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[CH]: Ein Sommertag auf dem Pilatus

geschrieben von: Urs Nötzli

Datum: 01.10.19 22:25

Ein Sommertag auf dem Pilatus

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Bild 1
Der Reisende, welcher mit der Zahnradbahn auf den Luzerner Hausberg Pilatus will, fährt mit dem Zug der Zentralbahn nach Stansstaad und wird an der Station sehr schnell den Abfahrtsort der Pilatusbahn erkennen. Meine Frau und der Schreibende taten dies bei vollständig bedecktem Mittelland am 21. August 2019, in der Hoffnung, dass trotzdem die Sonne durchbrechen möge . . . Auf dem zwischen den beiden Stationen liegenden Platz wurden die Bahnfahrgäste an offenen Schalter empfangen, wo man sich die Fahrausweise erstehen konnte. So gab es an der Station weniger Gedränge - keine schlechte Idee und zudem von aufgestelltem Personal fröhlich und auch mit Spass behandelt!

Klar, dass man anstehen musste, aber dies dauerte nicht lange, die Anschlüsse sind auf die Brünigbahn abgestimmt und die Bahn fährt im Takt, teilweise mit bis zu vier Triebwagen hintereinander. Als Interessierter suchte ich natürlich Plätze im untersten Coupé, möglichst bergseitig - was auch gelang.

Da ich schon vor etlichen Jahren für den SEAK eine Exkursion dorthin organisiert hatte, kannte ich die Bahn schon relativ gut. Solche organisierte Besichtigungen übernimmt die Pilatusbahn mit viel Engagemant, uns führte selbst der Betriebsleiter und da lagen auch eine Depotbesichtigung drin, sowie auf der Mittelstation Aemsigen ein Apero auf der Brücke und wir konnten dort auch die Fahrstrassen und Weichen selber stellen! Was - Weichen?
Solche gibt es auf der PB keine, alles sind Drehscheiben und Schiebebühnen, weil das Zahnstangensystem übliche Weichen praktisch verunmöglicht. Schon in der Talstation (440 m ü. M.) wundern sich viele Besucher, dass unten plötzlich ein Triebwagen vom hintern zu vorderen Gleis seitlich anzufahren kommt - auf einer Schiebebühne!

Die am 4. Juni 1889 eröffnete und ab dem 15. Mai 1937 elektrisch betriebene, mit 1650 Volt gespiesene, auf 800 mm-Spur, 480 ‰ Steigung fahrende und nur 4,27 km lange Pilatusbahn bietet trotzdem dem interessierten Bahnnutzer einiges!


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Bild 2
Bereits am Bahnhof abgefertigt steigt es rabiat bergan, dies fast dauernd mit 480 ‰, was nur mittels Seilbahn oder mit dem Zahnstangensystem Locher möglich ist. So gesehen sind wir jetzt auf der "Ausfahrweiche" - oder doch besser "Ausfahrschiebebühne", kann man doch hier einerseits aus den Stationsgleisen 1 und 2, sowie ab dem Depot die Strecke erreichen . . .


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Bild 3
Da wir im letzten der vier Trebwagen sassen, konnte ich auf der Kreuzungstation Aemsigen auch die ausfahrenden Triewagen beobachten, dabei musste natürlich die Schiebebühne richtig gestellt werden. Der Stellvorgang nach unserer Einfahrt wird mit gelben Warnblinker angezeigt, erst nach der Endstellung und dem erlöschen des Blinkers geht das Ausfahrsignal auf Fahrt. Der Triebwagen Bhe 2/2 22 fährt mit gesenktem Stromabnehmer und bremst nur elektrisch, verheizt dabei die Energie in den Widerständen oder in den Fahrzeugheizkörpern.


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Bild 4
Blick zurück auf die Station Aemsigen (1355 m ü. M.) mit der darüber führenden Brücke.


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Bild 5
Oberhalb Aemsigen trafen wir auf eine Baustelle. Der Kollege links unten schleppt einen Dieselgenerator auf seinen Schultern! Scheinbar hat sich hier die Toleranz der Distanz Schienenoberkopf bis Zahnstange an die Grenzen des Zulässigen verandert und muss nun korrigiert werden, wie dies der Lokführer erklärte. Mehr dazu später auf dem Pilatus . . .

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Bild 6
Nachdem wir die Baumgrenze überschritten haben - pardon, stimmt doch gar nicht: Wir haben sie überfahren, folgt die mächtige Felswand wo das Gleis in den Berg gehauen und Tunnels erstellt werden mussten. Sie nennt sich "Eselswand", weil der Bergspitz darüber "Esel" heisst.


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Bild 7
Bei der Einfahrtsweiche zur Station Pilatus Kulm arbeiter ein PB-Mitarbeiter. Hier ist die Weiche drehbar, Jetzt ist der Teil oben, welche dem rechten Strang für unsere Ausfahrt dient oben, der linke Strang wird beim Wenden von unten nach oben gedreht, also um die eigene Achse. Der Fachausdruck ist "Gleiswender".


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Bild 8
Vom "Oberhaupt" aus ist die Sicht Richtung Süden über das Matthorn mit seinem Gipfelkreuz mit einem Nebelmeer beeindruckend. Als dann noch ein Alphorn ertönte, ist das Gipfelerlebnis perfekt, das Gipfelkreuz fast Symbol für Schweizer Alpenwelt.


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Bild 9
Etwas weiter unten auf dem Weg erkennen wir vorn das Hotel/Restaurant Kulm mit der Zahnradbahnstation, auf der Gegenseite jene der Luftseilbahn ab Kriens, darüber der Gipfel des "Esel" und rund um den Pilatus ein besonnenes Nebelmeer über dem Mitteland.


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Bild 10
Soeben fährt einer der PB-Triebwagen aus der Station Pilatus Kulm nach Alpnachstaad ab. Die Station befindet sich auf 2073 m ü. M.


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Bild 11
"Frächi Siächä", sage ich jeweils! Die Bergdolen sind so frech und stibitzen den Gästen sogar Essbares aus dem Teller! Sie merken genau, wann sie beobachtet werden und wann nicht! Nützen jede Chance! Es sind ganz schlaue Tiere und herrliche Luftakrobaten.


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Bild 12
Eine Seilbahnkabine bei der Einfahrt in die Bergstation.


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Bild 13
Der Antrieb eines Bhd 1/2 (auch als H 1/2 bezeichnet) an einem auf der Station Pilatus Kulm ausgestellten Modells.


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Bild 14
Ein wesentliches Merkmal der PB ist, dass die Zahnstangen nicht vom oben gegriffen, sondern seitlich eingegriffen wird. Als Aufsteigeschutz in solchen Steigungen dient unterhalb des Zahnkranzes und der Zahnstange eine als Spurkranz eingreifende Scheibe.
Über dem Zahnrad ist die Klinkenbremse eingebaut. Und beim Modell noch vorhanden, die Radsätze mit aussenliegenden Spurkränzen. Solche werden heute aber gar nicht mehr aufgezogen, die Radsätze sind heute nur noch als "flache" Rolle eingebaut. Es braucht schlicht und einfach gar keine Spurkränze, da die seitliche Führung durch die beidseits eingreifenden Zahnkränze übernommen wird!


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Bild 15
Eine grosse Schautafel auf dem Pilatus zeigt, wie früher die Dampftriebwagen unterwegs waren. Zwei gibt es noch, einen im Verkehrshaus der Schweiz, der andere im Technischen Museum München.


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Bild 16
Auf der Talfahrt gleich oberhalb des "Fleimentunnel" überquert der Triebwagen eine in der Kurve liegende Brücke und der Nebel steigt auf - meist ein gutes Zeichen, da nacher vielfach eine bessere Talsicht möglich wird.


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Bild 17
Es folgt das "Eselwand-Tunnel" sowie das durch eine Galerie verlängerte "Rosegg-Tunnel". Hier erschaudern viele Fahrgäste, weil die Eselwand fast senkrecht unter dem Bahntrasse liegt. Es gibt auf der ganzen Strecke Abschnitte, wo der Wagenkasten über die Felswände hinaus stehen.


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Bild 18
Aus der Führerstandssicht: "Eselwand-Tunnel" mit nachfolgendem Galerieteil des "Rosegg-Tunnels" mit vorausfahrendem, grün signalisierendem Vorläufer. Die Sonne drückt schon durch!


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Bild 19
Kurz unterhalb der "Eselwand", im oberen Bereich der "Aemsigenplanggen": Nichts mehr von Sonne, wieder Nebel, aber trotzdem eine interessante, immer wieder wechselnde Stimmung.


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Bild 20
Deutlich an der Baustelle zu sehen: Der Überhang der Fahrzeuge gegenüber dem "Abgrund". Zugleich werden die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter des Bausdienstes deutlich: Hier zu arbeiten ist kein "Schleck"! Wenn man Glück hat, ist Wasser in der Nähe, schleppen muss man es teilweise trotzdem vor Ort.


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Bild 21
Grosse Augen machte ich, als ich in Aemsigen das rechts abgebildete Fahrzeug erblickte! Es handelt sich um den 1982 abgelieferten Xhm 1/2 32, welcher als erster der Vorläuferzüge nach dem Pilatus fahren wird.


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Bild 22
Etwas irritierend mag man den seitlich versetzten Führerstand betrachten, aber der "Zweiunddreissiger" muss ja als Dienstfahrzeug vor allem für den Betrieb und die Mitarbeiter möglichst praktisch sein. Der gut sichbare Laufgsteg wird für den Fahrgastwechsel auf der früher kein Fahrgastverkehr möglich war, heute aber doch einem Bedürfnis entspricht, benötigt.
Unten im Tal ist der zum Vierwaldstättersee gehörende Teil Alpnachersee mit hinten sich befindlichem Stansstaad (ehemals Ausgangspunkt für die Stansstaad - Engelberg-Bahn) zu erkennen.


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Bild 23
Die talseitige Aemsiger Schiebebühne beim Umstellvorgang, nachdem der letzte rechts vorbeigefahrende Zugsteil in der Station eingefahren ist. Der Warnblinker leuchtet und die Fahrgäste des vorlaufenden Triebwagens beobachten ungeduldig den Vorgang, um wieder talwärts fahren zu können.



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Bild 24
Unser Vorläufer hat soeben auf der gemauerten Brücke den Wolfortbach überquert und versteckt sich alsbald im Wolfort-Tunnel.


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Bild 25
Bei Km 1,3 befindet sich ein Schaltposten auf 889 m.ü.M.


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Bild 26
Aus dem Obseewald erblicken wir die zb-Station Alpnachstaad mit einem durchfahrenden "Luzern - Interlaken-Express" ABeh 150 "Adler" , welcher mit einem dreiteiligen Verstärkermodul am Zug, ABeh 160 "Fink", in Richtung Giswil unterwegs ist.


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Bild 27
Im Depotareal wird scheinbar im Freien an einem der Bhe 1/2 gearbeitet.


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Bild 28
Einfahrt in die Talstation Alpnachstaad mit der Schiebebühne in der Stellung am Perrongleis 1.

Die Technik der Pilatusbahn-Triebwagen werden in einem Buch in limitierter Auflage von Werner Tschudin, Mitarbeiter der PB, anschaulich und detailliert beschrieben:
"Die Triebwagen der Pilatus-Zahnradbahn, Technik und Geschichte",
2007, Platinum-Verlag, c/o Famo-Druck AG,
Schulhausstrasse 7,
CH-6055 Alpnach Dorf

Ob das Buch noch erhältlich ist, enzieht sich meiner Kenntnisse!

Urs Nötzli

Re: [CH]: Ein Sommertag auf dem Pilatus

geschrieben von: tkautzor

Datum: 02.10.19 00:02

Hallo Urs,

Danke für die interessanten Bilder!

Ich war genau ein Monat später in Alpnachstad um Xhm 1/2 32 zu fotografieren, er ist an dem Tag 2x hinaufgefahren.

Gruss, Thomas.

Re: [CH]: Ein Sommertag auf dem Pilatus

geschrieben von: dampfrentner

Datum: 02.10.19 09:49

Sehr schöner Bericht von einer technisch sehr interessanten Zahnradbahn. Vielen Dank fürs Einstellen! Schöner kann man es eigentlich gar nicht präsentieren!

Grüße aus Hersbruck

Werner

Re: [CH]: Ein Sommertag auf dem Pilatus

geschrieben von: Chardonnay

Datum: 02.10.19 10:04

Wunderbar, Erinnerungen werden wach!

Re: [CH]: Ein Sommertag auf dem Pilatus

geschrieben von: Urs Nötzli

Datum: 03.10.19 20:32

dampfrentner schrieb:
Sehr schöner Bericht von einer technisch sehr interessanten Zahnradbahn. Vielen Dank fürs Einstellen! Schöner kann man es eigentlich gar nicht präsentieren!

Grüße aus Hersbruck

Werner
Grüezi Werner,

muss Dir da widersprechen: Man kann es noch besser machen - und ich würde es gerne tun! Aber: Mein Rücken und vor allem meine Knie machen da im Gebirge nicht mehr so mit, wie ich es mir wünschte . . .
Ich freue mich aber immer, wenn Andere dies übernehmen und sich Mühe machen, tolle Fotostandpunkte aufzusuchen! Mir geht es im Wesentlichen darum, zu zeigen, was Bahnen alles leisten, was sie bieten, mit welchen Möglichkeiten usw. sie sich bewegen. Bahnen können Erlebnisse bieten - auch wenn man nicht fotografiert oder filmt! Bei jeden Besuch einer Bahn, einer Strecke und dergleichen, lerne ich wieder Neues, Interessantes kennen. Jede Bahn, jeder Bahnhof usw. haben Spezialitäten!
Musste schon Privatbahndepotchef davon überzeugen, als sie meinten, dass ihre Bahn nichts besonderes vorzuzeigen hätte: Ich wisse aus eigener Privatbahn-Erfahrungen dass jede Bahn irgendwelche Spezialitäten hätte. Der frühere Depotchef der Frauenfeld - Wil - Bahn willigte dann ein, uns zu empfangen und - alle Teilnehmer waren begeistert! Er führte uns das Verladen von Normalspurwagen auf Rollschemmel vor, wir konnten die Radsätze praktisch berühren, den Mechanismus aus allernächster Nähe beobachten. Weiter zeigte er uns an den Sandbehälter der Triebwagen eine Höhenkontrollvorrichtung für den Sandstand, welcher aus Plexiglas bestand und durch den geladenen Sand nicht zerkratzt oder matt wurde. Habe bisher Solches nur bei den nun verkauften FW-Triebwagen gesehen - eben: Kostengünstige Privatbahnlösung!

Und: Das Verrückte daran ist, dass ich - fast zu meinem Leidwesen - immer wieder auf mir Unbekanntes stosse und dann dies begründet haben möchte. Und der Zufall tritt ein, wenn man genau einen der beteiligten Mitarbeiter so nebenbei kennen lernt!

Mit freundlichen Grüssen aus Zürich
Urs