Hallo zusammen,
Mitte Juli war ich mit meiner Freundin zweieinhalb Wochen im Osten Russlands unterwegs. Wir nahmen zunächst das Flugzeug von Moskau nach Irkutsk. Die nächste Station war Listwjanka am Baikalsee, dann ging es auf der Transsib bis Wladiwostok mit Stopps in Ulan-Ude, Tschita und Chabarowsk. Von Wladiwostok zurück sind wir wieder geflogen. Lange war nicht klar, ob wir die Reise wegen der Corona-Situation überhaupt antreten konnten. Verschieben war nicht drin, da ich feste Betriebsferien habe, also hieß es Bangen. Es sah dann aber schon Wochen vorher ganz gut aus, nur Transbaikalien machte uns noch etwas Sorgen. Es war bis kurz vor Abreise unklar, ob es dort noch eine Quarantänepflicht für Reisende geben würde. Die wurde jedoch vorher glücklicherweise aufgehoben und so stand auch dem Besuch von Tschita nichts im Wege.
Meinem etwas utopischen Ziel, alle Straßenbahnbetriebe Russlands zu besuchen, bin ich mit dieser Reise um vier Betriebe näher gekommen. ;-)
03.07.2020: Stadtbummel in Irkutsk
Los ging es am Abend des 2. Juli vom Flughafen Vnukovo. Ich hatte noch einen Gutschein von Pobeda wegen eines gestrichenen Flugs nach Baden-Baden, weshalb die Anreise schonmal quasi umsonst war. Der Flug ging um 21 Uhr, wegen der fünf Stunden Zeitverschiebung kamen wir ohne wirkliche Nacht morgens um halb 8 Ortszeit in Irkutsk an.
Nachdem von allen Passagieren die Temperatur gemessen war, durften wir aussteigen. Es war schon morgens brennend heiß. Wir hatten ein kleines Hotel namens Aurora in der Innenstadt gebucht, wohin wir mit dem Taxi fuhren. Es war ein schlichter Bau mit gläserner Fassade im Hinterhof an einer von Holzhäusern dominierten Straße. Im Gegensatz zu meiner Freundin war ich noch nicht wirklich müde, nachdem wir eingecheckt hatten. Es war gegen halb 10 morgens und sonnig, also eine ganz gute Gelegenheit, nach Straßenbahnen Ausschau zu halten.
Die fuhren garnicht weit vom Hotel entfernt auf der Uliza Timirjasewa. Das Irkutsker Netz besteht aus einem großen Innenstadtring, der von mehreren Linien befahren wird. Von diesem zweigen drei Außenäste ab, deren einer die Angara überquert und den Hauptbahnhof anbindet. Der Fahrzeugpark ist relativ unspektakulär und besteht aus KTM-5, KTM-8 und KTM-19. Da ausnahmslos alle Fahrzeuge mit Ganzwerbung unterwegs sind, ist dennoch Abwechslung geboten. Die nach Nordosten abzweigende Linie 4 schien mir ganz vielversprechend zu sein, da sie abseits großer Hauptstraßen durch ein Wohngebiet führt. An der Haltestelle Musej Dekabristow stieg ich in die nächstbeste Tram der Linie 4. Es war ein KTM-5 mit Sitzen aus Holz. Hatte ich einen solchen Wagen im letzten Jahr in Nowosibirsk noch für eine kleine Sensation gehalten, waren hier fast alle KTM-5 so ausgestattet. Es ging vorbei am Busbahnhof und auf einer Brücke über die Uschakowa, einen kleinen Nebenfluss der Angara. Bald darauf wurde die Umgebung etwas weniger städtisch. An der Haltestelle Detskaja Uliza stieg ich aus.
Bevor die Ampel auf grün schaltete, gelang mir noch ein Foto von meinem Wagen, Baujahr 1987.
Es folgte bald der weiße Wagen 160 mit gleichem Baujahr und Baumarktwerbung. Er wird uns in diesem Beitrag noch öfter begegnen.
Ich ging etwas die Straße entlang, um nach Fotostellen Ausschau zu halten. Es war jedoch nichts außergewöhnliches zu finden. Hier liefert sich Wagen 169 ein Wettrennen mit einem Kamaz-Müllauto.
Dieses Bild entstand an der Haltetstelle Uliza Pisarewa, etwas weiter stadteinwärts. Auf den Aufnahme bei Yandex Panorama aus dem Jahr 2014 sieht es hier noch etwas wilder aus. Da war die Straße noch nicht asphaltiert, was dem Ganzen ein deutlich ländlicheres Flair gibt.
Ich ging an den Gleisen entlang zurück in Richtung Stadt. An der Remeslennaja Uliza bot sich die Gelegenheit, stadteinwärts fahrende Wagen zu fotografieren. Hier ein weiterer KTM-5 mit Baujahr 1987, Wagen 161.
An der Haltestelle Stadion Dinamo begegnete mir der erste KTM-8, Baujahr 1995.
Zu meinen Lieblingswagen gehörte auch der rote 172 mit Werbung für ein Schuhgeschäft.
Ich ging zu Fuß zurück zum Hotel. Dabei kam ich wieder am Busbahnhof vorbei, von wo man unter anderem an den Baikalsee kommt.
Wieder auf der Uliza Timirjasewa begegnete erneut Wagen 160.
Es folgte noch ein Hyundai Aero City der jüngeren Generation. – Ich entwickelte im Urlaub ein regelrechtes Faible für koreanische Busse, die man im europäischen Teil Russlands doch eher selten zu Gesicht bekommt.
Auf der gleichen Straßen traf ich kurz darauf wieder auf Wagen 169, der von der Endstation zurückgekehrt war.
In der Straße unseres Hotels befand sich auch die Irkutsker Synagoge. Sie wurde von 1878 bis 1882 erbaut und ist damit die älteste Synagoge Russlands.
Nun legte auch ich mich eine Weile hin, der Jetlag knipste mir langsam die Lichter aus. Am Nachmittag zogen wir dann wieder los in die Stadt, ohne genauen Plan.
Im Fenster eines der vielen Holzhäuser in der Straße chillte diese weiße Katze, der wir in den Irkutsker Tagen noch öfter begegneten. Wirklich bequem sieht die Position ja nicht aus, aber es schien ihr zu gefallen.
Wir gingen zuerst einmal zum nahe gelegenen zentralen Markt. Dort fiel mir direkt diese hübsche Apotheke ins Auge. Gegenüber befindet sich eine große Markthalle, wo wir uns mit Piroggen mit verschiedener Füllung eindeckten. Auf der Straße gab es einen Becher Kwass dazu. Während wir so unseren Kwass tranken, kam eine vermeintliche Doppeltraktion KTM-5 des Wegs.
In Wirklichkeit war einer der Wagen liegen geblieben.
Hier noch einmal der hübsche rote Wagen 172, der den schadhaften Kollegen schob. Davor ein kleiner Melonenstand.
Ein weiterer Aero City kam um die Ecke gebogen. Hier am Zentralnyj Rynok, dem zentralen Markt, befindet sich auch der besagte Mittelpunkt des Straßenbahnnetzes. Während die Linien 1, 3, 5 und 6 die Ringstrecke befahren, hat die Linie 4 eine Wendeschleife hier am Markt, die um ein offenes Marktgelände herum führt.
Linie 3 befährt ausschließlich den Ring. Rechts ist das offene Marktgelände zu sehen, das von der Schleife umrundet wird. Hier am zentralen Markt herrscht ständig ein wildes Gewusel von Straßenbahnen, Bussen, Autos und Fußgängern.
Ein Vertreter der jüngsten Fahrzeuggeneration in Irkutsk: der 2006 gebaute Wagen 214. Die Linie 1 verkehrt aus dem Ring über die Angara zum Bahnhof und weiter zur Wissenschaftsstadt Studgorodok.
Hier kommt gerade Wagen 170 aus der Wendeschleife um den Markt gefahren.
Wir folgten der Timirjasewa in Richtung Flussufer. Dort begegnete Wagen 140 vor einem der zahlreichen Holzhäuser.
Nächste Station war die Heiligkreuzkirche im Stil des Sibirischen Barock, die hier im Hintergrund zu sehen ist. Die ist mit ihren original erhaltenen Innenräumen aus dem 18. Jahrhundert durchaus sehenswert. Wagen 238 kam im Gegensatz zu Wagen 214 im Jahr 2015 gebraucht aus Moskau nach Irkutsk.
Am Beginn der Fußgängerzone trafen wir auf den „Babr“, das Wappentier von Irkutsk. Es ist eine Mischung aus Tiger und Biber. Hier ist so etwas wie das touristische Zentrum der Stadt, wenngleich coronabedingt so gut wie keine Touristen anzutreffen waren. Am anderen Ende der kleinen Flaniermeile besorgten wir uns in einem Einkaufszentrum einige Erfrischungen, da begegnete mir ein Gruß aus der Beinahe-Heimat in Form von Eichbaum-Bier aus Mannheim. Danach ging es ans Ufer der Angara, wo auf einigen Halbinseln diverse Vergnügungsangebote zu finden sind. Darunter ist auch die Kindereisenbahn, die allerdings schon Betriebsruhe hatte. So ganz war auch nicht herauszufinden, ob sie in Corona-Zeiten überhaupt in Betrieb war. Wir verschoben einen Besuch auf den Folgetag – sofern noch Zeit bleiben sollte. Am Ende waren mir dann Straßenbahnfotos wichtiger, wenngleich die Trasse der Kindereisenbahn durchaus ihren Reiz zu haben scheint. Stattdessen fuhren wir eine Runde mit dem Riesenrad. Dabei war die Bezahlung etwas schwierig. Die ging nur über eine App, der Mobilfunkempfang auf der Halbinsel war zumindest mit Megafon-Netz eher dürftig. Nach einigen Fehlversuchen hat es dann aber geklappt und man hatte eine recht hübsche Sicht über die Stadt und die Angara. Ich sah sogar einen Güterzug auf der Transsib vorbeifahren.
Danach schlenderten wir noch über die Halbinseln, wobei mir dieses Amphitheater besonders gefiel. Langsam brach die Dämmerung herein und die Stechmücken übernahmen das Regiment am Flussufer, also besser ab ins Zentrum. Aus dem Besuch eines Karaoke-Clubs nahe unseres Hotels wurde nichts, der war wegen der Pandemie noch geschlossen. Also gab es Vesper aus dem Supermarkt und Bier auf dem Hotelzimmer.
04.07.2020: Gluthitze
Am Samstag stand ich früh auf, um noch einmal ein paar Fotos zu machen. Der Hotelbedienstete hatte offenbar nicht damit gerechnet, dass jemand vor 8 das Haus verlassen will. Ich musste ihn erstmal aufwecken, um mir aufschließen zu lassen.
Ich ging direkt wieder zum zentralen Markt. Rechts ist das Einkaufszentrum „Gorod Magasinow“ aus Sowjetzeiten zu sehen. Wagen 241, der sich hier gerade auf der Linie 4 auf dem Weg macht, kam ebenfalls 2018 aus Moskau.
Ein weiterer Ex-Moskauer begegnete auf der Linie 1, links der offene Marktplatz.
China lässt grüßen: Einkaufszentrum „Shanghai-City“.
Nächster Wagen auf der Linie 4 war der bunte 199, der uns auch noch einige Male begegnen wird.
Hier noch einmal ein Blick auf das Einkaufszentrum. Mein Plan war eigentlich gewesen, der Strecke in Richtung Studgorodok einen Besuch abzustatten. Dieser wurde allerdings durch eine Streckensperrung während des Wochenendes durchkreuzt. Die Linien 1 und 4A endeten am Markt, Linie 2 fuhr erst garnicht. Dort hätte es einen recht hübschen, dörflichen Streckenabschnitt gegeben. Also fuhr ich noch einmal mit der Linie 4, diesmal bis zum Endpunkt.
Dort gab es nichts weiter Interessantes und so ging ich zu Fuß die Strecke entlang, um die nächsten Wagen abzupassen.
Ganz nett war diese Stelle mit einem Holzhaus, dazu kam mit Wagen 231 einer der wenigen KTM-8.
Es folgte wieder ein ehemaliger Moskauer KTM-19, Wagen 243. So langsam wurde es Zeit, zum Hotel zurückzukehren. Auf 10 Uhr war das Frühstück bestellt worden.
Auf dem Weg von der Straßenbahn zum Hotel begegnete mir noch dieser Aero City der älteren Bauform, die mir deutlich besser gefällt. Nach dem Frühstück war das erste Ziel die Kasaner Kirche, wohin wir zu Fuß gingen. Also wieder an die Linie 4.
Unterwegs begegnete uns wieder der Wagen 199 mit seinem lila-pinkfarbenen Werbeanstrich. Die Kirche stand voll im Gegenlicht, daher erspare ich euch ein Bild.
An der Remeslennaja Uliza machte ich beim Warten auf die Straßenbahn in Richtung Zentrum noch dieses Foto von Wagen 173, der für das Gesundheitszentrum „Dr. Alex“ wirbt. Dann ging es zum zentralen Markt. Von dort wollten wir uns zu Fuß in Richtung Bahnhof aufmachen, um für den nächsten Tag gleich Fahrkarten zu kaufen.
Farbenfrohes Irkutsk: Am Markt kam wieder mal Wagen 199 um die Ecke.
Hier noch einmal das Einkaufszentrum „Gorod Magasinow“ von der anderen Seite.
An der Uliza Karla Marksa, der Hauptstraße in der Altstadt, ist dieses hübsche Wandbild mit der Internationalen zu bewundern.
Ein pausierender Trolleybus in der Uliza Swerdlowa.
Und gleich noch einer.
An der Uliza Stepana Rasina besorgte ich bei der Post einige Briefmarken. Hier wäre normalerweise auch die Straßenbahn unterwegs gewesen. Schade, denn es ist eine hübsche Altstadtstraße.
Bald war dann auch der Grund für die Sperrung zu sehen.
Auf dieser Brücke überquert die Straßenbahn normalerweise die Angara.
Wir überquerten sie zu Fuß, wobei wir von einem Daewoo-Bus überholt wurden.
In der Nähe des Bahnhofs entdeckte ich noch diese Relief.
Das Bahnhofsgebäude selbst gehört sicher zu den schönsten in Russland – zumindest im klassischen Sinne. Mit Wladimir oder Tscheljabinsk kann es natürlich nicht mithalten. ;-) Nachdem wir die Fahrkarten für die Elektritschka nach Sljudjanka und den Anschlusszug nach Port Baikal gekauft hatten, holten wir uns im ersten Obergeschoss noch einen Burger. Da gab es mal wieder eine interessante Auslegung der Corona-Regeln zu bewundern. Der junge Mann sagte uns, er dürfe uns das Essen nur zum Mitnehmen verkaufen. Die Tische waren alle mit Absperrband versehen. Wir dürften aber gern am geschlossenen Fahrkartenschalter gegenüber essen, er gebe uns auch Barhocker dazu, wenn wir wollten. ;-) Aus dem Weg zum Bahnhof war ein halber Stadtbummel geworden und es war schon recht spät am Nachmittag. Die Hitze hatte uns ziemlich müde gemacht, also nahmen wir den Bus zurück in die Stadt.
Meine Freundin wollte sich ausruhen, ich eigentlich auch. Aber ich wollte auch wenigstens einmal den großen Ring der Straßenbahn abfahren. Der verläuft zwar durchweg in Straßenmitte, aber vielleicht würde es ja noch die eine oder andere nette Stelle geben. Wenn, dann jetzt. Am Markt kam wieder einmal Wagen 160 mit der Baumarktwerbung des Wegs.
Nachdem er die Schleife durchfahren hatte, zeigte er sich noch einmal von der anderen Seite.
Die Straße vor dem China-Shoppingcenter fand ich im Abendlicht ganz nett als Fotostelle, doch kam erstmal lange nichts bis auf diesen Kamaz-Lkw.
Also hatte ich genug Zeit, mir die lustigen Ladenschilder der Gegend anzusehen. Als mir dann das nächste Foto von einem Auto vermasselt wurde, zog ich weiter. So toll war die Stelle auch wieder nicht.
Am Markt begegnete mir dann noch eine Dampflok. Dann stieg ich in einen Wagen der Linie 1, um den Ring einmal abzufahren. Sollte etwas Interessantes zu sehen sein, konnte ich ja aussteigen.
Wie so oft in solchen Fällen, war das gleich an der nächsten Haltestelle der Fall. Die Strecke steigt dort stark an. In einer Kurve schien es mir ganz ansprechend zu sein für ein Foto. Zunächst kam ein weiterer Wagen in meiner Fahrtrichtung, das war auch garnicht so schlecht.
Eigentlich war es mir jedoch um dieses Motiv gegangen.
Nun bekam ich auch endlich mal den Wagen mit der „Börge Beton“-Werbung vor die Kamera. Klingt irgendwie deutsch, Google liefert aber nur einen Treffer in Irkutsk.
Und noch einmal ein Wagen auf Talfahrt. Nun ging ich aber zurück zur Haltestelle und nahm mir vor, nicht gleich wieder auszusteigen. Es ging nun vor allem durch Wohngebiete. Wirklich vielversprechende Fotostellen gab es wirklich keine. Nur eine Schleife sah recht hübsch aus. Ich hatte allerdings keine Ahnung, ob dort überhaupt etwas fahren würde.
Kurz bevor ich die Ringstrecke komplett durch hatte, wurde ich dann doch noch einmal schwach. Allerdings wegen dieses Kulturpalasts und nicht wegen der Straßenbahn.
Beim finalen Ausstieg am Markt mussten dann noch die Holzbänke in meinem KTM-5 dokumentiert werden.
Aufgrund des Corona-bedingten Mangels an Ausgehmöglichkeiten und Restaurants gab es zum Abendessen wieder Vesper aus dem Supermarkt.
Im nächsten Teil geht es dann weiter über Sljudjanka und Port Baikal nach Listwjanka am Baikalsee.
Schöne Grüße
Jiří
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2020:08:08:11:28:30.