Auf Schienen vom Kapitalismus in den Sozialismus und zurück - 13.000km mit dem Zug durch Asien und ein bisschen Europa
Teil 4: "Willkommen im sozialistischen Paradies" (Zitat nordkoreanischer Reiseführer) - Teil A
Ab sofort möchte ich vor jedem Start eines Berichts aus einem neuen Land eine kleine Einführung in das Land und seine Eisenbahn geben (bei Deutschland und der Schweiz hielt ich das für überflüssig ;-) ). Bevor ich aber mit der Vorstellung Nordkoreas beginne, möchte ich zunächst drei Fragen beantworten, die mir fast jeder stellt, wenn er erfährt, dass ich in Nordkorea war:
Nordkorea, da kommt man als Ausländer doch gar nicht rein, oder?
Doch, man kommt rein, wie ihr seht. Und es ist sogar viel einfacher wie die meisten denken. Man bucht vorab über eines der wenigen Reisebüros im Internet eine Reise (am besten eine Gruppenreise, dann sind die obligatorischen Aufpasser eher abgelenkt), gibt bei der Anmeldung Name, Geburtsdatum, Beruf und Arbeitgeber an und wenn man sich dabei nicht allzu dumm anstellt, kann man sich in jeder Botschaft der "Demokratischen Volksrepublik Korea" das Visum kurz vor Reiseantritt abholen (ich tat es in Berlin, was an und für sich schon ein Erlebnis war). Auf Wunsch wird es sogar nicht einmal in den Reisepass geklebt, damit man bei der Reise in andere Staaten nicht in Probleme läuft. In der Zeit von Mitte September bis Mitte Oktober dürfen sogar "konterrevolutionäre Elemente" des "imperialistisch, kapitalistischen Staatsfeindes" USA das "Paradies des Sozialismus" besuchen, denn in dieser Zeit finden die "Arirang Mass Gymnastic Games" statt. Eine Art Weihnachtsfest, zu dem der "liebe Führer" Gnade walten lässt, zumindestens was den Besuch von Staatsbürgern aus den USA betrifft.
Bild 1: Mein nordkoreanisches Visum
Nordkorea, das ist doch viel zu gefährlich, da wird man als westlicher Ausländer doch gleich verhaftet und landet lebenslänglich im Arbeitslager, wenn nicht gerade Bill Clinton vorbeikommt und einen wieder rausholt, oder?
Für mich war Nordkorea bis jetzt das mit Abstand sicherste Reiseland, das ich je besucht hatte. Es ist im Prinzip wie in jedem Land der Welt: es gibt bestimmte Regeln und wer sich nicht daran hält, wird eben bestraft. Nur dass in Nordkorea Regeln und Bestrafung eben extrem weit von dem entfernt sind, was man bei uns so kennt. Die massiven Einschränkungen in Nordkorea sollten einem vor der Einreise bewusst sein und man sollte sich daran halten, auch wenn es einem oft sehr schwer fällt. Aber teilweise war ich auch etwas verwundert, wie weit ich bestimmte Grenzen überschreiten konnte, ohne dafür bestraft zu werden.
Bild 2: Für Ordnung im recht schwachen Verkehr Pyongyangs sorgen die bekannten Verkehrspolizistinnen.
Wer sich mal ein Video anschauen möchte, wie die hübschen Damen den Verkehr regeln, sollte in YouTube
mal nach Begriffen wie "north korea" "traffic" "girl" oder "police" suchen.
Nordkorea ist eines der brutalsten Regierungen der Welt, das Atombomben baut und gleichzeitig sein eigenes Volk verhungern lässt. Muss man da auch noch in dieses Land reisen, um das Regime zu unterstützen?
Diese Frage lässt sich zum einen nicht mit "Ja" oder "Nein" beantworten, zum anderen kann diese Frage gar nicht allgemein und objektiv beantwortet werden. Jeder muss sich seine eigene Meinung dazu bilden und ich respektiere jede Meinung, die sich von der meinigen unterscheidet (zum Glück gibt es bei uns Meinungsfreiheit, das wird einem oft erst wieder so richtig bewusst, wenn man Länder besucht hat, in denen es keine Meinungsfreiheit gibt!). Für mich ist Nordkorea kein "sozialistisches Paradies", sondern ein Land mit einer Regierung, das seine menschenverachtende Ideologie ohne Rücksicht auf die Menschen durchsetzt. Zwar haben sich die Zustände seit Mitte der 90er Jahre, als mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mehr als eine Million Menschen in Nordkorea verhungerten, gebessert, aber Nahrungsmittelentzug wird auch heute noch gerne als Strafmaßnahme vom "lieben Führer" gegen unliebsame "Elemente" angewendet.
Aber für mich besteht ein Land nicht aus seiner Regierung, sondern aus seinen Menschen und seiner Kultur. Mit einem Besuch unterstützt man so nicht unbedingt die Regierung. Als Devisenbringer taugt der Tourismus in Nordkorea nicht, dafür sind es einfach zu wenige Touristen und mit dem Export von Waffen, Atomtechnologie und Rohstoffen lassen sich viel einfacher Devisenmilliarden scheffeln. Ziel des Tourismus ist es dagegen laut unserer Reiseleiterin, uns die schönen Seiten Nordkoreas zu zeigen, da in den westlichen Medien ja immer nur negativ über Nordkorea berichtet werden würde. Nun, damit sind die Reiseleiter trotz großem Engagement gescheitert, es gibt einfach keine schönen Seiten in Nordkorea. Aber ich habe für mich persönlich Erfahrungen gesammelt, die ich so nicht erwartet hatte und manches hat mir die Augen geöffnet. Und den wenigen Menschen, mit denen ich mich in Nordkorea unterhalten durfte, konnte ich ein bisschen darüber erzählen, wie es außerhalb ihres isolierten Landes aussieht und sie manches Mal zumindestens zum Nachdenken bringen. Ich persönlich bin der Meinung, dass sich an den politischen Verhältnissen in einem Land nur etwas ändern kann, wenn die Menschen dies wollen. Dazu ist es aber Grundvoraussetzung, dass die Menschen die andere Seite und mögliche Alternativen kennen. Diese Grundvoraussetzung kennen die Menschen in Nordkorea aufgrund der radikalen Isolierung aber nicht und nur durch den Kontakt mit Ausländern kann solches Wissen vermittelt werden. Als die Menschen in der DDR auf die Straße gingen, wussten sie dank Westfernsehen und Verwandtenbesuchen, was Demokratie und Menschenrechte sind und dass es sich lohnt, dafür zu kämpfen. Natürlich glaube ich nicht, dass man durch vermehrte Touristenbesuche nach Nordkorea dort einen Umsturz des aktuellen Systems erreicht. Aber UN-Sanktionen und militärische Drohungen sind mindestens genauso wenig erfolgreich.
Bild 3: Traditionelle Tänze in Kaesong - Die schöne Seite Nordkoreas? Sicher nicht,
aber Nordkorea ist mehr als nur die beiden "Führer", Sozialismus und Atombomben
Fakten zur Eisenbahn in Nordkorea
Allzu viele verlässliche Informationen gibt es leider nicht. Die Länge des Eisenbahnnetzes in Nordkoreas beläuft sich auf 5.214km (Stand 2006), wovon ca. 3.500km elektrifiziert sind (3kV Gleichstrom). Mit Ausnahme einer kleinen Schmalspurbahn auf der Haeju-Halbinsel und russischer Weitspur auf der Strecke Chongjin-Rajin-Tumenfluss ist ausschließlich Normalspur in Nordkorea zu finden. Es gibt insgesamt sechs Verbindungen nach China, wovon aktuell nur drei in Betrieb sind (Shinuiju-Tandong, Namyang-Tumen, Manpo-Jian, eine Verbindung nach Russland (Tumenfluss-Hassan) und eine nach Südkorea (Pongdong-Munsan). Letztere wird nur sehr unregelmäßig befahren (hängt wohl von der Laune des "lieben Führers" ab) und dient ausschließlich zur Versorgung des Industriegebiets in Kaesong, wo südkoreanische Firmen billig Kühlschränke und andere Produkte produzieren lassen. Internationale Fernverbindungen gibt es nach Peking und Ussurijsk, jeweils teilweise mit Kurswagen nach Moskau.
Das nordkoreanische Eisenbahnnetz (Quelle Wikipedia)
Hier noch eine Tabelle wichtiger nordkoreanischer Eisenbahnstrecken:
Strecke | Länge |
Kaesung-Shinuiju | 411km |
Sariwon-Haeju | 100km |
Pyongyang-Pyongnam Hot Spring | 90km |
Daedonggang-Dukchon-Kujang | 192km |
Jeongju--Chongsu | 121km |
Soonchon-Manpo | 303km |
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Pyongyang-Kowon | 213km |
Pyongsan-Sepo Youth | 141km |
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Kanri-Rajin | 781km |
Kowon-Pyonggang | 145km |
Hamheung-Pujon | 92km |
Danchon-Honggoon | 80km |
Yoehaejin-Kumgol | 63km |
Kilju-Haesan | 142km |
Panjuk-Hoeryong-Rajin | 327km |
Komusan-Moosan | 58km |
Bild 4: Eisenbahnbrücke einer nicht elektrifizierten Nebenstrecke auf dem Weg von Pyongyang in die Myohyang-Berge. Im Spätsommer
herrscht normalerweise Trockenzeit, deswegen sind die Flüsse größtenteils ausgetrocknet
(Bild von Sveinung Vegum, der mit in meiner Reisegruppe war)
Die Eisenbahn ist das mit Abstand wichtigste Verkehrsmittel in Nordkorea. Obwohl die Eisenbahn im Prinzip die einzige Möglichkeit für die Bevölkerung ist, weite Strecken zurückzulegen, ist der Verkehr abgesehen von den internationalen Fernverkehrsverbindungen meist recht unregelmäßig. Das liegt zum einen an den mangelnden Ressourcen, zum anderen hat das Regime kein Interesse daran, dass sich die Bevölkerung im Land bewegen kann. Angeblich benötigen Einheimische außerhalb Pyongyangs, zu dem sowieso nur die Privilegierten Zutritt haben, eine Genehmigung, wenn sie schon ihr Dorf verlassen wollen. Umso häufiger ist dagegen der "liebe Führer" aufgrund seiner Flugangst mit der Eisenbahn unterwegs (kürzlich war er mit dem Zug ja mal wieder in Peking zu Besuch). Angeblich stehen ihm 70 Waggons zur Verfügung, seine privaten Villen sind über 19 Bahnhöfe direkt an das Bahnnetz angeschlossen. Seit es im April 2004 bei Ryongchon zu einer schweren Explosion am Bahnhof kam kurz nachdem der "liebe Führer" den Ort auf der Rückreise von China per Zug passiert hatte, fährt vor dem Regierungszug ein Extrazug zur Sicherheit voraus, ein weiterer Zug mit Soldaten folgt als Nachhut zum Schutz.
Auf den elektrifizierten Strecken verkehren Züge mit Elektrolokomotiven oder elektrische Triebwagen, auf den Nebenstrecken verkehren Dieselloks und wohl vereinzelt auch noch Dampfloks (ich bekam allerdings keine zu Gesicht). Angeblich soll es noch einzelne Lokomotiven aus japanischer, europäischer und amerikanischer Produktion geben, der Großteil des rollenden Materials ist aber Second-Hand Ware aus der ehemaligen Sowjetunion und China.
Alle drei Nachbarländer Nordkoreas haben großes Interesse an transkoreanischen Eisenbahnlinien, insbesondere die russische Eisenbahn bemüht sich um einen Ausbau der Strecke von der russischen Grenze nach Südkorea, um über die Transsib Güterzüge von Südkorea bis nach Europa zu führen. Die chinesische Regierung hat vor kurzem angekündigt, dem nordkoreanischen Regime mehrere Milliarden zum Ausbau der Infrastruktur zur Verfügung zu stellen.
Quellen:
Wikipedia-Artikel "Verkehr in Nordkorea"
Wikipedia-Artikel "Transport in North Korea"
http://www.asiatradehub.com
Telegraph - Kim-Jong-Il and his 19 private train stations
SPIEGEL ONLINE - China plant Milliarden-Investitionen in Nordkorea
Bild 5: Die elektrifizierte Hauptstrecke von Pyongyang nach Shinuiju an der chinesischen Grenze. Im Hintergrund sind Bauern gerade
mit der Reisernte beschäftigt. Die üppigen Reisfelder sollen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass weite Teile der Bevölkerung
Nordkoreas trotz umfangreicher internationaler Hilfslieferungen noch immer nicht ausreichend mit Nahrung versorgt sind
(Bild von Sveinung Vegum, der mit in meiner Reisegruppe war).
Im Weiteren möchte ich in diesem Bericht ein paar Bilder zeigen, die nicht ausschließlich eisenbahnbezogen sind, und ein bisschen aus meinem Tagebuch zitieren, was mir in Nordkorea so alles widerfahren ist. Schließlich hatte ich in der Einleitung meiner Berichtsserie davon geschrieben, dass ich auch ein bisschen davon erzählen will, was ich links und rechts der Schienen erlebt habe. Die nächsten Berichte aus Nordkorea drehen sich dann wieder ausschließlich um das Thema Eisenbahn, Tram und O-Busse.
Bild 6: Wer mit dem Flugzeug nach Nordkorea reist, bekommt als erstes dieses Bild zu Gesicht: der "Große Führer" empfängt einen mit
einem Lächeln am Flughafen.
"In Peking standen am Schalter von Air Koryo bereits Dutzende von Trolleys, die bis oben hin voll mit Kartons bepackt waren. Die Flugzeuge werden aber von Air Koryo gestellt. Es gehen täglich zwei Flüge von Air Koryo kurz hintereinander von Peking nach Pyongyang. Der erste Flug für „normalsterbliche“ Nordkoreaner wird mit einer uralten Illjushin-Maschine abgewickelt, die eine Pilotenkanzel wie ein Bomber aus dem Zweiten Weltkrieg hat. Ausländer und VIP-Nordkoreaner dürfen mit einer recht neuen Tupolew-Maschine fliegen, die zumindestens von außen ganz ordentlich aussieht."
"Es sind doch gut 20 Ausländer unter den Fluggästen: Europäer aus unserer Reisegruppe, aber auch Afrikaner und Inder. Der größte Teil der Fluggäste sind allerdings Nordkoreaner, die alle sehr einfach daran zu erkennen sind, dass sie einen Pin mit dem Konterfei des großen Führers Kim Il-Sung am Revers tragen. Das ist mir schon aufgefallen, als ich in der nordkoreanischen Botschaft in Berlin mein Visum abgeholt hatte. Auch dort trug jeder Botschaftsangestellte den Pin. Ansonsten tragen die Nordkoreaner Anzüge aus Kunstfaser und Lederslipper. Alle Nordkoreaner hatten im Duty-Free-Shop nochmals ordentlich zugelangt. Fast jeder hatte mindestens einen Karton mit Johnnie Walker gekauft, wohl die inoffizielle Zweitwährung in Nordkorea."
"Die Landebahn in Pyongyang lag dann inmitten von Reisfeldern, selbst direkt neben der asphaltierten Piste wuchs anstatt Gras Reis. Es war aber weit und breit kein Empfangsgebäude zu sehen. Stattdessen rollten wir fast zehn Minuten auf einer breiten Straße durch die Reisfelder und ich dachte schon, dass uns der Flieger direkt bis zum Hotel bringt. Aber schließlich kam dann doch das Gebäude in Sicht, vor dem ein Dutzend uralter russischer Propellermaschinen standen. Vom Dach des Gebäudes grüßte dann schon ein überdimensionaler, lächelnder Kim Il-Sung. Mit einem alten, klapprigen Bus ging es dann zum Eingang des Gebäudes, wo wir bereits die ersten Einreiseformulare zur Schweinegrippe abgeben mussten. Die Empfangshalle selbst war keine 200 Quadratmeter groß. Das reicht auch, denn täglich gibt es gerade mal vier Flüge von und nach Peking. Es gab nur zwei Einreiseschalter und zunächst wurden die ganzen Nordkoreaner abgefertigt, was uns erst einmal eine halbe Stunde Wartezeit einbrachte. Als wir Ausländer dann drankamen, wurden unsere Ausweise und Visa genauestens geprüft. Ein Mitglied aus unserer Reisegruppe hatte Probleme, da seine aktuelle Frisur nicht akkurat mit der Frisur auf dem Passbild übereinstimmte. Alle Formulare, die wir im Flugzeug ausfüllen mussten, waren handgedruckt bzw. sogar handgemalt auf allergröbstem Papier. Bei mir gab es keine Probleme mit Visum oder Reisepass, so konnte ich mein Gepäck von einem Minilaufband, das direkt am Einreiseschalter vorbei führte, nehmen und lief direkt zum fünf Meter entfernten Zollschalter. Wir hatten im Flieger innerhalb des Flugzeugs bereits sehr ernste Diskussion geführt, was wir wie in das Zollformular eintragen. Um Irritation vorzubeugen, hatte ich fast jedes Einzelstück meines Gepäcks aufgeführt. Nur bei meinem Fotoapparat ließ ich unerwähnt, dass ich ein Teleobjektiv mit 200mm Brennweite dabei habe (erlaubt sind in Nordkorea nur bis zu 150mm Brennweite). Denn Zollbeamten interessierte das aber alles erst einmal nicht. Er schaute nur, ob ich angekreuzt hatte, dass ich ein Handy dabei habe. Da dies der Fall war, bellte er mich an „Mobile phone. Give me.“ Ich war vom Reiseveranstalter bei der Buchung bereits darauf hingewiesen worden, dass Handys an der Grenze beschlagnahmt, versiegelt und erst bei der Ausreise wieder ausgehändigt werden. So hatte ich das Handy griffbereit und händigte es sofort aus. Etwas überrascht ob meiner schnellen Reaktion, ließ er dann mein gesamtes Gepäck röntgen. Genauer prüfen wollte er dann aber nur meinen Fotoapparat und die diversen Reiseführer, die ich im Gepäck dabei hatte. Den Fotoapparat begutachtete er nur kurz und bemerkte zum Glück nicht mein Zoomobjektiv mit 200mm. Auch bei den Reiseführern erkannte er schnell, dass diese nichts mit Nordkorea zu tun haben und ließ mich laufen."
"Vor dem Empfangsgebäude warteten dann die drei Reiseleiter auf uns. Wir wurden dann in einen neuen Kleinreisebus aus chinesischer Fabrikation geleitet, wo die Reiseleiter erst unsere Namen prüften und dann versuchten, die in Packpapier versiegelten Handys unseren Namen zuzuordnen. Da sie kein Papier hatten, notierten sie sich alles mit Kulis auf ihre Handflächen. Da bin ich mal gespannt, ob ich mein Handy jemals wieder sehe. Als nächstes wollten sie dann das Programm von uns haben, aber wir gingen eigentlich davon aus, dass die Reiseleiter das Programm kennen, was aber nicht der Fall war. Ich erinnerte mich dann daran, dass ich irgendwo in meinen Reiseunterlagen noch den Ausdruck der Buchung aus dem Internet mit dem Programm hatte. Schließlich fand ich es und händigte es aus. Die Reiseleiter flogen kurz darüber, machten sich ein paar Notizen auf ihre Arme (auf den Handflächen war kein Platz mehr). Dann wollten sie mir schon das Blatt zurückgeben, als sie erkannten, dass auf der Rückseite noch etwas anderes Stand. Ich hatte das Programm auf einem Papier ausgedruckt, auf dessen Rückseite ich bereits irgendetwas anderes ausgedruckt hatte. Daraufhin hieß es, dass das Papier einbehalten werden müsse, um zu prüfen, was darauf steht. Ich bekam das Papier nie wieder zurück."
"Als nächstes wurden uns dann die Reisepässe weggenommen, um sie „der Polizei vorzulegen“. Wir würden die Pässe dann bei der Abreise wieder ausgehändigt bekommen. Wahrscheinlich dienen die eingesammelten Pässe aber wohl eher als Faustpfand, damit wir keine Dummheiten anstellen. Schließlich belehrte man uns über die drei Grundregeln, die wir auf alle Fälle einzuhalten haben:
1. Kim Il-Sung („The Great Leader“) und Kim Yong-Il (“The Dear Leader” oder “The Great Leader’s Comrade”) sind die Allergrößten und dürfen in keinerlei Weise negativ beurteilt oder gar beleidigt werden
2. Das Fotografieren von Menschen ist strikt verboten, ebenso jegliche Unterhaltung mit Nordkoreanern
3. Bevor man irgendetwas fotografiert, muss man vorher immer erst den Reiseleiter fragen, ob man das auch fotografieren darf. Im Normalfall heißt die Antwort „Nein“."
Bild 7: Unsere erste Station in Pyongyang: der Triumphbogen. Hier unternahm ich gleich den ersten Test und fotografierte auch,
was es neben dem Triumphbogen zu sehen gab.
"Einen ersten Zwischenstopp legten wir dann am Triumphbogen ein. Natürlich ist der Bogen, der eine der zahlreichen, breiten Straßen Pyongyangs überspannt, größer wie der Arc de Triomphe in Paris. Wir durften den Bus verlassen und ein paar Bilder des Bogens machen. Als ich dann aber anfing, die Gebäude in der Umgebung sowie Linienbusse zu fotografieren, verboten die Reiseleiter weitere Bilder und lotsten uns stattdessen zu einem Platz nebenan, auf dem der „Great Leader“ einst eine wichtige Rede gehalten hatte. Während die Reiseleiterin weitere Infos zu der Rede gab und mit einem Teil der Reisegruppe diskutierte, ob man sie fotografieren darf (Ja, darf man, wenn man sie vorher freundlich fragt und sie zustimmt), drehte ich mich um und sah, wie die beiden anderen Aufpasser in einigen Metern Entfernung standen. Sie machten Notizen und zeigten dabei auf einzelne aus unserer Reisegruppe. Wahrscheinlich hatten sie genau beobachtet, wie wir uns verhielten und teilten uns gemäß unserem Gefahrenpotential und ggf. konterrevolutionären Verhaltensweisen in Gruppen ein. Ich wollte die Szene gerade fotografieren, als mich einer der beiden bemerkte und fuchtelnd auf mich zukam „No Photo!“."
"Dann ging es zurück in den Bus, der uns über eine breite Straße, durch einen mit Marmor verkleideten Tunnel und eine Brücke auf eine Insel im Taedong-Fluss führte, auf der das 1.Mai Stadion steht, in dem von September bis Oktober die „Arirang Mass Games“ stattfinden. „Arirang“ ist eigentlich ein altes koreanisches Volksmärchen, das erzählt, wie ein junges Liebespaar gegen die Willkür von Großgrundbesitzern kämpft und deswegen in die Berge fliehen muss, wo sie sich verlieren. Als das Mädchen (fälschlicherweise) erfährt, dass ihr Geliebter eine neue Frau gefunden hätte, begeht sie aus lauter Verzweiflung Selbstmord. Kurz darauf findet ihr Geliebter ihre Leiche und stirbt kurz danach voller Gram. Die Elemente „Kampf gegen Großgrundbesitzer“ oder „Trennung“ lassen sich natürlich hervorragend mit der stalinistisch-kommunistischen Doktrin Nordkoreas verbinden. Und da der „Dear Leader“ sowieso auf Tanz, Musik, Gymnastik und bombastische Inszenierungen steht, hat man das halt alles zusammengeworfen und heraus kamen 2002 die jährlich stattfindenden „Arirang Mass Games“. Angeblich hatte der „Dear Leader“ persönlich die Idee und schrieb das gesamte Drehbuch, wählte Musik, Kostüme sowie alle Darsteller aus (bei 180.000 eine Heidenarbeit). "
Bild 8: Szene aus den "Arirang Mass Games". Auch die Eisenbahn muss ihren Beitrag zum aktuellen 150-Tage-Plan bringen.
Bei den Nazis hieß es früher "Räder müssen rollen für den Sieg!", arg viel anders lauten die Parolen in Nordkorea nicht
Bild 9: Für die Hintergrundszenen müssen Tausende von Teilnehmern die passenden Schilder hochhalten. Insgesamt sind
bei den "Arirang Mass Games" über 180.000 Akteure mit der sozialistischen Pflichterfüllung beschäftigt.
Bild 10: Für einen ersten Ausflug verlassen wir Pyongyang in Richtung Myohyang-Berge und passieren hier gerade einen Bahnübergang
in den Außenbezirken Pyongyangs.
"All das konnte ich nur so nebenbei beobachten, denn kurz hinter Pyongyang setzte sich plötzlich ungefragt einer der Reiseleiter neben mich und begann damit mich auszuhorchen, da ich mich wohl gestern schon so auffällig verhalten hatte: was ich genau für einen Beruf hätte, für welche Firma ich genau arbeite, warum ich nach Nordkorea komme, ob ich schon einmal in Südkorea war, ob ich Eltern/Geschwister/Verwandte hätte, die mich vermissen würden, wenn ich während dem Urlaub spurlos verschwinde, wie eng meine emotionale Bindung zu meinen Verwandten/Freunden wäre, warum der chinesische Premier vor ein paar Tagen Nordkorea besucht hätte, wie Nordkorea in den westlichen Medien dargestellt wird usw. . Ich beließ es bei sehr allgemeinen Floskeln, aber er bohrte immer penetrant nach und nach dem Ende des Gesprächs hatte ich das ungute Gefühl, dass ich mehr erzählt hatte als ich eigentlich hätte wollen."
Bild 11: Abendstimmung am "Kim Il-Sung Platz in Pyongyang. Im Vordergrund prüft einer unserer Reiseleiter potentiell
konterrevolutionäre Schriften, die bei unserer Reisegruppe beschlagnahmt wurden.
Bild 12: Die elektrifizierte Hauptstrecke von Pyongyang nach Shinuiju
Bild 13: Wartender Zug in einem Bahnhof auf der Strecke von Pyongyang nach Shinuiju
"Da dem „Great Leader“ die landschaftliche Umgebung so gefiel, ließ er unweit des Tempels das Gebäude der „International Friendship Exhibition“ errichten. Ein riesiger, atombombensicherer Betonbau, der sich architektonisch an alten koreanischen Vorbildern orientiert. Der Name lässt erst einmal vermuten, dass hier die Beziehungen zu internationalen Freunden Nordkoreas beleuchtet werden. Das stimmt aber nur teilweise, denn das Gebäude dient einzig und alleine dazu, alle Gastgeschenke, die der „Great Leader“, der „Dear Leader“ und die „Dear Leader Mother“ jemals bekommen haben, auszustellen.
Am Eingang bewachten zwei bewaffnete Soldaten vier jeweils vier Tonnen schwere Eingangstüren. Dank der genialen Konstruktion, die der „Great Leader“ persönlich ersonnen haben soll, lassen sich die Türen aber ganz leicht von einer Person öffnen. Die Führerin musste zum Öffnen der Tür extra Samthandschuhe anziehen, die auf einem kleinen Tischchen bereit lagen. Im Inneren war Fotografieren strengstens verboten und so mussten wir direkt am Eingang alle Fotoapparate abgeben. Keine Ahnung wieso, denn im Souvenirshop konnte man sich ein Buch kaufen, in der die teilweise sehr prachtvollen Geschenke abgebildet sind. Auch die Einheimischen durften die Ausstellung besichtigen, jedenfalls begegneten uns auf der Tour durch das Gebäude Dutzende einheimische Kollektive.
Nachdem die Türöffner nur mit Samthandschuhen angefasst werden durften, war es kein Wunder, dass wir im Inneren unsere Schuhe ausziehen und in Filzpantoffeln schlüpfen mussten. Andernfalls hätten wir ja den polierten Granit und Marmor, mit dem alle Räume ausgelegt sind, beschmutzt oder gar beschädigt. In dem Gebäude verteilen sich auf verschiedenen Ebenen, die über Rolltreppen verbunden sind, über 200 riesige Ausstellungssäle. Jeder einzelne Saal ist mit poliertem Marmor verziert, hat reich verzierte Eingangstüren und von der Decke hängen vergoldete Kronleuchter.
Im ersten großen Saal befand sich an der Wand eine riesige Weltkarte und in jedem Land, aus dem mindestens ein Gastgeschenk vorlag, leuchtete ein Lämpchen. Ein Digitalzähler zeigte neben der Karte die aktuelle Anzahl an Gastgeschenken (über 223.000) und die Anzahl der Länder an, aus denen Gastgeschenken vorliegen (über 180). Deutschland war übrigens noch zweigeteilt, in beiden Ländern brannte ein Lämpchen. Die lokale Führerin wurde dabei nicht müde zu betonen, dass auch zahlreiche Geschenke von Klassenfeinden wie den USA und Japan dabei sind, auch aus Südkorea gibt es Gastgeschenke.
Dann ging es los mit einer Tour durch ein paar der Ausstellungssäle, denn für eine Besichtigung aller Säle hatten wir nicht genügend Zeit. Die Säle sind schön nach Kontinenten und Ländern angeordnet. In den ersten Sälen durchschritten wir ein Who-is-who (ehemals) kommunistischer oder diktatorischer Staaten im Nahen Osten, Afrika und Südamerika. Die Geschenke waren größtenteils Kitsch der allerübelsten Sorte, darunter zum Beispiel ein ausgestopfter Baby-Alligator, der ein Holztablett mit Schnapsgläsern hielt und jede Menge Standuhren. Aus Afrika war so viel Elfenbein dabei, dass man sich wundern muss, dass es in Afrika noch Elefanten gibt. Etwas aus der Reihe tanzten ganze Büroeinrichtungen und das Gastgeschenk von Jassir Arafat: eine Kalaschnikow. Für Gastgeschenke aus der Sowjetunion und China gab es eine ganze Etage, wobei wir nur für ein paar Räume Zeit hatten. Zum Abschluss der Ländertour kamen wir dann nach Europa. Für Deutschland gab es einen extra Saal, denn fast jeder VEB und jede politische Organisation der DDR hatte dem „Großen Führer“ ein Geschenk zukommen lassen. Aus der Zeit nach 1989 fand ich nur ein einziges Geschenk: ein Stückchen Berliner Mauer, dass die Schriftstellerin Luise Rinser bei einem Besuch in den 90er Jahren mitgebracht hatte. Aus Westdeutschland entdeckte ich nur eine kleine Porzellanfigur vom „ZK der Partei der Grünen“ aus den Anfängen der 80er Jahre. Tja, so ändern sich eben die Zeiten…"
"... Kein schlechtes Geschenk, handelte es sich doch um einen Mercedes 600 SL. Unsere Reiseleiterin bezeichnete den Mercedes aber als „Japan car“, was für mich fast eine persönliche Beleidigung darstellte. Ich korrigierte sie dann und meinte „No cheap Japanese car. Western Germany quality car“, sie blieb aber bei „Japan car“ und warf mir einen Blick zu, der ganz klar sagte: zweifle nicht an dem was ich sage oder widerspreche mir gar. Also gut, dann ist es eben ein „Japan car“."
Bild 14: Blick von der Dachterrasse der "International Friendship Exhibition", einem atombombensicheren Gewirr aus Hallen und Gängen,
in denen die Gastgeschenke aufbewahrt werden, die der "Große" und der "Liebe Führer" im Laufe ihres Lebens bekommen hatten.
"Zurück in Pyongyang steuerten wir dann das „Grand Study House for the people“ im Zentrum an. Das Gebäude wurde in den 80er Jahren gebaut und beherbergt auf 100.000 Quadratmetern über 3 Millionen Bücher in Regalen, die zusammengerechnet über 230km lang sind. Im Prinzip ist die Einrichtung eine große Bibliothek mit angeschlossener Volkshochschule, in der Arbeiter, Studenten und Bauern nach Erfüllung ihrer sozialistischen Pflichten ihren Neigungen nachgehen können."
"Als erstes durften wir dann in der Eingangshalle die Computer mit TFT-Flachbildschirmen bewundern, über die man nach Büchern im Bestand suchen oder sogar Recherche im Internet betreiben kann. Dazu wurde uns sogar die Startseite von Google gezeigt, allerdings durften wir die Suchfunktionalität nicht testen (vermutlich hätten wir auch nicht allzu viel gefunden)."
"Als erstes Stand der Besuch der „Schatzkammer“ auf dem Programm. Hier fand sich durchaus etwas Wertvolles, nämlich das erste in Korea gedruckte Buch aus dem 14. Jahrhundert. Die restlichen Bücher waren jedoch eigentlich ganz normale Bücher, wenn es nicht die Lieblingsbücher des „Great Leader“ gewesen wären. Natürlich waren auch seine eigenen Bücher dabei, es fanden sich aber auch einige Kuriositäten: zahlreiche englischsprachige Bücher über Chemie (scheinbar war der „Great Leader“ im Gegensatz zu seinem Sohnemann mehr an chemischen wie an atomaren Waffen interessiert), ein Buch über die Programmiersprache COBOL und als Höhepunkt das Sachbuch „Laub- und Nadelbäume“ aus dem Ravensburger Verlag."
"Den Büchern und Schriften des „Great Leaders“ war natürlich ein extra Lesesaal gewidmet. Überall Plastikblumen und natürlich Portraits der beiden „Leader“, allerdings aus etwas jüngeren Jahren. Dass der Leseraum so groß war, lag auch daran, dass der „Great Leader“ über 18.000 Bücher und Schriften verfasst haben sollen. Auf unsere Frage, wie viele Bücher denn der „Dear Leader“ geschrieben hätte, kam nach einigem Überlegen die Antwort: „Vielleicht eins“. Sehr überzeugend klang das aber nicht und auch das Interesse der Nordkoreaner an den Schriften des „Great Leader“ hält sich in Grenzen, in dem großen Lesesaal verloren sich gerade mal zwei Personen. Wahrscheinlich hören sie in der Schule schon genug davon. Die Bücher des „Great Leader“ sind natürlich alle perfekt geschrieben, nichtsdestotrotz lassen sie an manchen Stellen Interpretationsspielräume zu. Aber auch dafür ist vorgesorgt, denn im Zimmer nebenan sitzt ein Professor, der Interessierten bei Fragen weiterhelfen kann. Die Reiseleiterin fragte uns dann erwartungsfroh, ob wir denn nicht irgendwelche Fragen an Professor hätten, er wäre der Experte zur Juche-Revolutionstheorie. Aber uns wollte auf Teufel komm raus einfach keine Frage einfallen und so trat sie etwas säuerlich den Rückweg aus dem Büro an und wir im Gänsemarsch hinterher."
"Als Höhepunkt wurde uns dann noch die umfangreiche Fremdsprachenbibliothek gezeigt. In einem großen Saal standen an die 100 Tische und auf jedem stand ein riesiger Ghettoblaster. Natürlich wurden uns auch ein paar Exemplare aus der umfangreichen Mediensammlung gezeigt, darunter diverse Beatles-CDs und die Single „American Pie“ von Madonna. Wenn die wüssten, dass in dem dazugehörigen Musikvideo Madonna fast die ganze Zeit vor einer amerikanischen Flagge posiert, würden sie die CD sicherlich sofort vernichten. Während die Führerin uns die CD ganz stolz in voller Lautstärke vorspielte, wollte ich wissen, ob sie auch einige filmische Frühwerke Madonnas haben würden. Nein, davon würden sie nichts wissen. Gut, Pornografie ist in Nordkorea auch strikt verboten."
Bild 15: Die "Führer" sehen alles, hier im „Grand Study House for the people“
wie Arbeiter und Bauern nach der sozialistischen Pflichterfüllung die
Schriften des "Großen Führers" studieren.
Bild 16: Der Blick von der Dachterrasse des „Grand Study House for the people“ über den "Kim Il-Sung"-Platz und den Taedong-Fluss hinüber zum "Juche-Turm"
Bild 17: Eine Metrostation in Pyonyang, im Hintergrund die Bauruine des "Ryugyong Hotel".
Ursprünglich als Unterkunft für Sportler aus sozialistischen Brüderstaaten zu den
Olympischen Spielen in Seoul 1988 geplant wurde es nicht rechtzeitig fertig und steht
seither als Bauruine mitten in Pyongyang. Der Metro werde ich übrigens den nächsten Bericht widmen.
"Ich wollte eigentlich noch die Straßenbahnwaggons fotografieren, denn zum Kumsusan Palast führt eine eigene Straßenbahnlinie und die ganzen Waggons liefen ursprünglich in Zürich, bevor sie die Schweizer an die Nordkoreaner verhökert haben. Dazu wurden dem „Great Leader“ wohl ein paar Schweizer Fränkli von seinen geheimen Nummernkonten in der Schweiz abgebucht. Aber der Reiseleiter war damit gar nicht einverstanden und so musste ich mit auf den Platz."
"Plötzlich war es dann soweit und wir durften eintreten. Am Anfang stand aber eine Sicherheitskontrolle, die strenger wie an jedem Flughafen war. Wir mussten außer unserer Kleidung und unseren Schuhen alles abgeben und wurden mehrfach abgetastet und durch Metalldetektoren geschickt. Dann ging es auf endlos langen Rollbändern über einen Kilometer hinein ins Allerheiligste. Uns kamen auf der anderen Seite praktisch ununterbrochen Nordkoreaner aus dem Allerheiligsten entgegen. Manche von ihnen waren noch in Tränen aufgelöst, die meisten anderen aber mit einem versteinerten und total gefühlsleeren Gesichtsausdruck, wie ich ihn noch nie zuvor bei Menschen erlebt hatte. Sie wendeten den Blick nicht ab, wenn man in ihre leeren Gesichter blickte, sie zeigten keinerlei Reaktion von Neugier, Hass, Freude, Angst, Zorn, selbst wenn man sie anlachte oder ihnen zuwinkte, blieben sie total starr. Eine absolut unheimliche Erfahrung, man hätte fast meinen können, man sei in einem schlechten Horrorfilm, in dem einem eine Horde Zombies entgegenkommt."
"Nach bestimmt 15-minütiger Fahrt auf den Rollbändern hatten wir dann endlich das zentrale Gebäude erreicht, wo uns als erstes eine riesige Halle mit einer monumentalen Marmorstatue des „Great Leader“ erwartete. Wir mussten uns in Viererreihen militärisch aufstellen und dann im Gleichschritt nach vorne marschieren. Das verlief in unserer Gruppe aber recht chaotisch und bei weitem nicht so diszipliniert und militärisch präzise wie bei den einheimischen Gruppen vor uns. Vor der Statue angekommen, mussten wir uns dann alle vier gleichzeitig verbeugen und anschließend eine Schweigesekunde land verharren.
Weiter ging es dann in die „Halle der Trauer des Volkes“. Dort zeigten ergreifende Reliefs die Trauer des Volkes, als es vom Tode seines geliebten Führers erfuhr. Damit aber nicht genug. Jeder von uns bekam einen MP3-Player und musste sich einen herzergreifenden Text anhören, wie der größte Führer aller Zeiten einfach so stirbt und eine Lücke hinterlässt die niemand (wohl auch nicht sein Sohnemann) füllen kann. Dabei fing der Sprecher, der den Text in akzentfreiem Englisch und dramatischer Betonung darbot, am Schluss selbst an zu weinen. Schließlich aber raffte sich das Volk in seiner Trauer auf und schuf dieses prächtige Mausoleum, auf das der „Great Leader“ niemals vergessen wird.
Entsprechend eingestimmt rückte dann der letzte große Schritt näher. Mit einem Aufzug ging es hinauf in einen Vorraum, wo wir alle eine Minute lang mit Chlor zur Desinfektion berieselt wurden. Dann durften wir das Heiligtum betreten: ein hoher, dunkler Saal mit Holzvertäfelung und stark abgedimmten rotem Licht. In der Mitte auf blauer Samtbettung lag dann hell angestrahlt in einem Glassarg der Leichnam des „Great Leaders“. Auch hier mussten wir uns in Viererreihen aufstellen, wobei wir von strengen Aufpassern bewacht wurden. Wir mussten uns dann an allen Seiten vor dem Sarg verbeugen und dann in der Vierergruppe wieder aus dem Saal marschieren."
"An den Saal schloss sich dann eine Ausstellung an, in der die über 200 Ehrendoktorwürden für den „Great Leader“ von allen möglichen Universitäten sowie alle seine Ehrenbürgerschaften und Orden präsentiert wurden. Von der DDR-Regierung bekam er unter anderem den doppelten Karl-Marx-Orden am Band, ansonsten stammte alles wie in der „International Friendship Exhibition“ von altbekannten Militärregimes und Parteien/Organisationen ehemaliger kommunistischer Staaten.
Und wie in der „International Friendship Exhibition“ wurde ein weiterer Eisenbahnwaggon gezeigt, mit der der „Great Leader“ einen Großteil seiner internationalen Reisen absolviert hat. Eine riesige Karte mit Digitalanzeige gab dann eine Übersicht über alle vom „Great Leader“ besuchten Länder sowie die Daten seiner Reisen. China, Sowjetunion und praktisch alle Staaten des ehemaligen Ostblocks besuchte er mit dem Zug, nur bei einer kurzen Reise durch Afrika musste er auf das Flugzeug zurückgreifen. Auch seine letzte Staatskarosse, ein schwarz lackierter Mercedes SEL 600 war ausgestellt. Ich meinte dann zu einem unserer Reiseführer „German car. Very good.“ Daraus ergab sich ein interessantes Gespräch, denn er sagte „Yes. Also BMW and Audi. Very good. German. Sorry for girl yesterday (gemeint war die Reiseleiterin). She not know car. Mercedes German, not Japan. She crazy because woman. Woman no good in car. Also not good for technology. I have TV at home. But wife not know how to put on. Also mother of my wife. Woman should cook and wash.” Die klassische Rollenaufteilung zwischen Mann und Frau funktioniert scheinbar also auch im Sozialismus bestens."
Bild 18: Der "Kumsusan Memorial Palace", hier befand sich früher das Büro des "Großen Führers" und so hat man seine Leiche auch gleich dort liegen lassen.
Bild 19: Der Märtyrerfriedhof, in dem treue Kampfgenossen des "Großen Führer" beerdigt sind mit einem Blick auf Pyongyang,
damit sie auch nach dem Tod auf das "nach dem siegreichen Krieg wieder blühende Korea blicken können."
"Zum Abschluss des heutigen Besuchprogramms in Pyongyang stand der „Kinderpalast“ auf dem Programm. Den Kindern, laut „Great Leader“ „dem einzigem wahren Schatz Nordkoreas“, muss natürlich ein entsprechender Palast gewidmet werden. Und damit nicht genug, der „Great Leader“ suchte auch noch den schönsten Platz in Pyongyang für den Palast aus. Warum aber gerade hier der schönste Platz Pyongyangs sein sollte, konnte ich irgendwie nicht nachvollziehen. Vor dem massiven Gebäude aus den 80er Jahren stand eine riesige Statue, die eine Kutsche darstellte, in der sich zahlreiche enthusiastische Kinder dargestellt in ihren Traumberufen (z.B. Astronaut) in die Zukunft galoppierten.
Im Inneren erwartete uns dann schon eine Jungpionierin, die uns durch das Gebäude führte. Wie immer kam aber zuerst die Huldigung des „Great Leader“. Natürlich hatte er persönlich die Idee zum Bau, plante alles selbst, beaufsichtigte die Bauarbeiten und hinterließ bei der Eröffnung wiederum einige riesige Handschrift. Im Kinderpalast können Kinder zwischen 6 und 16 Jahren freiwillig ihren Neigungen nachgehen und werden dabei in ihren Talenten gefördert. Ob das aber alles wirklich so freiwillig ist, bezweifle ich."
Bild 20: Am "Kinderpalast", dem laut "Großen Führer" schönsten Platz in Pyongyang.
Bild 21: Szene im "Kinderpalast": Gesangstunde zu Ehren und unter den Augen des "Großen" und des "Lieben Führers".
Aufgrund der vielen Bilder und dem langen Text musste ich den Bericht in zwei Teile aufteilen,
hier geht's zu Teil B
Zugliste
Zug Von Nach Kilometer Land Traktion Spurweite
S3 Niederhöchstadt Frankfurt(Main)Hbf 11,8 DE Elektr. 1435mm
ICE 75 Frankfurt(Main)Hbf Zürich HB 449,6 DE/CH Elektr. 1435mm
IC 585 Zürich HB Chur 116,1 CH Elektr. 1435mm
R 1169 Chur San Murezzan/St.Moritz 89,25 CH Elektr. 1000mm
RE 1145 Bravuogn/Bergün Preda 12,57 CH Elektr. 1000mm
R 1658 Poschiavio Ospizio Bernina 21,294 CH Elektr. 1000mm
R 1641 Morteratsch Diavolezza 4,635 CH Elektr. 1000mm
R 1658 Poschiavio Ospizio Bernina 21,294 CH Elektr. 1000mm
RE 1124 St.Moritz Chur 89,25 CH Elektr. 1000mm
IC 570 Chur Zürich 116,1 CH Elektr. 1435mm
S6 Zürich Baden 22,53 CH Elektr. 1435mm
S6 Baden Zürich 22,53 CH Elektr. 1435mm
S6 Zürich Baden 22,53 CH Elektr. 1435mm
IR 1972 Baden Basel SBB 65,9 CH Elektr. 1435mm
ICE 370 Basel SBB Freiburg Hbf 66,8 CH/DE Elektr. 1435mm
RB31603 Freiburg Hbf Littenweiler 7,22 DE Elektr. 1435mm
RB31620 Littenweiler Freiburg Hbf 7,22 DE Elektr. 1435mm
ICE 270 Freiburg Hbf Frankfurt(Main)Hbf 294,4 DE Elektr. 1435mm
S3 Frankfurt(Main)Hbf Niederhöchstadt 11,8 DE Elektr. 1435mm
S3 Niederhöchstadt Frankfurt(Main)Hbf 11,8 DE Elektr. 1435mm
S8 Frankfurt(Main)Hbf Frankfurt-Flughafen 11,4 DE Elektr. 1435mm
1476,023
Weitere Bildimpressionen aus Nordkorea
Weitere Bildimpressionen aufgeteilt in fünf Alben: Eine Best-Of Selektion, die Arirang Mass Games, Propaganda (Skulpturen, Gemälde, Denkmäler, usw.), Bilder aus Pyongyang sowie Bilder von Orten außerhalb Pyongyangs. Zum Anschauen einfach auf eines der Bilder oder den Link klicken:



Best-Of Nordkorea 





Arirang Mass Games 





Socialist Propaganda





Inside Pyongyang 





Outside Pyongyang 


Inhaltsverzeichnis
Teil 0: 13.000km mit dem Zug durch 10 Länder, aber wo? BÜ-Bilderrätsel mit 10 Bildern
Teil 1: Prolog - Warum ich mit dem Zug 13.000km durch die Gegend gereist bin
Teil 2: Ein Kurzabstecher in das kapitalistische Musterland - Bilder von der Albulabahn
Teil 3: Über den Bernina zurück nach Deutschland
Edit: Links auf Fotoalben korrigiert
3-mal bearbeitet. Zuletzt am 2010:05:13:14:41:46.