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[AT] Regelstellwerk 5007 und Siemens-Type 3500c

geschrieben von: hmmueller

Datum: 10.10.20 13:58

Das Stellwerk 5007 war ja das - 1909 eingeführte - mechanische Regelstellwerk der k.u.k. österreichischen Monarchie und damit auch in der Republik Österreich und den vielen Nachfolgestaaten der Monarchie. Die Typenbezeichnung der Konstruktionsfirma Siemens & Halske Wien für diese Stellwerkstype war allerdings, was viele nicht wissen, 3500c. Ich habe heute das Kapitel "Die Signal- und Sicherungstechnik" von Peter Schmied aus dem Buch "Die Eisenbahnen in Österreich - Offizielles Jubiläumsbuch zum 150jährigen Bestehen" von 1986 eingescannt, das auf ca. 45 Seiten diesen Teil der Eisenbahntechnik beschreibt. Hier ist der Ausschnitt, der diese Typenbezeichnungen erklärt:

http://www.hmmueller.de/Scans_x560/1988_DieEisenbahnenIn%C3%96sterreich_DieSignalUndSicherungstechnik_PSchmied_S238.jpg

Wenn jemand Interesse hat, kann ich gern das ganze PDF (mit einer ganzen Menge von Schwarzweiß-Bildern von Stellwerken der Bauarten 12SA, 439, SBW500, 5007, aber auch von elektromechanischen und Dr-Stellwerken) zur Verfügung stellen - mir dafür bitte eine P.N. schicken; aus Copyright-Gründen möchte ich es nicht einfach hier verlinken.

H.M.

==== Von Stellwerken und anderen Maschinen: [stellwerke.blogspot.co.at] - Meine Eisenbahnliteratur ====




5-mal bearbeitet. Zuletzt am 2020:10:10:14:05:01.

Re: [AT] Regelstellwerk 5007 und Siemens-Type 3500c

geschrieben von: aba

Datum: 11.10.20 11:17

Hallo,

schon interessant, dass da jede Verwaltung schon damals ihr eigenes Ding machte (wobei Siemens ja auch in Deutschland Systemlieferant wurde). :)

Gab es große Unterschiede zu dem in Deutschland üblichen, oder ist das vor allem im Detail anders?


Danke + Viele Grüße,
Andi

Re: [AT] Regelstellwerk 5007 und Siemens-Type 3500c

geschrieben von: hmmueller

Datum: 11.10.20 13:30

aba schrieb:
schon interessant, dass da jede Verwaltung schon damals ihr eigenes Ding machte (wobei Siemens ja auch in Deutschland Systemlieferant wurde). :)

Gab es große Unterschiede zu dem in Deutschland üblichen, oder ist das vor allem im Detail anders?
Darauf kann man eigentlich nur mit einem 1000-seitigen Buch antworten :-) - das ist ein komplexe Geschichte, und ich weiß selbst viel zu wenig dazu. Aber ganz generell, und nur zu mechanischen Stellwerken:

* In den "reichsdeutschen" Ländern - also denen, die sich 1871 zum deutschen Reich zusammenschlossen - und der Schweiz waren die zwei "Platzhirschen" Jüdel aus Braunschweig und die Maschinenfabrik Bruchsal vormals Schnabel & Henning mit ihren verschiedenen Typen, die aber weitgehend - wie dann letztendlich auch die Einheitstype - auf dem grundlegenden Büssing-Patent mit schwingenden Verschlussbalken und massivem Veschlussregiser basieren; daneben natürlich Stahmer, Zimmermann und Buchloh und eine ganze Reihe weiterer. Auch Siemens & Halske Berlin bot seine Type 3414 in Deutschland an, kam aber kaum zu Zug. Einige Strecken rund um Berlin wurden allerdings damit ausgestattet, und es gibt eine nette Geschichte zu einem der letzten im Wilhelmsruh (im Abschnitt "3. Die Besonderheiten ...") wegen der für Deutschland untypischen Grundstellung der Hebel nach unten.

"Systemlieferant" war Siemens insofern bei mechanischen Stellwerken in D und CH nicht - das begann erst mit den elektromechanischen Stellwerken (deren Entwicklung ja auch bei S&H Wien begann, für Prerov an der KFNB). Bei den Blockwerken war Siemens allerdings in D, CH, der k.u.k. Monarchie und auch NL oder Polen (und Russland? - da habe ich kein Wissen dazu, aber vermute es) nahezu Monopolist. Jüdel in D und Hasler in CH hielten für manche Zwecke, u.a. im Bereich der Bahnhofsblockung, dagegen, deren Typen wurden aber nur bei einzelnen deutschen Länderbahnen in Süddeutschland und Sachsen (oder? - da kenn ich mich nicht so aus) eingesetzt.

* In der ganzen k.u.k. Monarchie, am Balkan, aber auch in der Niederlanden und teils in den skandinavischen Ländern war hingegen Siemens & Halske (zumindest ein) führender Lieferant für mechanische Stellwerke, dort vor allem mit der (meiner Meinung nach - aber ich kenne keinen Beleg dafür - noch von S&H Berlin konstruierten) Type 3414 mit den für Siemens typischen Knebeln.
Wohl kurz nach 1900 wurde von S&H Wien - also nicht dem Stammwerk in Berlin - für Rumänien eine neue Type 3500 entwickelt, mit neuer Hebelbank- und Hebelkonstruktion und vor allem grundlegend verbesserter Verschlusslogik, aus der sich dann über eine Zwischentype 3500a die Type 3500c = 5007 entwickelte.

Alle diese S&H-Typen weichen schon sehr weit von denen weitgehend "Büssing-basierten" in Deutschland und der Schweiz ab; nach der Besetzung Österreichs durch Hitlerdeutschland schrieb der österreichische Scherungsanlagenfachmann W. Biesok 1941 einen langen Artikel, in dem er den "deutschen Kollegen" die österreichischen - und damit auch tschechischen usw. - Anlagen nahebrachte. Er beginnt mit dem Satz: "Die Entwicklung der Sicherungs- und Streckenblockanlagen hat in der alten Monarchie Österreich-Ungarn eine von den in Deutschland geltenden Grundsätzen z.T. wesentlich abweichende Entwicklung genommen, ...". Einerseits sind das so offensichtliche Unterschiede wie
- die durchgängige Grundstellung der Hebel nach unten,
- die Verwendung von Ketten (und nicht Drahtseilen) an den Hebeln, an Umlenkrollen und an den Antrieben,
andererseits konstruktive Details wie etwa
- die viel kleineren ("feinmechanischen") Verschlussregister mit rotierenden (nicht schwingenden) Verschlusselementen
- oder auch das vollkommene Fehlen von Spannwerken, beides mit u.a. der Konsequenz viel kleinerer und billigerer Stellwerksgebäude (die Spannwerke in D und CH haben ja zwei Funktionen: (a) Nachspannen der Drähte bei Temperaturänderungen; das wurde bei den Siemensstellwerken durch "tolerantere" Signal- und Weichenantriebe erreicht; (b) Mitwirkung beim Signalhaltfall und der Weichenendlagesicherung bei Drahtriss; hier hat Siemens grundlegend andere Antriebe konstruiert, die diese Anforderungen "lokal im Antrieb" erfüllen).
Rein "österreichisch" ist (aber das betrifft nun schon die elektrische Ausstattung) die durchgängige Anwendung der Gruppenblockung in Befehlswerken (nach den Vorschlägen des Univ.Prof. Martin Boda aus Prag) statt der in Deutschland üblichen (eigentlich "halben") Einzelblockung, die i.d.R. größere Blockwerke erfordert; oder die Anwendung der Farben grün und schwarz in Blockfeldern; oder auch die enge Verzahnung von Strecken- und Bahnhofsblockung (z.B dient i.W. das Be-Feld am Stellwerk beim Rückblocken zugleich als "Endfeld").

... soviel als Überblick, was mir so einfällt - eine ganze Menge habe ich sicher vergessen, was man auch noch erwähnen könnte. Über Details können wir gern diskutieren - wobei mein Wissen auch eine Mischung aus "abgeschaut und selbst gedacht" (und daher nicht immer und überall korrekt) und natürlich angelesen ist. Im meinem Stellwerksblog kannst Du eine ganze Menge von Bildern und Erklärungen dazu finden, wenn's Dich interessiert.

H.M.

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4-mal bearbeitet. Zuletzt am 2020:10:11:13:46:26.

Re: [AT] Regelstellwerk 5007 und Siemens-Type 3500c

geschrieben von: aba

Datum: 11.10.20 21:59

hmmueller schrieb:
... soviel als Überblick, was mir so einfällt - eine ganze Menge habe ich sicher vergessen, was man auch noch erwähnen könnte. Über Details können wir gern diskutieren - wobei mein Wissen auch eine Mischung aus "abgeschaut und selbst gedacht" (und daher nicht immer und überall korrekt) und natürlich angelesen ist. Im meinem Stellwerksblog kannst Du eine ganze Menge von Bildern und Erklärungen dazu finden, wenn's Dich interessiert.
Vielen Dank für die interessante Antwort!


Viele Grüße,
Andi

Re: [AT] Regelstellwerk 5007 und Siemens-Type 3500c

geschrieben von: bahnplaner

Datum: 15.10.20 12:09

Hallo!

Das Fehlen der Spannwerke ist aber nicht auf den Stellwerkstyp, sondern auf die damals höchst fortschrittliche Signalbauart kkStB 1912 zurückzuführen. Die besaß einen auch einen deppensicheren Rückfallmechanismus im Falle eines Stelldrahtbruches; wesentlich moderner als z.B. die preußischen u. bayerischen Bauarten.

Das 5007 konnte übrigens auch recht simpel mit elektrischen Weichen und vor allem mit GWB nachgerüstet werden. Alles in allem den anderen Siemens-Bauarten (sowie natürlich Jüdel u. Bruchsal) weit überlegen.

Gruß vom bahnplaner

Re: [AT] Regelstellwerk 5007 und Siemens-Type 3500c

geschrieben von: hmmueller

Datum: 15.10.20 14:32

bahnplaner schrieb:
Das Fehlen der Spannwerke ist aber nicht auf den Stellwerkstyp ... zurückzuführen
Stimmt natürlich - meine lange Antwort ist vom eigentlichen Thema "Stellwerk(styp)" auf generelle Unterschiede "Monarchie - Deutschland" abgeschweift.

bahnplaner schrieb:
... höchst fortschrittliche Signalbauart ... wesentlich moderner ... weit überlegen ...
Kann man natürlich so sehen. Ich habe mir allerdings sehr abgewöhnt, solche Werturteile zu geben (ein berüchtigtes ist etwa die Doppeldrahtleitung in Mitteleuropa - die nebenher auch Siemens erfunden hat - vs. die Einzeldrahtleitungen für Signale in den meisten anderen Ländern). J.Pachl hat da ein wunderbares Zitat gefunden ...

Konkret zu den Signalen: Lies einmal das Protokoll der VDEV-Technikerversammlung von 1913 in Triest - da wurde über die Frage diskutiert, ob bei einem Drahtriss zwischen Stellwerk und Einfahrsignal auch das Vorsignal zurückfallen soll. Wenn ich mich richtig erinnere, waren die Meinungen der 40 oder so Bahnverwaltungen, die sich äußerten, etwa 50:50 geteilt (eher etwas mehr dafür, dass das Vorsignal mit auf Warnung fallen sollte). Das lässt sich mit der Siemens'schen Lösung, die den Haltfall nur am Signal realisiert, nicht erreichen - sehr wohl aber mit einem gemeinsamen Drahtzug und einem Spannwerk, das den Draht genügend nachzieht. Ich hielte es für falsch, die eine oder andere Lösung hier "besser" oder "überlegen" zu nennen - sie erfüllen einfach verschiedene Anforderungen, die von verschiedenen Bahnverwaltungen an ihr Signalsystem gestellt werden.

Interessanterweise hat Siemens seine Signale mit Sicherheitshebeln im 19. Jahrhundert in der Schweiz verkauft (sagt Wägli in seinem Buch, mit Fotos); trotzdem haben sich dort die Semaphore mit Stellrinnenantrieb, von Jüdel und Bruchsal gebaut, ziemlich durchgesetzt - es muss schon auch mit reiner Marktmacht zu tun haben ...

(Noch ein anderes, modernes und wie ich finde interessantes Beispiel ist, um richtig heftig abzuschweifen, der deutsche und österreichische Sonderweg des Ersatzsignals - sowas gibt es sonst nirgends auf der Welt. Ist das nun "besser" oder nicht?).

H.M.

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