DREHSCHEIBE-Online 

Anzeige

HIER KLICKEN!

 10 - Wagen-Forum 

  Neu bei Drehscheibe Online? Hier registrieren! Zum Ausprobieren und Üben bitte das Testforum aufsuchen!
Das Wagen-Forum ist Bestandteil des Angebotes von www.revisionsdaten.de im Verbund von www.drehscheibe-online.de. Bitte auch Revisionsdaten von Wagen in diesem Forum unterbringen.
Moderatoren: allgäubahn - MWF
Hallo allerseits,

bitte entschuldigt, falls die Frage hier schon mal beantwortet wurde. Ich habe mit der Suchfunktion nichts gefunden.

Ich frage mich manchmal bei Reisen in WL oder BC, wie viel Gewicht die oberen Liegen in den verschiedenen Schlafwagen-/Liegewagentypen tragen können. So sehen mir z.B. die Konstruktionen in manchen russischen Kupe-/Platzkartyj-Wagen nicht sehr stabil aus. Zwei Ketten halten die Liege in Position. Die Kette ist an der Liege auf Höhe der Liegenmitte befestigt, in einem Winkel von etwas weniger als 45°. In der Wand mit einer Schraube. Das Ganze sieht mir so aus, als ob da nach den Gesetzen der Statik relativ ungünstige Zug- und Scherkräfte auftreten. Zusätzlich müssen die Ketten aufgrund der Hebelgesetze dann auch ein Vielfaches des Körpergewichts des Schläfers tragen. Reißt eine Kette, die Verankerung oder löst sich die Schraube aus der Wand dürfte das Ganze mit schweren Verletzungen enden.

Die Konstruktionen in den WL im ÖBB Nightjet z.B. sieht etwas stabiler aus. Die CD haben obere Liegen mit einer nicht sonderlich stabilen Holzkonstruktion (ich lag schon mal in einer, bei der einfach der Boden aus dem Rahmen gebrochen ist - passierte zum Glück langsam, ich konnte mich "retten").

Liegt in diesen Liegen nun ein 120-Kilo-Mensch oder kommt ein Pärchen auf die Idee, sich darin zu vergnügen (oder sich einfach nur einzukuscheln) habe ich da ernsthafte Bedenken. Fahrunebenheiten, Erschütterungen, sorgen für zusätzliche Belastung.

Gibt es da irgendwelche verlässlichen Daten, wie viel die Liegen in den verschiedenen Wagentypen aushalten? Vom Hersteller garantierte Mindestwerte, gesetzliche Vorschriften, etc.?



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2018:05:18:16:25:50.
Das aktuelle russische GOST hierzu ist 34093-2017. Die aufzunehmenden Kräfte pro Befestigung müssen danach mindestens 1,5 kN aushalten. In den Wagenakten für einen stinknormalen Kupewagen (z.B. 61-4462, TWZ) steht 420 kg "Nutzlast" als Nenngröße für obere Liegen. Alles andere ergibt sich aus der Instandhaltung, wobei eine Liege, die augenscheinlich defekt ist, besteigt man eben im Zweifel nicht, und selbst eine Kette von zweien trägt dann u.U. 150 Kilo :)

Für klassiche Görlitzer WLABm dürfte die Zahl ähnlich sein, schließlich sind die Wagen auch nach PPW zugelassen gewesen, also haben sie auch GOST entsprochen. Über die untere Liege braucht man sich am wenigsten sorgen... Die Mittlere hat zwei riesige Klappscharniere in der Wand, plus Kette am Fenster, plus Klapphaken auf zwei M12-Bolzen, dessen Köpfe aus dem Gang sichtbar sind. Einzig die obere Liege ruht auf etwas wackligeren Wandschienen (der Verstellmöglichkeit Double/T3 geschuldet), wobei neben der Kette am Fenster und Klapphaken noch zwei weitere Ketten zur Sicherung beim Verstellen vorhanden sind. MÁV-WLABm sowie CFR- und SZD-WLABmee haben ein noch besseres System aus Hebeln und Schienen, was bombensicher aussieht.

Also, es hält :)

Viele Grüße, tk 🕊️🇺🇦
http://www.ljplus.ru/img4/j/a/jazzkosch/Borki.gif
Die hierfür einschlägige norm UIC 565-1 "Besondere Bau- und Ausstattungsmerkmale für im internationalen Verkehr eingesetzte Fahrzeuge des Nachtreiseverkehrs" regelt zwar einiges, nicht aber die belastung.
Es liegt wohl nahe, die GOST-vorschrift entsprechend anzuwenden, wobei auch fälle wie "Nicht alle halter richtig ausgeklappt" zu berücksichtigen wären.

mit den allerbesten grüßen aus der Obersteiermark, tobias

Korrespondenz bitte per e-mail, nicht über "Private Nachrichten" - das wird sonst viel zu schnell voll!

Bei der fülle des zu verarbeitenden materials sind trotz sorgfältiger bearbeitung vereinzelte tippfehler oder kleinere unstimmigkeiten nicht immer vermeidbar. Eine rechtliche gewähr für die richtigkeit des inhalts dieses beitrages kann daher nicht übernommen werden.
Vielen dank für die Info, jazzkosch.

Die 150 kN, die jede Befestigung tragen soll, gilt das für die Zugkraft entlang der Kette, oder für eine senkrechte Belastung auf die Befestigung?

Die Kette ist ca. im 60° Winkel angebracht und nicht senkrecht. Reißt die Kette bei 150 kN, würde diese Belastung ja bereits erreicht, wenn ich den Befestigungspunkt mit 75 Kilogramm senkrecht belaste. Setzt sich der 120 Kilo Mensch auf den Rand am vorderen oder hinteren Ende der Liege, dürfte das locker überschritten werden.
Ja, gern doch :)

Die 1,5 kN gelten schon als "Nennlast, die auf ungünstigste Weise angebracht wird" (Для верхних полок, кронштейнов и элементов их крепления расчетную силу принимают равной 1.5 кН приложенной наиболее невыгодным способом), d.h. ein 150 kg Körper darf auch an der Kante bei Weichenfahrt tanzen und springen (OK, das würde ich erstmal sehen wollen), daraufhin wird noch ein Zuschlag gerechnet, was letzlich in 420 kg statisch orthogonal resultiert.

Statistisch sind fahrgastbedingte Abrisse und Brüche von Liegen wirklich selten (RZD-netzweites MTBF ist mit 10 Jahren angesetzt). Es gab aber wirklich mal vor ein paar Jahren einen spektakulären Fall in Saratow, wo die Liege laut Zeugen schon sehr instabil war und die minimale Belastung nicht standhielt.

Viele Grüße, tk 🕊️🇺🇦
http://www.ljplus.ru/img4/j/a/jazzkosch/Borki.gif
Sehr interessantes Thema, vielen Dank für die kompetenten Auskünfte, Taras!
Hallo Taras,

ich muss sagen, dass mich die Berechnung etwas stutzig macht. Möglicherweise stimmen die angegebenen Werte nicht.


Zur Vereinfachung nehmen wir an, dass 1 kg eine Gewichtskraft von 10 N hat. Eine Kette mit einer Belastbarkeit von 1,5 kN (1.500 N) könnte damit senkrecht hängend eine Last von 150 kg tragen. Vielleicht ist die Belastbarkeit der Kette nicht in kN, sondern noch in der veralteten Maßeinheit kp (Kilopond) angegeben?


Nehmen wir mal eine Lastaufnahme (siehe Skizze unten) an, die aus einem Druckstab (der Liege selbst), einer Kette als Zugglied, die mit der Zugkraft z belastet wird) und einer Last (mit der Gewichtskraft g) besteht, die auf eine Ecke des Dreiecks wirkt (Person, die direkt an der Aufhängung der Kette auf der Kante der Liege sitzt. Die Gewichtskraft der Liege selbst muss man natürlich auch berücksichtigen, die lassen wir aber hier der Einfachheit ebenfalls weg.

Aus den Längenverhältnissen ergibt sich der Winkel (alpha). Nun gilt: Zugkraft z = Gewichtskraft g / cos (alpha) ( / = geteilt durch, cos = Kosinus)

Wenn der Winkel (alpha) 60° beträgt, beträgt der Kosinus 0,5. Bei einem Winkel der Aufhängung von 60° ist die Zugkraft, die auf die Kette wirkt, also doppelt so hoch wie die Gewichtskraft. Eine Kette mit einer Zugkraft von 1,5 kN könnte dann eine Masse von 75 kg tragen.

Wenn der Winkel (alpha) nur 45° beträgt, beträgt der Kosinus ungefähr 0,7. Die Tragkraft wäre dann etwa 105 kg bei maximaler Belastung der Kette.

Üblicherweise (beispielsweise bei Hebezeugen oder Anschlagmitteln - Anschlagen=Befestigen der Last, etwa an einem Kran) ist vorgeschrieben, dass die Kette für die doppelte Belastung ausgelegt sein muss, wenn sich Personen unter der Last befinden können. Das wäre hier ja der Fall. Dann wären es beim Beispiel (alpha)=60° nur noch 37,5 kg (Person + Liege). Zusätzlich geht man bei Lasten an einem Kran davon aus, dass bei einem Anschlagen an vier Punkten nur zwei wirksam sind, was die Werte nochmal halbiert.

Hinzurechnen muss man in diesem Fall sicherlich auch noch eine unter Umständen hohe dynamische Belastung, die beispielsweise beim Aufsitzen entstehen kann.

Für eine statische Last von 420 kg (einschließlich Gewicht der Liege) würde es so aussehen, dass (vorausgesetzt, die Last verteilt sich gleichmäßig oder der Schwerpunkt ist in der geometrischen Mitte) die beiden Ketten jeweils 1/4 der Last tragen müssen, die Scharniere an der Wand zusammen die übrigen 50 Prozent. Dann hätten wir pro Kette eine senkrechte Belastung von 105 kg. Bei einem Anschlagwinkel von (alpha)=60° müsste eine Kette (ohne Sicherheit) dann mit 15 kN belastbar sein.

Daher würde ich annehmen, dass die Belastbarkeit der Ketten 15 kN (bzw. 1,5 kp) beträgt.

Das wäre aber dann aber immer noch ohne jeden Sicherheitsfaktor und nur bei gleichmäßiger Belastung, nicht bei einer Person an einer Ecke der Liege! Der Sicherheitsfaktor kann dann nur darin bestehen, dass man eine weit geringere tatsächliche Maximalbelastung annimmt. Dann schrumpft aber die akzeptable Belastung erheblich. Der Sicherheitsspielraum wirkt dann nicht mehr üppig.


Darüber hinaus haben Ketten die unangenehme Eigenschaft, dass sie ohne eine einfach erkennbare Vorwarnung versagen können. Andere Bauteile verformen sich vorher erkennbar, oder es reißen einzelne Litzen (Drahtseile) oder Fasern (Gewebebänder), was das Versagen ankündigt. Deshalb müssen Ketten, die zum Beispiel als Anschlagmittel verwendet werden, regelmäßig genauestens Glied für Glied untersucht werden.

Umgekehrt muss man auch sagen, dass Stähle unwahrscheinlich hohe Zugkräfte aufnehmen können, die um ein Vielfaches über das hinausgehen, was man ihnen gefühlsmäßig vom Anblick her zutraut. Anders sieht es bei Druck-, Biege- und Scherbelastungen aus. Deshalb ist es beispielsweise so wichtig, dass Kettenglieder nicht etwa an einer scharfen Kante gequetscht werden oder Kettenglieder versehentlich verknotet werden.

Viele Grüße
Manuel


Skizze: Zugkraft z = Gewichtskraft g / cos (alpha). Umrechnung kg - kN beachten!
http://www.wortundgestalt-webservices.de/foren/dso/vermischtes/Schlafwagen_Kette.jpg