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Von Irkutsk bis Wladiwostok

Teil 1/6: Irkutsk und seine Straßenbahn
Teil 2/6: Baikalbahn und Listwjanka
Teil 3/6: Ulan-Ude, Hauptstadt Burjatiens
Teil 4/6: hier

Die vierte Station der Transsib-Reise vom vergangenen Sommer war Tschita, die Hauptstadt der Region Transbaikalien. Lang war nicht sicher, ob wir hier überhaupt bleiben konnten, da es bis kurz zuvor noch strenge Quarantäneregelungen für Einreisende aus anderen Regionen gegeben hatte. Daher hatten wir für alle Fälle auch noch Tickets gebucht, mit denen wir zwei Tage später von Ulan-Ude direkt nach Chabarowsk gekommen wären. Wir hätten dann in Tschita nur den Wagen wechseln müssen. Es war dann aber alles in Ordnung, auch das Hotel bestätigte uns auf Anfrage, dass es keine Quarantäne mehr gebe.

Tschita hat etwa 350.000 Einwohner und ist das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum der Region. Die ist in großen Teilen sehr dünn besiedelt und bekannt für unberührte Naturschönheiten. Zusammen mit Burjatien wechselte Transbaikalien 2018 vom Föderationskreis Sibirien zum Föderationskreis Fernost. Für mich ist es auch irgendwie noch immer nicht ganz klar, ob diese Ecke Russlands noch zu Sibirien zählt oder nicht. Tschita selbst ist im Vergleich zum etwas exotischen und wuseligen Ulan-Ude eine durch und durch russische Stadt, der man ihre Sowjetvergangenheit an jeder Ecke ansieht. Eine besondere Rolle bei der Entwicklung Tschitas spielten jedoch schon die Dekabristen, die nach dem gescheiterten Aufstand gegen den Zaren nach 1825 unter anderem hierher verbannt wurden und das kulturelle Leben der Stadt prägten.

10.07.2020: Zu Besuch im Dazan

Wir kamen zu etwas ungemütlicher Zeit um 6:15 Uhr morgens an. Am Zug 070 Moskau–Tschita war noch dieselbe EP1 wie am Abend zuvor in Ulan-Ude. Mit demselben Zug sind wir neulich erst nach Nowosibirsk gefahren. Der ist mir sehr angenehm, er wird aus Wagen mittleren Alters gebildet, die schon Steckdosen und Biotoiletten haben, jedoch noch die älteren bequemen Betten. Das neue Wagenmaterial aus dem Zug Moskau–Wladiwostok ist für mich noch etwas gewöhnungsbedürftig.

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Mit dem Hotel Arkadia an der zentralen Uliza Lenina hatten wir schon arrangiert, dass wir früh einchecken konnten. Wir fuhren die zwei Stationen dorthin mit dem Trolleybus. Da wir nun schon einmal wach waren und herrlicher Sonnenschein herrschte, machten wir gleich einen Spaziergang durch die noch ruhige Stadt.

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Ein Blickfang war das Postamt aus Holz an der Uliza Butina am Rande des Ploschtschad Lenina. Es wurde 1893 erbaut und diente in den 1920er Jahren auch als erste Funkstation der Stadt. Mittlerweile steht es unter Denkmalschutz und ist offenbar das einzige historische Gebäude der Stadt, das nie seine Funktion geändert hat.

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Hier ein Blick auf den markanten Turm des Bahnhofsgebäudes mit einem lustig gestalteten Trolleybus.

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Tschita ist reich an Bauten der zweiten Generation der Sowjetmoderne, ebenso an Mosaiken aus dieser Zeit. Ein schönes Beispiel ist das Kino „Udokan“ an der Uliza Lenina, das 1976 eröffnet wurde.

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Aber auch Freunde des Sozialistischen Klassizismus kommen nicht zu kurz, wie dieses Verwaltungsgebäude des Verteidigungsministeriums am Ploschtschad Lenina zeigt. Es wurde von 1936 bis 1939 erbaut.

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Ein Werk der späten Moderne ist dagegen das gegenüberliegende Verwaltungsgebäude der Region Transbaikalien. So langsam wurden wir dann doch wieder müde und gingen nochmal ins Hotel, um etwas auszuruhen und eine Dusche zu nehmen. Am Nachmittag ging es wieder auf Tour, nun in die andere Richtung entlang der Uliza Lenina. Dort mussten sich einige interessante Mosaiken und Wandbilder befinden.

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Solcher Trash erfreut mich auch immer wieder: Konditorei an der Uliza Kurnatowskogo.

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Und es geht noch besser: ein Baumarkt in derselben Straße.
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Eigentliches Ziel war das Mosaik „Studenten“ von Ilja Brojdo und Leonid Rjabow von 1974 an einem Gebäude der Staatlichen Universität Transbaikaliens.

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Nächste Station war das Wandbild am Pionierpalast, in dem sich heute eine Sportschule befindet. Einer der Trainer fragte uns, was wir denn da fotografieren. „Das Wandbild“. Er so: „Oh krass, ich arbeite hier seit fünf Jahren und hab das noch nie richtig angeschaut.“

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Nächstes Ziel war der Dazan. Der ist im Vergleich zu dem von Iwolginsk deutlich weniger touristisch. In einem kleinen Laden konnte man sich glückbringende Amulette kaufen, die man sich bei einem der dort lebenden Lamas segnen lassen konnte. Wir gingen in eines der Häuser und kamen mit Radnadorscho ins Gespräch, der dort lebt.

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Er ist Burjate und hat in der Mongolei studiert und war recht unterhaltsam. Lustig fand ich, dass auch er vor den Leuten in Kysyl warnte, meinem Reiseziel vom letzten Sommer. In der Stolowaja des Dazans bestellten wir uns eine burjatische Suppe und ein paar Buusy, diese burjatischen Teigtaschen.

11.07.2020

Am nächsten Morgen drehte ich vor dem Frühstück eine kleine Runde, um ein paar Gebäude zu fotografieren, die nachmittags nicht im rechten Licht gestanden hatten.

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Eins davon war das Archiv der Region Transbaikalien, ein schöner brutalistischer Klotz aus dem Jahr 1978, den es in recht ähnlicher Form auch in Kemerowo in gleicher Funktion gibt.

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Ein weiteres Highlight der Moderne ist die Philharmonie in direkter Nachbarschaft.

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Nicht minder schön ist das Kino „Rodina“ im Stil des Sozialistischen Klassizismus, das 1956 erbaut wurde.

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Auf dem Weg zurück zum Hotel begegnete mir auf der Uliza Lenina noch ein ZiU9-Trolleybus.

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Nach dem Frühstück gingen wir noch einmal zum Bahnhof. Zum einen wegen der Souvenirshops, zum anderen wegen eines Mosaiks, das um die Mittagszeit ganz gut ausgeleuchtet sein sollte. Auf dem Weg kamen wir am Hotel „Tschita“ vorbei, das mit natürlich auch gut gefiel.

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Wo es keine Straßenbahnen gibt, werden eben Busse fotografiert: ein Daewoo BS106 am Bahnhofsvorplatz.

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Und hier das Mosaik am Hausbahnsteig des Bahnhofs, das Szenen aus der Geschichte der Stadt zeigt.

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Recht brachial zeigt sich das Gebäude der Rosbank am Bahnhofsvorplatz.

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Trolleybus aus Engels und Schiguli aus Toljatti auf der Uliza Lenina. Nun wollten wir uns noch den Park Pobedy anschauen, der etwas außerhalb der Stadt gelegen ist. Dorthin kamen wir mit dem Trolleybus. Der Park machte allerdings keinen besonders gepflegten Eindruck und war völlig öde. Dazu war auch noch der Zugang zum Weltkriegsdenkmal abgesperrt – wegen Corona.

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Davon ließen wir uns dann aber nicht abhalten und wir kletterten für das Foto kurz über den Zaun.

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Danach ging es wieder mit dem Trolleybus ans andere Ende der Stadt. Dort befindet sich das Mosaik „Der transbaikalische Arbeiter, das an das erste Redaktionsbüro der gleichnamigen sozialistischen Zeitung erinnert.

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Dort befindet sich auch die sogenannte Dekabristenkirche. Sie ist jedoch schon 1771 entstanden und beherbergt heute ein Museum mit Ausstellung über das Wirken der Dekabristen in Tschita. Wegen Corona war es jedoch geschlossen.

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Ganz in der Nähe befindet sich ein Fußgängersteg über die Bahnstrecke. Dort hatte ich Glück, dass gerade eine Elektritschka des Wegs kam. Kurz danach begann es heftig zu schütten und wir konnten uns gerade noch unter das Vordach eines Supermarkts retten. Dann gingen wir zu Fuß zurück in die Innenstadt. Im Hotel erstand ich noch einen Tschita-Bildband eines hier lebenden Fotografen namens Alexander Lesnjanskij. Neben der Stadt hat er auch die Landschaften der Region eindrucksvoll in Szene gesetzt, was mich dazu gebracht hat, mit ihm später ein Interview für die Moskauer Deutsche Zeitung zu machen.

Danach holten wir unser Gepäck und machten uns auf zum Bahnhof. Unser Zug sollte um 18:10 Uhr fahren. Ich ging noch zu einem Imbiss am Bahnhofsvorplatz, um ein paar Buusy für die Fahrt zu besorgen. Die Frau meinte, es dauere etwa 15 Minuten. Alles klar, kein Problem. Wir brachten erstmal unser Gepäck zum Zug, der schon da stand. Dort gingen dann wieder die aus Irkutsk schon bekannten Scherereien mit meinem Ticket los. Es war aus dem System verschwunden, nachdem ich die Reisepassnummer ändern lassen hatte. Also ging meine Freundin los, um die Buusy abzuholen. Die waren aber doch noch nicht fertig und so wurde alles etwas stressig. Als sie mit der Essensration über den Bahnsteigsteg angerannt kam, war die Prowodniza immernoch mit meinem Ticket beschäftigt und wir hatten noch knappe zehn Minuten Zeit. Letzten Endes hat sich wieder alles geklärt und es konnte losgehen weiter in Richtung Chabarowsk.

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Es reichte sogar noch für ein Foto: Unser Zug 100 Moskau–Wladiwostok, den es heute in dieser Form nicht mehr gibt.

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Dass ihr auch mal seht, wovon ich die ganze Zeit schreibe: burjatische Buusy. Sie sind, ähnlich wie die georgischen Chinkali mit Bouillon gefüllt, den man beim Essen ausschlürfen kann.

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Der erste längere Halt war in Karymskoje, wo Anschluss in das nahegelegene Adrianowka in Form eines etwas übermotorisierten Zugs bestand. Ich bekam dann noch eine Rüffel von einem der Provodniks, der vermutlich dachte, ich sei auf der falschen Seite ausgestiegen – „nelsja“ – eines meiner Lieblingswörter im Russischen, dass ich irgendwie öfters höre. ;-) Ich war allerdings ganz brav um den Zug herumgegangen. Eine Kollegin fragte, was los sei, der Provodnik nur: „Ausländer halt“. Der Lokführer des Nahverkehrszugs war dagegen eher vergnügt, dass jemand Interesse an seiner Fuhre hatte.

Den nächsten Tag sollten wir dann komplett im Zug verbringen. Wo wir dabei längeren Aufenthalt hatten, erfahrt ihr im nächsten Teil. Ebenso gibt es dann Bilder von bunten Straßenbahnen in Chabarowsk.

Bis dann und schöne Grüße
Jiří





3-mal bearbeitet. Zuletzt am 2021:01:04:16:25:39.

Re: [RU] Auf Tour in Russlands Osten 4/6: Sowjetarchitektur in Tschita [28 B.]

geschrieben von: ehemaliger Nutzer

Datum: 04.01.21 18:22

Hallo Jiří,

ist in Russland eigentlich derzeit ein RZD-Programm "Bahnsteigdächer für den Osten" oder so im Gange? Irgendwie sehe ich in deinen Berichten ständig auch mir bekannte Bahnhöfe, die bei meinen Besuchen vor noch nicht allzu langer Zeit keine Dächer hatten... ;-)

Wieder schöne Mosaike und sozialistische Wandbilder -- welche Informationsquelle(n) nutzt du eigentlich, um die jeweils ausfindig zu machen?


Viele Grüsse und с новым годом,

403 002.
Hallo!

Interessant mit den Bahnsteigdächern!

Was die Mosaiken und Wandbilder angeht, habe ich keine spezielle Quelle. Manchmal hatte ich Glück und habe einen entsprechenden Artikel über eine Stadt gefunden. Das war zum Beispiel in Krasnojarsk und Tschita so. In Ulan-Ude und vielen anderen Städten waren es dagegen reine Zufallsfunde.


С новым годом!

Иржи