Hallo Klaus,
Danke für diese höchst seltenen Bilder!
Die französische Modellbahnzeitschrift "Loco Revue" gibt eine umfangreiche Sammlung von Typenblättern mit Photos, Zeichnungen und Kommentaren heraus, unter denen sich ein Karteiblatt auch diesem Fahrzeug widmet:
"Voiture spéciale pendulaire, fiche documentaire n°301, nouvelle série, 2001, époque III"
(mit 3 guten Aufnahmen, 2x außen, 1x innen sowie etlichen Aufriß- und Grundrißzeichnungen)
Das Fahrzeug war ursprünglich als Triebwagen konzipiert worden, der Einbau eines Motors unterblieb jedoch aus Kostengründen, wobei die Masse des Antriebs durch Ballastgewichte ersetzt wurde. Bauzeit war 1956/57, vorgestellt wurde der Wagen am 3.12.1957. Die Führerstände blieben leer, die Gestaltung des Fahrgastraums entsprach den damaligen Ansprüchen an den hochwertigen Reisezugverkehr. Die Versuchsfahrten fanden u.a. auf der Strecke Melun-Montereau über Héricy im Raum Paris statt. Als Tfz diente ein E-Triebwagen der Reihe Z4700. Bogenschnelles Fahren wurde mit 140km/h in Kurven mit R=485m erprobt, was den Zentrifugalkräften entsprach, die bei 195km/h und 1000m-Radien sowie einer Gleisüberhöhung von 13cm entstehen. Nach der Versuchskampagne wurde der Wagen in Villeneuve-Saint-Georges bei Paris abgestellt und kam später nach Saintes, wo er in den 70er Jahren abgerüstet und sang- und klanglos verschrottet wurde. Lediglich eines der Drehgstelle als Kernstück des Experiments wurde für das Museum in Mulhouse reserviert: Einzelradaufhängung, Scheibenbremsen, Raddurchmesser 0,90m und Radstand von nur 1,35m! Die Radlast betrug 4,5t pro Rad.
Weitere technische Daten: Schwingungsachse in Längsrichtung 1,75m über SOK, Schwerpunkt 0,70m unter der Schwingungsachse; Gesamtgewicht 37t (mit Ballast), 32 Sitzplätze, Drehzapfenabstand 16,86m, Kastenlänge 22,57m, Länge über alles 22,90m, größte Breite 2,74m.
Das Fahrzeug ist nie in das französische Nummernsystem eingereiht worden.
Es sollten 40 Jahre vergehen, bis im Anschluß an die spanischen und italienischen Fortschritte mit der Neigetechnik wieder "laut" über den "train pendulaire" nachgedacht wurde, vor allem auch im Zusammenhang mit der Diskussion über Neubaustrecken und ihre vermeintliche Alternative der bogenschnellen Züge auf vorhandenen Gleisen. Daß man dabei um eine gründliche Uberarbeitung des vorhandenen Oberbaus (zumindest hierzulande) nicht herumgekommen wäre, war einer der Knackpunkte. Inzwischen hat ja nun Alst(h)om die italienische Neigezugtechnik "geerbt" und einen TGV-P entwickelt, der eigentlich in diesen Monaten zwischen Paris und Toulouse hätte in Betrieb gehen sollen. Solange man sich aber weiter heftig befehdet, wer bei diesem Projekt nun was zu bezahlen hat, wird man auf einen würdigen Nachfolger des "Capitole" wohl noch 'ne Weile warten müssen.
Viele Grüße von weiter südlich -
Hartmut F.