Similar murals are to be found in other stations. These works of art show the achievements of the Korean people in the revolution and construction. Natural marble and stones of superior quality abundant in our country were used in the construction of the metro. The metro is a monumental structure which has been built with our own techniques, our own materials and our own efforts. The metro continues to expand.
Bild 15: The Pyongyang Metro - Wandgemälde in der Metrostation Konsol (Aufbau). Sie zeigen den Wiederaufbau Pyongyang unter
der genialen Anleitung des "Großen Führers" nach der kompletten Zerstörung der Stadt im Koreakrieg.
Bild 16: Beleuchtung im Verbindungsgang zwischen Rolltreppe und Bahnsteig in der Station Puhung
The works of art at Puhung Station represent the appearance of the country which is prospering day by day and the happiness of the working people who enjoy the equitable and worthwhile creative life to their hearts' content thanks to the popular policy of the Workers' Party of Korea and the Government of the Democratic People's Republic of Korea.
Bild 17: The Pyongyang Metro - Mosaik in der Metrostation Puhung mit dem Titel "Der Große Führer Kim Il-Sung inmitten von Arbeitern"
Bild 18: The Pyongyang Metro - Wandmosaike in der Metrostation Puhung (Aufbau)
Bild 19: Wandmosaik "Ein Morgen der Innovation" in der Station Puhung
In the Puhung underground station is the mosaic mural "The Great Leader Comrade Kim Il Sung among Workers" which depicts the great leader who, regarding "The people are my God" as his motto, devoted his whole life to the people, sharing life and death, sweets and bitters with them.
Bild 20: In der Metrostation Puhung ist gerade ein Zug eingetroffen. Miss Kim hat mit unserer Reisegruppe bereits den Bahnsteig
gestürmt. Vorne links auf der Treppe ist der genervte Reiseleiter zu sehen, der den Kapitalisten aus Deutschland auffordert, sein
konterrevolutionäres Fotografieren endlich einzustellen, um dem Rest der Gruppe auf dem sozialistischen Pfad zur Revolution zu folgen.
Bild 21: Der Kapitalist setzt sein konterrevolutionäres Verhalten fort und fotografiert in der Metrostation Puhung diese Szene.
Bild 22: Das Wandmosaik "Der Große Führer Kim Il-Sung inmitten von Arbeitern" in der Metrostation Puhung, vermittelt den Eindruck, als würde
er gleich mit einsteigen. Im Vordergrund können seine Volksgenossen die neuesten propagandistischen Ergüsse seines Sohnes in der Zeitung lesen.
Aufgrund der vielen Bilder und dem langen Text musste ich den Bericht in zwei Teile aufteilen,
hier geht's zu Teil B.
Zugliste
Zug Von Nach Kilometer Land Traktion Spurweite
S3 Niederhöchstadt Frankfurt(Main)Hbf 11,8 DE Elektr. 1435mm
ICE 75 Frankfurt(Main)Hbf Zürich HB 449,6 DE/CH Elektr. 1435mm
IC 585 Zürich HB Chur 116,1 CH Elektr. 1435mm
R 1169 Chur San Murezzan/St.Moritz 89,25 CH Elektr. 1000mm
RE 1145 Bravuogn/Bergün Preda 12,57 CH Elektr. 1000mm
R 1658 Poschiavio Ospizio Bernina 21,294 CH Elektr. 1000mm
R 1641 Morteratsch Diavolezza 4,635 CH Elektr. 1000mm
R 1658 Poschiavio Ospizio Bernina 21,294 CH Elektr. 1000mm
RE 1124 St.Moritz Chur 89,25 CH Elektr. 1000mm
IC 570 Chur Zürich 116,1 CH Elektr. 1435mm
S6 Zürich Baden 22,53 CH Elektr. 1435mm
S6 Baden Zürich 22,53 CH Elektr. 1435mm
S6 Zürich Baden 22,53 CH Elektr. 1435mm
IR 1972 Baden Basel SBB 65,9 CH Elektr. 1435mm
ICE 370 Basel SBB Freiburg Hbf 66,8 CH/DE Elektr. 1435mm
RB31603 Freiburg Hbf Littenweiler 7,22 DE Elektr. 1435mm
RB31620 Littenweiler Freiburg Hbf 7,22 DE Elektr. 1435mm
ICE 270 Freiburg Hbf Frankfurt(Main)Hbf 294,4 DE Elektr. 1435mm
S3 Frankfurt(Main)Hbf Niederhöchstadt 11,8 DE Elektr. 1435mm
S3 Niederhöchstadt Frankfurt(Main)Hbf 11,8 DE Elektr. 1435mm
S8 Frankfurt(Main)Hbf Frankfurt-Flughafen 11,4 DE Elektr. 1435mm
Chollima Pyoenyang Puhung Pyoenyang Yonggwang 1,5(ca.) KP Elektr. 1435mm
1477,523
Weitere Bildimpressionen aus Nordkorea
Weitere Bildimpressionen aufgeteilt in fünf Alben: Eine Best-Of Selektion, die Arirang Mass Games, Propaganda (Skulpturen, Gemälde, Denkmäler, usw.), Bilder aus Pyongyang sowie Bilder von Orten außerhalb Pyongyangs. Zum Anschauen einfach auf eines der Bilder oder den Link klicken:



Best-Of Nordkorea 





Arirang Mass Games 





Socialist Propaganda





Inside Pyongyang 





Outside Pyongyang 


Inhaltsverzeichnis
Teil 0: 13.000km mit dem Zug durch 10 Länder, aber wo? BÜ-Bilderrätsel mit 10 Bildern
Teil 1: Prolog - Warum ich mit dem Zug 13.000km durch die Gegend gereist bin
Teil 2: Ein Kurzabstecher in das kapitalistische Musterland - Bilder von der Albulabahn
Teil 3: Über den Bernina zurück nach Deutschland
Teil 4: "Willkommen im sozialistischen Paradies" - Eine Einführung zu Nordkorea (Teil A)
Teil 4: "Willkommen im sozialistischen Paradies" - Eine Einführung zu Nordkorea (Teil B)
Edit: Link angepasst
2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2010:05:23:00:27:12.