Hallo alle miteinander!
Nach der Kiel-Segeberger Eisenbahn (KSE) möchte ich hier nun die benachbarte frühere Lübeck-Segeberger Eisenbahn (LSE) vorstellen. Der Laie denkt sich sicherlich: Wenn schon die KSE so erfolgreich war, dann trifft dies bestimmt auch auf die LSE zu, denn auch sie war mit Lübeck auf eine Großstadt ausgerichtet. Aber da lag der Fall etwas anders, denn die LSE erschloss auf ihrer rund 29 Kilometer langen Strecke nur kleine unbedeutende Dörfer, nicht mal ein Kirchspiel dabei. Der Güterverkehr war stets überschaubar und beschränkte sich auf den üblichen landwirtschaftlichen Bedarf.
Allerdings muss man auch einräumen: Die Erwartungen in diese nach langer Planungsphase erst 1916 in Betrieb gegangene Bahn waren von vornherein wohl nie besonders hoch, weshalb sie auch nie in eigenständiger Betriebsleitung geführt wurde, sondern von der benachbarten großen Lübeck-Büchener Eisenbahn (LBE). Nach deren Verstaatlichung 1938 übernahm die Reichsbahn bzw. die Bundesbahn das Zepter. Die Betriebsführungsbahnen stellten in der Regel auch den Fuhrpark, so dass die LSE kaum eigene Fahrzeuge besaß. Erst 1934 nahm sie eigene Fahrzeuge in Betrieb in Form eines Leichtbau-Schienenbusses mit Beiwagen. Bei Kriegsausbruch 1939 musste diese Garnitur wieder abgestellt werden und verschwand irgendwo im Nirwana der Weltgeschichte.
Nach 1945 erinnerte man sich daran, dass diese VT-VB-Garnitur sehr wirtschaftlich betrieben worden war und den betrieblichen Bedürfnissen im Personenverkehr vollauf genügte. So bestellte man Anfang der 50er Jahre erneut einen Leichtbau-Schienenbus mit Beiwagen, diesmal vom neu entwickelten Uerdinger DB-Typ VT 95 (Vorserie). Mit dem Zug war man wohl so zufrieden, dass man 1955 oder 1958 eine weitere Vorserien-VT-95-Garnitur gebraucht nachbeschaffte, die bei der DB mit Erscheinen der Serien-VT 95 und –VT 98 schon wieder zur Ausmusterung anstand. Die Triebwagenläufe sollen zeitweilig bis Neumünster durchgebunden worden sein. Eine Triebwagen-Beiwagen-Garnitur konnte bei Stilllegung der LSE noch an die Buxtehude-Harsefelder Eisenbahn weiterverkauft werden, wo sie Ende der 70er den Weg des alten Eisens ging. Aus der Harsefelder Zeit und einem Leiheinsatz bei der Wilstedt-Zeven-Tostedter Eisenbahn gibt es noch zahlreiche Aufnahmen dieser Wagen, die z. T. auch hier im Forum schon mal gezeigt worden sind.
Die LSE war abgesehen von dem Bogen, den sie vor der Einfahrt in den Lübecker Hauptbahnhof machte, sehr geradlinig trassiert. Man scheute beim Bau auch keine Dämme und Einschnitte, so dass man den Verlauf der Bahn auch heute noch sehr gut nachvollziehen kann. Dafür wurde auf massive Stations- und Betriebsgebäude offenbar weitgehend verzichtet – zumindest findet man heute kaum noch Derartiges. Einige Haltepunkte wurden für die Schienenbusse erst nach dem Zweiten Weltkrieg eingerichtet, um die Bahn im Personenverkehr attraktiver zu machen. Da die LSE direkt in den Lübecker Hauptbahnhof einfuhr und an dessen Rand einen eigenen Bahnsteig hatte, war sie attraktiver für die Fahrgäste von und nach Segeberg, als die Fahrt über Bad Oldesloe anzutreten, wo man umsteigen musste.
Alle Maßnahmen zur Rationalisierung halfen letztlich nichts, denn 1964 ging es auch mit der LSE zu Ende, lediglich der Güterverkehr von Lübeck nach Arfrade wurde noch bis Ende 1967 weitergeführt. Immerhin überlebte die LSE ihre Schwester KSE um rund drei Jahre – aber auch im Falle der LSE wirkte sich ein Straßenbauprojekt wohl letztlich negativ auf den Fortbestand der Bahn aus: So verläuft die heutige B 206, die gerade zur Autobahn A 20 ausgebaut wird, bei Bad Segeberg auf der alten Bahntrasse. Irgendwie gibt es über die LSE wenig Quellen, Fotos und Informationen, andere Bahnen sind da ausführlicher erforscht und beschrieben. Vielleicht liegt es daran, dass diese Bahn bei den Kleinbahnfans nie wirklich Anklang fand, weil sie ihnen zu staatsbahnig war und den Staatsbahnfans im Gegenzug zu kleinbahnig? Vielleicht kann ich mit meinen Bildern, die ich am 21. Juli 2010 und am 11.08.2014 von den Überresten der Bahn gemacht habe, ja ein wenig Licht in das eine oder andere Dunkel bringen. Danke bei dieser Gelegenheit noch mal an den „D-Zug-Schaffner“ hier aus dem Forum, der mir einige Dokumente über die LSE zugänglich machen konnte.
Doch nun zu den Bildern:
Blick entlang der DB-Strecke nach Bad Oldesloe, links das nicht mehr als solches genutzte DB-Bahnhofsgebäude (der heutige Bahnsteig liegt im Rücken des Betrachters): Die LSE-Gleise lagen hinter dem Gebäude, heute befinden sich hier ein Parkplatz:
Etwas versteckt hinter dem Parkplatz steht noch der alte LSE-Lokschuppen. Die Torseite:
…und die Rückseite:
Auf Höhe des Lokschuppens der Blick zurück zum DB-Bahnhof:
Der Blick in die andere Richtung: Das Ausfahrgleis lag links neben der DB:
Von der folgenden Straßenbrücke der Blick zurück in Richtung Neumünster: Die DB-Strecke war früher mal zweigleisig (zumindest im Raum Bad Segeberg), rechts daneben lag das Gleis der Kleinbahn nach Lübeck:
Der Blick in die andere Richtung, nach Bad Oldesloe, die Gleise der Kleinbahn lagen demnach links: Nach ein paar hundert Metern bog sie nach links ab in Richtung Lübeck. Durch den starken Pflanzenbewuchs ist diese Stelle heute nicht mehr auszumachen:
Die Trasse der LSE kurz hinter dem Abzweig (Buschreihe rechts im Vordergrund), dahinter links irgendwo hinter dem Gebüsch im Hintergrund die Strecke nach Bad Oldesloe:
Der Blick in die andere Richtung: Die LSE-Trasse ist hier ein einziger Urwald. Kurz hierhinter geht sie in der heutigen B 206 bzw. A 20 auf, die sich hinter der Buschreihe links im Hintergrund schon heranschmiegt:
Auf der Straßenbrücke der Straße zwischen Mielsdorf und Weede über die hier gerade ausgebaute A 20 (rechts hinter dem Lärumschutzwall): Die LSE kam etwa im Bereich des Schutzwalls aus Richtung Segeberg:
...und driftete in Richtung Lübeck wieder leicht von der heutigen A 20 ab, etwa dem Zaun zwischen Feuchtbiotop und Feld folgend. Zu Füßen der heutigen Brücke (die es damals noch gar nicht gab) muss der Bahnhof Weede gelegen haben. Im weiteren Verlauf schwenkte die Bahn dann unter der heutigen A 20 durch, am Ort Weede vorbei. Vor dem Ausbau zur Autobahn war noch der alte Durchlass unter der damaligen B 206 vorhanden (zumindest in Google-Earth), ein Indiz dafür, dass die Bahn die damals neue B 206 noch miterlebt haben muss:
Am östlichen Ortsrand von Weede, bereits nördlich der A 20, kreuzte die Bahn die Straße von hinten kommend, da wo jetzt die Häuser stehen. Hier befand sich der erst in den 50er Jahren eingerichtete Haltepunkt Weede-Ort:
Blick in die andere Richtung: Ich dachte zum Zeitpunkt der Aufnahme, die Bahntrasse in Richtung Lübeck hätte sich rechts der Straße befunden, wo jetzt der Radweg ist. Tatsächlich verlief sie hier bereits links der Straße und ist heute wieder zu Ackerland eingeebnet:
Etwa einen Kilometer weiter der Blick zurück nach Segeberg: Nichts weist mehr auf die Bahntrasse rechts neben der Straße hin:
Der Blick in die andere Richtung: Hier, am Ortsrand von Steinbek, befand sich links der ebenfalls erst nach dem Krieg eingerichtete Haltepunkt Steinbek-Weede. Während die Straße im Ort nach rechts abdriftet, führte die Bahn geradeaus weiter hinter den Häusern um Steinbek herum:
Hinter Steinbek ist die Trasse wieder erkennbar, aber völlig zugewachsen, Blick nach Lübeck:
Eben schon erkennbar war dieses markante Gebäude: Hierbei handelt es sich um das frühere Bahnhofshotel des Bahnhofs Geschendorf-Steinbek, zwischen den beiden namensgebenden Orten gelegen. Die Gleise und der eigentliche Bahnhof lagen mit etwas Abstand dahinter und führten rechts weiter nach Lübeck. Man kann das Haus auch von der A 20 aus gut sehen:
Reste der Beschriftung zum Selbstentziffern:
Unmittelbar hinter dem Bahnhof Geschendorf-Steinbek ist unter Gestrüpp noch diese Betonbachbrücke auffindbar – sicherlich hatte die LSE mehrere solche Brücken, von denen ich nicht jede abgelegene aufgesucht habe. Daher sei diese Brücke hier stellvertretend für alle gezeigt:
Die Bahn verlief anschließend durch eher unwegsames Gelände. Die Trasse ist mal Feldweg, mal überwachsen, aber in jedem Fall noch erkennbar. Hier die frühere Einfahrkurve in den Bahnhof Westerrade (Blick zurück nach Segeberg):
Dieses Haus war das frühere Stationsgebäude von Westerrade, der Garagenanbau wurde später hinzugefügt (Blick nach Segeberg, die Gleise lagen hinter dem Gebäude):
Das weitere Bahnhofsgelände dient heute der landwirtschaftlichen Genossenschaft. Ob diese schon zu Bahnzeiten die Bedeutung gehabt hat, die ihre Bauten signalisieren? Und ob sie der Bahn einige Fracht bescherte (Blick zurück nach Segeberg)?
Der Blick hinter der Genossenschaft in Richtung Lübeck: Die Gleise lagen rechts neben der (Lade-)Straße:
Hinter Westerrade kreuzte die Bahn eine Landstraße und verlief dann geradeaus bzw. in einer leichten Linkskurve ins Feld hinein, links hinter dem weißen Haus (vielleicht eine Molkerei?):
An gleicher Stelle nochmal der Blick zurück zum früheren Bahnhof Westerrade:
Das mutmaßliche Molkereigebäude noch mal etwas näher betrachtet, in einer leichten Linkskurve fuhr die Bahn dahinter ins Feld hinein (Blick nach Lübeck):
Hinter Westerrade ist die Landschaft leicht hügelig, die Bahn benötigte z. T. hohe Dämme, um eine Bachsenke zu überwinden. Von der benachbarten Landstraße aus kann man den zerschnittenen Bahndamm gut erkennen:
Nächster Halt war in Strukdorf, einem kleinen Bahnhof abseits nennenswerter Ortschaften: Hier die Einfahrt in den früheren Bahnhof, Blick zurück nach Segeberg:
Der Blick in die andere Richtung, etwas seitlich auf das ehemalige Bahnhofsgelände, das sehr zugewachsen ist: Ob das ganz schwach hinter den Büschen zu erahnende Haus auf dem alten Bahnhofsgebäude basiert? Weiter ging es dahinter nach Lübeck:
Hinter Strukdorf führte die Bahn weiter durch Felder und ein Waldgebiet. Nächster Halt war in Butterstieg, wo sich der kleine Bahnhof am östlichen Ortsrand befand: Hier der Blick zurück in Richtung Segeberg, links ist noch der kleine Einschnitt der früheren Bahn zu erkennen:
Das frühere Bahnhofsgelände ist eingewachsen und wird heute privat genutzt (Blick nach Lübeck), ob das kleine Bahnhofsgebäude noch steht, vermag ich nicht zu sagen:
Die wieder zugewachsen vorhandene Trasse am früheren BÜ der Straße Krumbeck-Obernwohlde (Blick nach Segeberg):
Gleich hinter dem früheren BÜ der Blick in dieselbe Richtung: Dieser Weg war die Zufahrt zum früheren Bahnhof Obernwohlde, von dem nichts weiter außer ein Areal voller Unkraut geblieben ist:
Der Blick an gleicher Stelle in Richtung Lübeck: Auch hier ist die Trasse nur noch im bzw. als Gebüsch zu erahnen:
Der stellenweise hohe Bahndamm hinter Obernwohlde (links nach Lübeck, rechts nach Segeberg):
Nächster Halt war in Arfrade. Anstelle des Bahnhofes steht hier heute eine Lagerhalle. Das kleine Ziegelhaus hinten links ist das ehemalige Stationsgebäude, wurde aber inzwischen seines charakteristischen Walmdachs beraubt:
Blick an gleicher Stelle zurück nach Segeberg: Auf der Bahntrasse liegt heute eine Siedlungsstraße:
Das rund 9 Kilometer lange LSE-Reststück von Lübeck nach Arfrade wurde noch bis Ende 1967 im Güterverkehr bedient. Es führte weiter durch Felder und bog allmählich nach rechts in südliche Richtung ab, auf Lübeck zu. In den Feldern sind noch Reste einer Bachbrücke zu erkennen, für die neue Grabenführung wurde der Damm zerschnitten:
Nebenan wurde eine Feldwegschneise in den Damm geschlagen:
Blick zurück nach Segeberg:
Blick nach Lübeck:
Der nächste Halt befand sich in Stockelsdorf, heute im Bebauungsbereich der Stadt Lübeck gelegen. Der frühere Bahnhof ist mit einer Zeile Wohnhäuser (links) überbaut, dafür fängt hier ein Spazierweg an, der mehr oder weniger der alten Trasse folgt und fast bis zum Lübecker Hauptbahnhof führt (Blick nach Lübeck):
Der Blick in die andere Richtung: Kurz vor dem Bahnhof Stockelsdorf hatte die Bahn die B 206 unterquert, die hier nicht zur A 20 ausgebaut wird. Der alte Durchlass ist noch vorhanden:
Im weiteren Verlauf hielt die Bahn zuletzt an fast jeder größeren Straßenkreuzung. Die Bahn hatte im dichter bebauten Stadtgebiet von Lübeck offenbar die Funktion einer Vorortbahn. Am früheren Haltepunkt Mori, der erst nach dem Krieg eingerichtet wurde, erinnert nichts mehr an die Bahn, auch der Spazierweg auf der alten Trasse muss einen Umweg nehmen: Heute steht hier ein Wohnhaus (Blick nach Segeberg):
Der Blick in die andere Richtung: Hier verläuft ein kurzer Feldweg auf der Trasse, der aber schon ein paar Meter weiter an einem Graben endet. Der Spazierweg trifft erst dahinter wieder auf den alten Bahnverlauf:
Am BÜ Dornbreite befand sich der gleichnamige, ebenfalls erst nachträglich eingerichtete Haltepunkt (Blick nach Segeberg):
Der Blick in Richtung Lübeck-Hauptbahnhof, der in rund 3 km erreicht sein wird:
Letzter Halt vor Lübeck war in Schönböcken: Hier die Einfahrt aus Richtung Segeberg:
Der Blick in die andere Richtung: Hier muss sich der Bahnhof befunden haben:
Gleich dahinter wurde die A 1 im rechten Durchlass unterquert, Blick nach Lübeck-Hbf:
Der letzte Bahnübergang vor der Einfahrt in den Hauptbahnhof war in der Ziegelstraße, wo die Bahn von hinten rechts kam und im spitzen Winkel kreuzte. Hier endet der Spazierweg. Ein Haltepunkt befand sich aufgrund der Nähe zum Hauptbahnhof hier ausnahmsweise nicht (Blick nach Segeberg):
Der Blick in die andere Richtung: Hier ist die Trasse durch ein Autohaus überbaut, die DB-Gleise von Lübeck-Hbf liegen bald dahinter:
Irgendwo hinten von rechts aus dem Gebüsch kam die LSE aus Segeberg und führte rechts der heute noch vorhandenen Gleise unter die Brücke, von der ich diese Aufnahme gemacht habe, hindurch zum Lübecker Hauptbahnhof:
Die Einfahrt in den Hauptbahnhof, das LSE-Gleis lag (oder liegt?) ganz links und endete an einem eigenen Bahnsteig neben (!) der linken Bahnhofshalle. Hier endeten also die Fahrten aus Richtung Segeberg: Rechts kann man die Türme der Lübecker Altstadtkirchen erkennen:
Das mondäne Empfangsgebäude des Lübecker Hauptbahnhofs: Welche Kleinbahn konnte schon von sich behaupten, direkt in solch einem Bahnhof zu beginnen (und nicht daneben oder davor)?
So, das war mein Bericht zur fast vergessenen Lübeck-Segeberger Eisenbahn. Viel Spaß mit den Bildern, schöne Grüße,
Dennis.
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