Der Befund des Rechnungshof-Prüfers ist, nach ausführlicher Recherche, vernichtend: "Es wird", sagt Oskar Herics, zumindest bis zum Jahr 2040 keine gesamthaft funktionierende Strecke geben. Es ist auch nur eine sehr eingeschränkte Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße in den Bahntunnel zu erwarten. Alles, was wir bisher sehen, ist ein nationaler Fleckerlteppich, es fehlen ein Gesamtkonzept und die gemeinsame Umsetzung."
Vor allem der weit gediehene Bau des 64 Kilometer langen Brenner-Basistunnels zwischen Innsbruck und dem Südtiroler Franzensfeste ist ein zehn Milliarden schwerer Schildbürgerstreich. Denn um die Kapazitäten des Tunnels, der laut der Errichtungsgesellschaft BBT-SE in neun Jahren fertiggestellt sein soll, nutzen zu können, bräuchte es funktionierende "Zulaufstrecken" in Deutschland und Italien. Bei seiner Recherche kam Herics zur Erkenntnis, dass sich genau hier aber wenig bis gar nichts rührt: "Es gibt in Deutschland und teilweise in Italien weder konkrete Trassenplanungen noch Kostenschätzungen. Wir haben an vielen Stellen gefragt und sind nirgendwo fündig geworden."
Tatsächlich gibt es nicht mehr als fromme Absichtserklärungen - und Eingeständnisse, dass die nötigen Zulaufstrecken, zumindest jene in Deutschland, so bald nicht kommen werden. Alexander Dobrindt, bis vor kurzem Verkehrsminister des Nachbarlandes, verkündete bei einer Protestversammlung lärmgeplagter Bahnanrainer in Rosenheim einen "Neustart des Bürgerdialogs". Was so viel bedeutet wie jahrelange Diskussionen, Raumordnungs-, Planfestellungs- und Gerichtsverfahren sowie, so Dobrindt, einen "Baubeginn frühestens in 20 Jahren". Was eine Fertigstellung vor dem Jahr 2050 undenkbar macht.
Zitat:Ähnlich ungeklärt ist die Situation im italienischen Sektor. Die Trasse vom Tunnelportal bis Verona müsste, um "systemkompatibel" zu sein, ebenfalls auf weite Strecken untertunnelt werden. Die Baukosten beliefen sich für die 180 Kilometer auf grob geschätzte zehn Milliarden Euro. Abgesehen davon, dass Italien mit 132 Prozent Staatsschuldenquote am finanziellen Abgrund spazieren geht, hat die Trasse für die römische Regierung nicht wirklich Priorität; die Bahnhöfe an der Strecke sind für die geplanten zwei Kilometer langen Güter- Fern-Schnellzüge sowieso ungeeignet und müssten völlig neu adaptiert werden.
Es ist dieses Unverhältnis zwischen deutschem und italienischem Stillstand und österreichischer Übereifrigkeit, das den Prüfer erregt. "Ich bin wirklich betroffen und frage mich, wie die Europäische Union ihre Projekte in Zukunft umsetzen will", sagt Herics: "Die Frage ist, ob die EU überhaupt imstande ist, große, transnationale Projekte zu verwirklichen." Eine Verzögerung des Projekts wäre halb so schlimm, wären nicht bereits etliche Milliarden aus Brüssel wie auch aus dem österreichischen Budget für das Projekt ausbezahlt beziehungsweise fix budgetiert.
"Der Lkw-Transport ist zu billig, es bräuchte, um den Tunnel zu füllen, zumindest eine EU-weite Lkw-Mindestmaut, sagt VCÖ-Sprecher Christian Gratzer. Doch genau davon ist die EU weit entfernt. Gigantische Lkw-Staus im Inntal, Blockabfertigung, ewiger Transit-Streit mit Deutschland sind logische Konsequenz. Drohungen, "Lkw-Obergrenzen" oder "Alpentransitbörsen" einzurichten, waren im Tiroler Wahlkampf permanent zu hören -und bleiben doch nur leere Ankündigungen. Trucker brettern zu Dumpinglöhnen unter ausländischer Billig-Flagge und ohne Grenzkontrollen mit - tolerierten - 90 km/h über die Autobahnen, während Bahnlokomotiven an den Grenzen ebenso getauscht werden müssen wie die beamteten, teuren Lokführer.
Schon Mitte März wird EU-Rechnungshofkontrollor Herics der Verkehrskommissarin seine brisanten Infos zum Projekt persönlich mitteilen. "Es wird im Abschlussbericht bis zu zehn konkrete Empfehlungen geben", verspricht er. Brisant ist der Zeitpunkt seiner Intervention jedenfalls: Als Folge des Brexits wird das nächste EU-Budget um mindestens zwölf Milliarden Euro schrumpfen, der Verteilungskampf um die verknappten Fördermittel hat längst begonnen. Klar ist: Bei allen zukünftigen Förderzusagen will die EU mehr denn je den "EU-Mehrwert" im Mittelpunkt sehen und nicht nationale Interessenpolitik subventionieren.
Droht also im nächsten EU-Budget eine empfindliche Kürzung der versprochenen EU-Brenner-Gelder? Muss Österreich sein Tunnelbauwerk stoppen oder zumindest bremsen? Herics ist da überraschend offen. "Ausschließen würde ich gar nichts", sagt der Kontrollor, "denn schließlich werden hier viele Milliarden Euro nicht wirkungsvoll eingesetzt. Bis hin zu einem möglichen Vertragsverletzungsverfahren ist alles offen."
geschrieben von: Railfan
Datum: 13.03.18 10:27
geschrieben von: ehemaliger Nutzer
Datum: 13.03.18 12:17
Als erstes könnte man Bahnverladung von Wörgl bis Südtirol anbieten und parallel dazu die Paßmaut verzehnfachen. Nicht als eine Schikane, sondern als eine notwendige Umweltmaßnahme im Rang deutscher Fahrverbote für Diesel-PKW. Die EU-Umweltbehörde würde bestimmt genauso positiv drauf anspringen wie die Umweltminister von Deutschland, Bayern, Österreich und Italien. Auch bei Volksabstimmungen in beiden Teilen Tirols fände das sicherlich eine Mehrheit. Spannend ist nur, was der EU-Rechnungshof dazu sagen würde. Vielleicht 'unwirtschaftlich' für die LKW-Branche, der die Behörde verpflichtet ist?Es mag zwar wirtschaftlich nicht optimal sein, aber es ist vernünftig, nicht den ganzen Korridor innert kurzer Zeit zu bauen. Der Korridor kann jetzt in Abhängigkeit der Verkehrsentwicklung realisiert werden.
geschrieben von: Avala
Datum: 13.03.18 16:43
geschrieben von: Ennstalsportzug
Datum: 14.03.18 14:24
Da sehe ich allerding schon viel Raum für andere Interpretationen. Die Kritik im Kern ist nicht neu. Der europäische Gerichtshof betrachtet die freie uneingeschränkte Fahrt für LKWs als ein Menschenrecht und bewertet dieses in rechtskräftigen Urteilen höher als den Gesunheitsschutz der Bevölkerung. Damit sind Maßnahmen zur Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene nur sehr eingeschränkt möglich (und meiner Meinung nach offensichtlich in Wahrheit politisch nicht gewollt). Und daran wird der BBT nichts ändern.Die Konsequenz von dem, was man da liest, wäre als Forderung abgeleitet, dass sich ganz genau gar nichts tut...
geschrieben von: RhB WR 3811
Datum: 14.03.18 22:12
geschrieben von: ehemaliger Nutzer
Datum: 15.03.18 10:51
Als 'Umweltbehörde' könnte diejenige Stelle gelten, die aus Umweltgründen Dieselfahrverbote anmahnt. Und irgendetwas mit unvermeidlich notwendigen Kosten teuer machen, ist in einer Marktwirtschaft wirklich kein Problem.Welche EU-Umweltbehörde? Außerdem: schon was von der EU-Wegekostenrichtlinie gehört?
geschrieben von: ehemaliger Nutzer
Datum: 15.03.18 13:41
geschrieben von: LittleJoe4
Datum: 15.03.18 18:06
Da sind wieder die üblichen Heimatkämpfer in Bayern am Werk. [www.welt.de] Hier ein zitat aus [www.salto.bz] :Die Frage ist ja noch eine andere: der Tunnel muss erst einmal fertiggestellt werden... und bis dahin...sind dann auch die Zulaufstrecken in Planung bzw. Ausbau..So ein Projekt braucht schon 20 Jahre...in Italien sowieso aus anderen Gründen...
geschrieben von: leofink
Datum: 16.03.18 07:48
Na na! Was soll denn das? Aus Schweizer Sicht kann ich dir aber sagen, dass die Italiener durchaus nicht die Letzten sind, was den Ausbau anbelangt.Die Frage ist ja noch eine andere: der Tunnel muss erst einmal fertiggestellt werden... und bis dahin...sind dann auch die Zulaufstrecken in Planung bzw. Ausbau..So ein Projekt braucht schon 20 Jahre...in Italien sowieso aus anderen Gründen...
geschrieben von: LittleJoe4
Datum: 16.03.18 20:00
geschrieben von: citta dei sassi
Datum: 16.03.18 20:44
Ist die Eigentumsgrenze nicht in Iselle? Und ja, über italienisch Bahnhöfe darf man Streiten, aber es hat einen gewissen Charm und meist doch noch die Infrastruktur die man erwartet wie eine Bar mit Trafik und der Möglichkeit eine Fahrkarte zu erweben auch wenn hier und die Farbe fehlt.dann verweise ich mal auf die Modernisierungsarbeiten am Simplontunnel und den Zustand des Bahnhofs Domodossola...da ist noch viel Luft nach oben...
geschrieben von: Wrzlbrnft.
Datum: 17.03.18 13:35
LittleJoe4 schrieb:Ist die Eigentumsgrenze nicht in Iselle? Und ja, über italienisch Bahnhöfe darf man Streiten, aber es hat einen gewissen Charm und meist doch noch die Infrastruktur die man erwartet wie eine Bar mit Trafik und der Möglichkeit eine Fahrkarte zu erweben auch wenn hier und die Farbe fehlt.dann verweise ich mal auf die Modernisierungsarbeiten am Simplontunnel und den Zustand des Bahnhofs Domodossola...da ist noch viel Luft nach oben...
geschrieben von: Hauptmann Mumm
Datum: 19.03.18 11:50
Man sollte sich was das angeht m.E. nicht immer nur auf zusätzliche Gleise Kufstein-Rosenheim fixieren, sondern etwas großräumiger denken.Tatsächlich gibt es nicht mehr als fromme Absichtserklärungen - und Eingeständnisse, dass die nötigen Zulaufstrecken, zumindest jene in Deutschland, so bald nicht kommen werden.
geschrieben von: bollisee
Datum: 05.04.18 21:24
Ist doch ganz einfach, direkt vor der deutschen Grenze ein Verladeterminal. Dann bekommen die Bayern die Brummis und die Özis die Züge. Wenn sich dann die Bayern beschweren sollten über die vielen LKWs, dann können sie sich ja direkt beim bayrischen Bundesverkehrsminister beschweren. Definitiv schläft ja seit 9 Jahren im Bundesverkehrsministerium jeweils mindestens ein Bayer. Können die Betroffenen ganz direkt selber an der Wahlurne abstrafen, was ja dem Rest der Republik nicht vergönnt ist.Auf der Webseite trend.at wurde über den Bericht des europäischen Rechnungshofes berichtet - und der attestiert dem Brenner-Basistunnel keine gute Note.
Zitat:Der Befund des Rechnungshof-Prüfers ist, nach ausführlicher Recherche, vernichtend: "Es wird", sagt Oskar Herics, zumindest bis zum Jahr 2040 keine gesamthaft funktionierende Strecke geben. Es ist auch nur eine sehr eingeschränkte Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße in den Bahntunnel zu erwarten. Alles, was wir bisher sehen, ist ein nationaler Fleckerlteppich, es fehlen ein Gesamtkonzept und die gemeinsame Umsetzung."
Vor allem der weit gediehene Bau des 64 Kilometer langen Brenner-Basistunnels zwischen Innsbruck und dem Südtiroler Franzensfeste ist ein zehn Milliarden schwerer Schildbürgerstreich. Denn um die Kapazitäten des Tunnels, der laut der Errichtungsgesellschaft BBT-SE in neun Jahren fertiggestellt sein soll, nutzen zu können, bräuchte es funktionierende "Zulaufstrecken" in Deutschland und Italien. Bei seiner Recherche kam Herics zur Erkenntnis, dass sich genau hier aber wenig bis gar nichts rührt: "Es gibt in Deutschland und teilweise in Italien weder konkrete Trassenplanungen noch Kostenschätzungen. Wir haben an vielen Stellen gefragt und sind nirgendwo fündig geworden."
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