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Längst Geschichte: Die Obuszeit im Sauerland (m19B)

geschrieben von: ludger K

Datum: 17.08.08 13:12

1903-07: Die Transportbahn der Grevenbrücker Kalkwerke

In Grevenbrück, seit 1969 ein Teil von Lennestadt, entstanden 1903/04 gleich zwei gleislose Bahnen. Zunächst hatte man an eine Kleinbahn durch das Veischede- und das Elspetal gedacht, wofür der Kreistag im Jahr 1898 eine Verkehrserhebung beschloß, doch die Bergisch-Märkische Eisenbahn lehnte eine Gleiskreuzung mit ihrer 1861 eröffneten Ruhr-Sieg-Strecke ab. Ein Grevenbrücker Eisenbahnkomitee schlug 1902 eine Obuslinie nach dem Vorbild der sächsischen Bielatalbahn vor, wofür – wie es hieß – in Bilstein und Grevenbrück genügend Strom erzeugt werde. Die höheren Stellen zeigten sich skeptisch, doch der Elektrizitätswerkbesitzer Wilhelm Hüttenhein war von einer gleislosen Bahn so überzeugt, daß er – um die Vorteile des neuen Verkehrsmittels zu demonstrieren – Max Schiemann in Dresden mit der Planung und dem Bau einer 1,5 km langen elektrischen Transportbahn vom Bahnhof Grevenbrück zum Kalkwerk beauftragte. Schiemann sah in der Kalkbahn ein Referenzobjekt, mit dem er die Tauglichkeit einer „Gleislosen Bahn“ sowohl für schwere Transporte der Industrie, als auch für den lokalen Personen- und Güterverkehr im ländlichen Raum nachweisen wollte. Das Genehmigungsverfahren war relativ unkompliziert, denn eine Gleislose unterstand nicht dem Kleinbahngesetz, stattdessen bedurfte es nur der landespolizeilichen Genehmigung und des Einverständnisses der Wegeeigentümer. Bereits Mitte Januar 1903, nach nur drei Monaten Bauzeit, fanden erste Probefahrten statt, und nachdem auch die polizeiliche Prüfung und Abnahme am 6.2.1903 erfolgreich verlaufen war, konnte der Güterverkehr aufgenommen werden. Täglich fielen bis zu 20 Doppelwaggons Steine und einige Wagen Schutt an.
Vom Kalkbruch aus verlief die Gleislose auf der zwischen Berg und Fluß eingezwängten Provinzialstraße (heute B 236), dann bog sie nach 600 m im scharfen Bogen mit nur 6-7 m Radius auf die 4,2 m breite und etwa 100 m lange Lennebrücke (heute Teil der Kölner Straße) mit einer Steigung von bis zu 1:23,5 ein. Mitten durch Grevenbrück ging es über die heutige Siegener Straße zum Güterbahnhof, wo sich an der Einfahrt eine 180°-Kurve mit wiederum 6-7 m Radius befand. Die beiden Fahrdrähte aus Profilkupfer hingen 50 cm voneinander entfernt und 5,50 m hoch. Mit verschiebbaren Keilösen ohne Lötung in Hartgummidoppelisolatoren waren sie an den Auslegern der Holzmasten („Leitungsstangen“) befestigt, die alle 35 m standen. Die schwierigen Streckenverhältnisse und das schlechte Pflaster der alten Brücke stellten hohe Anforderungen an die Lenkbarkeit, Zugkraft und Robustheit der Fahrzeuge. Ein einziger Schlepper genügte dem Verkehr, hier eine Beschreibung aus dem Jahr 1903:
„Der Zugwagen hat die typische Form der bisher nur auf Schienen benutzten elektrischen Lokomotiven mit centralem überdachtem Führerstand, ist symmetrisch gebaut, also gleich gut geeignet für Vorwärts- und Rückwärtsfahrt, und mit zwei Stromabnehmerstangen versehen, deren allseitige Beweglichkeit im Verein mit den eigenartig geformten Kontaktschuhen dem Wagen gestattet, 3-4 m jederseits aus der Achse der Leitungen herauszufahren, ohne daß die Kontakte entgleisen (…). Der vierrädrige Zugwagen von 4,8 m Länge und 1,90 m größter Breite besitzt eine vom Führer zu betätigende Lenkungsvorrichtung, welche die beiden in besonderen Untergestellen montierten Achsen in Kurven stets radial einstellt. Die Bewegung des Lenkrades wird mittels Kette auf eine unter dem Wagenhoden parallel zu den Achsen liegende Schraubenspindel übertragen, auf welcher eine Mutter verschoben wird, die mit den Gestellen in Verbindung steht. Die Lenkung ist also eine gesperrte. Jede Achse wird durch je einen normal 17,5 PS, maximal 25 PS starken Elektromotor angetrieben, deren Kraft durch die gedämpften Kupplungen auf beide Räder übertragen wird. Differentialgetriebe sind vollständig vermieden, und obwohl alle vier Räder durch nur zwei Motoren angetrieben werden, sind sie noch spielend leicht lenkbar. Durch vollkommene Ausnutzung des Lokomotivgewichtes als Adhäsionsgewicht ist es möglich, mit der nur 6,62 t schweren Maschine Anhängelasten von dem vier- bis fünffachen Gewicht zu schleppen.
Die Motoren sind mit Zahnradvorgelegen in dichten Gehäusen eingebaut, im Schwerpunkt federnd aufgehängt, wie überhaupt die Maschine mit vorzüglichster Abfederung durch Blatt- und Spiralfedern versehen ist, um alle Stöße auf schlechtem Pflaster vom Mechanismus abzuhalten und den Führerstand vor Erschütterungen zu schonen. Der Aufhängepunkt der Motoren und der Drehpunkt der Gestelle fallen in einem excentrisch gelegenen Zapfen zusammen, welcher gleichzeitig die Verbindung mit dem Oberkasten bewerkstelligt. Der Zugwagen ist im Übrigen mit Schaltapparaten, mechanischer und elektrischer Bremse, Sandstreuapparaten, Signalhorn und elektrischen Scheinwerfern zur Beleuchtung der Straße und des Zuges bei Fahrten in der Dunkelheit versehen.
Die Special-Anhängewagen mit festen Kästen von 3 cbm Inhalt haben ein Eigengewicht von 2,25 t und eine Tragfähigkeit von 5-6 t; sie sind sehr stabil gebaut, gefedert und mit abklappbaren Seitenborden und Bremsen versehen. Ihre Länge beträgt 4,2 m und ihre größte Breite 1,85 m. Ähnlich wie beim Zugwagen sind die beiden Achsen in je einem Drehschemel gelagert, deren gleichzeitige radiale Einstellung in Kurven jedoch durch Kreuzstangen erreicht ist. Die Wagen werden zu Zügen derart zusammengekuppelt, daß die Kuppelstange des in der Fahrtrichtung vorderen Gestells (…) mit dem Kastenrahmen des voraufgehenden Wagens verbunden wird. Dadurch wird erreicht, daß jeder Wagen genau in der Spur seines Vorderwagens folgt und sich auch die engsten Kurven mit Zügen befahren lassen. Als Schlußwagen eines Zuges kann auch ein gewöhnliches Landfuhrwerk angehängt werden, bei welchem bekanntlich die auf fester Achse steckenden Hinterräder einen engeren Kreis zu beschreiben pflegen. Sämtliche Räder sind mit glatten eisernen Reifen versehen, deren Breite beim Zugwagen 15 cm, bei den Special-Anhängewagen 12 cm beträgt.
Die Zugleistung der Maschine hängt vom Wetter und der Schlüpfrigkeit der Straße ab. Die Beförderung von zwei Wagen, entsprechend einem Gesamtgewicht des Zuges von 20-24 t, ist bei jeder Witterung gesichert und erfolgt unter den ungünstigsten Umständen, bei Glatteis und Schnee unter Beihülfe von „Eisstollen“, dreieckigen eisernen Querrippen, die zeitweilig auf den glatten Rädern des Zugwagens aufgeschraubt werden, um ein Gleiten derselben zu verhindern. Bei gutem Wetter wird die Zahl der angehängten Wagen drei Stück betragen. Die Motoren sind so bemessen, daß unter günstigen Witterungsverhältnissen vier beladene Wagen geschleppt werden können, das Gesamtzuggewicht also 35 t betragen kann. Die bedeutende Zugkraft findet auch bei Rangierbewegungen am Bahnhof ihre Ausnutzung, indem die Maschine mit dem vollen Zug ankommend die ausgeladenen Wagen vor sich herschiebt, um die beladenen an deren Stelle zu setzen. Die vielseitige Verwendung der Lokomotive ergibt sich auch daraus, daß sie bereits als Walze beim Einrammen frischer Schotterung sowie zum Ziehen der großen Straßenwalze von 6 t Gewicht verwendet worden ist.
Die Geschwindigkeit beträgt im Mittel 6 km pro Stunde für den beladenen und 7-8 km für den leeren Zug. Auf der schmalen Brücke, die auch von Fußgängern benutzt wird, wird die Geschwindigkeit auf 3 km ermäßigt. Das Gleiche gilt an unübersichtlichen Stellen und bei Begegnung mit Fuhrwerken, deren Pferde unruhig sind. Es hat sich herausgestellt, daß sich die Tiere rasch an den Anblick gewöhnt haben, auch für den übrigen Verkehr keine Gefahr vorliegen wird, da die Fahrt des Zugwagens an den sicheren ruhigen Gang einer Straßenwalze erinnert.
Die Abfuhr der Steine mittels Fuhrwerk und Pferden kostete bisher 4 bis 4,50 M pro Doppelwaggon. Es zeigte sich, daß durch die motorische Abfuhr eine Ersparnis von ca. 33 % erzielt wird, wobei der Strompreis mit 25 Pf pro Kilowattstunde angesetzt und für Amortisation, Verzinsung und Erneuerungsrücklagen jährlich 10 % berechnet wurden. Bei einem Strompreis von 10 Pf pro Kilowattstunde würde die Ersparnis ca. 45 % betragen. Unterwegs kann Strom zu Licht- und Kraftzwecken, ja selbst zum Dreschen, Wasserpumpen, Strohschneiden, Strohpressen, Schroten oder Pflügen, ferner für größere Betriebe zum Holzschneiden, Mahlen, Körnerreinigen, für Aufzüge u.s.w., abgegeben werden, so daß ohne wesentliche Erhöhung der Anlagekosten auch dieses Bedürfnis auf dem Lande gedeckt werden kann. Auch das elektrische Licht wird gern genommen und im Durchschnitt auf dem Lande auf zwei Einwohner eine Lampe installiert. Die stromliefernde Centrale erhält dadurch eine bessere Ausnutzung und Erhöhung ihrer Rentabilität.“

In den wenigen Jahren ihres Bestehens konnte sich die Gleislose durchaus bewähren und allzu oft mußte das maximale Zuggewicht von 35 t ausgenutzt werden, doch 1907 war der Kalksteinbruch erschöpft. Man brach an anderer Stelle weiter, doch die Bahn baute man nicht entsprechend um, sondern legte sie still.


http://img509.imageshack.us/img509/171/grevenbrck017aue2.jpg

Bild 1: Die Lennebrücke mit der Fahrleitung der Kalkbahn (1903). Links der Lokschuppen, links unten gehts zum Kalkbruch und nach Finnentrop. Rechts aus Richtung Förde kam später die Veischedetalbahn heran. Mit einer Streckenkarte kann ich leider nicht dienen.


http://img120.imageshack.us/img120/273/grevenbrck008dr2.jpg

Bild 2: Der Zug am Lokschuppen nördlich der Lenne.


http://img201.imageshack.us/img201/5628/grevenbrck002lg7.jpg

Bild 3: Südlich der Lennebrücke, deren starke Steigung gut zu sehen ist. Die Lok biegt gleich auf die heutige Siegener Straße ein.


http://img201.imageshack.us/img201/3549/grevenbrck017vm5.jpg

Bild 4: Die Fahrleitungsmasten auf der Brücke.


http://img530.imageshack.us/img530/4673/grevenbrck006acu5.jpg

http://img382.imageshack.us/img382/5479/grevenbrck005wl8.jpg

Bild 5-6: Der enge Schwenk zum Güterbahnhof als Skizze und ziemlich schlechte Aufnahme.


http://img530.imageshack.us/img530/929/grevenbrck003al1.jpg

http://img382.imageshack.us/img382/6843/grevenbrck006ph5.jpg

http://img530.imageshack.us/img530/6730/grevenbrck016yp2.jpg

Bild 7-8: An der Umladestelle am Bahnhof.


http://img120.imageshack.us/img120/4670/grevenbrck012mz9.jpg

http://img201.imageshack.us/img201/8406/grevenbrck007bz0.jpg

Bild 9-10: Portrait des „Zugwagens“ vor dem Lokschuppen und eine Typenskizze.


http://img501.imageshack.us/img501/3441/grevenbrck004iz8.jpg

Bild 11: Typenbild eines „Special-Anhängewagens“ mit 3 cbm Inhalt.


http://img509.imageshack.us/img509/2599/grevenbrck011jq3.jpg

Bild 12: Auch beim Straßenbau half die Lok mitunter aus.


http://img120.imageshack.us/img120/3694/grevenbrck014gs0.jpg

Bild 13: Winterreifen


http://img530.imageshack.us/img530/440/grevenbrck013xn9.jpg

Bild 14: Winterdienst an der Lennebrücke in Höhe des Lokschuppens.


http://img382.imageshack.us/img382/1106/grevenbrck018rv8.jpg

Bild 15: Unterwegs auf der heutigen Bundesstraße 236.


http://img501.imageshack.us/img501/3599/grevenbrck015wh1.jpg

Bild 16: Verschub im Kalkbruch.


1904-16: Die Veischedetalbahn Grevenbrück – Bilstein – Kirchveischede

Nach dem Scheitern des Kleinbahnprojekts im Veischedetal gründeten – wiederum auf Initiative von Willi Hüttenhein – der Provinzialverband Westfalen, der Kreiskommunalverband Olpe und die Gemeinde Bilstein-Kirchveischede am 7.12.1903 die „Elektrischer Kraftwagenbetrieb mit Oberleitung für das Veischedetal GmbH in Bilstein“. Zu je einem Drittel waren sie jeweils am Anlagekapital von 120.000 Mark beteiligt. Als Geschäftsführer trat der Geheime Regierungsrat Freusberg in Olpe auf, als Betriebsleiter der Kreisbaumeister Rinscheid in Bilstein. Die Einwohner entlang der 8 km langen Strecke schätzte man auf 4.000, von denen 1.200 am oberen Endpunkt wohnten. Planung und Bau lagen auch hier in den Händen der Firma Schiemann, die die Baukosten auf 115.425 Mark veranschlagt hatte.
Neben einem Personenanhänger gab es zwei kutschenähnliche Obusse mit 3,65 t Eigengewicht, 20 Sitzplätzen im sechsfenstrigen Innenraum und auf dem großen Vorderperron sowie sechs Stehplätzen auf der überdachten hinteren Einstiegsplattform. Vorne hatten die Wagen kleine, hinten dagegen 1,50 m große eisenbereifte Räder. Der zwischen den Vorderrädern liegende Motor ermöglichte 18 km/h Höchst- und 15 km/h Reisegeschwindigkeit. Für Bahnpost gab es unter dem Wagenkasten ein abschließbares Fach. Der Personen- und ein bescheidener Güterverkehr liefen am 29.5.1904 mit einem Personen- und einem Stückgutwagen an. Weil einige Bauarbeiten noch nicht abgeschlossen waren, konnte der Güterverkehr erst im August voll aufgenommen werden. Bereits nach wenigen Wochen mußte er jedoch eingestellt werden, da die neuartige Technik und die noch nicht erprobten Wagen gravierende Mängel aufwiesen. Während der Reparatur der Wagen mußte man sich mit Fuhrwerken behelfen, worunter nicht nur der Straßenzustand, sondern auch die Bilanz arg litt. Erst Monate später konnte man wieder Güter befördern. So bezogen die Zigarrenfabriken in Kirchveischede Rohtabak, der über die Ruhr-Sieg-Strecke angeliefert wurde.
Vom Staatsbahnhof Grevenbrück aus ging es stets dem Veischedebach aufwärts folgend über Förde, Bonzel und Bilstein nach Kirchveischede, wo beim Wirtshaus „Jägerhof“ der Wendepunkt lag. Fünfmal wurde unterwegs gehalten. Weiter ist überliefert:
„Durchweg ist gut gehaltene Provinzialstraße mit 5-6 m Deckenbreite vorhanden. Die Chaussierung besteht aus Grauwacke, nur eine kurze Strecke hat Basaltdeckung. Der dem Bahnhof nächstliegende Teil hat auf 1 km Kleinpflaster, im Ort Förde liegen einige 100 m Großpflaster. Die Straße fügt sich mit vielen Windungen den Krümmungen des Tales an und enthält besonders in ihrem oberen Teil bedeutende längere Steigungen bis 1:18 (…). Auf den Auslegern ist ferner eine blanke Doppelleitung für den Betriebs-Fernsprecher verlegt. Die Leitungsanlage kreuzt am Bahnhof Grevenbrück die Staatsbahngleise, und die Betriebsmittel überfahren diese in Schienenhöhe, um vor das Empfangsgebäude zu gelangen. Die Genehmigung ist seitens der Eisenbahnverwaltung anstandslos erfolgt. Die Wagenhalle und Werkstätte liegen auf dem Grundstück des Elektrizitätswerks-Besitzers Hüttenhein in Grevenbrück, der auch den Betriebsstrom (Gleichstrom von 600 V) liefert. In Bilstein befindet sich dicht an der Straße ein kleiner Wagenschuppen für den nächtlichen Unterstand des Personentriebwagens, dessen Fahrten früh oben im Tal beginnen und abends dort enden. Er verkehrt mit regelmäßigem Fahrplan wochentäglich vier- bis fünfmal, sonntags öfter, im Anschluß an die kreuzenden Eisenbahnzüge in Grevenbrück (Anm.: so kam man jährlich auf 24.000 km und 28.200 Fahrgäste).
Für den Güterverkehr, welcher nach Bedarf stattfindet, ist eine Abzweigleitung vor den Güterschuppen und die Ladegleise am Bahnhof gebaut, um Stück- und Massengüter übernehmen oder abgeben zu können. Die größeren Verfrachter (Zigarrenfabriken in Bilstein), deren Fabriken naturgemäß in dem Gebirgstale nahe der Hauptstraße liegen, haben je einen Steckdosenanschluß an die Leitung erhalten, so daß der Güterzug mittels Stromzuführungskabel von etwa 90 m Länge, die Oberleitung verlassend, bis in die Höfe fahren kann.“
Bald nach der Eröffnung protestierten Bilsteiner Fuhrleute gegen die Belästigung durch die „Gleislose Elektrische“, die „Geräuschlos Hektische“, und so berief der Kreis eine Versammlung ein. Der mit Bauern aus dem Kreisgebiet besetzte Sonderwagen fuhr jedoch am „Bilsteiner Stich“ unterhalb von Bilstein gegen einen Baum. Wagenführer Schiffer rief noch: „Rette sich wer kann!“. Verletzungen sind nicht bekannt, doch warf der Vorfall kein gutes Licht auf die Bahn, die bei den Bauern wegen ihrer Pferde („die gingen durch, wenn die Bahn kam“) nie sehr beliebt war.
Im Dezember 1907 wurde der Güterverkehr eingestellt. Obwohl es nur noch drei Fahrtenpaare täglich gab und viele Leute lieber zu Fuß gingen, als sich der Gleislosen anzuvertrauen, standen 1908 bereits drei Personenwagen zur Verfügung. Hatte das Geschäftsjahr 1908/09 noch mit einem Verlust von 10.000 Mark geendet, so trat nun eine stete Besserung ein, so daß 1913 die Bilanzen fast ausgeglichen waren. So modernisierte man die Wagen und ersetzte die Eisen- durch Gummireifen. Nach dem Geschäftsbericht von 1914 war der Betrieb nach Überwindung jeglicher technischer und geschäftlicher Probleme mittlerweile so ausgestattet, daß es ein „zuverlässiges und sicheres Verkehrsmittel und die Wirtschaftlichkeit gegeben“ sei. Auch dachte man über einen Weiterbau von Grevenbrück nach Elspe bzw. Oedingen nach, doch der Kriegsausbruch machte derartige Pläne zunichte. Die Fahrgastzahlen gingen nun zurück, Personal wurde einberufen und Ersatzteile, vor allem Gummireifen, waren kaum noch zu beschaffen. Am 1.10.1916 mußte der Verkehr vorerst für ein halbes Jahr eingestellt werden, doch dann besiegelte die Heeresverwaltung mit der Beschlagnahme der Kupferfahrleitung das Ende der Gleislosen. Am 31.12.1921 wurde die Gesellschaft im Handelsregister des Amtsgerichts Förde gelöscht.


http://img509.imageshack.us/img509/9788/grevenbrck009un9.jpg

http://img201.imageshack.us/img201/9414/grevenbrck001eh0.jpg

Bild 17-18: Die eleganten Obusse der Veischedetalbahn.


http://img120.imageshack.us/img120/7900/grevenbrck010ls7.jpg

Bild 19: Der Bahnübergang der heutigen Kölner Straße in Grevenbrück. Die Schrankenbäume hatte man etwas gekürzt, damit sie nicht die Fahrleitung berühren. Der Obus kommt von Kirchveischede und wird vor dem Wohnhaus im Hintergrund, also kurz vor der Lennebrücke, nach rechts im spitzen Winkel auf die heutige Siegener Straße einbiegen und dann zum Bahnhof gelangen. Warum dieser Umweg? Warum bog man nicht gleich hinter dem Bahnübergang nach rechts ab, denn der Bahnhof liegt ja nur wenige Meter entfernt? War es einfach nur das Bestreben einer ortsnahen Verkehrserschließung ohne lange Fußwege zum Bahnhof?


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geschrieben von: rolf koestner

Datum: 17.08.08 14:15

Was hat es nicht alles gegeben. Von der Kalkwerkbahn kannte ich schon Bilder, aber die Veischedetalbahn...

Und das alles mit einfachster Bereifung. Klasse!


Bis neulich

Rolf Köstner







Ich bin ein Boomer!

Straßenbelag

geschrieben von: ferrocarril del Sur

Datum: 17.08.08 15:25

Hallo Ludger,

ein sehr interessanter Beitrag von diesem kuriosen Verkehrsmittel. Frage mich nur wie lange der Straßenbelag das befahren mit diesen schweren fahrzeugen durchgehalten hat. Nehme an das die "Lok" die Walze regelmäßig zur zum verdichten des Untergrundes hinter sich hergezogen hat. Nach längeren Regenfällen muß doch dieses Gefährt hoffnungslos im nassen Boden stecken geblieben sein, bzw. die Räder im nassen Schmodder durchgedreht haben, oder wurden dann die winterreifen aufgezogen, die dann die Straße noch stärker aufgewühlt haben werden..

Die "Gleislose", die in Mohnheim verkehrte hatte wohl massive Probleme mit der Straßenbefestigung.

Viele Grüße von Jan Olaf, der diese "Straßenzugmaschinenbahn" sehr interessant findet.



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2008:08:17:15:27:25.

Re: Straßenbelag

geschrieben von: tramway

Datum: 17.08.08 22:12

Hallo Ludger,

welche Schätze kannst Du noch bieten? Sagenhaft! Vielen Dank für´s Zeigen!

Kleiner Hinweis: Eine Streckenkarte zu Grevenbrück-Kirchveischede und die Strecke zu den Grevenbrücker Kalkwerken findet sich im Buch "Von der Gleislosen zum Oberleitungsomnibus" von Gerhard Bauer auf Seite 27.

Obwohl beide Strecken am Bahnhof Grevenbrück vorbeiführten bzw. endeten gab es lt. dem Buch keine Verbindung beider Strecken.

Zur Frage in Bild 19 kann ich nur eine Vermutung äußern: Das Bahnhofsgebäude liegt nordöstlich der Bahnlinie. Die Obusstrecke kommt von Süden her, kreuzte die Bahnlinie und bog dann nach rechts auf den Bahnhofsvorplatz ein. Einen Hintereingang zum Bahnhof gab es früher vermutlich nicht.


Gruß von der Bergstraße
Christian Ellermann

Re: Längst Geschichte: Die Obuszeit im Sauerland (m19B)

geschrieben von: Ditmar

Datum: 18.08.08 02:21

Frage:
Weshalb waren die Trolleys eigentlich auf den Motorwagen (siehe Bild 9) oft versetzt angebracht? Hing das mit der Verteilung der Dachlast zusammen?

Ditmar

Re: Längst Geschichte: Die Obuszeit im Sauerland (m19B)

geschrieben von: joestar

Datum: 18.08.08 18:41

Ditmar schrieb:
-------------------------------------------------------
> Frage:
> Weshalb waren die Trolleys eigentlich auf den
> Motorwagen (siehe Bild 9) oft versetzt angebracht?
> Hing das mit der Verteilung der Dachlast
> zusammen?
>
> Ditmar


Wahrscheinlich war der Schwenkbereich der einzelnen Trolleystangen zu groß (Kurzschlußgefahr!), so daß sie versetzt angeordnet wurden. Bild 8 + 9 zeigen der geplanten großen Schwenkradius!



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2008:08:18:18:43:28.

Re: Längst Geschichte: Die Obuszeit im Sauerland (m19B)

geschrieben von: R2D2

Datum: 19.08.08 07:29

Ditmar schrieb:
-------------------------------------------------------
> Weshalb waren die Trolleys eigentlich auf den
> Motorwagen (siehe Bild 9) oft versetzt angebracht?
> Hing das mit der Verteilung der Dachlast
> zusammen?

Nein, dadurch konnte man das kurze Fahrzeug durch geschicktes Rangieren unter der Fahrleitung wenden, ohne die Stromabnehmer abzuziehen.

Gruß
R2D2
_______________________________
Bildbeschriftungen gehören UNTER die Bilder. Wer es nicht glaubt, schaue bitte einfach in ein x-beliebiges Fach- oder Sachbuch.

Re: Längst Geschichte: Die Obuszeit im Sauerland (m19B)

geschrieben von: jw

Datum: 19.08.08 13:18

R2D2 schrieb:
-------------------------------------------------------
> Ditmar schrieb:
> --------------------------------------------------
> -----
> > Weshalb waren die Trolleys eigentlich auf den
> > Motorwagen (siehe Bild 9) oft versetzt
> angebracht?
> > Hing das mit der Verteilung der Dachlast
> > zusammen?
>
> Nein, dadurch konnte man das kurze Fahrzeug durch
> geschicktes Rangieren unter der Fahrleitung
> wenden, ohne die Stromabnehmer abzuziehen.


Denke ich auch,
zumal an den Endpunkten (Bahnhof) keine Wendeschleifen eingezeichnet sind.

Gruß

Jörg

Vielen Dank

geschrieben von: jw

Datum: 19.08.08 13:20

Vielen Dank Ludger,

für diesen überaus interessanten Bericht aus meiner Nachbarschaft.

Gruß

Jörg