Liebe Eisenbahnfreunde,
in der Grafschaft Bentheim neigt sich die Ära der Ölzüge nach mehr als 75 Jahren dem Ende entgegen.
Seit 1944 verkehren auf der Bentheimer Eisenbahn (BE) Ölzüge, die das schwarze Gold der Grafschaft aus den ergiebigen Emlichheimer Abbaugebieten zu den Erdölraffinerien zur weiteren Verarbeitung transportierten. Teilweise erreichten die Transportmengen in den 50er-Jahren 600.000 t und liefen u.a. über Bentheim und Gronau bis in das Ruhrgebiet, wobei sich diese Tonnagen aufgrund des Baus von Erdölpipelines bereits in den 50er- und 60er Jahren stark reduzierten. Von 1993-1996 transportierte die BE dann noch einmal Öl aus dem niederländischen Fördergebiet bei Schoonebeck über Coevorden nach Osterwald, die Förderung wurde 1996 eingestellt.
Am Ende verblieben die „BE-Binnenverkehre“ zwischen der Ölverladeanlage der Wintershall Dea im Emlichheimer Gewerbegebiet und der Ölverladeanlage in Osterwald, von wo das Öl per Pipeline zur Raffinerie nach Lingen-Holthausen gepumpt wurde. Jährlich handelte es sich um ca. 150.000 t aufbereitetes Rohöl, das mit Kesselwagen über die Emlichheimer Hafenbahn zum Betriebsbahnhof Esche transportiert wurde, um von dort über die als Grubenanschlussbahn konzessionierte ca. 3,7 km lange Stichstrecke nach Osterwald zu gelangen und von dort per Pipeline zur Raffinerie in Lingen-Holthausen gepumpt zu werden. Die Stichstrecke Esche-Osterwald wurde im Jahre 1949 extra für diese Zwecke errichtet.
Die Verkehre werden nun entbehrlich, weil die Wintershall Dea von der Aufbereitungsanlage im Erdölfeld Emlichheim bis nach Osterwald für eine Investitionssumme in Höhe von etwa 12 Millionen Euro eine rund 14 km lange Leitung fertiggestellt hat, in der das Öl nun von Emlichheim nach Osterwald bzw. nach Lingen-Holthausen gepumpt wird. Zum 30. Juni 2021 endete daher nach mehr als 75 Jahren der planmäßige und regelmäßige Ölzugverkehr auf der BE. Einzelleistungen werden allerdings in der Erprobungsphase der Pipeline noch gefahren, aber das wird vermutlich auch nicht mehr ewig dauern.
Der Lokeinsatz gestaltete sich übrigens vor diesen Ölzügen im Binnenverkehr abwechslungsreich, auch wenn es oft gewisse Stammloks gab, die zumindest vorwiegend hier im Einsatz waren. Zuletzt war meist die D 5 (Kaelble-Gmeinder aus Mosbach, Typ DE 500 Co, Bj. 1990) vor den Ölzügen zu beoabachten, davor haben die in Nordhorn Anfang 2020 mit Fristablauf abgestellte D 23 (MaK, Typ G 1202 BB, Bj. 1980) und die 2018 an eine Gleisbaufirma in Italien verkaufte frühere D 22 (MaK, Typ G 1100 BB, Bj. 1972) über einige Jahre die Hauptlast dieser Verkehre getragen. Es gab aber auch immer wieder Einsätze der anderen Loks, so dass ich in letzten 13 Jahren insgesamt acht unterschiedliche Loks vor den Ölzügen zu sehen bekam.
Das bevorstehende Ende der Ölzüge ist denke ich Grund genug, noch einmal zurückzublicken. Von den Ölzügen zwischen Emlichheim und Osterwald habe ich leider erst seit 2008 Aufnahmen angefertigt, von denen ich euch eine chronologische Auswahl hier zeigen möchte. Da die meisten Bilder in den vergangenen zwei Jahren entstanden sind, platziere ich den Bericht hier.
Bild 1: Am 03.01.2008 habe ich den Ölzug zum ersten Mal fotografiert. Erwischt habe ich ihn mit der D 25 (Jung, ex-DB 211 345, Bj. 1962, Ende 2015 Verkauf an Aixrail, Aachen) auf der Emlichheimer Hafenbahn, die in diesem Bereich parallel zur Emslandstraße verläuft. Der Ölzug kommt von der Ölverladestelle der Wintershall Dea und ist auf dem Weg zum Emlichheimer Bahnhof. Ich erinnere mich noch gut an die Aufnahme, war es doch an diesem Tag wegen eines unangenehmen Windes bitterkalt in der Niedergrafschaft.
Bild 2: Bis zur nächsten Aufnahme hat es unverständlicherweise sechs Jahre gedauert. Am 31.01.2014 war ausnahmsweise die D 20 (Krauss-Maffei aus München-Allach, Bj. 1965, ex-DB 221 147, ex-OSE 416, ex-PEG, seit 2008 BE, 2020 Verkauf an Flex Bahndienstleistungen, Leipzig, Umlackierung in grün) auf der Hafenbahn im Einsatz, was wohl auch darin begründet war, dass man mit Presse unterwegs war. Die Grafschafter Nachrichten hatten zusammen mit der BE eine Mitfahrt verlost, der junge Gewinner schaut gerade aus dem hinteren Führerstand. Von dieser Fahrt zeige ich euch ein paar Bilder mehr, zumal die D 20 selten am Ölzug zu beobachten war.
Bild 3:
Den Zug habe ich südlich des Bahnübergangs „Berger Feld“ vor Esche an einem landwirtschaftlichen Gehöft erneut erwischt und festgehalten.
Bild 4:
Während die D 20 in Esche umgesetzt hat, bin ich parallel zur Anschlussbahn Richtung Osterwald gefahren. Der Ölzug wurde erneut festgehalten, wie er parallel zur Straße „Zum Escher Feld“ Richtung Ölverladestelle in Osterwald fährt. Heute kann man hier kein Bild mehr ohne Windkraftanlage machen, so schnell hat sich das geändert.
Bild 5:
Hier befindet sich die D 20 auf der Rückfahrt zum Bahnhof Esche, der Bahnübergang „Berger Weg“ wurde gerade passiert. Die Lok wird in Esche abgestellt, um am späten Nachmittag die Leergarnitur aus Osterwald wieder abzuholen und nach Emlichheim zurück zu bringen.
Bild 6:
Landwirtschaft und Bentheimer Eisenbahn, zwei relevante Faktoren in der Grafschaft auf einem Bild. Ob der Traktor hier noch im Einsatz ist? Die D 20 hat sich leider aus der Grafschaft verabschiedet und kurvt mittlerweile im Osten Deutschlands herum.
Bild 7:
Nun wechseln wir zum 30.12.2015. An diesem Tag hatte die ehemalige D 22 Dienst und war gerade mit ihrem Ölzug aus Emlichheim in Esche auf dem Kreuzungsgleis angekommen. Die Lok wird nun umsetzen…
Bild 8:
… und den Ölzug über die Grubenanschlussbahn nach Osterwald ziehen.
Bild 9:
Seltsamerweise habe ich den Ölzug bevorzugt im Dezember und Januar umgesetzt. So auch am 27.01.2017, als die ehemalige D 22 mit ihrem Ölzug gerade den Bahnübergang „Berger Feld“ zwischen Hoogstede und Esche passiert hat.
Bild 10:
An der Anschlussbahn steht schon eine Windkraftanlage, heute ist hier ein ganzer Windpark. D 22 ist auf dem Weg zur Ölverladeanlage in Osterwald.
Bilder 11+12: Die Tage zwischen Weihnachten und Silvester waren wohl bei mir besonders beliebte Ölzugtage, auch der nächste Besuch vom 29.12.2017 fällt in diesem Zeitraum. An diesem Tag war noch mal die ehemalige D 21 (Deutz, Baujahr 1962, ex-DB 211 125) im Einsatz, die ich mit dem Ölzug kurz vor dem Bahnübergang „Zum Uhlenberg“ umgesetzt habe. Die V 100 war bereits an AIXrail verkauft und noch mal für einige Monate bis Mitte Februar 2018 von der BE per Leihgeschäft in der Grafschaft eingesetzt worden.
Bild 13:
Wenig später hat D 21 den Bahnhof Esche erreicht und wird hier über das Durchgangsgleis umsetzen.
Bild 14:
Hier passiert die D 21 mit ihrem Ölzug an der Anschlussbahn den Bahnübergang „Ölstraße“ kurz vor der Ölverladeanlage in Osterwald.
Bild 15:
Erfreulicherweise kann ich aber nicht nur Winter sondern auch Herbst, sonst wäre mir der Ölzug mit D 23 am sonnigen 24.09.2018 kurz vor dem Bahnübergang „Berger Feld“ glatt durch die Lappen gegangen. Bisschen Spaß muss sein…
Bild 16:
Allmählich erreichen wir aktuelle Zeitdokumente. Die Wintershall Dea berichtete bereits im Sommer 2020 per Pressemitteilung über die anlaufenden Bauarbeiten zur Errichtung der Pipeline zwischen den Emlichheimer Erdölabbaugebieten und der Ölverladeanlage in Osterwald und kündigte die Fertigstellung für das Frühjahr 2021 an. Somit sollten die Ölzüge noch mehr in das Visier des „Münsterländer Eisenbahnjägers“ gelangen, der am 21.09.2020 die Umsetzaktion der nach wie vor bei der BE im Einsatz befindlichen D 24 (MaK, Typ Bo’Bo‘, Bj. 1983) in Esche über das Hauptgleis fotografisch festhielt.
Bild 17:
Wenig später hat der Zug den Bahnhof Esche verlassen und wird gleich den Bahnübergang „Berger Weg“ queren. Ich vermute mal, dass sich die Angabe 09 auf dem Hektometerstein der Anschlussbahn auf den Beginn der Kilometrierung im Bahnhof Esche beziehen wird.
Bild 18:
In den letzten Monaten war überwiegend die D 5 vor den Ölzügen im Einsatz, so auch am 25.01.2021. Hier steht sie auf ihrem Stammparkplatz im Ausweichgleis in Esche und wartet darauf, am späten Nachmittag den Leerwagenpark aus Osterwald wieder abzuholen. Der Zweiwegebagger zeugt von den seinerzeit laufenden Kabelkanalarbeiten an der Strecke.
Bild 19:
Aufgrund dieser Kabelkanalarbeiten war die Strecke zwischen Emlichheim und Neuenhaus tagsüber gesperrt, so dass ich für den zweiten Zug des Tages extra noch einmal in die Niedergrafschaft fahren musste. Bei meiner Rückankunft in Esche stand der Zug bereits abfahrbereit auf dem Hauptgleis. Leider hatte der Lokführer das Spitzenlicht noch nicht eingeschaltet.
Bilder 20+21:
Das Fotolicht schwächelte dann schon mächtig, aber die Restlichtsammelaktion reichte (zumindest in meinen Augen) gerade noch, um den Ölzug zwischen den Bahnübergängen „Zum Escher Feld“ und „Zum Uhlenberg“ in lohnenswerter Weise festzuhalten. Die kleine D 5 finde ich übrigens einfach nur niedlich, aber sie wurde nur in einer Miniauflage von 10 Stück gebaut und verfügt über keine PZB-Ausrüstung. Mal schauen, wie es mit ihr weitergeht.
Bild 22:
Am 20.04.2021 war vor den Ölzügen mal wieder eine D 21 im Einsatz, hier ist sie in Esche zu sehen. Allerdings handelte es sich nicht um die oben gesehene V 100 sondern um die 3. Besetzung dieser Loknummer und damit um eine der beiden G 2000 BB, die aktuell die Hauptlast der BE-Verkehre tragen. Die D 21 wurde von Vosslohn 2008 gebaut und war bei der Rurtalbahn als V 204 im Einsatz. Anfang 2018 ist sie zur Bentheimer Eisenbahn gekommen.
Bild 23:
Kurz vor Emlichheim habe ich die Lok erneut bei schönem Licht erwischt, ansonsten schreit einen das Bild aus motivlicher Sicht nicht gerade an. Ich wollte halt mal was anderes machen…
Bild 24:
Wer auf diesem Bild von der Emlichheimer Hafenbahn den Lokführer auf der D 21 sucht, der sucht vergeblich, denn der Lokführer ist mit seiner Fernsteuerung vorne auf dem ersten Kesselwagen. Im Zusammenhang mit Weichenbauarbeiten wurde der nachmittägliche Leerwagenzug zur Ölverladestelle der Wintershall Dea in Emlichheim geschoben. Damit handelt es sich hier sozusagen um einen Nachschuss. Ich hoffe, ihr nehmt es mir nicht übel… ;-)
Bild 25:
Auf diesem Bild ist die Ankunft des geschobenen Leerwagenparks an der Ölverladestelle im Emlichheimer Gewerbegebiet zu sehen.
Bild 26:
Zwischenzeitlich wurde der 30.06.2021 als Endedatum für die Ölverkehre gehandelt. Angesichts des sich abzeichnenden Endes stand am 14.05.2021 der nächste Besuch der Niedergrafschaft an. Leider war das Wetter an diesem Freitag sehr bescheiden, aber aus beruflichen Gründen bin ich terminlich nicht wahnsinnig flexibel. So wurde die D 5 tapfer bei Dauerdröppeln in der Nähe von Esche vom Bahnübergang „Zum Escher Feld“ aus festgehalten.
Bild 27:
Auch in Esche wirkten sich die Weichenarbeiten auf den Betriebsablauf aus und so zog die Lok den Zug über die südliche Weiche des Durchgangsgleises hinaus, um den Zug dann anschließend Richtung Osterwald per Fernsteuerung schieben zu können.
Bilder 28+29:
Schiebeaktion der D 5 im Bahnhof Esche
Bild 30:
Nachdem die D 5 an diesem 14.05.2021 ihre vollen Kesselwagen in Osterwald abgegeben hatte, kehrt sie zu ihrem Parkplatz in Esche zurück. Im Hintergrund sind noch die Anlagen der Ölverladung der Wintershall Dea in Osterwald zu sehen.
Bild 31:
Den Abschluss meines Bilderbogens machen die Bilder vom 07.06.2021. An diesem Montag hatte ich aufgrund einer Familienfeier am Sonntag Urlaub und meine Diszipliniertheit am Vortag erlaubte mir einen Besuch des Ölzuges bei hochsommerlichen Wetter. So konnte ich den Ölzug noch einmal kurz vor Esche am Bahnübergang „Zum Uhlenberg“ fotografieren, wobei der Sonnenstand mir noch eine Aufnahme von der südöstlichen Bü-Seite gestattete. Nicht das ihr sagt, das sind immer die gleichen Motive… ;-)
Bild 32:
Das Abschlussbild habe ich dann an der Anschlussbahn von der Ölstraße aus gemacht. Die kleine D 5 schob nur sieben Kesselwagen und hat bald die Ölverladeanlage in Osterwald erreicht. Zwischenzeitlich hat die Anzahl der Windkraftanlagen zugenommen, dafür nahm die Anzahl der Kesselwagen am Ende ab.
Mit dem Wegfall der Ölzüge verliere ich leider ein zumindest bei mir beliebtes Fotomotiv, zumal die Züge in der Regel zu festen und recht verlässlichen Zeiten fuhren. Und wo gibt es noch solchen Güterzugverkehr in der Fläche? Im Münsterland jedenfalls wie in vielen anderen Regionen leider nicht. Schade war nur, dass die Verkehre nicht vor meiner Haustüre stattfanden, aber so blieben die Besuche immer etwas Besonderes!
Natürlich gibt es gute Gründe für die Wintershall Dea, das Ganze jetzt über die Pipeline abzuwickeln, keine Frage! Die BE verliert hingegen mit dem Wegfall der Ölzüge eine nicht unbeträchtliche und sichere Tonnage. Angesichts der vielen Projekte der BE kann man aber fest davon ausgehen, dass das Team schon fleißig an Alternativen zur Kompensation arbeitet. So sieht es ja zum Beispiel bei der Verlängerung des SPNV bis Coevorden schon sehr gut aus (
ASM-Homepage). Bislang hat man es bei der BE immer wieder in bewundernswerter Weise verstanden, sich auf veränderte Rahmenbedingungen einzustellen und alternative Konzepte zu entwickeln, die eine gedeihliche Weiterentwicklung des Unternehmens gewährleisteten.
Das soll es von mir für heute gewesen sein. Ich hoffe, euch hat der Ausflug in die Niedergrafschaft gefallen und wünsche euch eine angenehme und -leider muss man das angesichts der schlimmen Ereignisse in letzter Zeit sagen- starkregenfreie Sommerzeit.
Schöne Grüße aus dem Münsterland
Wilhelm
2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2021:07:23:16:52:38.