Myanma my love - Ein Abschied für immer?!
Teil 9a: Ein traumhaftes Industriedenkmal – Vom Horrorhaus zum Hüttenwerk
Im
im letzten Bericht hatten wir den fünften Tag in Namtu hinter uns gebracht. Jetzt heißt es Abschied feiern, denn es folgt der letzte Tag in Namtu. Nachdem der letzte Bericht schon relativ wenig Eisenbahn zu bieten hatte, wird es in diesem Bericht nicht besser. Am letzten Tag stand die Besichtigung des alten Hüttenwerks in Namtu auf dem Programm. Auch wenn es dort fast keine Eisenbahn zu sehen gab, so war es doch ein sehr sehenswertes Abstecher. Ich hoffe, dass ihr das genauso seht.
Wie immer vorab ein paar Karten. Am heutigen Tag hielten wir uns ausschließlich in Namtu auf:
Bild 1: Übersichtskarte der Minenbahn von Namtu. In Namyao bestand Anschluss an die Meterspurstrecke (Mandalay-) Myomaung - Lashio. Betriebsmittelpunkt ist Namtu, wo sich neben dem Hüttenwerk ein großes Depot mit Betriebs- und Ausbesserungswerk befindet. Zwischen Namyao und Namtu verläuft die Strecke durch eine Hügellandschaft, hinter Namtu folgt die Strecke dann teilweise in einer Schlucht einem Gebirgsbach bis Wallah Gorge. Dort befindet sich eine Verladestelle für das im Untertagebetrieb geförderte Erz. Das letzte Teilstück bis Bawdwin verläuft dann meist oberhalb des Flusses, in Bawdwin bestand Anschluss an den Förderturm der Untertagemine sowie dem Übertageabbaugebiet.
Von Bawdwin bzw. Wallah Gorge wurde hauptsächlich Roherz in das Hüttenwerk in Namtu befördert, zwischen Namtu und Namyao wurden das aufbereitete Erz bzw. auf dem Rückweg notwendige Rohmaterialien wie Kohle und Säure transportiert. Der Personenverkehr wurde mit umgebauten Hino-Schienen-LKWs abgewickelt. 2009 verkehrte der letzte Zug zwischen Namtu und Nahsai, nachdem der Abschnitt Nahsai – Namyao bereits mehrere Jahre zuvor stillgelegt wurde. 2011 wurde dann zwischen Wallah Gorge und Bawdwin im heftigen Monsunregen der Damm bei E.R. Valley weggespült, die bereits isolierte Strecke Namtu – Bawdwin zerfiel also in zwei isolierte Teilstrecken.
Bild 2: Nicht maßstabsgetreuer Gleisplan des Bahnhofs Namtu, der Gleisplan des Hüttenwerks findet sich im nächsten Bild. Die Buchstaben an den Gleisen korrespondieren jeweils, über Gleis D ist der große Teil des Hüttenwerks an den Bahnhof Namtu angebunden.
Bild 3: Gleisplan des Hüttenwerks.
Und hier noch drei schematische Skizzen des Erzverarbeitungsprozesses, die ich bereits 2009 im Gästehaus der Mine entdeckt hatte:
Bild 4: .
Bild 5: .
Bild 6: .
02.12.2011
Auch heute ging es sehr früh aus dem Bett, schließlich hatte ich ja noch eine offene Verabredung. Ich wollte das ehemalige Wohnhaus des Minenmanagers besuchen, das sich auf halber Höhe zwischen Gästehaus und Bahnhof befand. Der Sohn des alten Minenmanagers, den ich in Yangon besucht hatte (siehe
dieser Bericht), hatte mich gebeten, das Haus, in dem er seine Kindheit verbracht hatte, zu fotografieren. Bereits vor einigen Tagen hatte ich ja am frühen Morgen einen Termin mit einem Angestellten der Mine vereinbart, wurde von ihm allerdings versetzt.
Während der Rest der Gruppe so langsam aufwachte und sich in Richtung Frühstückstafel aufmachte, wo läppriges Toastbrot und kaltes Spiegelei warteten, stand ich draußen im Nebel und wartete auf mein „Taxi“. Heute musste es klappen, schließlich reisen wir ja am frühen Nachmittag ab. Und in der Tat, zehn Minuten nach dem vereinbarten Termin (und damit für Myanmar überpünktlich) knatterte ein Moped heran, am Steuer ein Altbekannter. Dieser Angestellte der Mine wurde mir bei meinem ersten Besuch Anfang 2009, als ich ganz alleine in Namtu war, zur Seite gestellt. Damals war ich ziemlich sauer, da er mich trotz Genehmigung nicht bis Wallah Gorge fahren ließ. Der Ärger war aber inzwischen längst verflogen, ich grüßte ihn hocherfreut und auch er erkannte mich sofort wieder.
Bild 7: Während ich draußen auf meine Abholung wartete, kämpfte sich oben am Berg schon langsam die Sonne durch den Nebel, unten im Tal waberte aber noch der Nebel.
Bild 8: Mein altbekannter Taxifahrer samt seinem Taxi.
Also schwang ich mich mit auf das Moped und dann ging es flugs hinab auf halbe Höhe zwischen Gästehaus und Bahnhof. Dort lag verbogen hinter Büschen und hohen Bäumen das ehemals stattliche Anwesen, das nun aber unbewohnt ist und dem Verfall preisgegeben ist. Es würde sich sicherlich hervorragend als Drehort für einen Horrorfilm eignen.
Bild 9: Hereinspaziert. Das mittlerweile verlassene Haus des Minenchefs. Die Tür steht einladend offen, zusammen mit dem Nebel ergibt sich die perfekte Szene für einen Horrorfilm.
Bild 10: Die Rückseite des Hauses. Im Inneren war ich trotz der teilweise schon recht fortgeschrittenen Baufälligkeit auch, allerdings habe ich da nur Videoaufnahmen.
Nachdem ich das Äußere und das Innere des Hauses ausgiebig dokumentiert hatte, klärte ich den Angestellten über den Grund meiner Tätigkeiten auf. Sofort erstrahlte sein Gesicht. Er hatte den Minenchef in bester Erinnerung und hatte früher als Kind immer mit den Kindern des Minenchefs gespielt. Er erkundigte sich nach allen Familienmitgliedern und hatte fast schon Tränen in den Augen.
Ausgemachter Treffpunkt mit der Reisegruppe, die noch im Gästehaus beim Frühstück saß, war der Bahnhof von Namtu. Daher fuhren wir voraus. Da mein Fahrer kein Geld annahm, wollte ich ihn wenigstens zum Frühstück im kleinen Markt am Bahnhof einladen. Er erinnerte sich sogar daran, dass ich bei meinem ersten Besuch nach einem Frühstück am Bahnhof gesundheitliche Probleme hatte (vermutlich eine leichte Schwermetallvergiftung, da das Wasser direkt aus dem Bach genommen wird, der vorher an den Schlackenhalden des Hüttenwerks vorbeiläuft) und orderte die Teezubereitung mit Wasser aus abgepackten Plastikflaschen. Dann holte er noch den Eisenbahnchef der Minengesellschaft (der auf unsere Gruppe wartete) sowie der Fahrdienstleiter aus Namtu zu uns und erzählte ihnen die gesamte Geschichte. Alle waren voller Freude und erzählten Geschichten von früher, so dass wir zunächst gar nicht mitbekamen, dass der Rest der Reisegruppe inzwischen auch eingetroffen war. Das Frühstück durfte ich selbstverständlich nicht bezahlen. So konnten wir dann schließlich das Gruppenprogramm für heute starten. Wir hatten keine Züge mehr gebucht, sondern wollten am Vormittag die Umgebung rund um den Bahnhof Namtu etwas erkunden, bevor es dann gegen Mittag zum Flugplatz in Lashio gehen sollte. Der Eisenbahnchef nahm mich, die Reiseleitung sowie ein paar weitere Gruppenmitglieder unter unsere Fittiche und geleitete uns hinauf zum Hüttenwerk.
Nachdem wir bereits am Vortag eine Überraschung erlebt hatten, folgte nun die nächste. Besuchern von Namtu (von denen es sowieso kaum welche gab) blieb das Hüttenwerk bis jetzt immer verschlossen. Auch 2009 endete meine Mitfahrt auf einem Erzzug vom Bahnhof Namtu zum Hüttenwerk am Stacheldrahtzaun vor dem Hüttengelände. Das Hüttenwerk war zwar (fast) komplett außer Betrieb und Eisenbahnverkehr gab es gar nicht, dennoch war es auch so ein einmaliges Erlebnis. Man fühlte sich an die Anfangszeit der Industrialisierung erinnert, auch wenn das Hüttenwerk größtenteils erst nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut wurde, nachdem das alte Hüttenwerk im Kampf gegen die Japaner fast komplett zerstört wurde. Leider war die Zeit wieder sehr begrenzt und der Eisenbahnchef, der uns durch die heiligen Hallen führte, drängte immer wieder schnell zum Weitergehen. So ganz geheuer war ihm die ganze Sache nicht. So war es wie am Vortag. Ich hätte Stunden bleiben können und die Motive wären mir nicht ausgegangen, allein es reichte nur für eine grobe Dokumentation und ein paar Schnappschüsse. Daher folgend nun Bilder vom Besuch des Hüttenwerks, größtenteils ohne große Kommentierung, zumal ich kein Fachmann für Hüttenwesen bin (statt Hardware hab ich’s eben eher mit Software).
Bild 11: In den Bergen hängen noch die Nebelschwaden, als wir das Hüttengelände betreten. Alles wirkt sehr aufgeräumt, auch die Propagandaparolen der Militärjunta sind noch bestens lesbar.
Bild 12: Vom gleichen Standpunkt wie zuvor, allerdings mit Blickrichtung zum tiefer liegenden Bahnhof ergibt sich dieses Bild.
Bild 13: Gut, die Propagandaparolen in der Mitte sind teilweise schon abgeblättert.
Bild 14: Gesamtansicht des Hüttenwerks im wunderbaren Morgenlicht.
Bild 15: So langsam lost sich der Nebel auf und der Schornstein oben auf dem Berg wird sichtbar.
Bild 16: Eine fast schon gespenstische Atmosphäre. Es wirkt, als hätte man erst gestern den Betrieb eingestellt und anschließend einen riesigen Reinigungstrupp durch das Gelände geschickt.
Bild 17: In diesen Pfannenwagen wurden früher vermutlich die geschmolzenen Erze transportiert.
Bild 18: Das war vermutlich mal eine Spillanlage zum Ziehen der Waggons. Ansonsten kamen im Hüttenwerk hauptsächlich die zweiachsigen Loks der Tattoo-Klasse zum Einsatz. Unser Reiseleiter träumt ja schon lange davon, eine dieser Loks wieder betriebsfähig aufzuarbeiten und damit Eisenbahn auf den Hüttengleisen zu spielen.
Bild 19: Die zahlreichen Gleise enden an den Schmelzöfen, die wir uns gleich noch genauer anschauen werden.
Bild 20: Ansicht eines Schmelzofens.
Bild 21: Mit diesen Waggons wurde vermutlich das geschmolzene Erz transportiert.
Bild 22: Blick auf das benachbarte Hüttengebäude, im Übersichtsplan als „silver room“ und „refinery“ bezeichnet. Diesem Bereich statten wir später auch noch einen Besuch ab.
Bild 23: Weitere Schmelzöfen im Inneren des Gebäudes.
Bild 24: Blick vom Hüttenwerk hinauf auf den einstigen Schornstein. Die Tatsache, dass rund um den Schornstein trotz des feuchtwarmen Klimas nichts wächst, lässt darauf schließen, was die letzten Jahrzehnte hier so alles aus dem Kamin gequollen ist.
Bild 25: Blick zurück ins Innere des Hüttenwerks.
Bild 26: Weiterer Schmelzofen mit Gleisanschluss.
Bild 27: Im Inneren des Hüttenwerks liegen zahlreiche Gleise, die sich auch zigfach kreuzen.
Bild 28: Szenerie im Hüttenwerk, rechts geht es hinunter in Richtung „silver room“.
Bild 29: Ein weiterer Schmelzofen im Inneren des Hüttenwerks.
Bild 30: Hier geht es hinunter in den “silver room” und die „refinery“, die Waggons wurden hier per Seilwinde transportiert.
Bild 31: Die Weiterführung der Gleise in Richtung Schmelzöfen.
Bild 32: Solche Gleiskonstruktionen bekomme ich nicht einmal mit den Brio-Gleisen meines Sohnes hin.
Bild 33: Auch Waagen für die Waggons gab es.
Bild 34: Die Gleisführung im Inneren des Hüttenwerks hat mich einfach fasziniert.
Bild 35: Die Gebläse für die Schmelzöfen sind etwas neuern Datums.
Bild 36: Während die Zahnräder außer Betrieb genommen wurden, ist die Elektroinstallation im Hintergrund noch in Betrieb.
Bild 37: Hier handelt es sich wohl um den Schrottablageplatz oder eine ehemalige Werkstatt.
Bild 38: Auch Gebläse älteren Datums waren noch zu finden.
Damit haben wir den Schnellrundgang durch den ersten Teil des Hüttenwerks abgeschlossen, der zweite Teil mit dem „silver room“ folgt dann im nächsten Teil. Einmal mehr folgt dann ein Bericht praktisch ohne Eisenbahn. Ich hoffe, dass ihr dann trotzdem wieder dabei seid.
Zugliste
Datum | Zugnummer | Von | Nach | km | Traktion | Spurweite |
25.11. | Circle Line | Yangon Hbf | Yangon Hbf | 49,1 | Diesel | 1000mm |
27.11. | | Namtu | Lopah (und zurück) | 13,9 | Diesel/Dampf | 610mm |
28.11. | | Namtu | Wallah Gorge | 10,6 | Diesel/Dampf | 610mm |
28.11. | | Wallah Gorge | Namtu | 10,6 | Diesel | 610mm |
29.11. | | Namtu | Wallah Gorge | 10,6 | Diesel | 610mm |
29.11. | | Wallah Gorge | Namtu | 10,6 | Diesel | 610mm |
30.11. | | Namtu | Wallah Gorge | 10,6 | Diesel/Dampf | 610mm |
30.11. | | Wallah Gorge | Namtu | 10,6 | Diesel | 610mm |
01.12. | | Namtu | Wallah Gorge | 10,6 | Diesel | 610mm |
01.12. | | Wallah Gorge | E.R. Valley | 5,6 | Diesel/Dampf | 610mm |
01.12. | | E.R. Valley | Bawdwin | 2,4 | Diesel | 610mm |
01.12. | | Bawdwin | E.R. Valley | 2,4 | Diesel | 610mm |
01.12. | | E.R. Valley | Wallah Gorge | 5,6 | Diesel/Dampf | 610mm |
01.12. | | Wallah Gorge | Namtu | 10,6 | Diesel | 610mm |
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