Tour de Turk („TdT“) – Geturktes von West nach Ost
Teil 6b: Zwischen Himmel und Hölle – Ein Nachmittag voller Schwefel und Schwelbränden
Im
letzten Bericht hatten wir es hinauf auf eine schwelende Abraumhalde geschafft, der Hölle mit Blick auf das Paradies. Der Rest der Gruppe hatte sich schnell zum Mittagessen zurückgezogen, nur ich blieb zurück, futterte Kekse und fotografierte wie gehabt Dampfloks. Viel Spaß beim Lesen!
Wie immer zu Beginn zunächst eine Karte:
Bild 5: Übersichtskarte des Tagebaus von Sandaoling. Die Kohle wird mittlerweile per Förderband zur Kohleverladeanlage zwischen den Bahnhöfen Xikeng und Dongkuang auf halber Höhe der Grube transportiert. Dort erfolgt die Umladung in die Kohlenzüge, die dann in Form eines umgekehrten S über Kengkouzhan („Grubeneinfahrtsbahnhof“; in der Karte fälschlicherweise als Kengkongzhan bezeichnet) und Dongbolizhan („Ostbahnhof“) entweder zur Kohlewäsche nach Xuanmeichang oder zur Kohleentladestelle kurz vor dem Bahnhof Nanzhan („Südbahnhof“) fahren. Zwischen Dongkuang und Xibolizhan ist die Strecke zweigleisig. Nach erfolgter Kohlenwäsche erfolgt in Nanzhan die Umladung in Waggons der Staatsbahn, die beladenen Waggons werden dann mit Dieselloks abgeholt und zum Anschlussbahnhof an der Staatsbahnstrecke (außerhalb der Karte rechts unten) gebracht. In Nanzhan befindet sich auch ein größerer Rangierbahnhof.
Einst wurde der Abraum aus den oberen Ebenen des Tagebaus direkt nach Xibolizhan („Westbahnhof“) gebracht, in den tieferen Ebenen mussten die Abraumzüge erst mit einer 180°-Kurve auf die andere Seite des Tagebaus in den Bahnhof Xikeng fahren. Dort machten die Abraumzüge Kopf und wurden nach Xibolizhan geschoben. Die Strecke zwischen Xikeng und Xibolizhan war ebenfalls zweigleisig. Hinter Xibolizhan verzweigte sich die Strecke auf mehrere Gleise hinauf zu den Abraumhalden westlich und südlich des Bahnhofs.
Auf der Verbindung zwischen Dongbolizhan und Xibolizhan verkehrten nur Arbeits- und Arbeiterzüge zum Schichtwechsel.
In Jichangzhan befindet sich eine große Werkstätte. Die Bekohlung und das Wasserfassen erfolgen meistens in Dongbolizhan, obwohl die dortige Großbekohlungsanlage schon länger stillgelegt ist. Stattdessen erfolgt die Bekohlung meist einfach per Schaufellader.
In Yijing („erste Mine“) und Erjing („zweite Mine“) gibt es noch Untertageminen, die ebenfalls an das Schienennetz angeschlossen sind (Abzweig in Nanzhan).
2014 endete dann die Dampfherrlichkeit in weiten Teilen. Nordwestlich des Tagebaus wurden neue Untergrundminen erschlossen (links außerhalb der Karte). Die wurden zwar auch von Nanzhan ausgehend an das Bahnnetz angebunden, der Transport obliegt aber komplett Dieselloks (Strecke ist nicht in Karte eingezeichnet). Im Gegenzug wurde der weitere Abbau von Deckgestein im Tagebau eingestellt und das gesamte Schienennetz westlich von Dongkuang und Dongbolizhan abgebaut. Es wird jetzt lediglich die noch verbliebene Kohle im Tagebau mit Dampfloks abtransportiert.
In diesem Bericht bewegen wir uns rund um den Bahnhof 82 in der Nähe der Ladegleise östlich des Bahnhof Dongkuang.
Dass ich heute auf das Mittagessen verzichtete, hatte ich vor allem am Wetter festgemacht. Der Mumpf und Schlonz wurde dichter, so gab es wenigstens zur Mittagszeit auch nicht so grelles Licht und man konnte durchgehend fotografieren. Ich blieb zunächst auf der Abraumhalde, solange das Licht sich noch nicht zu weit gedreht hatte.
Bild 2: Die beiden Ladegleise waren ja nach der Ausfahrt der beiden Züge leer, so konnte ich zunächst das Einrücken von JS8225 in das Radlader-Ladegleis ablichten. Die Temperaturen waren mittlerweile so hoch, dass das Fahrpersonal in der Kabine die Tür offen ließ.
Bild 3: Mittlerweile stand das Licht auch für Aufnahmen in Richtung Bahnhof 82 ganz gut. Von wegen Einrücken ins Ladegleis. JS8225 hat die Order bekommen erst einmal im Stumpfgleis von Bahnhof 82 zu warten. Mit Sägezahnfahrt macht sie sich auf den Weg.
Bild 4: Solange JS8225 im Stumpfgleis verharrt und kein weiterer Leerzug kommt, tastete ich mich mal an die Schwelbrände heran. Da gibt es nämlich ganz interessante Schwefelkristallstrukturen zu entdecken.
Bild 5: Jetzt kommt endlich JS8197 in den Tagebau gerollt und passiert die wartende JS8225. Die Gleisbaurotte hat ihre Mopeds derweil vor ihrer Bude geparkt und macht jetzt auch erst einmal Mittagspause.
Bild 6: JS8197 rollt mit ihrem Zug durch den Bahnhof 82 in Richtung Ladegleis.
Bild 7: JS8197 ist soeben auf das Radlader-Ladegleis eingefahren, als aus dem Nirgendwo plötzlich JS8167 mit einem beladenen Zug aus der Verladeanlage auftaucht. Die hatte ja gar nicht mehr auf dem Zettel. Zwischen den beiden Loks erkennt man noch die Dampffahne von JS8190, die noch immer mit dem Dampfkran unterwegs ist.
Bild 8: Mit einer trotz der hohen Temperaturen recht ordentlichen, blütenweißen Dampffahne verlässt JS8167 das Ladegleis in Richtung Bahnhof 82.
Bild 9: Da drückt man doch auch gerne noch ein zweites Mal ab.
Bild 10: Die Wartezeit bis zum nächsten Zug vertreibe ich mir wieder mit dem Ablichten von Schwefelstrukturen, wobei ich mich balancierend von Felsen zu Felsen bewegte. Nicht um die Strukturen zu zerstören, sondern um nicht im Höllenschlund einzubrechen. Auf dem Bild kann man ganz gut erkennen, dass die Oberfläche teilweise nur ein bisschen dicker wie ein Stück Papier ist.
Bild 11: nachdem JS8167 das Gleis zur Verladeanlage geräumt hat, kann auch JS8225 endlich in selbiges einrücken.
Bild 12: Das gibt mir die Gelegenheit, die Schwefelstrukturen und den Zug in einem Motiv zusammenzufassen.
Bild 13: Auf halbem Weg entscheidet sich dann aber JS8225 plötzlich wieder dazu, in Richtung Bahnhof 82 zu fahren. Das versteh einer wer will…
Bild 14: Mir egal. So gibt es eben ein weiteres Motiv Zug mit Schwelbrand auf der Abraumhalde.
Bild 15: Inzwischen hat der Radlader ganze Arbeit geleistet und alle Waggons, die JS8197 am Haken hat, beladen. Dann kann es ja losgehen.
Bild 16: Dank der hohen Temperaturen dampfen die Schwelbrände nicht ganz so stark, ansonsten wäre dieses Motiv nicht möglich gewesen. JS8197 hat mit der Steigung sichtlich zu kämpfen wie man an der hoch in den Himmel stehenden Dampffahne erkennen kann.
Bild 17: An der Bahnhofseinfahrt wird es dann flacher und der Zug nimmt Geschwindigkeit auf. Für mich die Gelegenheit, nochmals den Schwefel ins rechte Bild zu rücken.
Das Licht hatte jetzt soweit gedreht, das sein weiteres Verweilen hier oben keinen Sinn mehr machte, zumal die Motive inzwischen auch ausgelutscht waren. Nur was machen mit dem angebrochenen Tag? Der Rest der Gruppe war beim Mittagessen oder irgendwo anders. Wir hatten als Treffpunkt die „pub location“ nach Sonnenuntergang vereinbart. „pub location“ hat übrigens nichts mit „pub“ zu tun (wir sind schließlich in einer muslimischen Region), stattdessen bezeichnet Jun die Stelle an der Kurve, wo ein Rohr („pipe“) in den Tagebau läuft. Und aus „pipe“ wird bei Jun eben „pub“. Ich überlegte mir, auf die andere Seite des Bahnhofes zu wechseln, aber für Gegenlichtaufnahmen war es noch zu früh. Also wanderte ich etwas ziellos an der Strecke entlang, in der Kurve könnte eine Seitenaufnahme bei den Lichtverhältnissen möglich sein. Ich war auf dem Weg, als sich von hinten JS8225 heranschlich. So entstand halb geplant, halb durch Zufall ein ganz interessantes Motiv mit Telegrafenleitung, das mir so gut gefiel, dass ich hier gleich mehrere Züge ablichtete.
Bild 18: JS8225 legt sich mit dem Kohlenzug in die Kurve. Das Bild kippt nur scheinbar nach links, es liegt hier alles im Gefälle. Den Lautsprecher ganz rechts hat es schon ziemlich gebeutelt.
Bild 19: Kurz darauf kam JS8190 mit dem Arbeitszug vorbeigedampft. Die Arbeit war für heute erledigt, jetzt schiebt sie die Bohrmaschinen und den Dampfkran wieder in Richtung Werkstattgelände.
Bild 20: Und da man den Arbeitszug samt Dampfkran seit der Beendigung des Abraumabbaus nur noch sehr selten zu Gesicht bekommt, habe ich auch nochmal abgedrückt.
Bild 21: An der Abraumkante oberhalb der Lok befindet sich der taiwanesische Affenfelsen. Dort versammeln sich die taiwanesischen Fotografen morgens, nachdem sie einem in Dongbolizhan ständig vor die Linse gelaufen sind sowie abends zum Sonnenuntergang. Den Rest des Tages verbringen sie wohl im Hotel.
Bild 22: Zum Abschluss noch eine extrem gezoomte Seitenaufnahme des besonderen Zuges. So entdeckte ich durch Zufall auch einen Teil meiner Reisegruppe wieder. Habt ihr sie auch schon entdeckt?
Bild 23: Nach dem Arbeitszug kam JS8081 mit einem Kohlenzug vorbei.
Bild 24: JS8081 hatten wir heute auch schon lange nicht mehr gesehen, daher gönnen wir ihr auch noch einen halber Nachschuss.
Jetzt war aber endgültig Zeit für Gegenlichtaufnahmen. Ich wollte nicht wie am Vortag direkt unten am Gleis beginnen, sondern oberhalb des Bahnhofs in der Gleisachse. Da gibt es ein paar nette Hügel, allerdings auch voller Schwelbrände. Die brennen zwar nicht so intensiv wie auf der Abraumhalde und der Gestank ist erträglich, was sie aber umso gefährlicher macht. Mir war nicht ganz wohl beim Gedanken, dort hinaufzusteigen. Zum Glück hatte aber schon jemand vor mir die Idee gehabt, jedenfalls waren noch Fußspuren erkennbar. So folgte ich den Fußspuren zunächst, bis ich einen nicht schwelenden Abschnitt gefunden hatte, wo ich mich dann relativ sicher bewegen konnte. Noch schnell das Teleobjektiv draufmontiert und es konnte losgehen.
Bild 25: Ja, für den Anfang sieht das doch ganz gut aus.
Bild 26: Aber was ist denn jetzt los? Der Lokführer schließt den Regler und bleibt am Signal stehen. Hat da der Fahrdienstleiter gepennt?
Bild 27: Nein, der Fahrdienstleiter hat beschlossen, dass der Zug aus der Verladeanlage als erster aus dem Tagebau fahren darf. Auf dem Bild erkennt man es kaum, aber es sind zwei Züge zu sehen, wobei der vordere aus der Verladeanlage den Zug aus dem Radlader-Ladegleis verdeckt.
Bild 28: Der Zug mäandert durch die Weichenstraße des Bahnhofs 82.
Bild 29: Jetzt darf auch der zweite Zug, der als erster kam, aber jäh vom Signal gestoppt wurde, durch den Bahnhof fahren. Ich habe zwischenzeitlich meine Fotoposition gewechselt und bin weiter nach links gerückt.
Bild 30: Leider fuhr die Lok bereits in den Telegrafenmasten, als der Lokführer nochmal ordentlich die Ventile öffnete.
Die Gegenlichtmotive gefielen mir und so beschloss ich, auch noch den nächsten Zug von den Hügeln oberhalb des Bahnhofs aufzunehmen. Dazu rückte ich noch ein bisschen weiter nach links. Die Sonne stand mittlerweile, gedämpft durch den immer dichter werdenden Schlonz, so tief, dass auch ein bisschen Farbe ins Bild kam.
Bild 31: Der nächste Zug kam wieder aus dem Gleis der Verladeanlage. Das konnte ich zum Glück rechtzeitig vorab anhand der Weichenverbindungen und der glänzenden Schienen erkennen.
Bild 32: Auf diesem Bild erkennt man auch nochmal ganz gut die etwas seltsame Gleisgeometrie des Bahnhofs 82. Am unteren Bildrand ist das linke Gleis ein Stumpfgleis (wo heute Vormittag ja u.a. JS8225 mit ihrem Zug abgestellt war), das mittlere Gleis ist das Streckengleis vom Bahnhof Kengkouzhan und das rechte Gleis das Streckengleis zum Bahnhof Kengkouzhan. Im Hintergrund fächern sich dann die Ladegleise auf. Eine Parallelein- und Ausfahrt in die Ladegleise ist wegen wenigen Metern eingleisiger Strecke nicht möglich, daher stauen sich immer wieder die Züge oder sie müssen im Stumpfgleis per Sägezahnfahrt zwischengelagert werden.
Bild 33: Wie ein Lindwurm muss sich der Zug durch den Bahnhof 82 schlängeln.
Bild 34: Auch die Dampfentwicklung kann sich bei den warmen Temperaturen sehen lassen.
Bild 35: Zum Schluss macht der Lokführer auch nochmal die Zylinderventile auf.
Der nächste Zug sollte aus dem Radlader-Ladegleis kommen und daher begab ich mich flugs nach unten an die Schienen, da sich auch immer mehr Eisenbahnfotografen im Bahnhof tummelten. Als Motiv sollte nochmals das rot leuchtende Sperrsignal an der Abzweigung, die einst zu den Abraumhalden führte, dienen. Allerdings lief es leider weitaus schlechter wie am Vortag.
Bild 36: Obwohl die Sonne noch relativ hoch steht, ist es wegen des Schlonzes am Himmel schon ziemlich düster.
Bild 37: Und Dampfentwicklung ist auch nicht zu erkennen. Hält der Zug etwa wieder am Signal?
Bild 38: Nein, der Zug fährt ohne Halt und ohne Dampfwolke durch.
Bild 39: Nein, so hatte ich mir das eigentlich nicht vorgestellt.
Bild 40: Für ein Motiv mit Dampfwolke muss dann ausgerechnet der nächste Leerzug herhalten, der seine Waggons in das Ladegleis schiebt.
Damit endete mit einem wenigstens halbwegs ordentlichen Motiv ein recht durchwachsener Tag. Das Licht war aufgrund des dichten Schlonzes bereits jetzt schon so schlecht, dass das Warten auf den nächsten Zug keinerlei Sinn machte, auch wenn noch Zeit bis zum Sonnenuntergang blieb. Wenigstens kamen wir so etwas früher wieder ins Hotel zurück, wo wir uns schnell frisch machten und uns dann wieder in Richtung altbekanntes Restaurant aufmachten. Essensbilder hatte ich euch ja schon zu genüge gezeigt, daher verzichte ich darauf. Nachdem an den Tagen zuvor das Geschehen des Tages entlang der Schienen sowie das Thema Eisenbahn allgemein das Gesprächsthema am Tisch war, hatten wir heute ein neues Thema: der Brexit. Schließlich kam ja ein Teil der Gruppe aus UK. Und genauso knapp und umstritten wie die Entscheidung auf der Insel war, war auch unsere Gruppe aufgeteilt. Befürworter und Gegner des Brexit hielten sich die Waage und warfen sich gegenseitig ihre Argumente an die Köpfe. Ich dagegen schwieg und genoss die Diskussion. Etwas früher wie sonst ging es dann ins Bett, damit es am nächsten Morgen wieder vor Sonnenaufgang zum Bahnhof Dongbolizhan gehen konnte. Ob sich das frühe Aufstehen gelohnt hat, erfahrt ihr im nächsten Bericht.
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