Nachdem hier in diesem Forum bereits mehrfach nach jenem Unglück gefragt wurde, nehme ich das heutige Datum zum Anlaß, diesen Beitrag hier einzustellen. Normalerweise bin ich nicht derjenige, der jedes Unglück fotografiert. Dieses jedoch passierte damals sozusagen vor meiner Haustüre.
Am Nachmittag des 1. Dezember 1979 „durfte“ ich meine Oma mit den Erzeugnissen ihrer Strickkunst zu einem Wohltätigkeitsbasar in Stuttgart begleiten. Kaum waren wir dort am Hang des Talkessels hoch über dem Hauptbahnhof angekommen, ertönte der schaurige Klang unzähliger Martinshörner zu uns herauf. Zu diesem Zeitpunkt konnten wir uns noch nicht erklären, was für ein Unglück geschehen war.
Als wir abends wieder zu Hause in Korntal ankamen, erzählte mir mein Vater von dem S-Bahn-Unglück zwischen Korntal und Ditzingen. Ich packte sofort Fotoapparat und Stativ auf mein Fahrrad und fuhr zur Unglücksstelle:
Was war geschehen? Ein S-Bahn-Zug war auf einen Autotransport-Zug von Sindelfingen an die Nordsee aufgefahren. Die Schuld lag beim Korntaler Fahrdienstleiter.
(Er wurde dafür rechtskräftig verurteilt.) Dieser hatte kurz vorher Dienstbeginn und hatte sein Auto im Halteverbot geparkt. Um dieses legal abzustellen, verließ er seinen Arbeitsplatz. Während seiner Abwesenheit näherte sich der Güterzug aus Richtung Ditzingen und hielt vor dem geschlossenen Korntaler Einfahrsignal. Die nächste aus Richtung Weil der Stadt folgende S-Bahn erhielt durch den Selbststellbetrieb daher zwangläufig nur bis zum Selbstblocksignal zwischen Ditzingen und Korntal freie Fahrt, da der Abschnitt zwischen
Selbstblocksignal und Einfahrsignal Korntal ja belegt (auf dem Stelltisch rot ausgeleuchtet) war. Durch seine Abwesenheit hatte der Fahrdienstleiter die Zugmeldung nicht mitbekommen und hielt die Belegtanzeige für eine Störung in der Elektronik. (Es gab damals schon eine Zugnummermeldeanlage, der Zug war in dieser ohne Kennzeichnung/Zugnummer sozusagen dunkel unterwegs. Es wurde kein fernmündliches Zugmeldegespräch geführt.) Er drückte die Achszählgrundstellungstaste, er hat den Gz damit für die Stw-Anlage quasi entfernt. Dadurch gab er die Strecke gleichzeitig für den Güterzug und die S-Bahn frei. Der lange Güterzug beschleunigte wesentlich langsamer als die sich von Ditzingen dem Selbstblocksignal nähernde S-Bahn. Der Güterzug, bespannt mit einer 140, kam gerade mit den ersten zwei Achsen der Lok am Einfahrsignal vorbei, dann hat's schon geknallt. Der Lokführer des Güterzuges wird vermutlich auch entsprechend langsam angefahren sein, denn das Signalbild Hp 1/Vr 1 entsprach ja nicht seinem gewünschten Fahrweg und Zugfunk gab es damals hier vermutlich noch nicht. (Richtung Kornwestheim wäre Vr 2 das richtige Signalbild). Er hätte ja in Korntal wieder halten müssen, denn nach Zuffenhausen wollte er bestimmt nicht. Als der Lokführer der S-Bahn den Güterzug vor sich entdeckte, konnte er noch die Fahrgäste warnen und selbst an das hintere Wagenende flüchten. Wenn ich die Bilder des total zerstörten 420 316 sehe, kann ich mir noch heute kaum vorstellen, daß es bei dem Unglück „nur“ eine Tote gab.
Am nächsten Vormittag, machte ich noch ein paar Aufnahmen von den Aufräumarbeiten:
Mit vereinten Kräften bergen Landwirt und Abschleppunternehmer die demolierten Nobelkarossen, während im Hintergrund 420 317 an den Resten seines Bruders vorbeifährt. Das Bahnwärterhäuschen im Hintergrund steht übrigens heute noch – da ist jetzt eine Fischräucherei drin. Direkt dahinter beginnt heute der Bahnsteig des S-Bahn-Haltepunktes Weilimdorf.
702 149 wurde zur Reparatur der Fahrleitung eingesetzt:
420 316 wurde von dem am Schluß des Güterzuges laufenden Lae (Autotransportwagen) regelrecht in Scheiben geschnitten. Links auf dem Acker seht Ihr das Dach, zwischen den Ladeflächen des Autotransportwagens den Frontbereich. Als Reaktion auf dieses Unglück wurde die Wagenreihung der Güterzüge so geändert, daß am Schluß keine Autotransportwagen liefen. Von allzu langer Dauer war diese Maßnahme allerdings nicht:
Die Reste des Unglückszuges wurden mit dem in Frankfurt (nach Brandschaden) übriggebliebenen 420 263 gekuppelt und fuhren so mehrere Jahre in Stuttgart (ohne Umnumerierung!). Später wurden in einer Nachbauserie u. a. für diese beiden Züge Ersatzfahrzeuge beschafft, so daß die Reihung danach wieder stimmte. Den gemischten Zug habe ich wenige hundert Meter westlich der Unglücksstelle am 16.4.1981 fotografiert. Er fiel schon von weitem auf, da nur die 420 816 und 421 316 Werbung trugen:
Leider sind meine Aufzeichnungen zu den bei der Bergung eingesetzten Fahrzeugen weniger als dürftig – nicht einmal alle Loknummern habe ich notiert.
Mein Dank gilt „Fdl“ für die gute Zusammenarbeit bei der Erstellung dieses Beitrages!
Viele Grüße
Stefan
2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2017:09:23:20:55:24.