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Trotz der Tatsache, daß in den letzten Jahrzehnten im Land viele Schmalspurbahnen stillgelegt wurden, Ungarn ist bis Heute eine große "Kleinbahn-Großmacht". Neben den bekannten Bahnbetrieben gibt es einige, für industrielle Zwecke genutzte Linien, die hauptsächlich nur die Fachmänner und die Eisenbahn-Enthusiasten kennen. Solche sind die drei, bis Heute tätige Fischereiwirtschaftsbahnen, die gelten eigentlich als Hungarikum (typisch ungarisch). Übrigens: Verwendung die Eisenbahn für diesen speziellen Zweck breiteten sich nur im Karpatenbecken aus: wir kennen solche Bahnsysteme außerhalb Ungarns nur in Kroatien. Die bekannteste Fischerbähnle verläuft auf dem Hortobágy, doch ihr industrieller Charakter wird langsam in den Schatten gestellt und wird zunehmend zu einer Touristenattraktion. Die weitere zwei Eisenbahnen im Komitat Csongrád, zwischen Csanytelek und Tömörkény und in dem Fehér-tó bei Szeged spielen noch heute ihre traditionelle Rolle. Interessanterweise die letzte Pferdebahn unseres Landes war ebenfalls eine Fischerbähnle. Südlich von Nagykanizsa, an der Grenze zwischen der beide Komitäte Somogy und Zala befand sich die kleine Eisenbahn der Fischerwirtschaft Pat, die wurde bis zum Ende des letzten Jahrtausends ausschließlich von Pferden betrieben.
Am 9. November besuchte ich eine dieser drei Eisenbahnen, die "Fehér-tavi Halgazdasági Vasút" (Fischereiwirtschaftsbahn Fehér-tó). Die Bahn, die mit einer Spurweite von 600 mm gebaut ist, dient nur dem Güterverkehr, aber in einem Teil des Netzes verkehren jedoch einmal im Jahr auch öffentliche Personenzüge. Einer der wichtigsten Rastplätze für Kraniche während ihrer herbstliche Durchzugsroute ist der Fehér-tó, wenn November diese Vögel sich in der Größenordnung von Zehntausenden hier entspannen. Um diese außergewöhnliche natürliche Attraktion bekannt zu machen wurde vor 8 Jahre ein Festival-ähnliches Ökotourismus-Programm ins Leben gerufen. Der Titel dieses Ereignis: "Fehér-tavi darvadozás". Dies ein unübersetzbares Wortspiel aus dem ungarischen Namen des Kranichvogels - ihre Bedeutung: es traurig ruht. Die Veranstaltung findet an mehreren Orten statt, darunter auch die Schmalspurbahn, die die Besucher zum in der Mitte des Seesystems gelegenen Aussichtspunkt bringt.
Als ich von zu Hause mich auf den Weg gemacht habe, gab es starken Nebel und es regnete, aber als ich in der Tscharda ankam, verschwand der Nebel und der Regen hörte auf. Der Vorgänger der heutigen Fischertscharda wurde im Mai 1938 eröffnet, aber es wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Der heutige Gebäudekomplex wurde 1996 von den Arbeitern der Fischereiwirtschaft erbaut.
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Direkt vor der Tscharda läuft die Eisenbahnlinie Budapest - Szeged, aber in der Nähe gibt es keine Bahnhaltestelle. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln kann man die Fischertscharda mit den zwischen Szeged nach Szatymaz verkehrende Bus erreichen, für diejenigen, die aus Budapest anreisen, ist der Bahnhof Szatymaz der praktischste Umstiegort.
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Wenn ich vom Aussichtsturm in die andere Richtung schaute, entfaltete sich vor mir das Seesystem.
Die Fehér-tó liegt ca 5 km nördlich von Szeged, mit seiner Fläche von ca. 14 qkm ist sie Ungarns größtes Vogelreservat. Selbst der See gehörte einst zu der typischen Salzseen der Tiefebene. Das charakteristische Merkmal dieser Seen ist, daß ihr Wasser mit schwimmenden kolloidalen Kalksteinsalzen trübe ist und auf dem Untergrund grauweißen Carbonat-Kalk-Schlamm aufweist. Gelegentlich, wenn der See austrocknet, "blüht" die an die Oberfläche gekommene Siksalz. Deshalb hat den Namen bekommen: Fehér-tó = Weißer-See. Die Generalversammlung der Stadt Szeged hat am 27. Oktober 1930 die Gründung der Szegeder Fischereiwirtschaft beschlossen, die Umsetzung dauerte von 1931 bis 1960. Später wurde die Anlage 1979-1982 weiter ausgebaut. Hier wurde 1951 der erste ungarische Naturgroßfilm unter dem Titel Vadvízország (Wildwasserland) gedreht, der im folgenden Jahr in Karlsbad erhielt den Preis für die beste Kameramannarbeit. Die Fischteiche sind von künstlichen Böschungen umgeben, die eine ständige Wartung erfordern, sowie wegen der engen Platzverhältnisse der Transport der benötigten Materialien ist schwerfällig. Die ideale Lösung dafür war der Bau einer Schmalspurbahn. Zunächst zogen Pferde und Maultiere die aus kasten- und flachen Loren zusammenstellte Züge. Die Tierkraft wurde erst Mitte der 1980-er Jahre durch von Ziegelwerken gekaufte Schienenschleppern, dann durch rumänische Grubenlokomotiven ersetzt. Heute hat der Bahnbetrieb nach meinem Wissen 8 betriebsfähige Diesellokomotiven. Die schmalspurige Wirtschaftsbahn verkehrt je nach Wetterlage vom 15. Februar bis zum 15. Dezember und befördert ca 3.500 Tonnen Fisch und 1.500 Tonnen Fischfutter pro Jahr.
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Während ich mich in der Höhe umschaute, in der Ferne tauchte der zurückkommender Personenzug auf, der zwischen den Fischteichen holpernde Zug bot einen surrealen Blick. Nach dem angekündigten Fahrplan fuhren die Züge von 8 bis 13 Uhr stündlich von der Haltestelle hinter der Tscharda ab. Die Endstation war das etwa 3,3 km entferntes sogenannte Forschungshaus, der Zug ließ es in vierzig Minuten hin und her hinter sich.
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Obwohl ich die Aussicht noch lange bewundern hätte, ging jedoch zu Boden, weil bis 10 Uhr, bis der Abfahrt des nächsten Zuges nicht mehr viel Zeit war und ich noch ein Ticket kaufen musste. Der Zug bestand aus vier, aus alten Loren in seiner eigenen Werkstatt umgebaute Wagen und mit der Lok № 6 an der Spitze. Das Besondere an der Reisezugwagen ist, daß die Sitze durch Verändern der Rückenlehne immer der tatsächlichen Fahrtrichtung angepasst werden können.
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Ich hatte zum Glück, bevor der Zug abfuhr, etwa Zeit im Bahnhof umschauen, wo ich noch zwei Schienenschleppern der BR Ue-28 gefunden habe. Das Fahrzeugtyp wurde vom Maschinenfabrik der Ziegelfabriker Vereinigung in Békéscsaba auf Basis eines bewährten Traktors konstruiert, und fertigte von den 1960-er Jahren hauptsächlich für Industriebahnen von Ziegelwerken, die in der Spurweiten 500-600 mm gebaut sind. Heutzutage sind ähnliche Loks in der Regel nur in der Sammlungen von historischen Feldbahnen zu sehen, sie werden im Alltag nur von wenigen Bahnbetrieben genutzt - vielleicht ist die Fischereiwirtschaftsbahn Fehér-tó die letzte Zuflucht dieser Baureihe in Ungarn. Wie man sehen kann, ist die Maschine № 8 in ausgezeichnetem Zustand, die wurde wahrscheinlich kürzlich renoviert.
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Die Lok № 9 ist in einem weniger guten Zustand, von diesem, auf einem Abstellgleis geparkte Fahrzeug kann ich auf einen Blick nicht sagen, ob sie überhaupt in Gebrauch ist?
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Pünktlich um 10 Uhr fuhr der kleine Zug mit einem großen Ruck los. Die Linienführung der Eisenbahn ist nicht sehr aufregend, die Strecke besteht aus langen geraden Abschnitten, die an einigen Stellen durch rechtwinklige Kurven unterbrochen sind. Die Strecke verläuft zunächst zwischen den Fischteichen im Freigelände, später begleitet das Schienenpaar auf beiden Seiten eine dichte Vegetation, slebst die See erscheint aber auch mehrmals. Dank der großen offenen Wasseroberfläche wird die Luft immer kühler. Während der Fahrt blickte der Tfz-Führer häufig zurück, ich glaube, er hat damals den Zug überprüft, ob alle Wagen noch da sind?
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Unsere Reise endete am Bahnhof vor dem Forschungshaus. Die Eisenbahn ziehen sich weiter noch lange auf dem Damm, aber das Wildwasserland von hier gilt als Betriebsgebiet und ist für Besucher gesperrt. Der Zug fuhr sofort zurück, einige der Passagiere kehrten zum Tscharda zurück, einige von uns blieben jedoch und warteten auf den nächsten Zug, der in einer Stunde fällig war. Niemand in dem einsamen Gebäude hat lange Zeit wissenschaftliche Forschung betrieben, die in innen eingerichtete kleine Ausstellung ist nur selten für die Öffentlichkeit zugänglich. Man kann vom Aussichtsturm neben dem Gebäude das Seegebiet sehen, oder durch die wildromantische Umgebung spazieren.
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Die ziehende Kraniche, die sich im Oktober hauptsächlich in Hortobágy gesammelt wurden, erreichen bis November das Theiß-Tal im Kiskunság-Nationalpark. Nach den Daten der letzten Jahre kann die Anzahl der Kraniche auf dem Fehér-See während der Herbstwanderung bis Mitte November 50-70.000 betragen. Die Bahnfahrt ist zwar eine Begleitveranstaltung des "Kranichefest", jedoch nicht zur Beobachtung von ziehende Kranichen geeignet. Unterwegs trafen wir mehrere Vögel, sahen aber keinen einzigen Kranich. Glücklicherweise stellt das Forschungshaus auch die Tierwelt der Region vor, und natürlich fehlt von der ausgestopften Tieren der Kranich nicht.
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Zum Glück war ich nicht zu weit von der Bahn entfernt, wenn einmal hörte ich, daß sich ein motorisierte Fahrzeug näherte. Die Gestaltung des Bahnkörpers ermöglicht auch das Fahren unterschiedlicher Arten von Radfahrzeugen und diese Möglichkeit von den sichtbaren Zeichen genutzt wird. Jetzt ist jedoch eine Lokomotive im Forschunghaus angekommen, dessen Ordnungsnummer konnte ich leider nicht feststellen.
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Als ich in der idyllische Umgebung spazierte und schaute mich um, verging bald die eine Stunde. Kurz nach elf Uhr erschien der herannahende Zug in der Ferne, aber es dauerte mehr, als zehn Minuten, während der Zug in dem neben den Schienen stehende Büschen, Bäumen gebildete "Tunnel" um hierher zu kommt. Die frühere Züge hatten, vielleicht weil die Leute sich über das voraussichtliche Wetter nicht sicher waren, viele Plätze frei. Dieser Zug war jedoch voll, also hoffte ich, dass nicht jeder in die Tscharda zurückkehren würde und ich werde einen freien Platz zu finden.
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Vor der Rückkehr ist eine Richtungsänderung erforderlich, also die Lok muß ans andere Ende des Zuges umsetzen. Weil die komplette Ausrüstung der Station Forschungshaus ist nur eine Weiche und ein Kopfgleis, diese Aktion erfolgt nicht nach dem üblichen Verfahren. Nachdem alle aussteigen waren, kehrte der Zug zum Eingang des Bahnhofs zurück. Dort koppelte der Tfz-Führer die Lok ab und legte die Maschine auf dem Kopfgleis beiseite. Dann er umsetzte die der Rückenlehne der Sitzen in die entgegengesetzte Richtung und schob die Wagen mit ihrer eigenen Muskelkraft in die Station, neben den imaginären Bahnsteig. Schließlich fuhr er mit der Lok an der Spitze des Zuges. Dann stiegen die Passagiere ein und der Zug fuhr los, ich fand einen bequemen Sitz auf dem Rücksitz des letzten Wagens.
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Die Rückfahrt, obwohl fuhr der Zug größtenteils auf derselben Strecke, war so angenehm wie meine eine Stunde frühere Reise zum Forschungshaus.
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Nachdem ich am Abfahrtsbahnhof bei den Fischertscharda angekommen war, ging ich zurück zum ersten Fischteich, um ein Foto den Schienenschlepper № 3 der Eisenbahn zu machen. Der Bahnbetrieb hat auch einige Lokomotiven der Baureihe LDM-45, dieser Lokomotiventyp wurde in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre für Industrie- und Grubenbahnen in der UNIO-Maschinenfabrik in Szatmárnémeti (Satu Mare in Rumänien) hergestellt. Diese Fahrzeuge führen in der Regel interne Rangierarbeiten der Fabriken durch, aber hier, bei der Fischereiwirtschaftsbahn in vielen Fällen ist die Zugförderung auf freier Strecke jedoch eine seiner Aufgaben. Ich bin genau zur richtigen Zeit angekommen: ihr Motor wurde gestartet und dann verließ sie den Bereich der Fischerteichen.
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Nach der Statistik des Vereins des Freundeskreises verfügt die Bahn insgesamt 10 Schienenschleppern, davon sind 5 LDM45 und 5 UE-28. Es sind jedoch nicht alle Maschinen betriebsbereit, die Lokomotive № 1, die vor dem neben Fischteichen befindliche, aus Holz gebaute Remise steht, hat in den letzten Jahren sicherlich keinen Meter gefahren.
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Ezzel utazásom véget ért. Obwohl die Kraniche fliegen frühmorgens und in der Dämmerung, habe ich diese Vögel nicht gesehen, die zwei Stunden, die ich am Fehér-tó verbracht habe, waren voller Spaß. Ich persönlich empfehlen kann, diejenigen am Anfang November in der Nähe halten, besuchen auf alle Fälle diese Schmalspurbahn, weil eine Reise mit dem Zug auf dem schmalen Damm zwischen den Seen ist ein sehr besonderes und einzigartiges Erlebnis.




1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2020:10:05:14:55:49.

Köszönöm...

geschrieben von: Hubert G. Königer

Datum: 12.11.19 14:18

... für diesen schönen Beitrag und die eindrucksvollen Bilder!
Viele Grüsse nach Ungarn von
Hubert.

«Wer grosse Töne spuckt, sollte an den Gegenwind denken».
Amtsbote Hannes (Albin Braig) in «Hannes und der Bürgermeister»
Im Gedenken an den
«Bürgermeister» Karlheinz Hartmann, gestorben am 29. August 2023.
Lieber Tamas

vielen Dank für deine schönen und interessanten Beiträge. Ich fahre gerne mit dir mit weil ich selbst so gerne in Ungarn unterwegs bin. Dieser Bericht erinnert mich stark an die Halaszto-strecke in der Hortobágy wo ich vor einem Jahr war. Jetzt schreibst du über eine Strecke nahe Szeged. Für mich hat Szeged zumindest im Sommer die ultimative Studentenstimmung auf den Straßen! Und wenige Kilometer entfernt die beeindruckende Natur.
Ein tolles Land in dem du lebst!
lg aus Ebensee
kurt