Liebe Forenfreunde,

als Epilog zu meiner kleinen Serie über die letzten Tages des Dampfbetriebs in Braunschweig heute ein Beitrag zu einem heute fast verschwundenen Vorgang - dem Lokwechsel.

Es war geplant, ab Sommer 1976 die Strecke Hannover-Braunschweig-Helmstedt elektrisch zu betreiben, aber wie so oft im Leben, war der Plan nicht einzuhalten. Es fehlte noch ein Stück 110-kV-Bahnstromleitung, und so blieb es im Abschnitt Braunschweig-Helmstedt vorerst beim Dieselbetrieb. Die Güterzüge fuhren in den Rbf und wurden dort umgespannt. Die Schnellzüge aber mussten im Hbf die Lok wechseln - und zwar auf die Baureihe 216, denn die leistungsmäßig besser passenden 220 waren bereits umstationiert worden. Nach nur 34 km stand dann in Helmstedt schon wieder ein Lokwechsel an, aber das ist eine andere Geschichte.

Zunächst ein paar Blicke auf das neuartige Alltagsgeschehen im Hbf.


Bild 1: 216 061 hat einen Zug nach Köln aus dem Osten gebracht


Bild 2: Auf Gleis 5 steht 112 495 - Originalzustand

Mit Schürze und Pufferverkleidungen, Lüfterband, Trittrost und Griffstange macht die 112 eine gute Figur.


Bild 3: Einfahrt vom Westen auf Gleis 7 - 110 402


Bild 4: 110 463 vor D445 - mit zeitgenössischer Reklame

Die blauen 110 waren noch fast im Originalzustand, nur die Pufferverkleidungen und die Schürze waren dem Sparwahn bereits zum Opfer gefallen.


Bild 5: Gegenrichtung: 110 352 ist abfahrbereit

Die neuen Lüfter und Regenrinnen führten auf dem hellen Lack schnell zu häßlichen Schmutzspuren. Das elegante Lüfterband ist verschwunden. Gepäckbeförderung war damals normal.


Bild 6: Zwischen Neugier und Skepsis: Auch andere Eisenbahnfans wollten die neuen Verhältnisse studieren


Bild 7: Ritual: Bremszettelübergabe an den Lokführer von 110 352

Schauen wir uns nun die Vorgänge etwas näher an - am Beispiel des D444 Görlitz - Köln.


Bild 8: 216 063 hat den D444 aus Helmstedt gebracht. Man beachte den Papierberg an Buchfahrplänen


Bild 9: Ablösung


Bild 10: Es wird abgekuppelt


Bild 11: Geschafft!


Bild 12: Ab! Im Hintergrund ist schwach die neue Lok zu erkennen


Bild 13: Die Neue: 110 463 setzt sich an den D444


Bild 14: Wieder Arbeit für den Rangierer - Ankuppeln


Bild 15: Es ist eng zwischen Lok und Wagen


Bild 16: Bremszettel-Ritual am D444


Bild 17: Ein prüfender Blick


Bild 18: 110 463 im Portrait


Bild 19: Kritischer Blick zurück - Bremsprobe


Bild 20: D444 verläßt Braunschweig Hbf

Der ganze Vorgang lief zügig und routiniert ab. Heute sind Lokwechsel selten geworden, denn Schnittstellen zwischen Diesel- und E-Traktion gibt es im Fernverkehr kaum noch.

Zum Abschluss noch ein paar Eindrücke vom damals neuen E-Betrieb mit der Reihe 110 und 112.


Bild 21: 112 500 - schon ohne Schürze und Pufferverkleidungen


Bild 22: Die blaue 110 332 wird gleich abgelöst

Drei Silberlinge im Schnellzug, aber ein klimatisierter Speisewagen. Alltag im Jahre 1976. Ab wann genau die Elloks bis Helmstedt durchfuhren, weiß ich leider nicht mehr. Vielleicht weiß ja ein Leser näheres.

Anregungen, Antworten, Korrekturen usw. sind wie immer willkommen!

Grüße vom ICE (Helmut)

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Hier nochmal die Links zu den anderen Beiträgen der Braunschweig-Serie:

Dampf am frühen Morgen im Jahre 1976
Die Soundfiles dazu ...

Hämelerwald im Mai 1976 - Teil 1
Hämelerwald im Mai 1976 - Teil 2

Braunschweig Hbf am 25.05.1976 - Teil 1: Korn & Käse auf Gleis 7
Braunschweig Hbf am 25.05.1976 - Teil 2: Alltagsdampf auf Gleis 2-9

Mein Dampfabschied - Braunschweig am 28.05.1976

Edit: Druckfehler usw.





7-mal bearbeitet. Zuletzt am 2017:11:03:23:51:40.

Erstklassig ! Das ist noch richtige Eisenbahn und nicht so ein bunter, verdreckter & versiffter Kram der heute oft genug unterwegs ist....

Ein herrlicher Beitrag!!! Der elektrische Betrieb nach Helmstedt wurde am 26.09.1976 aufgenommen. Schönen Gruß Matthias

>>Erstklassig ! Das ist noch richtige Eisenbahn...<<

Das fand ich schon als extrem langweilig, im Vergleich zur erlebten Dampflok Zeit.
Grüße
ulrich

Danke für diese wunderbare Fotostrecke. Da werden Erinnerungen wach. Die stets wiederkehrende Neugier während der Anfahrt auf den Umspannbahnhof, welche Lok wohl zur Ablösung bereitstünde, spüre ich noch heute, wenn ich an vergangene Zugreisen zurückdenke. Heutzutage will man nur noch ankommen.

MfG

Hallo,

anscheinend ein Zweig der "harten Worte". Statt "langweilig" würde ich eher "unspektakulär" sagen. Heute bin ich froh, dass ich solche Alltäglichkeiten wie einen Lokwechsel zumindest einmal dokumentiert habe. Was ist seitdem alles verschwunden: Rangierer, Raucherabteile (kein großer Verlust...), Fenster zum Öffnen, Kurswagen, Gepäckwagen, Transitzüge, Interzonenzüge, Beamte, die ganze Reichsbahn. Und hinzugekommen? Wildkräuter, Graffiti, unlesbare (nachts!) Bahnhofsschilder, vernünftig hohe Bahnsteige, barrierefreie Züge, Taktfahrplan, Klimaanlagen, bunte Züge, eine Menge Anbieter, meistens freundlicheres Personal mit mehr Kompetenzen, Handygequassel, Walkmangezischel, Musikberieselung, Sicherheitshinweise, Bombendrohungen, W-LAN im Zug.

Alles gute Gründe, eine Eisenbahnreise auch heute nicht langweilig zu finden.

Grüße vom ICE.

Genau so war's! Und der Normalbürger hat von alledem nichts bemerkt. Grüße vom ICE (Helmut).

Hallo Helmut,
auch ich bei diesem tollen Beitrag meinen Senf dazu geben.
Durchweg wunderbare Aufnahmen deren Betrachten viel Freude bereiten.
Hier sieht man auch deutlich die Vorzüge von Bahnsteig-Bildern:
Sie sind lebendig wegen den Menschen im Bild, Neben den Zügen kann
man (zT. unbewusst)viel von der Zeit mit einfangen wie zb. Werbung.
Heute ist es aber wirklich nicht langweiliger als damals denke ich,
ich als junger Spund versuche heute jedes noch zu langweilige Detail mit
ein zu fangen.
Viele Grüße
Timo





2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2013:03:17:15:40:54.

L.G.
Horst

Das ganze erinnert mich daran, wie ich als Kind immer in Reichenbach (V) beim Lockwechsel zugeschaut habe.

Hallo Timo,

mach weiter damit. "Historisch" wird es von selbst! Die 110 musste allerdings viele Veränderungen über sich ergehen lassen, schöner wurde sie dadurch leider nicht. Die Farbtrennung blau/schwarz war am Anfang genau richtig, an der Rahmenkante. In blau-beige (und bei der 112) war sie zu hoch, in himbeerrot gar nicht vorhanden, und heute ist sie zu tief. Von silbernen Dächern, Regenrinnen, Lüfterband und Pufferverkleidungen gar nicht zu reden. Trotzdem hast Du schöne Bilder auf flickr!

Grüße von Helmut (ICE).



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2013:03:16:22:35:10.

.....macht sich bei mir breit lieber Helmut, wenn ich diese Bilder betrachte. Gerade die alltäglichen Szenen hast Du festgehalten. Leider hat mir hierzu oft der "Weitblick" gefehlt. Erwähnen möchte ich auch noch die hervorragenden Qualtiät der Bilder!


Vielen Dank und herzliche Grüße aus Betzdorf
Bruno

Danke! Für eine ordentliche (technische) Bildqualität braucht man natürlich auf der Analogseite ein gutes Objektiv, eine Kamera dazu und ein scharfes und richtig belichtetes Negativ.

Bei der Digitalisierung sollte man möglicht hohe Farbtiefe wählen (12bit RAW oder 16bit TIFF), wenn man mit Aussicht auf Erfolg an der Gradationkurve schrauben will. Bei JPEGs aus Billigscannern ergeben sich dann manchmal zu scharf abgegrenzte Flächen mit unterschiedlicher Tönung. JPEGs haben nur 8bit Farbtiefe, und bei der JPEG-Kompression werden immer ganze Bereiche von Pixeln ähnlicher Farben auf eine Farbe gemittelt und dann nur noch nach Helligkeit gewichtet. Somit sind die Farbtöne grober digitalisiert als die Helligkeitsinformationen. Bei RAW und TIFF bleiben die Pixel, wie sie vom Sensor aufgenommen werden.

Mit Adobe Lightroom geht das Nachbereiten recht gut und auch schnell, und man kann die Einstellungen von ähnlichen Bildern kopieren. Sehr gut ist der Korrekturpinsel, mit dem man sehr präzise Fussel, Staub und zerstörte Bereiche von Negativen rekonstruieren kann.

Wichtig ist ein vorsichtiger Umgang mit der Nachschärfung - besonders beim "Unscharf Maskieren". Da geraten die Oberleitungsdrähte schnell zum Glühen ("Heiligenschein"). Auch der Entrauscher will behutsam eingesetzt werden, auf Details am Rand (Gräser!) achten. Bei großflächigen E-Lok-Bildern geht mehr als bei einer Dampflok in der Landschaft.

Auch wichtig für einen guten Eindruck ist ein gerade ausgerichtetes Motiv.

Insgesamt geht digital mehr als in der Dunkelkammer. Vor allem hat man die totale Kontrolle.

Grüße vom ICE (Helmut).

ICE schrieb:
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> Hallo,
>
> anscheinend ein Zweig der "harten Worte". Statt
> "langweilig" würde ich eher "unspektakulär" sagen.
> Heute bin ich froh, dass ich solche
> Alltäglichkeiten wie einen Lokwechsel zumindest
> einmal dokumentiert habe. Was ist seitdem alles
> verschwunden: Rangierer, Raucherabteile (kein
> großer Verlust...), Fenster zum Öffnen, Kurswagen,
> Gepäckwagen, Transitzüge, Interzonenzüge, Beamte,
> die ganze Reichsbahn. Und hinzugekommen?
> Wildkräuter, Graffiti, unlesbare (nachts!)
> Bahnhofsschilder, vernünftig hohe Bahnsteige,
> barrierefreie Züge, Taktfahrplan, Klimaanlagen,
> bunte Züge, eine Menge Anbieter, meistens
> freundlicheres Personal mit mehr Kompetenzen,
> Handygequassel, Walkmangezischel,
> Musikberieselung, Sicherheitshinweise,
> Bombendrohungen, W-LAN im Zug.
>
> Alles gute Gründe, eine Eisenbahnreise auch heute
> nicht langweilig zu finden.
>
> Grüße vom ICE.

Hallo ICE,

Du hast die Notebooks, I-Phones und IPots vergessen. :-))

Vielen Dank aber für Deinen interessanten Beitrag.

Frdl. Grüße
Martin

Moin Helmut!

Ich kann garnicht zählen, wie viele Lokwechsel ich bisher erlebt habe, wahrscheinlich bewegt sich die Zahl im 4-stelligen Bereich. Natürlich habe ich bei dieser Gelegenheit die bisherige Zuglok ebenso wie die "Übernahmelok" fotografiert. Aber diesen Wechselvorgang komplett per Fotoserie festzuhalten, auf diese Idee bin ich nie gekommen. Daher ist Dein Braunschweigbeitrag nicht nur aufgrund der verschiedenen Triebfahrzeuge, sondern auch eben wegen Deines festgehaltenen Triebfahrzeugwechsels ein sehr interessanter Bericht!

Dafür dankt Dir - mit sonntäglichem Gruß
Helmut

Hallo,
erst einmal vielen Dank für den tollen Beitrag. Beim betrachten sind bei mir Erinnerungen wach geworden. In meiner aktiven Zeit als Lokführer sind wir oft die RE von Bremen nach Braunschweig gefahren. Auch wenn dies in den späten 90er Jahren war, hatte sich im Vergleich zu 1976 nicht viel geändert. Wagen und Loktechnisch hatte sich in den Jahren nicht viel verändert (von den gezeigten 110 habe ich sogar auch noch welche gefahren).
Auch am Bahnsteig die gleiche Szenerie: Bremsprobe, übergabe Bremszettel, Ausfahrt nach Westen... . War eine schöne Zeit (damals wie 1998 /99...).

Vielen Dank noch einmal.

Gruß

Hallo Helmut,
vielen Dank für dein Lob. Trotz der vielen Veränderungen in der langen Zeit in der die 110 nun schon
im Einsatz steht, sind doch ein paar Sachen gleich geblieben. Ein Detail ist mir sofort aufgefallen
als ich Deine Fotos betrachtet habe:

Die Nieten an den Puffern, die man auch bei Deinen Fotos sehen kann. Das Foto zeigt die Puffer von 110 431, aufgenommen in 2012.
(Ich habe lange überlegt ob ich hier ein Bild anhängen soll, ich finde es passt irgendwie zu dem Beitrag, wenn jemand ein Problem
damit hat wird es umgehend entfernt)
Grüße und einen schönen Sonntag
Timo

(Dieser Beitrag enthält keinen Text)

Hallo Helmut,

als "Tüpfelchen" fehlt mir aus heutiger Sicht noch ein Bild mit Bremsprobesignal. Aber man achte auch auf die "Zwei Hellen" für 216 063. Sehr schön zu erleben waren auch die Lokwechsel der IC von 103 auf 103 in Frankfurt (Main), wo man beim Ankommen einen Blick auf die "Neue" hatte. Oder auch damals in Nürnberg ...

Grüße vom ICE.



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2013:03:17:19:29:14.

Moin helmut,

schöne Doku, genau so war es!
Und die vielen schönen E10 und E10.12 mit all ihren Schürzen - vorbei!

Danke fürs Anschmeißen der Zeitmaschine,

Martin