Es gibt das boshafte geflügelte Wort, dass die ÖBB der DB alles Schlechte mit einigen Jahren Verzögerung nachmacht. Diesmal ist es wieder so weit, es geht um die neuen Tarifbestimmungen für die Nachtzüge, abrufbar auf [
www.oebb.at].
Die ÖBB stellt mit Fahrplanwechsel alle Nachtzüge (ausgenommen Wien - Warschau/Krakau) auf Globalpreise um. Derzeit sind nur die Nachtzüge nach Italien globalpreispflichtig. Diese Idee wurde von der DB abgeschaut, die diese Idee vor circa 10 Jahren hatte und wegen Misserfolges inzwischen wieder aufgegeben hat.
Hingewiesen wurde bereits in [
www.drehscheibe-foren.de] vor einiger Zeit hier im Forum. Es betrifft leider nicht nur die Nachtzüge in die Schweiz, sondern auch die nach Deutschland.
Der Tarif ist auf typische ÖBB-Art leider von eher unterdurchschnittlicher Qualität, folgende Änderungen ergeben sich:
* Es wurden alle Preistafeln entfernt, die Preise werden dynamisch festgelegt.
* Es ist weiterhin erlaubt, mit "normalen" Fahrscheinen im Tagesrandverkehr im Sitzwagen mitzufahren, leider ist nirgendwo definiert, was Tagesrandverkehr bedeutet.
* Sommer- und Seniorentickets sind in Nachtzügen nicht gültig.
* Liege- und Bettplätze kann man nur mit Globalpreisen buchen
* Ermäßigung mit Rabattkarten gibt es nur noch, wenn das Land, in dem die Karte ausgegeben wurde, befahren wird. Mit BC gibt es also in den Zügen in die Schweiz keine Ermäßigung mehr.
* Für Inhaber einer ÖC wird in Zukunft ein Globalpreis namens "Partial Pass" ausgestellt
* Inhaber von Pässen bekommen einen speziellen Globalpreis namens "Pass".
* Die Teilstrecke Deutschland gibt es weiterhin, aber die Definition bleibt unsauber.
* Die Schlafwagenkategorie T4 gibt es laut Tarif nicht mehr.
* Es wird weiterhin nicht zwischen Single und Special bzw. Double und T2 unterschieden, was bei Zügen mit unterschiedlichen Schlafwagentypen die Leute irritiert.
Dadurch ergeben sich folgende Nachteile:
* Es besteht kein Buchungsschluss, weswegen Upgrades im Zug wohl nicht mehr möglich sein werden, obwohl das laut Punkt 6 angeblich möglich ist.
* Kunden mit einem NRT-Fahrschein zum Vollpreis werden nicht verstehen, wieso sie nicht oder wenn überhaupt nur im Sitzwagen mitfahren dürfen.
* Die Sparschiene (TEE) wird konterkariert. Für Fahrten von Wien nach Amsterdam war bis jetzt eine Sparschiene Wien - Amsterdam und ein Aufpreis für den WL von Wien bis Frankfurt oft die beste Lösung. Das ist in Hinkunft nicht mehr möglich. Besonders bei den Zügen in die Schweiz wird das für Verärgerung sorgen, denn die Schweiz ist plurizentrisch und nicht jeder will nach Buchs (SG) oder Zürich. Fahrten von Graz über Linz nach Deutschland mit dem 490 bzw. 420 werden wohl empfindlich verteuert. Das ist auch nicht im Sinne des Erfinders.
Ich vermute übrigens, dass die DB für diese beiden Züge weiterhin NRT + Aufpreis verkaufen wird. Bei der DB hat man erkannt, dass Globalpreise nicht ins System passen und verkauft sogar bei Fahrten in Globalpreishochburgen wie Schweden, Italien, England NRT + Aufpreis. Dabei hat man sogar so gut verhandelt, dass man bestimmte Trenitalia-Binnenzüge und den Eurostar (!) durchgehend ab Deutschland mit NRT + Aufpreis abfertigen kann.
* Bei Fahrten über den Endpunkt des Nachtzuges hinaus fallen die Fahrgäste möglicherweise um ihre Railplus-Ermäßigung um. Besonders auf kleinen Bahnhöfen wissen die Kassiere oft nicht, dass z.B. bei einem Fahrschein von Zürich nach Genf Railplus möglich ist, sofern dieser Teil einer internationalen Reise ist und man mit einem Globalpreis-Nachtzug nach ZH anreist.
* Fahrten mit ÖC nach Zürich dürften sich extrem verteuern, derzeit kostet ein NRT-Fahrschein mit Railplus von Buchs SG nach Zürich 20,40 Euro. Nächste Woche kostet ein "Partial Pass" von Wien nach Zürich 45 Euro. Die Aufpreise für Liege- und Schlafwagen werden geringfügig billiger.
Als Vorteil fällt mir ein, dass Fahrten mit dem 490/420 nach Deutschland für Inhaber einer ÖC billiger werden können. Diese bekommen derzeit "nur" die VC-Ermäßigung, in Zukunft "Partial Pass", was wohl unter dem VC-Preis liegen wird. Ein weiterer Vorteil ist, dass alle Schlafwagenkategorien in Zukunft mit Pässen oder Österreichcards 2. Klasse benützt werden können.
Weiterhin mit NRT + Aufpreis abgefertigt wird offenbar im "Chopin" nach Warschau und seinem Kurswagen nach Krakau sowie im Lisinski München - Zagreb. Eventuell handelt es sich aber auch um Redaktionsversehen.
Im Dacia gelten schon seit letztem Jahr Globalpreise, die aber nicht so streng gehandhabt wurden (NRT + Aufpreis war möglich, aber oft teurer als der Globalpreis). Über den Dacia, der im neuen Fahrplan übrigens täglich verkehrt, schweigt sich der Tarif aus.
Die Kurswagen nach Moskau fahren in Zukunft nicht mehr mit dem "Chopin" nach Bohumin, sondern als eigener Zug D 100. Diese werden auf Betreiben der RZD ebenfalls auf Globalpreise umgestellt. Diese fehlen aber genauso im Tarif wie der Moskau-Nizza-Zug und die CNL von München nach Italien.
Über die Motivation und die Auswirkungen kann man jetzt nachdenken. Die DB ist mit diesem Modell eingefahren und hat es rückgängig gemacht. Eine Tarifvereinfachung ist ein Sondertarif für einige wenige Nachtzüge jedenfalls nicht. Wenn es darum gegangen wäre, hätte man sich die DB zum Vorbild nehmen müssen.
Wenn es darum gegangen wäre, die Einnahmen zu erhöhen, wäre eine "Anpassung" der Aufpreise möglich gewesen, außerdem hätte man bei Nachtzügen die billigsten Preisstufen der Sparschiene (TEE) sperren können. So macht es die DB beim EN "Metropol" Berlin - Budapest. Die billigsten Europa-Spezial-Preisstufen gibt es auf dieser Strecke nur in den EC-Zügen tagsüber.
Man wird sehen, wie lange diese Tarife gültig bleiben. Ich gebe ihnen kein langes Dasein. Übrigens halte ich das für einen großen Nachteil des FIP-Systems, die Aushecker solcher Maßnahmen kommen damit kaum selber in Kontakt.
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2013:12:11:18:06:38.