Hallo,

zugegeben: eine ganz neue Neuigkeit ist diese Neuigkeit nicht. Aber irgendwie war bisher noch nichts darüber zu lesen, obgleich er nun schon fast eine Woche läuft: einer der größten Schienenersatzverkehre, die jemals in Deutschland stattgefunden haben. Doch mag der Umstand, dass es dazu bislang noch keine "Chaos!!!"-Meldungen gab ein Indiz dafür sein, dass er bislang recht gut gelaufen ist:

Der SEV Höllental.

Rund 20.000 Fahrgäste werden arbeitstäglich auf der größtenteils eingleisigen Höllentalbahn aus dem Hochschwarzwald nach Freiburg befördert. An schönen Wochenenden ist es umgekehrt, wenn halb Südbaden in den Schnee am Feldberg bzw. im Sommer zur Abkühlung an den Titisee fährt. Während die Zentrale der Deutschen Bundesbahn die Gebirgsbahn einschließlich der in Titisee abzweigenden Dreiseenbahn zum höchsten DB-Bahnhof Deutschland noch stilllegen wollte, gelang der damaligen BD Karlsruhe durch Rationalierungsmaßnahmen den Erhalt der Strecken. Voraussetzung dafür, dass die gut besetzten Züge auf der Strecke längst alle halbe Stunde fahren. Geblieben ist der eindrucksvolle Aufstieg aus dem Rheintal in die Berge, über die Steilstrecke und mitunter durch mehrere Klimazonen: während man in Freiburg bereits im Café vor der Tür sitzen kann, wird eine dreiviertel Zugstunde später noch Ski gelaufen.

Nun wird das gesamte Netz S-Bahn-mäßig ausgebaut. Seit dem 01. März und noch bis zum 30. September 2018 sind die Höllental- und die Dreiseenbahn Freiburg - Titisee - Neustadt/Seebrugg für den Umbau komplett gesperrt. Am 01. Mai 2018 wird auch der Diesel-Abschnitt weiter nach Donaueschingen gesperrt und bis ins Jahr 2019 hinein quasi komplett neu gebaut und elektrifiziert.

Als Ersatz für die Züge wurde ein Groß-SEV auf die Beine gestellt. In mehr als zweijähriger Vorbereitungszeit entstand ein Konzept, welches möglichst viele Verkehrsbedürfnisse erfüllt und den Reisenden nicht mehr Umstände zumutet als unbedingt erforderlich.
Nicht weniger als 40 Busse sind für den SEV erforderlich, größtenteils niederflurige Gelenkbusse - zusätzlich zum normalen Linienverkehr, der natürlich unverändert weiter läuft. Während man die Busse noch "irgendwie" zusammen bekommt, ist die Akquise von Fahrpersonal eine echte Herausforderung. In Baden-Württemberg herrscht de facto Vollbeschäftigung. Außerdem fährt die SWEG im Kaiserstuhl gerade auch einen SEV. Doch dazu später mehr.

Das Konzept sieht fünf Linien vor, die auf genau definierten Laufwegen und mit genau definierten Haltekonzeptionen laufen:
- eine Expressbuslinie A Neustadt - Titisee - ohne Halt - Freiburg
- ein Eilbuslinie B Neustadt - Titisee - Hinterzarten - Himmelreich - Kirchzarten - Freiburg
- eine Verstärkerbuslinie C Kirchzarten - Freiburg
- ein "Quartiersbus" D Kirchzarten - Freiburg-Littenweiler - Freiburg-Wiehre
- eine Buslinie E Titisee - alle Halte - Seebrugg
- sowie ab Mai eine Buslinie F Donaueschingen - Döggingen - Löffingen - Rötenbach - Neustadt
An den wichtigen Stationen stehen Disponenten des DB Südbadenbus zur Koordination der Busse/Anschlusssicherung und zur Reisendeninformation. Diese Kollegen haben auch Kontakt zur Leitstelle, welche wiederum die jeweiligen Positionen der Fahrzeuge kennt.

Die Linien sind auch eindeutig-auffällig als "A", "B", "C" usw. ausgeschildert - sowohl an den Fahrzeugen als auch an Fahrplänen, Haltestellen etc.. Der Kunde braucht sich also eigentlich nur seine Linie zu merken und einzusteigen.
Was es mit dem Kieler Bus neben der Ulmer Windmühle auf sich hat erfahrt ihr gleich. Gruß an dieser Stelle an den netten Fahrer, der für das Foto dann doch auf die 20 Euro Gebühr verzichtet hat... Überhaupt läuft der ganze SEV nach meiner Beobachtung unglaublich entspannt - sowohl beim Personal als auch bei den Fahrgästen.




Grundsätzlich fahren alle Linien im 30-min-Takt, viele Kurse mit zwei oder mehr Bussen. Tatsächlich gab es bislang auch in der dicksten HVZ keine Kapazitätsprobleme!

Der erste Tag begann so, wie man es sich für den Start eines derartigen Verkehres eigentlich nicht wünscht: Am frühen Morgen begann es oben im Schwarzwald kräftig zu schneien. Eine Herausforderung vor allem für jene Personale, die mit diesem weißen Zeugs nicht wirklich vertraut sind: Sogar aus dem fernen Griechenland wurde Fahrer für diese Verkehre gewonnen!
Die Nicht-Ausschilderung dieses Busses war noch eine Ausnahme, das hat sich rasch geändert. Aufnahmen aus Hinterzarten, 885 m.ü.NN.




Auch zahlreiche Nicht-DB-Busunternehmen aus Nah und Fern stellten Fahrzeuge und/oder Fahrpersonal zur Verfügung.
An Nicht-DB-Unternehmen wurden Busse aus Tübingen, aus Pforzheim, aus Karlsruhe und aus dem sächsischen Pirna gesichtet.




Zur Busgenerierung spielte die DB den Vorteil eines großen Konzerns aus:
Alle Busse, die zentral für die Regionalbusgesellschaften beschafft werden, aber noch nicht sofort an ihren künftigen Einsatzorten gebraucht werden, gehen erst einmal in den Schwarzwald! So sind neben den südwestdeutschen Fahrzeugen u.A. nagelneue Busse für den Busverkehr Märkisch Oderland, die Autokraft Kiel und des Ostwestfalen-Lippe-Bus unterwegs.
Hier ein MAN der Busverkehr Märkisch-Oderland und Werbung für die "Polizei für Kinder Brandenburg" auf der "Quartiersbus"-Linie D, die nur mit Solobussen befahren wird. Aufnahme aus Kirchzarten.



Die Ostsee grüßt den Titisee!





In Neustadt kommen die Züge auf dem Hausbahnsteig an, um die Umsteigewegen zum Bus zu minimieren.




Von Neustadt bis Donaueschingen fahren noch Züge - bis Ende April. Dann gehört auch dieser Abschnitt den Zweiwegebaggern und Umbauzügen. Ob die beiden Güterzüge, die mir in Löffingen entgegen kamen, nach Abschluss der Bauarbeiten in über einem Jahr wieder auf die Strecke zurück kehren oder dauerhaft an den LKW verloren gehen?




Allen Beteiligten in den Bussen und hinter den Kulissen weiterhin ein gutes Gelingen dieses Mammut-SEV (die Premieren-Woche lief jedenfalls wirklich gut - weiter so!), und den Tausenden Fahrgästen die nötige Geduld, wenn es jetzt für einige Zeit einmal ein wenig länger dauert als mit dem Zug!

Heiko