Tour de Turk („TdT“) – Geturktes von West nach Ost
Teil 2b: Immer noch nicht nüchtern – Noch mehr Zugträumereien mit Genosse Mao auf der Stadtmauer
Im
letzten Bericht hatten wir ja mit dem Ausnüchtern begonnen, das setzen wir nun fort. Viel Spaß mit noch mehr Trainspotting in Peking.
Bild 41: Als nächstes zieht die Rangierlok DF4C 4257 die Wagen für den Zug Z1 von Beijing nach Haerbin (Harbin) in den Sackbahnhof, denn geschoben werden können die langen Wagenschlangen mit 16 bis 22 Waggons nicht. Die Wagen sind ganz neu.
Bild 42: Nein, das ist nicht der Direktzug nach Moskau, auch wenn einem die Vorhänge auf den ersten Blick vielleicht etwas anderes suggerieren. Es sind die Waggons des Zuges nach Harbin, das insbesondere für seine riesigen Eisskulpturen im Winter bekannt ist. Einstmals gehörte es ja zum russischen Zarenreich und ist architektonisch noch immer russisch geprägt. Harbin war (und ist) aber auch an Eisenbahnknoten im hohen Norden Chinas. Hier zweigt(e) die Stichstrecke vom südlichen Ast der Transsibirischen Eisenbahn nach Port Arthur (dem heutigen Dalian) ab.
Bild 43: Knappe zehn Stunden wird die Fahrt hoch in den Norden dauern. Mit dem HGV-Zug schafft man es sogar in nur sieben Stunden, allerdings kostet die Fahrkarte dann auch doppelt so viel. Mit dem langsamen K-Zug ist man sogar fast 17 Stunden unterwegs, allerdings kostet die Fahrkarte dann auch weniger als ein Viertel wie für eine Fahrt mit dem HGV-Zug.
Bild 44: So langsam bricht die Zeit für die abfahrenden Nachtzüge an. Dafür muss im Bahnhof aber erst einmal Platz geschaffen werden. Seit mehreren Stunden standen die Waggons des Zuges Z9 aus Hangzhou im Bahnhof, jetzt zieht sie der örtliche Rangierhobel vom Typ DF7 in die Abstellanlage.
Bild 45: Jetzt kommt mal wieder ein etwas interessanterer Zuglauf. HXD3D 0227 zieht nämlich den Zug K27 aus dem Hauptbahnhof. Sein Ziel Dandong, die chinesische Grenzstadt an der Hauptverbindung nach Nordkorea, wird er in rund 14 Stunden erreichen. Von der Zugfahrt von Pyoenyang nach Peking, die zwischen Dandong und Peking den gleichen Lauf wie dieser Zug nahm, hatte ich euch ja auch schon mal berichtet inklusive der Ausreisekontrolle durch die nordkoreanischen Grenzorgane. Wen‘s interessiert, hier könnt ihr es nochmal nachlesen: Teil 1, Teil 2, Teil 3 und Teil 4.
Bild 46: Zum Abschluss des Aufenthalts auf der Stadtmauer nochmals ein Vergleich von Lackierungs- und Diesellokvarianten, diesmal der Baureihen DF4 und DF11. DF4D 0347 trägt ein beige-rostbraunes Farbkleid.
Bild 47: DF11 0418 trägt dagegen ein weiß-blaues Farbkleid.
Die steife Brise aus Norden hatte zwar für strahlend blauen Himmel und jede Menge Sonnenschein gesorgt, allerdings war es auch eiskalt und ich war mittlerweile durchgefroren. Die Schatten wurden immer länger und das Museum sollte sowieso in Kürze schließen. So brach ich meine Zelte ab und machte mich mit der U-Bahn wieder auf den Weg nach Hause. Das Abendlicht war aber so schön, dass ich die Zeit nochmals für ein paar Schnappschüsse nutzte.
Bild 48: Blick von unten hinauf zur Stadtmauer, wo ich die letzten Stunden verbracht hatte.
Bild 49: Da ich sowieso auf dem Weg zur nächsten U-Bahnstation an der Eisenbahnbrücke an der Stadtmauer vorbeikam, wartete ich noch ein paar Züge ab. Leider fuhr SS8 0106 in die falsche Richtung. Also nächster Versuch.
Bild 50: Triebwagen wie CRH5A 5032 haben zumindest den Vorteil, dass es egal ist, in welche Richtung sie gerade verkehren. Aber Lokzüge finde ich halt irgendwie schöner.
Bild 51: Aller guten Dinge sind drei, dachte ich mir. Aber auch im dritten Anlauf klappte es leider nicht so richtig. DF4 5013 hatte leider keine Wagen am Haken.
Bereits am nächsten Tag sollte abermals Zeit für ein bisschen Trainspotting sein. Diesmal konnte ich schon vormittags zuhause losgehen. Allerdings wollte ich nicht schon wieder zum Hauptbahnhof, also ging es mit der U-Bahn zum Westbahnhof. Der war allerdings total überfüllt, überall stand Polizei und auf dem Vorplatz waren, warum auch immer, sogar Polizeischützenpanzer aufgefahren. Ich kämpfte mich trotzdem an zahlreichen Absperrgittern zur Südseite durch, bezahlte unverschämte 2 Yuan Eintritt für den angrenzenden Park, nur um festzustellen, dass die Bäume dort schon wieder erheblich gewachsen sind und ein guter Blick auf das Gleisvorfeld gar nicht mehr möglich ist. Aber jetzt sind wir schon mal da. Im Vergleich zum Vortrag waren die Temperaturen um mehr als 10° gestiegen, so machte ich es mir im Schatten der Bäume bequem. Aber in knapp zwei Stunden fuhr mir nur ein einziger lokbespannter Zug vor die Linse, ansonsten waren nur langweilige Triebwagenzüge unterwegs.
Bild 52: Blick aus dem Park auf das Gleisvorfeld des Westbahnhofs, dessen imposantes Empfangsgebäude sich im Hintergrund erhebt. Ein erhöhter Standpunkt wäre nicht schlecht gewesen, scheiterte aber am mittlerweile zu dichten Baumbewuchs, wie man es auf dem Bild bereits erahnen kann.
Bild 53: Wenn man vor lauter Masten den Zug nicht sieht. SS8 0022 und DF4D 0157 auf dem Gleisvorfeld des Westbahnhofs.
Bild 54: Mit Tele sieht das auch nicht wirklich besser aus.
Bild 55: CRH380AL-2550 vor der Kulisse des riesigen Empfangsgebäudes. Die Baureihe CRH380A wurde für Geschwindigkeiten bis 380km/h entwickelt. China behauptet, es sei die erste HGV-Baureihe, die ohne westliche Unterstützung entstanden sei. Aber schon äußerlich lässt sich eine Ähnlichkeit zu Shinkansen-Zügen nicht verleugnen.
Bild 56: CRH380AL-2548 vor der Kulisse des Westbahnhofs. Der Westbahnhof wurde 1996 nach drei Jahren Bauzeit eröffnet und war seinerzeit der größte Bahnhof Asiens. Er verfügt über 18 Bahnsteiggleise, im Schnitt werden hier 180.00 Fahrgäste pro Tag abgefertigt. Zu Spitzenzeiten wie zu Chinesisch Neujahr sind es mehr als 400.000. Durch die Eröffnung wurde der seinerzeit hoffnungslos überlastete Hauptbahnhof entlastet, der seit der Eröffnung des Bahnhofs Peking Süd, an dem fast nur HGV-Züge halten sogar nur noch an Nummer drei in Peking steht.
Bild 57: Lokdoppelpack in Form von HXD3D 0330 und HXD3C 0515.
Bild 58: HGV-Züge der Baureihe CRH5A verkehren auch am Westbahnhof. Hier ist es Triebwagen Nr. 5122.
Bild 59: Zur Abwechslung mal ein Perspektivwechsel. Der Hintergrund macht architektonisch fast mehr her wie das Bahnhofsgebäude. (Nicht nur) architektonisch gesehen sind chinesische Großstädte ein Grauen. Der Triebwagen CRH380AL-1541 ist auch ein besonderer: es ist das erste Exemplar der Baureihe CRH380AL.
Bild 60: Zum Abschluss noch SS9G 0186. Danach hatte ich die Schnauze voll vom unfotogenen Westbahnhof.
Auf Westbahnhof hatte ich absolut keine Lust mehr. Was also machen mit dem angefangenen Tag? Wieder ab zum Hauptbahnhof! Da war ich ja schon am Vortag, dafür sind die Sicht und die Abwechslung dort dann doch besser wie am Westbahnhof. Allerdings war die Schlange vor der U-Bahnstation im Keller des Westbahnhofs mittlerweile über 300m(!) lang. Auf Schlange stehen hatte ich keine Lust und so machte ich mich zu Fuß auf zur nächsten U-Bahnstation am Militärmuseum, wo es überhaupt keine Warteschlange gab. An der Stadtmauer dann fast „same procedure as last day“. Eintrittskarte kaufen, den Sicherheitsbeamten an der Sicherheitskontrolle diesmal schlafen lassen und hinauf zur Stadtmauer. Diesmal überraschte mich beim Aufstieg nicht Mao Zedong. Insgeheim hatte ich aber dennoch die Hoffnung, dass ich den großen Steuermann heute vielleicht doch noch in etwas besserer Position wie gestern treffe. Und er sollte mich tatsächlich nicht im Stich lassen:
Bild 61: Auf dem Weg zum Aufstieg zur Stadtmauer, die im Hintergrund bereits sichtbar ist, passierte ich das Stellwerk, das von der ersten Eisenbahnlinie, die aus Tianjin Peking erreichte, übrig geblieben ist.
Bild 62: Kaum auf der Stadtmauer, brummte mir DF11G 0027 mit dem Zug Z8 aus Qingdao Bei (Tsingtao Nord) vor die Linse.
Bild 63: Es folgt HXD3C 0558, die den Zug K616 aus Datong am Haken hat.
Bild 64: Jetzt kommt der erste Langläufer. HXD3D 0193 hat den Zug Z14 Guangzhou Dong (Ost) <-> Shenyang Bei (Nord) am Haken. Am Vortag hatte noch eine Lok der Baureihe SS9G den Zug gezogen (siehe Bild 10 im vorherigen Beitrag).
Bild 65: Auf Langläufer folgt Kurzläufer. HXD3C 0629 hat den Zug 4415 von Peking nach Zhangjiakou Nan (Süd) am Haken. Zhangjiakou liegt in den Bergen nordwestlich von Peking und war einst Standort eines wichtigen Forts, das die Hauptstadt vor einfallenden mongolischen Reiterhorden schützen sollte. Später bauten die Chinesen ihre erste Eisenbahnlinie in Eigenregie von Peking Nord nach Zhangjiakou. Ausführlich berichtet über die interessante Geschichte dieser militärstrategischen Strecke hatte ich euch ja im Forum schon vor längerer Zeit. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht, so hat der Zug doch etwas Besonderes an sich. Es ist nicht die Zuglok oder die gut drei Stunden lange Laufzeit des Zuges. Es sind die Waggons. Denn es war der letzte Zug mit den uralten Personenwaggons, die noch mit Kohleöfen beheizt wurden, die es ab Peking gab. Bei chinesischen Eisenbahnfreunden war eine Fahrt mit diesem Zug ein absolutes „must“. Kurz nachdem ich das Foto gemacht hatte, wurde der Zug eingestellt. Mittlerweile fährt man von Peking aus in weniger als einer Stunde auf der HGV-Strecke nach Zhangjiakou. Die HGV-Strecke wurde Anfang 2020 eröffnet, sie verbindet Peking mit den beiden Außenstandorten der Olympischen Winterspiele 2022 in Yanqing und Zhangjiakou.
Bild 66: In diesem Waggon wird der Kohleofen schon kräftig geheizt.
Bild 67: Danach zur Abwechslung mal wieder ein E-Lok Doppel: HXD3C 0487 und SS8 0197 im Vorfeld des Hauptbahnhofs.
Bild 68: Der nächste HGV-Zug aus Shenyang trifft ein und...
Bild 69: … fährt in den Hauptbahnhof.
Bild 70: Schon lange keinen Langläufer mehr gesehen. Hier ist wieder einer: der altbekannte Z14 von Guangzhou Dong nach Shenyang Bei, gezogen von SS9G 0141.
Bild 71: Eine (diesel-)elektrische Doppeleinfahrt. Während DF4 0014 den Zug K1190 aus Wulanhaote aus der Inneren Mongolei am Haken hat, zieht SS08 0078 den K474 aus Kunming die letzten Meter bis zum Ziel. Fahrgäste, die in Kunming eingestiegen sind, werden froh sein, dass sie nach knapp zwei Tagen Fahrt endlich am Ziel sind.
Bild 72: Als ob sie sich abgesprochen hätten. Absolut parallel rollen die Züge nebeneinander her. Leider wird der Nadelbaum im Vordergrund jedes Jahr länger. Nächstes Jahr nehme ich eine Säge mit. Bereits am Vortag (siehe Bild 12 im vorherigen Beitrag) waren die beiden Züge fast parallel in den Hauptbahnhof eingefahren. Es ist doch immer wieder erstaunlich, wie es die Chinesische Staatsbahn schafft, dass Züge mit teilweise mehreren Tagen Laufzeit auf die Sekunde pünktlich ankommen. Hervorragend gewartetes Material und viel Puffer im Fahrplan machen es eben möglich.
Bild 73: Und hier ist wieder mein Traumzug: der Z179, der den Bahnhof mit den drei Üs zum Ziel hat: Ürümqi Süd (oder Wulumuqi Nan, wie der Chinese sagt). Im nächsten Beitrag ist es dann endlich so weit. Dann nehme ich euch mit auf die Reise. Zwar nicht ganz bis Ürümqi, aber immerhin ein gutes Stück bis nach Kumul/Hami.
Bild 74: Viel Hoffnung hatte ich ja nicht, dass ich nach dem Zufallstreffer vom Vortag (siehe Bild 1 im vorherigen Bericht) nochmals auf Genosse Mao treffen würde. So war ich sehr freudig überrascht, als er (zwar im Schatten) in Form von HXD3D 1893 aus dem Hauptbahnhof. Der angehängte Zug passt auch wunderbar, denn es ist der T1 nach Changsha, das ja unweit von Shaoshan, dem Geburtsort Maos liegt (aber davon hatte ich euch ja hier schon ausführlich berichtet).
Damit sollten alle jetzt hoffentlich wieder nüchtern sein. Das ist auch gut so, denn im nächsten Bericht brechen wir nämlich in den muslimisch geprägten Nordwesten Chinas auf. Ich hoffe, dass ihr dann alle wieder nüchtern mit einsteigt.
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