Guten Tag in die Runde !
"The show must go on" ... so oder so ähnlich lautet jener allseits bekannte Spruch, den auch ich heute zu Beginn meines April-Beitrages benutze.
Was macht man zwischen zwei Operationen, wenn man gesundheitlich eingeschränkt ist, aber nicht jammernd die vergilbte Tapete anstarren möchte ? Na ?
Richtig - Beiträge schreiben, Bilder hochladen und wie gehabt im HiFo posten !
So habe ich heute den bereits Ende Januar begonnenen Beitrag fertiggestellt und kann Euch heute in die Ära einer längst vergangenen Ruhrgebiets-Überlandstrecke entführen.
Eigentlich wollte ich zusätzlich einen Gestern/ Heute-Bildvergleich erstellen, doch leider sind mir derzeit grössere Outdoor-Aktivitäten aufgrund meiner Erkrankung nicht möglich.
Dies werde ich hoffentlich in ein paar Monaten nachholen können.
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Vor langer, langer Zeit ergab es sich, dass sich zwei Jungspunde mit der Strassenbahn auf den damals beschwerlichen Weg von Essen über Gelsenkirchen und Bochum nach Witten machten. Der Grund:
Nun – Charles und ich hatten erfahren, dass im AW Witten eine preussische T 18 herumstehen sollte: 78 510 !
Die wollten wir uns natürlich mal aus der Nähe ansehen, doch es gab ein Problem:
Die Karre stand eingezäunt auf Werksgelände – dazu gut bewacht durch die Argusaugen eines pflichtbewussten Pförtners.
Fort Knox im Ruhrpott sozusagen .....
Hmm ... dann hatte Wacholder-Charles (was gab es damals nicht alles für seltsame Spitznamen) die zündende Idee: Zarren !
Yeah – 3 schöne, dicke Zigarren ... hübsch verpackt; als kleine Honoration an den Pförtner für das Hereinlassen in den offiziell verbotenen Werksbereich, denn damals zogen sich ältere Herren noch gerne solch qualmende Stumpen rein; auch mir war solches Gebaren durch meinen Grossvater bestens bekannt !
Bevor Fragen kommen: An die Dias der 78 510 komme ich aufgrund meines “mit System zugemüllten“ Kellers derzeit nicht heran !
Aber ein alter Freund aus dampfigen Tagen hat mir nach Veröffentlichung dieses Postings mein eigenes Bild zugemailt. Es handelt sich um ein Dia-Dubli, welches ich ihm vor 38 Jahren gegeben hatte.
Hammerhart - ich kann mich an nichts mehr erinnern, aber egal.
Hies isses:
78 510 im AW Witten - Frühjahr 1972
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So kamen wir in den Genuss einer fürbass bemerkenswerten Trassierung, wie man sie schon damals im Ruhrgebiet nur noch seltendst vofand.
Der Abschnitt Stadtgrenze Bochum hinunter nach Witten zum Crengeldanz (aufgrund einer dort eher zwielichtigen Disco auch Prengeltanz genannt) hatte damals noch den Charakter einer Überland-Strassenbahn; mit allem, was dazugehört.
Eingleisiger Streckenverlauf in Seitenlage einer gepflasterten Landstrasse mit “Pkw-Frontal-Gegenverkehr“ (eine helle Freude bei Nebel und Nässe), unübersichtliche S-Kurven in starkem Gefälle/ Steigung, sowie angerostete Uralt-Fahrleitungsmasten.
Dazu noch die guten, bewährten Düwag-Zweirichtungs-Gelenkwagen !
Zunächst führen wir bis zur Haltestelle Papenholz (auf Wittener Stadtgebiet) um von dort aus zurück in Richtung Bochum zu laufen.
Ich beabsichtigte, den altbackenen "Überland“-Verkehr mit meiner Kamera nebst DDR-importierten Orwo UT18 so gut wie möglich zu dokumentieren.
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Hier nun der Blick talwärts in Richtung Witten.
Der recht gefährliche Strassenverlauf ist auf dem folgenden Bild besonders gut zu erkennen.
Charles (rechts im Bild) hat daher mit gebührendem Respekt Abstand von der stark befahrenen Piste genommen. Die Strabsenkapitäne holten auf der langen Geraden nach Witten nämlich alles aus ihren spurtstarken Karren heraus.
Gnadenlos knallten sie den Steuerungshebel nach vorn bis zum Anschlag und bretterten die staubige Trasse abwärts zum Crengeldanz hinab .....
Und dennoch ... über 50 Jahren lief der Verkehr hier ohne grössere Störfälle und das bei einer Wagenfrequenz von 10 Minuten (Wochentags, beide Richtungen gerechnet).
Heute wäre ein solches Verkehrsgeschehen unvorstellbar .....
Um 180 Grad gedreht (Blickrichtung Bochum) sah das Ganze damals so aus:
Nun liefen wir wieder bergan in Richtung Bochum, wobei etwa in Höhe des weissen Pkw folgendes Bildle entstand:
Weiter ging es zu Fuss bergauf.
Wir scheuten keinerlei Mühen ... todesmutig sprangen wir jedesmal nach links in den Strassengraben, wenn eine Bahn klingelnd von hinten (aber auch von vorne) an uns vorbeirauschte – aber auch die andere Strassenseite war aufgrund des Pkw-Verkehres nicht ungefährlich (und gemäss STVO zudem gesetzeswidrig = Fussbegehung NICHT entgegengesetzt der Pkw-Fahrtrichtung).
Mit schlotternden Gliedern erreichten wir den Abzweig zur B 235 nach Bochum-Langendreer (rechts im Bild):
Yeah – nach einer kurzen Zarettenpause (Charles schmiss ´ne Runde Gauloises ohne Filter) begann der gefährlichste Teil unseres Marsches:
Die riskante, weil völlig unübersichtliche Linkskurve !
Und wir beide zwischen dem Gleis und den lustig bemalten Bäumen .....
Wenn ausgerechnet jetzt so´n schwerer Sechsachser das starke Gefälle hinuntergeschossen gekommen wäre !
Oh meiomei .....
Lebend erreichten wir die Anhöhe (Stadtgrenze Bochum/ Witten).
Ich sah mich nach hinten um – Kamera wie immer im Anschlag – und begriff im Bruchteil einer Sekunde:
Wären Charles und ich 3 Minuten später losgewandert, hätte uns der aus Witten heranheulende Düwag-Sechsachser in der Kurve von hinten gnadenlos den Ar... abgefahren !
Wir waren mit unseren Nerven am Ende – unsere Gallen gährten.
Und wieder fand hier – wie alle 20 Minuten – das lustige Spiel
“Kommt einer entgegen – kommt keiner entgegen“ statt und der Tram-Driver war schon innerlich auf zwei Dinge konzentriert:
Magnetschienenbremse und Streusand !
Aber der VW-Fahrer hatte die prekäre Lager auch diesmal wieder voll im Griff. Galant lenkte er seine 24 PS-Limousine um das entgegenkommende “Hindernis“ herum und beide Verkehrteilnehmer konnten lebend und unverletzt ihre Fahrt fortsetzen.
3 weitere kleine Käferlis hatten derweil prophylaktisch vor der grossen, bösen Strassenbahn im Strassengraben Schutz gesucht .....
In einer schmuddeligen Kneipe mitten in der Pampa erholten wir uns erst einmal bei einem grossen Glas Schlegel-Pils und assen dabei frische Löwenköttel mit Senf.
Danach fuhren wir – frisch gestärkt und nervlich revitalisiert – per Strassenbahn zu unserem eigentlichen Ziel, der preussischen T 18 im AW Witten.
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Kurze Zeit später wurde hier das gesammte Terrain gravierend umgebaut.
Im Rahmen des Neubaus der Autobahn A 44 (so um 1974 herum) wurde die Serpentinenstrasse stillgelegt und die Autos mussten – von Bochum-Langendreer bzw. Bochum Stadtmitte kommend – eine neugebaute Route abseits der Strassenbahn benutzen.
Ja – auch so etwas gab und gibt es; Strassenstillegung bzw. Pkw-Neubautrasse !
Wo einst abgasverschleudernde Benzin- und Dieseldroschken entlang fuhren, findet man heute blühende Landschaften. Alles begrünt mit mannigfaltiger Flora.
Nur die Strecke der Strassenbahn ist geblieben – jetzt aber auf eigenem Gleiskörper.
Edit am 09.Dezember 2019
= Die beim früheren Hoster "imageshack" verloren gegangene Bilder neu gepostet
= Video von Folke Brockmann nicht auffindbar
= Bilder aus den damaligen Antwortpostings separat neu hochgeladen
vom Joachim Leitsch Posting =
vom Rolf Köstner Posting =
vom Wolfgang Nyga Posting =
Gruss, Michael
Beste Grüße, Michael :-)
... und immer schön die Kurbel fest im Griff !
6-mal bearbeitet. Zuletzt am 2019:12:09:14:50:01.