Auf Schienen vom Kapitalismus in den Sozialismus und zurück - 13.000km mit dem Zug durch Asien und ein bisschen Europa
Teil 2: Ein Kurzabstecher in das kapitalistische Musterland
Vorab eine kleine Bitte an die Admins: Ich weiß, Berichte über die Schweiz gehören eigentlich ins Alpenlandforum. In diesem Bericht geht's nur um die Schweiz, aber dieser Bericht ist nur Teil einer längeren Berichtsserie, bei der die Schweiz nur einen kleinen Teil ausmacht. Und ich möchte die Beitragsserie nicht auf verschiedene Foren verteilen. Daher den Bericht bitte nicht ins Alpenlandforum verschieben, ich werde dort einen Link auf diesen Bericht setzen. Vielen Dank für euer Verständnis.
Die hohen Klickzahlen und das positive Feedback haben mich dazu animiert, einen Abend durchzuarbeiten, um diesen Bericht fertig zu stellen. Gerne hätte ich euch den Bericht schon früher präsentiert, aber momentan habe ich einfach viel zu viele andere Sachen um die Ohren.
Bild 1: 420 776-7 hat soeben den Bahnhof Niederhöchstadt verlassen und macht sich auf den Weg nach Bad Soden (30.01.2010)
In diesem und im nächsten Bericht zeige ich euch ein paar Bilder der Rhätischen Bahn, da ansonsten auf der Zugfahrt keine anderen Bilder entstanden. Die Eisenbahnbilder entstanden dabei eher zufällig bei Wanderungen und sind daher nicht immer optimal, ich drückte halt ab, wenn gerade ein Zug vorbeikam. Zudem war es bei der Wanderung entlang der Albula-Strecke sehr bedeckt und alle Viadukte waren wegen Renovierungsarbeiten eingerüstet.
Zwischen den Fotos zitiere ich dann immer mal wieder aus meinem Tagebuch, wobei die Kommentare durchaus manchmal etwas sarkastisch, ironisch und nicht ganz ernst gemeint sind.
Bild 2: Stimmungsbild am Bahnhof Preda. Wie man sieht, war das Wetter leider ziemlich bescheiden. (19.09.2009)
Bild 3: Der Albulatunnel wurde gerade renoviert, wobei diese Waggons wohl nachts im Tunnelinneren zum Einsatz kamen. (19.09.2009)
Die Woche im Engadin und Bergell verbrachte ich mit einem Wanderurlaub samt Familie, bevor ich mich dann auf den Weg nach Asien machte. Die große Fahrt begann am 18.9. in Niederhöchstadt, wie ihr ja in meinem
Rätsel richtig erraten hattet. S-Bahn und ICE fuhren ausnahmsweise pünktlich ab. Kein Wunder, war das Wetter doch sehr ICE-freundlich (12 Grad und bedeckter Himmel) und auf der S3 verkehrte noch die Baureihe 420 (seit Anfang April 2010 die Baureihe 423 verkehrt, hat meine S3 im Schnitt 11min Verspätung).
Bild 4: Bevor es auf dem Bahnlehrpfad nach Bravuogn/Bergün ging, wurde noch ein Zug abgelichtet, der gerade den Albulatunnel verlassen hatte. (19.09.2009)
Bild 5: Kurz nach dem Bahnhof Preda ergab sich an der Einfahrtsweiche dieses Fotomotiv. Eigentlich stört nur die Satellitenschüssel die Idylle. (19.09.2009)
"In Freiburg stiegen dann die deutschen Zöllner zu und wollten von jedem Reisenden wissen, wo er herkommt, wo er hin will und ob er privat oder geschäftlich in die Schweiz reist. Nur bei mir wollten sie nicht einmal den Ausweis sehen, dabei hätte mir ein bisschen Vorbereitung auf Nordkorea nicht geschadet. Dafür wurde ein Mitbürger schwarzer Hautfarbe mit deutschem Pass, der mir schräg gegenüber saß, umso intensiver geprüft. Aber was will man auch von Zöllnern aus einem Bundesland erwarten, dessen Ministerpräsident auf Beerdigungen Richter, die Fahnenflüchtige im Dritten Reich zum Tode verurteilt haben, zu Widerstandskämpfern hochstilisiert und auf Pressekonferenzen mit der perfekten Aussprache anderer germanischer Sprachen glänzt."
Bild 6: Am Albula-Viadukt IV kam uns dann wieder ein bergwärts fahrender Zug entgegen. (19.09.2009)
Bild 7: Dieser talwärts fahrende Zug wird in Kürze in den Rugnux-Kehrtunnel einfahren. (19.09.2009)
"Die Schweizer stehen ja auch nicht unbedingt gerade im Ruf, dass sie besonders ausländerfreundlich wären (Ausnahmen sind natürlich Touristen und Ausländer, die genügend Geld bei Schweizer Banken deponieren und nicht nebenher noch ihre Hausmädchen krankenhausreif prügeln), wobei ich nicht sagen kann, ob Schweizer Zöllner Andersfarbige genauso schikanieren wie in Deutschland, denn die Schweizer Zöllner ließen sich gar nicht erst im Zug blicken. Nachdem wir „Basel Badischer Bahnhof“ verlassen hatte, verabschiedete sich das Deutsche Zugpersonal mit dem standardmäßigen „ßänkju vor dräveling wiß Doitsche Bahn“. Sogleich kam dann auch der Schweizer Schaffner vorbei und begrüßte mich sogar mit Namen, als er mein Online-Ticket sah. Kurze Zeit später kam dann eine Durchsage, dass aufgrund „erhöhter Verkehrsdichte“ der Zug eine andere Strecke als geplant nach Zürich nehmen muss und wir deswegen mit einer Verspätung von zwei Minuten in Zürich ankommen würden. Bei der Deutschen Bahn werden ja Verspätungen unter 10 Minuten erst gar nicht durchgesagt. Es blieb aber nicht bei den zwei Minuten, denn nur Minuten später kam die Durchsage, dass der Zug aufgrund „technischer Probleme“ nicht schneller als 80 km/h fahren kann und sich die Verspätung auf 11 Minuten erhöht. Naja, hätte mich auch gewundert, wenn die deutsche ICE-Technik problemlos auf Schweizer Schienen rollt. "
Bild 8: Der Zug hat mittlerweile den Rugnux-Kehrtunnel verlassen,
das (leider komplett verhüllte) Albula-Viadukt I passiert
und fährt jetzt durch die Albula-Schlucht nach Bravuogn/Bergün. (19.09.2009)
Bild 9: Das "rhätische Krokodil" 407 ist leider nicht mehr im Einsatz, sondern steht als Denkmal vor dem Bahnhof Bravuogn/Bergün. (19.09.2009)
"Wir kamen dann tatsächlich mit 11 Minuten Verspätung in einem komplett leeren Züricher Hauptbahnhof an. Aufgrund des vertakteten Zugverkehrs in der Schweiz hatten nämlich alle Züge kurz vor unserer verspäteten Ankunft den Bahnhof verlassen. Mich störte dass nicht weiter, denn ich hatte sowieso planmäßig 37 Minuten Aufenthalt und musste aufgrund der Verspätung so nur 26 Minuten warten, bis sich der Bahnhof plötzlich wieder komplett mit Zügen füllte."
Bild 10: Kein Urwald oder heruntergekommene Infrastruktur, stattdessen intakte Neben- und Ladegleise samt altem Lokschuppen am Bahnhof von Bravuogn/Bergün.
Einem deutschen Eisenbahnfan kommen da die (Freuden)tränen, wenn er an den Zustand der Bahninfrastruktur in seinem Heimatland denkt. (19.09.2009)
Bild 11: Der Kranwagen KRC 458-2S am Bahnhof Bravuogn/Bergün war mir auch noch ein Foto wert. (19.09.2009)
"Es gab keinen Wagenstandsanzeiger, so musste ich erst einmal den Waggon suchen, in dem ich einen Platz reserviert hatte. Mein Platz befand sich im oberen Stockwerk eines Doppelstockwaggons und war altmodisch mit einem handgeschriebenen Zettel als reserviert markiert, eine elektronische Reservierungsanzeige gibt es in den Waggons nicht. Außer mir hatte niemand reserviert, denn die Schweizer sind es bei dem überbordenden Zugangebot wohl gewohnt, immer einen Platz zu bekommen."
Bild 12: Nach der Rückfahrt mit dem Zug nach Preda hieß es Abschied nehmen von der Albulabahn. (19.09.2009)
Bild 13: Am 24.09.2009 stand eine Wanderung vom Muottas Muragl über Segantini-Hütte nach Alp Langard auf dem Programm...
"Der Zug war voll bis oben hin. Scheinbar lieben es die Schweizer, am Freitagabend Zug zu fahren, Dosenbier zu trinken und mit dem Handy zu telefonieren. Jedenfalls alle fünf Fahrgäste um mich herum nuckelten an ihrer Feldschlösschen-Dose und telefonierten. Der Fahrgast gegenüber von mir telefonierte sogar ununterbrochen während der gut einstündigen Fahrt von Zürich nach Chur und leerte dabei gleich zwei Dosen Feldschlösschen. Trotzdem herrschte eine friedliche Stimmung und jeder sprach bewusst leise in sein Handy. Selbst wenn ich mich bei einem Handytelefonierer beschwert hätte, hätte er eher aufgelegt als dass er mich krankenhausreif geprügelt hätte."
Bild 14: ...draußen herrschte noch Hochnebel und eine tolle Lichtstimmung...
Bild 15: ... und als die Schrägseilbahn schon in die Talstation einfuhr...
"Ich hatte in Chur nur drei Minuten Aufenthalt, um in den meterspurigen Zug der Rhätischen Bahn nach St. Moritz umzusteigen. Bei der chronisch verspäteten Deutschen Bahn hätte das mit dem Anschluss nie geklappt, in der Schweiz ist das aber kein Problem. Pünktlich wie ein Schweizer Uhrwerk kam der Zug in Chur an und der Anschlusszug nach St. Moritz wartete am gleichen Bahnsteig. Mittlerweile war es kurz vor acht Uhr und stockdunkel. So konnte ich die landschaftlich spektakuläre Fahrt über die Albula-Strecke nicht genießen. Aber die Lektüre der Monatszeitschrift der Schweizer Bahnen sorgte für eine kurzweilige Fahrt. So erfuhr ich z.B., dass ein Personenzug bei der Fahrt durch den neuen, noch in Bau befindlichen, Gotthardt-Tunnel aufgrund des hohen Luftwiderstands im Tunnel mehr Energie verbraucht, wie bei einer Fahrt über die alte Bergstrecke. Bei Güterzügen ist es dagegen aufgrund der hohen Anhängelast umgekehrt. Interessant war auch, dass die Schweizer Bahnen kurz vor jeder halben Stunde mehr Energie erzeugen wie sie verbrauchen. Das hängt damit zusammen, dass die Züge halbstündig aufgrund des Taktverkehrs gleichzeitig in die Bahnhöfe einfahren und die aus dem Bremsen gewonnene Energie wieder in das Netz zurückgespeist wird. Aber es gab nicht nur technische Informationen, sondern auch einen Grundkurs in Schweizerdeutsch. Wer in der Schweiz unverheiratet mit einer Frau zusammen ist, lebt „im Konkubinat“. Reisen bildet eben."
Bild 16: ...kam gerade noch ein Zug aus Sameden/Samedan Richtung Pontresina vorbei...
Bild 17: ...den ich schnell noch ablichtete, bevor es hinauf zum Muottas Muragl ging.
Im nächsten Bericht bin ich dann auf der Berninabahn unterwegs. Ich hoffe, dass ihr dann alle wieder dabei seid und mitfahren werdet.
Zugliste
Ab sofort hänge ich an jeden Bericht eine Zugliste mit an, damit ihr mir die 13.000km auch glaubt ;-)
Zug Von Nach Kilometer Land Traktion Spurweite
S3 Niederhöchstadt Frankfurt(Main)Hbf 11,8 DE Elektr. 1435mm
ICE 75 Frankfurt(Main)Hbf Zürich HB 449,6 DE/CH Elektr. 1435mm
IC 585 Zürich HB Chur 116,1 CH Elektr. 1435mm
R 1169 Chur San Murezzan/St.Moritz 89,25 CH Elektr. 1000mm
RE 1145 Bravuogn/Bergün Preda 12,57 CH Elektr. 1000mm
679,32
Weitere Bildlinks
Immer nur Eisenbahn ist ja auch langweilig. Daher gibt's am Ende jeden Berichts auch noch einen Link auf ein Fotoalbum auf Flickr mit Bildern von mir aus dem jeweiligen Land (garantiert ohne Eisenbahn). Einfach auf eines der Vorschaubilder klicken:










Inhaltsverzeichnis
Teil 0: 13.000km mit dem Zug durch 10 Länder, aber wo? BÜ-Bilderrätsel mit 10 Bildern
Teil 1: Prolog - Warum ich mit dem Zug 13.000km durch die Gegend gereist bin
2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2010:05:23:00:30:24.