Tour de Turk („TdT“) – Geturktes von West nach Ost
Teil 9b: Bei Sonnenschein kann ja jeder fotografieren oder ein trüber Tag im Tagebau
Im
letzten Bericht hatten wir einen Morgen zum Vergessen gehabt. Der Zugverkehr war stark ausgedünnt und das Wetter passte sich nahtlos an. Und das ausgerechnet an unserem letzten ganzen Tag in Sandaoling, denn morgen Mittag müssen wir bereits abreisen. Ob wir dennoch einen Sonnenuntergang mit Dampfzug erleben würden? Viel Spaß beim Lesen.
Wie immer zu Beginn zunächst eine Karte:
Bild 5: Übersichtskarte des Tagebaus von Sandaoling. Die Kohle wird mittlerweile per Förderband zur Kohleverladeanlage zwischen den Bahnhöfen Xikeng und Dongkuang auf halber Höhe der Grube transportiert. Dort erfolgt die Umladung in die Kohlenzüge, die dann in Form eines umgekehrten S über Kengkouzhan („Grubeneinfahrtsbahnhof“; in der Karte fälschlicherweise als Kengkongzhan bezeichnet) und Dongbolizhan („Ostbahnhof“) entweder zur Kohlewäsche nach Xuanmeichang oder zur Kohleentladestelle kurz vor dem Bahnhof Nanzhan („Südbahnhof“) fahren. Zwischen Dongkuang und Xibolizhan ist die Strecke zweigleisig. Nach erfolgter Kohlenwäsche erfolgt in Nanzhan die Umladung in Waggons der Staatsbahn, die beladenen Waggons werden dann mit Dieselloks abgeholt und zum Anschlussbahnhof an der Staatsbahnstrecke (außerhalb der Karte rechts unten) gebracht. In Nanzhan befindet sich auch ein größerer Rangierbahnhof.
Einst wurde der Abraum aus den oberen Ebenen des Tagebaus direkt nach Xibolizhan („Westbahnhof“) gebracht, in den tieferen Ebenen mussten die Abraumzüge erst mit einer 180°-Kurve auf die andere Seite des Tagebaus in den Bahnhof Xikeng fahren. Dort machten die Abraumzüge Kopf und wurden nach Xibolizhan geschoben. Die Strecke zwischen Xikeng und Xibolizhan war ebenfalls zweigleisig. Hinter Xibolizhan verzweigte sich die Strecke auf mehrere Gleise hinauf zu den Abraumhalden westlich und südlich des Bahnhofs.
Auf der Verbindung zwischen Dongbolizhan und Xibolizhan verkehrten nur Arbeits- und Arbeiterzüge zum Schichtwechsel.
In Jichangzhan befindet sich eine große Werkstätte. Die Bekohlung und das Wasserfassen erfolgen meistens in Dongbolizhan, obwohl die dortige Großbekohlungsanlage schon länger stillgelegt ist. Stattdessen erfolgt die Bekohlung meist einfach per Schaufellader.
In Yijing („erste Mine“) und Erjing („zweite Mine“) gibt es noch Untertageminen, die ebenfalls an das Schienennetz angeschlossen sind (Abzweig in Nanzhan).
2014 endete dann die Dampfherrlichkeit in weiten Teilen. Nordwestlich des Tagebaus wurden neue Untergrundminen erschlossen (links außerhalb der Karte). Die wurden zwar auch von Nanzhan ausgehend an das Bahnnetz angebunden, der Transport obliegt aber komplett Dieselloks (Strecke ist nicht in Karte eingezeichnet). Im Gegenzug wurde der weitere Abbau von Deckgestein im Tagebau eingestellt und das gesamte Schienennetz westlich von Dongkuang und Dongbolizhan abgebaut. Es wird jetzt lediglich die noch verbliebene Kohle im Tagebau mit Dampfloks abtransportiert.
In diesem Bericht bewegen wir uns im Streckenabschnitt zwischen Kengkouzhan und Dongkuang.
Nach dem Mittagessen betraten wir wieder das Freie und mussten leider feststellen, dass sich mittlerweile zum Schlonz auch noch richtige Wolken gesellten. Ein Teil der Gruppe ging frustriert direkt zurück ins Hotel. Ich dagegen folgte dem Motto „Bei Sonne kann ja jeder fotografieren“ und machte mich mit dem Rest der Truppe wieder auf die Piste. Nachdem keine Züge zur Kohlenwäsche fuhren, würde es wohl auch nicht mit Sonnenuntergangsmotiven dort werden, was ich eigentlich geplant hatte. Stattdessen ging es also wieder in den Tagebau, wo ich rund um den Bahnhof 82 nach Motiven suchte. Die fanden sich auch durchaus, was jedoch fehlte, waren Züge.
Bild 2: Die Gleisbaurotte hatte ihre Mopeds vor ihrer Baracke aufgestellt, wo sie von den Bahnhofskötern bewacht werden.
Bild 3: Ich machte mich wieder auf den Weg hinauf zur Abraumhalde. Die erodierte Abraumkante kommt bei den eher mauen Lichtverhältnissen ganz gut zur Geltung. Grundsätzliches Motiv ist also da, fehlt nur noch ein Zug. Mal schauen. Aber dazu steigen wir erst einmal noch ein bisschen auf die Abraumhalde hinauf.
Bild 4: Na, da ist fast volles Haus. Links wartet JS8197 mit ihren leeren Waggons auf die Beladung, rechts macht sich JS8167 mit voll beladenen Waggons gerade abfahrtbereit und irgendwo ganz hinten steht JS8081 mit dem Dampfkran. Dann schauen wir mal, was wir mit JS8167 so alles anfangen können.
Bild 5: Also außer einer kleinen Rauchfahne können wir wohl nicht viel erwarten.
Bild 6: So langsam nähern wir uns dem vorgesehenen Motiv.
Bild 7: So ungefähr war das geplant, sogar ein bisschen Dampf ist dabei. Zum Beladen der ersten beiden Waggons hatte man wohl keine Lust mehr.
Für die vorhandenen Lichtverhältnisse und die hohen Temperaturen war das jetzt gar nicht mal so schlecht. Wie gesagt, bei Sonnenschein kann ja jeder fotografieren. Jetzt war aber wohl wieder eine längere Pause angesagt. Die Beladung des anderen Zuges würde wohl mindestens auch eine Stunde dauern. Aber Moment mal! Da war ja noch JS8081 mit dem Arbeitszug. Und der folgte jetzt fast schon im Blockabstand auf die soeben abgefertigte JS8167.
Bild 8: Auf dem Tiefladewagen liegt ein bisschen Metallgerümpel. War das der einzige Grund, um den Dampfkran samt Arbeitswagen mit einer Dampflok in den Tagebau zu schicken? Scheinbar ja.
Bild 9: Egal, mir soll es Recht sein. Man beachte übrigens die Entspannungsübungen des Rangierers auf dem letzten Waggon.
Bild 10: Den Nachschuss mit der Durchfahrt durch den Bahnhof 82 muss ich bei dem Anhang natürlich auch noch zeigen. Der Rangierer am Ende des Zuges genießt noch immer die Fahrt. Mein Sohn nennt das Chillen und würde es am liebsten den ganzen Tag machen. Dabei ist er erst sieben. Das kann in der Pubertät ja noch heiter werden.
Bild 11: Und zur Abrundung noch der Teleschuss. Sieht man jetzt ja nicht ganz so häufig, diesen Arbeitszug.
Damit war jetzt nur noch JS8197 im Verladebereich. Die Motive auf dieser Seite des Gleises waren ausgelutscht und ich begab mich daher per Punktspiegelung auf die genau andere Seite des Bahnhofs, um die Bahnhofsdurchfahrt des nächsten Zuges abzulichten.
Bild 12: Da kommt die Dame auch schon angedampft. Bei Sonnenschein wäre es eine reine Schwarz-Weiß-Aufnahme geworden, so kommt aber sogar ein bisschen Farbe ins Spiel.
Bild 13: Immerhin hat man jetzt wieder alle Waggons beladen.
Bild 14: Und eine recht schöne Rauchfahne gibt es obendrauf noch dazu.
Bild 15: Da hat der Heizer nochmal ordentlich aufgelegt.
Bild 16: Der Dampfdruck sollte jetzt ausreichend sein, um es aus dem Tagebau heraus zu schaffen.
Bild 17: JS8081 hatte inzwischen den Arbeitszug mit Dampfkran abgestellt und sich wieder vor eine Schlange leerer Waggons gesetzt. Jetzt waren wieder drei Loks im Einsatz. Ob wir jetzt auch mehr Verkehr erleben? Dazu müsste man das zweite Ladegleis aufmachen.
Da es lichttechnisch eigentlich ziemlich egal war, wo man fotografierte, zog ich mich ein bisschen in Richtung Bahnhof Kengkouzhan zurück. Die Felsennase auf halber Strecke zur Kurve sollte es werden, die erlaubt nämlich auch noch einen ganz brauchbaren Nachschuss.
Bild 18: Nach endloser Wartezeit kam endlich was angedampft. Die Lichtverhältnisse haben sich nicht gerade verbessert.
Bild 19: Falscher Alarm. Es war nur JS8081, die das Gleis wechselt. Inzwischen ist JS8197 auch schon wieder zurück und wartet auf die Einfahrt. Und wo bleibt eigentlich JS8167 mit den beladenen Wagen? Die müsste schon längst losgefahren sein.
Bild 20: Endlich kommt sie angeraucht, von angedampft kann man ja nicht sprechen.
Bild 21: Ihr wisst ja, diese Lautsprecher an den Telegrafenmasten haben es mir einfach angetan.
Bild 22: Und das ist der angedachte Nachschuss, der wenigstens ein bisschen Farbe ins Spiel bringt.
Für den Sonnenuntergang (sollte es den heute wirklich geben?) begab ich mich wieder in Richtung Frontlinie. Am Bahnhof 82 gab es noch einen kurzen Zwischenstopp. JS8197 wartete noch immer vor dem Bahnhof und von JS8081 war immer noch nichts zu sehen. Den Sonnenuntergang hatte ich innerlich schon abgehakt.
Bild 23: Endlich kommt der nächste Zug. Doch was ist das rechts oben? Reißt der Himmel passend zum Sonnenuntergang vielleicht doch noch auf?
Bild 24: Aber noch sind die Lichtverhältnisse alles andere als prickelnd.
Bild 25: Und viel Zugverkehr ist auch nicht mehr zu erwarten. Weil nur ein Ladegleis in Betrieb ist, muss der Zug mit den leeren Waggons, der links unten im Bild zu erkennen ist, noch warten. Bis er ins Ladegleis fahren kann und dann auch beladen ist, kann es dauern.
Trotzdem wollte ich die Hoffnung auf ein Sonnenuntergangsmotiv nicht aufgeben. Denn die Wolkenlücken wurden größer und so begab ich mich ganz weit nach vorne zu den Einfahrtsignalen in den Bahnhof. Zudem war heute ja die allerletzte Chance auf ein Sonnenuntergangsmotiv. Morgen um diese Uhrzeit sitzen wir schon im Zug nach Lanzhou.
Bild 26: Und tatsächlich, die Wolkenlücke riss auf und die Sonne zeigte sich mit einer Art Theaterbeleuchtung. Jetzt auf dem zweiten Gleis von links ein Zug mit schöner Dampfwolke und der trübe Tag wäre noch gerettet. Ganz rechts sieht man ja auch ein wenig Rauch. Ob sich die Lok schon für die Abfahrt bereit macht?
Bild 27: Leider flascher Alarm. Da hatte wohl nur der Wind etwas Kohlenstaub aufgewirbelt. Die Beladung läuft noch immer und nicht allzu lange wird die Sonne wieder im Schlonz verschwinden.
Bild 28: Die Sonne berührt schon die Schlonzkante. Wenn der Zug nicht jetzt sofort losfährt, dann war es das gewesen mit dem Sonnenuntergangsmotiv.
Bild 29: Schluss, Aus, Ende, vorbei. Die Sonne ist weg und der Zug noch nicht da. Aber das passte irgendwie zu diesem total verkorksten Tag.
Total frustriert packte ich meine Sachen ein. Es hatte so gut angefangen, an den ersten beiden Tagen ergaben sich herrliche Sonnenuntergangsmotive, danach wurde es dann von Tag zu Tag schlechter, bis dann der heutige Sonnenuntergang mit einem Totalausfall endete. Wollen sich die Dampfloks so von uns verabschieden? Damals ging ich ja noch davon aus, dass es mein letzter Besuch in Sandaoling gewesen wäre, da man den Dampfbetrieb wenige Monate später einstellen wollte. Dass man diese Entscheidung revidieren würde, war damals noch nicht abzusehen. Auf dem Rückweg zur „pub/pipe location“ kam er dann doch noch, der Zug. 20 Minuten zu spät, fast wie zuhause immer die S-Bahn.
Bild 30: Und dass es natürlich aufgrund der warmen Temperaturen keine Dampfwolke gab, war natürlich auch zu erwarten.
Mit gemischten Gefühlen machte ich mich dann auf den langen Rückweg hinaus aus dem Tagebau. Einerseits Frust und Enttäuschung, andererseits leise Vorfreude auf das nächste Reiseziel Yakeshi mit Schnee, Minusgraden bis hinunter zu -40°, herrlichen Dampfwolken und einer Lok, die hoffentlich möglichst oft fährt, auch wenn es dort in den letzte Tagen ziemlich geschneit hatte und der Abstecher schon wackelte. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Aber sie stirbt. Beim Abendessen überbrachte und Jun die Hiobsbotschaft. In Yakeshi hatte es über einen Meter Neuschnee gegeben und die Mine hat den Bahnbetrieb aufgrund der Schneemassen eingestellt. Dafür hatte er sich aber schon um das avisierte Ersatzprogramm gekümmert. Statt Yakeshi hieß das Ziel nun Fuxin. Da war ich im Vorjahr zwar schon einige Tage mit Jun und der Wetterbericht für Fuxin war auch katastrophal (+10° und Dauerregen), aber besser als gar nichts. Die Reiseroute für die nächsten anderthalb Tage war damit auch geklärt. Mit dem Zug von Kumul/Hami nach Lanzhou, von dort mit dem Flugzeug nach Peking, am Flughafen umsteigen zum Flug nach Shenyang und von dort mit dem Bus nach Fuxin. Eigentlich reichlich bescheuert, aber besser ließ sich die ursprüngliche geplante Anfahrt nach Yakeshi nicht umbuchen. Um den Frust zu ersäufen, war der Bierkonsum erheblich höher wie an den Vortagen. Übertreiben wollten wir aber auch nicht, da wir am nächsten Morgen ja nochmal in Sandaoling auf Dampflokjagd gehen wollten. Der Wetterbericht sagte für morgen Sonnenschein voraus und er sollte Recht behalten. Davon dann aber mehr im nächsten Bericht.
Inhaltsverzeichnis