Was so ein kleiner, nerviger Zeitgenosse doch so alles anrichten kann. Hätte sich zu Beginn der Fastenzeit jemand vorstellen können, sieben Wochen ohne öffentlichen Verkehr auszukommen? Natürlich ist das nichts weiter als Winseln auf hohem Niveau, zumal sich der chronistisch tätige Vierbeiner bislang nicht über Mängel in Gesundheit, Fressnapfbefüllung und Beschäftigung beklagen kann. Da hat mancher sicherlich mehr zu knaubeln – sofern man dazu überhaupt noch in der Lage ist.
Andererseits verfolgt man angesichts der Fallzahlen und ihrer Entwicklung inzwischen die Strategie eines vorsichtigen Wiederhochfahrens. Das muss natürlich geübt werden. Was liegt näher, dies auf der
steilsten Standseilbahn, auf der regelspurige Eisenbahnfahrzeuge befördert werden können, zu tun? Mit dieser Planungsskizze röhrte unlängst der Kollege Elch eines Abends durch die Telefonleitung. Und verursachte damit am anderen Ende ein deutliches Schwanzwedeln.
Die Vorbereitungen zu dieser Aktivität der gesundheitsamtlichen Kategorie „sportliche Betätigung an der frischen Luft“ gestalten sich unter den gegebenen Rahmenbedingungen etwas anders als sonst. So läuft der Prozess der Fahrplanerstellung nicht kollektivbehopft, sondern fernmündlich. Und für den Fall einer Überbesetzung (gemäß jeweils geltender Definition) in den genutzten öffentlichen Verkehrsmitteln gilt die Planungsprämisse, dass dann operativ auszuweichen oder abzubrechen ist.
Zur Anreise nach Rottenbach hat sich meine Wenigkeit bei
der örtlich zuständigen Trassenvergabestelle eine Ad-hoc-Trasse bestellt, berechnet für einen Fußpedaltriebwagen der Baureihe FT 73 in Bremsstellung V. Da es letztens
eine intensive Diskussion über das Für und Wider der Veröffentlichung von betrieblichen Fahrplanunterlagen gab, lasse ich die übermittelte Fplo hier lieber weg. Entscheidend ist ja schließlich der verkehrliche Nutzen – und der ist mit einer Ankunft am Bahnhof Rottenbach um 12.10 Uhr und damit leicht vor Plan zweifelsohne gegeben.
Pfoto 1: Innovative WegWeisung zum BahnHof? Nein, es gibt da seit Sommer 2019 eine verkehrsgünstig gelegene und auch inhaltlich empfehlenswerte
Nahversorgungseinrichtung.
Kurze Zeit später trifft auch Kollege Elch im Bahnhof ein. Auf seiner Kontrollfahrt durchs Saaletal hat er unter anderem geprüft, ob die unterwegs angetroffenen Hamster die geltende Nies-Etikette einhalten. Es besteht wohl deutlicher Nachschulungsbedarf, wenn ich ihn durch die angelegte Maul-Schnauzen-Bedeckung richtig verstanden habe.
Pfoto 2: Vor der Begrüßung kommt die Kontrolle der geltenden Abstandsregeln. Dazu hat Kollege Elch das mitgeführte klappbare Handspurmaß auf einen Sollwert von 1.520 mm eingestellt. Die hierzulande dominierende Regelspur ist leider geringfügig zu schmal.
Mit uns finden sich der Triebfahrzeugführer und drei weitere Reisende ein – also kein Grund für einen hygienesichernden Fahrtabbruch.
Pfoto 3: Endlich wieder mal
in Bechstedt-Trippstein vorbeigeschnüffelt. Die Nasenuhr am Empfangsgebäude scheint vorbildlich restauriert.
Pfoto 4: In Schwarzburg dagegen wird über die aktuelle Uhrzeit auf, ähm, innovative Weise informiert.
Pfoto 5: Im Bahnhof Sitzendorf-Unterweißbach kreuzt Kollege Fuchs.
In der hiesigen Bahnhofsgaststätte gibt es Mittagessen zum Abholen und Zu-Hause-Verzehren. Klingt verlockend und ist fürs Überleben dieses Gastronomiebetriebs sicherlich wichtig. Aber wir haben noch keinen Hunger. Und nach Hause wollen wir auch noch nicht. Also bleiben wir im Zug und fahren zur Auffrischung der Streckenkunde auf der Schwarzatalbahn auf kompletter Länge mit. Außerdem – so mutmaßt Kollege Elch während der Wendezeit am Endbahnhof Katzhütte – dient dieser Programmpunkt als konfrontationstherapeutische Maßnahme für Reisende, die von gelegentlichen Katerphobien betroffen sind. Meint der damit etwa mich? Rrrh...
Die Zeit bis zur Abfahrt reicht gerade so, um einmal kurz die Pfote in die Schwarza zu halten. Brrr.
Pfoto 6: Ups, waren wir das etwa?
Auf der Rückfahrt teilen wir den Wal nur mit dem Triebfahrzeugführer. Gelegenheit für einen Blick auf die coronabedingten Schutzmaßnahmen, die die Oberweißbacher Berg- und Schwarzatalbahn eingeführt hat.
Pfoto 7: Praktizierte Abstandshaltung zum Fahrpersonal bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung wesentlicher Teile der Fahrgastinformation.
Ach ja, und wir erreichen in Kürze Obstfelderschmiede.
Pfoto 8: Den Wal lassen wir schwarzaabwärts weiterschwimmen.
Pfoto 9: Die Bergbahn empfängt uns mit offenen Türen, an denen die aktuell geltenden Zugangsbedingungen veröffentlicht sind. Wenn jetzt noch 13 andere Reisende eintreffen würden, wäre „voll“.
Zur Abfahrtszeit erscheint jedoch nur der Bergbahnführer, der sichtlich und hörbar erfreut darüber ist, endlich mal wieder mehr als lauwarme Luft befördern zu dürfen. Freilich wird die Kommunikation durch die anwesenden Mund-, Nasen-, Maul- und Schnauzenbedeckungen nicht wirklich gefördert.
Pfoto 10: Kurzer Rückblick: Die erste Hälfte des „vorsichtigen Wiederhochfahrens“ ist geschafft.
18 Minuten später und 323 Meter höher heißt es erneut: Umsteigen.
Pfoto 11: Die letzten Höhenmeter bis zur Flachstrecke liegen im Verantwortungsbereich des geneigten Fahrgastes.
Gemeinsam mit den anwesenden Zugpersonalen schaffen wir es, den Bahnhof Lichtenhain an der Bergbahn vorübergehend mit insgesamt vier, äh, Personen zu bevölkern. Was wäre hier in normalen Zeiten los...
Pfoto 12: Auf der Flachstrecke wird es so richtig schön plüschig. Und wir dürfen den Zweiachser abschnittsweise mit zwei weiteren Fahrgästen teilen.
Pfoto 13: Unsere Ausfahrt wird kritisch beobachtet vom Cabriowagen der Bergbahn, dem Olitätenwagen der Flachstrecke und einem gedeckten Güterwagen (v. r. n. l.).
Pfoto 14: Die Älteren unter uns kennen
diesen Wagen wahrscheinlich noch als „Bistropa“. Wie alle gastronomischen Einrichtungen ist auch er seit Mitte März 2020 geschlossen.
Pfoto 15: Darauf sind wir natürlich vorbereitet. Auf die innere Immunisierung!
Entlang der Strecke wird mindestens eine der hölzernen überdachten touristischen Sitzbänke mit Tisch entlang der Strecke durchaus zahlreich genutzt. Sicherlich gehören alle Anwesenden demselben Hausstand an – wobei eine solche Abgrenzung im ländlichen Raum wohl eher fließend ist. Meine Wenigkeit hätte ja als praxisorientierte Bezugsgröße gleich das Rudel empfohlen.
Pfoto 16: Aus deren Perspektive dürfte unsere Vorbeifahrt etwa so aussehen.
Pfoto 17: Cursdorf. Dieser Zug endet hier. Bitte alle aussteigen. Und bitte endlich die Maske runter. Endlich!
Unter dem Einfluss ungefilterter Frischluft nehmen wir die letzte Etappe des Projekts „Vorsichtiges Wiederhochfahren“ in Angriff, wobei „Fahren“ jetzt wohl nur in der Bergmannssprache zutreffend ist – es geht auf zweimal vier Beinen weiter. Durch das scheinbar weitgehend ausgestorbene Cursdorf hecheln wir hinauf auf den Kirchberg. Größere Bekanntheit dürfte dieses Fleckchen aufgrund des dort errichteten Fröbelturms besitzen. Dessen Namensgeber und Pädagoge
Friedrich Wilhelm August Fröbel hat sich u. a. als Erfinder des Kindergartens einen Namen gemacht. Diese Einrichtungen teilen mit dem Fröbelturm selbst derzeit bekanntermaßen dasselbe Schicksal : Geschlossenheit.
Pfoto 18: Also erfolgen Aussicht und Ausschank auch hier individuell. Es sind ja auch nur wir beide da. Das praktizierte Anstoßverfahren zwingt uns kurzzeitig zur Verhüllung der durstigen Kehlen. Aber keine Sorge: Der anschließende Behopfungsvorgang beeinträchtigt die Trockenheit und damit die Funktionsfähigkeit der Masken nicht. Na gut, nicht wesentlich.
Der Weg hinunter nach Oberweißbach verläuft über den Skihang. Hier ist die diesjährige Skisaison dem Vernehmen nach nicht durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie beendet worden.
Pfoto 19: An dieser Stelle folgt das obligatorische (wenn auch immer mal wieder vergessene) Rätsel des Tages: Welche der hier genannten Einrichtungen ist in Betrieb? Zu gewinnen gibt es bei falscher Antwort einen Anpfiff vom Platzwart.
Pfoto 20: Kaum sind wir am – nein, nicht Sportplatz – angekommen, bricht der schon vom Mittag bekannte Zweiachser aus dem Gebüsch.
Die Ortskundigen werden sicher einwenden, dass wir hier ja gar keinen in Richtung Lichtenhain und die Bergbahn fahrenden Zug sehen. Das, äh, ist sehr fein beobachtet. Für die direkte Abreise befinden wir uns gerade in der „falschen“ Viertelstunde. So kriegt uns der Bahnhof Cursdorf eben heute noch mal zu sehen. Und wir verhelfen einer weiteren planmäßig erbrachten Fahrt zur Verkehrsbedeutung.
Pfoto 21: Noch einmal genießen wir die Aussicht in Richtung Westen – über das Schwarzatal hinweg nach Herschdorf, der Heimat des heutigen mobilen Behopfungsmittels, und zum dahinterliegenden Langen Berg, hinter dem wiederum heute baubedingt keine Weißwürste durch den Berg rasen.
Noch einmal freuen wir uns mit dem Bergbahnführer im Aufsetzwagen auf der Güterbühne, für 18 Minuten zusammen am Seil zu hängen. Und noch einmal begeben wir uns freiwillig in den Bauch des Wals – diesmal in den anderen Umlauf des Tages.
Pfoto 22: In Rottenbach angekommen, heißt es Abschied nehmen (fernschnief). Kollege Elch dackelt im ganz links zu sehenden Fachwerkhaus nach Saalfeld und weiter heimwärts.
Meine Wenigkeit rüstet den Fußpedaltriebwagen auf und stellt die Abfahrbereitschaft her. Dabei fällt mein Blick auf ein infrastrukturelles Kleinod, das wir mittags auf dem Hinweg wohl total übersehen haben:
Pfoto 23: Aber selbstverfreilich, Kollegen. ;-)
Einfach so lässt man mich aber nicht aus dem Schwarzatal entkommen:
Pfoto 24: Am Bahnübergang in der Rottenbacher Ortsmitte will der Wal noch mal ins Bild.
Bis zur heimischen Hundehütte sind es jetzt noch etwa dreieinhalb Stunden Fahrt in schönster Abendsonne und mit mäßigem Seitenwind. Ja, ein konditionell ertüchtigter Verkehrsteilnehmer würde das sicher schneller hinkriegen. Und noch schneller – um ziemlich genau zweieinhalb Stunden – wäre die Alternative „Eisenbahn“ gewesen. Die wird ganz sicher wieder bei der Verkehrsmittelwahl berücksichtigt, sobald die Umstände es erlauben. Für heute bleibt es bei einem fröhlich-fertigen „Hechel-hechel“ aus der Hundehütte.