Moers ist eine kleine Großstadt am linken Niederrhein, ehemalige Grafenstadt, spätere Kreisstadt und seit 1975 die größte Stadt im Kreis Wesel. Für die nicht so ortskundigen Leser der Hinweis, dass Moers in etwa gegenüber von Duisburg auf der anderen Rheinseite liegt. Moers gilt als größte deutsche Stadt, die weder kreisfrei noch Sitz eines Kreises ist. Derzeit wohnen etwas mehr als 105.000 Einwohner in Moers. Bevor ich nun weitere Fakten zur Stadt Moers aufliste, möchte ich den Schwenk zur Eisenbahn vollziehen.
Die Eisenbahnszene in Moers ist heute leider nur noch ein Schatten dessen, was sie in der Vergangenheit mal gewesen ist. So gab es früher einen Güterbahnhof mit Ablaufberg in Moers, einen Bahnhof der Krefelder Eisenbahn, zwei direkt am Staatsbahnhof anschließende Zechen, ein kleines Bw, und noch so ein paar kleine Schmankerl. Weiter gab und gibt es noch eine nichtbundeseigene Eisenbahn (umgangssprachlich als Privatbahn bezeichnet) mit der Bezeichnung NIAG (Niederrheinische Verkehrsbetriebe AG), Nachfolger der Moerser Kreisbahn. Geblieben von alle dem ist ein Durchgangsbahnhof an der zweigleisigen Strecke von Trompet nach Xanten mit noch angeschlossener NIAG. Der Güterbahnhof ist teilweise stillgelegt und wird nur noch als kleiner Abstellbahnhof genutzt. Und der Rest? Alles vergangen, Schall und Rauch, Vergangenheit und kommt nicht wieder. Wenn man der Bereich der Eisenbahn verlässt, dann wären noch vier Straßenbahnbetriebe zu nennen und das ehemals größte O-Bus-Netz Deutschlands, welches in Moers zu finden war. Aber das ist auch schon Vergangenheit.
Aus dem, was es in Moers mal gegeben hat, möchte ich in dieser kleinen Serie einiges zeigen, was vielleicht noch nicht so bekannt ist.
Fangen wir mal mit dem Anfang der Eisenbahn in Moers an – die Überschrift lautet ja „Der erste Staatsbahnhof in Moers“, welcher aber nicht der erste Bahnhof in Moers gewesen ist!
Der erste Bahnhof in Moers hingegen war der Bahnhof Moers der Krefelder Eisenbahn, welche am 01.06.1882 am Südrand des Stadtkerns von Moers ihren Bahnhof Moers KE eröffnete. Damit konnten die Moerser endlich, wenn auch nur über Krefeld, das Netz der Eisenbahn erreichen und nutzen. Aber dieser Bahnhof ist nicht Thema dieses Teils der Serie.
Die Königliche Eisenbahn-Direktion der preußischen Staatsbahn eröffnete sieben Monate später am 01.01.1883 den ersten Staatsbahnhof in Moers. Er lag am Ostrand von Moers und war Endpunkt der Strecke von Homberg.
Die vorstehende Karte zeigt die Lage der in diesem Beitrag genannten Moerser Bahnhöfe. Deutlich erkennbar ist eine Verbindungsstrecke vom Bahnhof der Krefelder Eisenbahn zum ersten Staatsbahnhof (Rot gekennzeichnet). Da der Plan aus dem Jahr 1923 stammt, ist auch die in Schwarz gehaltene Verbindungsstrecke zum neuen (heutigen) Staatsbahnhof Moers zu erkennen, welche bis zur Stilllegung der Krefelder Eisenbahn in Betrieb war. Auf der Trasse der ersten Verbindungsstrecke sind heute noch Straßen zu finden!
Zurück zum ersten Staatsbahnhof: Um die damalige Grafenstadt an das Netz der frühen Eisenbahn anzubinden, wurde schon Jahre zuvor die Bergisch-Märkische Eisenbahn-Gesellschaft beauftragt, eine Eisenbahn zwischen den beiden Städten Homberg (am Rhein, heute Duisburg-Homberg) und Moers zu erbauen und zu betreiben.
Schon seit 1841 führte der Postkutschenverkehr zwischen Homberg und Moers über die Aktienstraße (der heutigen Moerser Straße, die im Moerser Stadtgebiet Homberger Straße heißt). Vor dieser Zeit nahm man den Weg über die heutige Friedhofsallee und Eichenstraße. Der Bergisch-Märkischen Eisenbahngesellschaft gelang es nach einigen Verhandlungen, die Aktienstraße zwecks Anlage einer Dampfbahn unentgeltlich benutzen zu dürfen. Damit ging die gute alte Zeit des Postkutschenverkehrs zu Ende.
Da die Bergisch-Märkische Eisenbahngesellschaft am 01.01.1882 verstaatlicht wurde, übernahm die Königliche Eisenbahn-Direktion Wuppertal die Betriebsführung der Bergisch-Märkischen Eisenbahn. Auch die in Bau befindliche Nebenbahn von Homberg nach Moers wurde übernommen und weitergebaut.
Am 01.01.1883 wurde die Bahnlinie fertiggestellt, und das neue "Dampfroß" ließ fauchend die schrille Dampfpfeife ertönen. Die Strecke begann im Bahnhof Homberg, führte über die Aktienstraße in direkter Linie nach Moers, wobei es noch Zwischenstationen in den Ortschaften Essenberg, Hochheide und Hochstrass gab.
Die Karte aus dem Jahr 1900 zeigt die Streckenführung zwischen den beiden Städten:
Leider gibt es nicht viele Bilddokumente vom Betrieb auf dieser Strecke, da diese Strecke bereits 1908 stillgelegt wurde! Ein bekanntes Bild eines Zuges, der auf dieser Strecke verkehrte, zeige ich hier:
Die Strecke führte im Homberger Bereich in der Mitte, ab Essenberg in Seitenlage über die Straßen. Kurz vor dem Bahnhof Moers (alt) wurde die Straße gekreuzt, die Züge endeten im ersten Moerser Bahnhof, der vor den Toren der Stadt angelegt wurde.
Über die Führung des Streckengleises im Straßenplenum fand sich ein interessanter Artikel im Centralblatt der Bauverwaltung 1884, Nr. 37 vom 13.09.1844:
„Die Nebenbahn von Homberg (am Rhein) nach Moers
Zur Verbindung der Kreisstadt Moers mit der Eisenbahnstation Homberg ist im Jahre 1882 durch die Königliche Eisenbahn-Direction in Elberfeld eine normalspurige Nebenbahn erbaut worden, wobei die fast geradlinige Chaussee zwischen den genannten Orten in ausgedehnter Weise mitbenutzt worden ist. Von der 5,7 km betragenden Gesamtlänge der Bahn liegen 4,6 km auf der Chaussee, nur für den Rest ist ein besonderer Bahnkörper hergestellt.
Die Lage der Bahn auf der Chaussee entspricht den im Mininsterialerlaß vom 8. März 1881 – vgl. No. 3 des Centralblattes der Bauverwaltung von 1881 – gegebenen Vorschriften. Innerhalb des Dorfes Homberg ist, wie aus der beistehenden Figur 1 ersichtlich, das Geleis mitten auf die Straße gelegt. Der Raum zwischen und neben den Schienen musste daher durchweg in einer Weise befestigt werden, welche die Benutzung desselben für den Fuhrwerksverkehr gestattet. In dem zweiten Orte, durch welchen die Bahn geführt ist, dem vorwiegend von Zechenarbeitern bewohnten Dorfe Hochheide, war es nicht, wie in Homberg, erforderlich, darauf Rücksicht zu nehmen, dass Fuhrwerke ohne Behinderung des Bahnverkehrs auf beiden Seiten der Straße vor den Häusern zur Abgabe oder Einnahme von Ladung halten können. Die Bahn ist daher (Fig. 2) auf eine Seite der Straße gelegt, bei welcher Lage von einer besonderen Befestigung des Raumes zwischen und neben den Schienen abgesehen werden konnte. Dieselbe Anordnung zeigt das Geleis auf den übrigen Strecken der Straße (Fig. 3). Die Schienen liegen über der Straßenkrone, sodass Fuhrwerke das Geleis nur an den dafür bestimmten und entsprechend befestigten Uebergängen kreuzen können. Zur Entwässerung des Geleises, so weit es zwischen den Häusern liegt, sind Drainröhren angeordnet, auf den übrigen Strecken waren für diesen Zweck besondere Einrichtungen entbehrlich.
Die Bahn ist seit Juli 1882 innerhalb des Dorfes Homberg, seit October desselben Jahres in ganzer Länge von Bauzügen befahren worden und seit dem 1. Januar 1883 dem öffentlichen Verkehre übergeben. Zur Zeit verkehren auf derselben täglich sechs Personenzüge in jeder Richtung.
Der Oberbau der Bahn, für welchen eiserne Querschwellen verwendet sind, ist in üblicher Weise hergestellt; er unterscheidet sich daher auch in Bezug auf die bauliche Unterhaltung nicht wesentlich von jeder gewöhnlichen Geleisanlage. Nur im Dorfe Homberg tritt als Ausnahmefall die zwischen und neben den Schienen hergestellte Chaussirung hinzu. Soweit die seitherigen Erfahrungen reichen, darf behauptet werden, dass diese Chaussirung für die feste Lage des Gestänges nur von Vorteil gewesen ist; wenigstens sind Spurerweiterungen bis jetzt nirgends bemerkbar. Dagegen sind an einigen Stellen, wo vermutlich der Untergrund der Straße minder fest ist, gemeinsame Senkungen des Geleises und der Chaussirung und damit Unregelmäßigkeiten des Längenprofils entstanden, deren „Ausheben“ in diesem Falle allerdings ausnahmsweise kostspielig wird, weil es ein Aufbrechen der Chaussirung, und zwar, da die Schienen auf Querschwellen ruhen, in der gesamten Breite des Geleises erfordert.
Bis jetzt ist ein durch das Scheuwerden eines Wagenpferdes veranlasster Unfall zu verzeichnen. Sonstige Unfälle sind nicht vorgekommen – gewiss ein bemerkenswertes Ergebnis, wenn man erwägt, dass, abgesehen von den Bahnhöfen, an der Strecke gegen 120 Wohnhäuser stehen, von denen 25 ihren Eingang in etwa 2,5 m Abstand von der Schiene haben, und dass die Mehrzahl dieser Gebäude von einer Arbeiter-Bevölkerung bewohnt wird, welche beispielsweise zur Beaufsichtigung spielender Kinder ungemein wenig Zeit und Mühe aufzuwenden pflegt, während andererseits zur Verhütung von Unglücksfällen an der Bahn weder Einfriedungen noch Bahnwärter vorhanden sind. ...“ (Rechtschreibung original belassen!)
Hier der Link zum Original-Dokument:
[
opus.kobv.de]
Es verkehrten nie viele Personenzüge auf dieser nur 5,7 km langen Strecke, hier mal ein Kursbuchauszug aus dem Jahr 1897:
Zurück zum ersten Staatsbahnhof in Moers: Der Bahnhof Moers (alt) lag in Ost-West-Richtung. Die spätere Strecke Rheinhausen - Trompet - Moers - Xanten – Kleve, welche 1904 in Betrieb genommen wurde, kreuzte den Bahnhof Moers (alt) beinahe im rechten Winkel (siehe erste Karte). Nördlich in direkter Nachbarschaft zum alten Bahnhof wurde ab 1903 der neue Bahnhof Moers (der heutige), allerdings noch in Tieflage, angelegt und 1904 in Betrieb genommen. Da die Strecke nach Homberg noch nicht stillgelegt war und der erste Bahnhof Moers dem Streckenneubau im Weg war, wurde zuerst der neue Bahnhof angelegt, dann eine Verbindungskurve zum neuen Bahnhof gebaut und der alte Bahnhof Moers noch vor der Inbetriebnahme der Strecke von Rheinhausen nach Moers aufgelassen, abgerissen und teilweise von der neuen Strecke überbaut.
Die Strecke Homberg - Moers (alt) wurde am 30.09.1908 stillgelegt und durch eine schmalspurige Straßenbahn von Homberg nach Moers ersetzt. Diese Straßenbahn-Gesellschaft errichtete ihr Depot auf dem Rest-Gelände des ersten Bahnhofs Moers (alt). Diese Straßenbahn war bis 1953 in Betrieb und wurde 1953 durch eine O-Bus-Linie eröffnet, welche 1968 stillgelegt und durch eine normale Buslinie (heute Linie 911) ersetzt wurde. Allen Nachfolgern war gemeinsam, dass sie auf der gleichen Trasse verkehrten bzw. verkehren. Das ehemalige Straßenbahndepot wurde anfangs vom O-Bus weiter genutzt. Noch Anfang der 80er Jahre nutzte die Busgesellschaft NIAG die ehemaligen Hallen. Mitte der 80er Jahre wurde das Gelände zu Bauland umgewandelt und es entstand eine kleine Eigenheimsiedlung auf dem Gelände.
Einen noch zum Thema passenden Gleisplan habe ich noch: Einen Ausschnitt aus dem Plan vom Bahnhof Homberg aus dem Jahr 1942, er zeigt die westliche Hälfte des Bahnhofs und die Einführung der Strecke von Moers in den Bahnhof ist als Anschlussgleis noch erkennbar:
Soviel für heute in dieser Reihe! Sollte ein Leser noch weiteres Material über diese Strecke haben, würde ich mich sehr über ein Anhängen hier freuen!
Gruß,
Stefan P.
Ich danke Andreas Kabelitz, Eddy und Vauhundert für die Materiallieferung für diesen Bericht.
Edit 19.09.15, Bilder dank Zuarbeit von Herrn Beinicke wieder sichtbar gemacht!
2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2017:04:30:17:08:34.