Привет!
Wenige Tage zurück von einer dreiwöchigen Transsib-Tour (es ging, selbstverständlich komplett auf dem Schienenweg, gemeinsam mit einem Kollegen von der Schweiz aus via Wien, Kiew, Moskau, Samara und Irkutsk nach Wladiwostok) haben wir aus Gründen der Aktualität beschlossen, zunächst ein paar Fotos aus Sachalin zu zeigen, wo derzeit die Umspurungsarbeiten auf 1520 mm in vollem Gange sind. Auf die Insel gelangten wir nicht etwa via Fähre, sondern aus Zeitgründen (Asche aufs Haupt...) mit dem Starrflügler von Wladiwostok aus.
Bei der Ankunft in Juschno-Sachalinsk Ende Juli erwartet uns Regen, laut Wetterdiagramm keineswegs eine Seltenheit auf dieser Pazifikinsel. Zunächst wird der Bahnhof der Inselhauptstadt eines Besuchs gewürdigt. Ausser Bauarbeiten ist da nicht viel los, Gleis 1 am Hausbahnsteig ist bereits herausgerissen, und auch auf dem Bahnhofvorplatz wird emsig gearbeitet.
Halt! Bevor es weitergeht, muss natürlich erst IHM ein Besuch abgestattet werden:
Seit 26. Juli wird hier etwas praktiziert, das in Russland meiner bisherigen Erfahrung nach Seltenheitswert hat, nämlich eine kombinierte, aufeinander abgestimmte Transportkette SEV -> Zug. Wegen der Umspurungsarbeiten fährt der Nachtzug nach Nogliki nicht ab Juschno-Sachalinsk, dafür wird SEV in ein Kaff namens Wsmorje angeboten (ca. zwei Stunden mit dem Bus ab Juschno-Sachalinsk), ab dort fährt dann der Nachtzug.
Breitspur-Nachtzug, wohlgemerkt!! Das müssen wir natürlich ausprobieren.
Die Fahrkarten, vor gut drei Wochen bereits von der Schweiz aus online gebucht, lassen wir uns am Schalter in Juschno-Sachalinsk nochmal ausdrucken. Hier gibt es nämlich etwas, das ebenfalls in den meisten zumindest grösseren russischen Bahnhöfen zur Seltenheit geworden ist,
nämlich einen Nadeldrucker! :-) Wir lassen uns auch nicht dadurch von unserem Vorhaben abbringen, dass ein junges Paar vor uns am einzigen geöffneten Verkaufsschalter verschiedene Züge auf dem Festland reservieren lässt, was ca. eine halbe Stunde dauert...
Bei dieser Gelegenheit noch eine Frage an die Profis des russischen Fahrkartenwesens: Wir hatten unsere online vorausgebuchten Fahrkarten auf dem Weg hierher stets am Bahnschalter ausdrucken lassen, in der Hoffnung, noch einen Nadeldrucker anzutreffen. Vergebens, ob in Moskau, Samara oder Irkutsk, die Karten kamen immer aus dem Thermodrucker und sahen genauso aus wie jene, die man an den Automaten bekommt. Entsprechend speditiv war der entsprechende Vorgang. Nicht so in Juschno-Sachalinsk: Die Herausgabe jedes einzelnen Tickets (wir hatten vier gebucht, um ein "Privat-Abteil" zu geniessen) war eine mehrminütige Prozedur, in der mindestens zwei Durchschläge vom eigentlichen Ticket abgerissen wurden und danach in unterschiedlichen Stapeln versorgt wurden. Jeweils einen dieser Durchschläge hiess man mich auf der Rückseite zu unterschreiben. Weiss jemand, was es damit auf sich hat?
Wie auch immer, nachdem wir uns gehörig die Beine in den Bauch gestanden hatten, waren wir schliesslich glückliche Besitzer jeweils zwei solcher Fahrkarten:
Seitdem wir die Karten drei Wochen vorher gebucht hatten, hatte sich die Abfahrtszeit des Zuges ab Wsmorje aus uns unbekannten Gründen um etwa zwanzig Minuten nach hinten verschoben. Diese Tatsache wird auf der Fahrkarte mit der viertuntersten Zeile deutlich zur Kenntnis gebracht.
Brechen wir also auf. Am Bahnhofvorplatz warten vier von den RZD "requirierte" Busse, die sich bis zur Abfahrtszeit sehr gut füllen. Alle Fahrzeuge sind, wie es im Fernen Osten Russlands die Regel ist, südkoreanischer Herkunft.
Als ein Bus voll ist, geht RZD-Schalterpersonal des Bahnhofs Juschno-Sachalinsk durch die Reihen, schaut sich die Fahrkarten an und streicht diese auf einer ausgedruckten Liste ab. Alles ziemlich gut organisiert, muss man sagen. À propos Fahrkarten: für den Bus-Anteil hatten wir bereits zuhause einen "coupon of different charges" ausgedruckt, so etwas habe ich bei den RZD bisher auch noch nicht gesehen. Das Dokument unterscheidet sich deutlich von den normalen Online-Bahnfahrkarten des Unternehmens. Möglicherweise hätte man auch das in eine "nadelgedruckte" Version umwandeln können, damit wollten wir die Dame am Schalter aber dann nicht mehr belästigen. Die hatte nach dem Produzieren unserer vier Bahnfahrkarten ohnehin "technische Pause". ;-)
Nach zweistündiger Busfahrt durch den Regen, der nördliche Teil davon direkt entlang des Pazifiks, treffen wir am Bahnhof Wsmorje ein. Dort wartet tatsächlich ein Zug auf Breitspur-Drehgestellen auf uns, und bis zur Abfahrt um 21.08 bleibt noch massenweise Zeit, um uns etwas umzusehen. Wenn da nur nicht der starke Regen wäre!
Ob das dieselben Wagen sind, die früher auf Kapspurdrehgestellen fuhren (wir waren zum ersten Mal auf der Insel), ist uns nicht ganz klar. Sie sehen jedenfalls aussen wie innen aus wie ganz normale Breitspurwagen.
Eine mittlere Sensation erwartet uns an der Spitze unseres Zuges: diese Diesellok ist, um ihren neuen Einsatzort zu erreichen, beinahe so weit gereist wie wir selbst! Sie war nämlich zuletzt im Depot Wyborg in Karelien beheimatet, also nahe der finnischen Grenze (!!).
Die Fahrt auf dem Sachaliner Breitspurgleis verläuft vom Fahrkomfort her wechselhaft. Auf grossen Abschnitten hat man offenbar einfach eine Schiene auf den vorbereiteten Schwellen nach aussen versetzt, ohne am Unterbau viel zu ändern. Andere Abschnitte wiederum, unserer Wahrnehmung nach eher im Norden gegen Nogliki zu, wurden komplett neu gebaut, dort dann auch mit verschweissten Gleisen. Die zulässigen 160 km/h wird dieses Drehgestell hier in absehbarer Zukunft wohl dennoch nicht erreichen...
Am nächsten Morgen dann die – leider alles andere als fotofreundliche – Ankunft in Nogliki:
Glücklicherweise hat es hier zumindest aufgehört zu regnen. Aber wir müssen lange neun Stunden hier totschlagen, bevor wir in den Flieger zurück nach Juschno-Sachalinsk steigen können (Greta möge uns verzeihen...).
Nogliki, das ist eine Ansammlung zahlreicher Häuschen und weniger Wohnblöcke entlang grösstenteils unbefestigter Strassen. Immerhin gibt es ein paar Läden, wo wir uns mit dem Nötigsten zur Verpflegung eindecken können. Obwohl das ganze, wohl vor allem auch aufgrund des Nebels, eher trist auf uns wirkt: Besonders schlecht scheint es den Bewohnern nicht zu gehen, da haben wir in Russland schon anderes gesehen. Eine mögliche Erklärung dafür dürften die unter dem Meer vor der Nordostküste Sachalins entdeckten Öl- und Gasfelder sein, deren Erschliessung gerade erst begonnen hat.
Hier der Bahnhofvorplatz:
Unser Plan war eigentlich, von hier aus an den Strand des Ochotskischen Meeres zu "spazieren", es zeigte sich dann aber, dass wir die Entfernung auf der Yandex-Onlinekarte etwas unterschätzt hatten. Mindestens sieben oder sogar mehr Kilometer wären bis zum Strand zurückzulegen gewesen, das ganze dann wieder zurück, das schien uns dann doch etwas zu anstrengend. Da das Wetter weiterhin zu wünschen übrig liess, entschlossen wir uns also für Übungsabbruch.
Wir widmeten uns in der Folge dem Bahnhofgelände, wo eine breitspurige Rangierlok gemächlich am "Hobeln" war...
Die Autos dürfen etwa zehn Minuten vor dem Bahnübergang warten. Aufregen tut sich deshalb keiner. ;-)
Abgestellte japanische Kapspur-Dieseltriebzüge:
Bei der Einfahrt mit dem Nachtzug hatten wir eine Drehgestell-Wechselanlage bemerkt. Obwohl der Rangierer an unserer Gegenwart nichts auszusetzen hatte, wollten wir uns dennoch nicht allzu weit auf das Gelände vorwagen...
Südlich des Bahnhofs Nogliki nutzen wir an einem Fussgänger-Übergang die Gelegenheit, das ganz offensichtlich erst vor kurzem umgespurte Gleis aus der Nähe zu betrachten.
Am späten Nachmittag lassen wir uns die Ausfahrt des Zuges zurück nach Wsmorje nicht entgehen, bevor es zu Fuss zum kleinen Flugplatz geht.
SZENENWECHSEL. Nächster Tag in Juschno-Sachalinsk, das Wetter hat sich erfreulich entwickelt. Allerdings: wir haben noch keinen einzigen Kilometer Kapspur auf Sachalin befahren, dies gilt es heute zu ändern. Wir wissen, dass es (noch) möglich ist, nämlich auf dem knapp zehn Kilometer langen Abschnitt von Dalnje (vor den Toren Juschno-Sachalinsks) nach einer mitten im Wald liegenden Station "Nowoderewenskaja". Es handelt sich dabei um die ersten Kilometer der einst zum Fährhafen Cholmsk führenden Strecke. Auf dieser merkwürdigen Relation gibt es, wie der Internetseite der RZD-Tochter auf Sachalin zu entnehmen ist, derzeit zwei tägliche Zugpaare, wobei die Station Dalnje wiederum von Juschno-Sachalinsk aus mit einem passenden Anschlussbus erreicht werden kann.
Auf diesen Zubringerbus warten wir allerdings vergebens. Wie sich später zeigen wird, ist er wohl irgendwo im Feierabendverkehr steckengeblieben. Leichte Panik kommt auf, die Abreise steht bereits am nächsten Tag an. Wir steigen also in einen anderen Bus ein, von dem wir wissen, dass er in dieselbe Richtung fährt. Die Zeit rennt. Gerade noch rechtzeitig meinen wir, die Station Dalnje erreicht zu haben (jedenfalls sind wir dort, wo Yandex sie einzeichnet). Fehlanzeige: Hier liegen keine Gleise mehr...
Plötzlich hören wir stadtauswärts den Pfiff einer Lokomotive. Wir schauen in die Richtung und sehen in einer Entfernung von vielleicht dreihundert Metern ein Züglein davondieseln. Die Station Dalnje wurde also verlegt, wovon Yandex noch nichts wusste, und zwar so, dass sie ideal vom Zubringerbus erreicht werden kann. Sogar einen Bahnsteig mit Wartehäuschen hat man hingestellt:
Unser Flug nach Moskau geht am nächsten Tag nachmittags, und wir hatten eigentlich vor, an diesem sehr lang zu werden drohenden Tag auszuschlafen. Nichts da. Der Zug nach Nowoderewenskaja muss noch abgehakt werden. Dies ist spätestens dann klar, als wir sehen, was da gute 50 Minuten später aus dem Wald zurückkommt.
Es ist einfach zu heiss, um wahr zu sein. Aber seht selbst:
Eine auseinandergenommene Diesel-Doppellokomotive, dazwischen wurde ein einzelner Personenwagen gereiht. Ernsthaft. :-)
Am nächsten Morgen stehen wir also früh auf, und diesmal klappt es auch mit dem Zubringerbus. Zug steht bereit, Frontscheiben sind geputzt...
Zusammen mit zahlreichen Rentnern, die im Wald Beeren und Pilze suchen gehen (das ist ganz offensichtlich die Zielgruppe dieser beiden Zugpaare), tuckern wir also los Richtung Nowoderewenskaja. Die freundliche Prowodnitsa hat uns gleich eine Retour-Fahrkarte verkauft. Zunächst wird der Talboden durchquert, dann geht es aufwärts durch malerische Wald-Landschaft. Vor der Endstation werden noch zwei weitere Halte bedient, an der ebenfalls schon Beeren- und Pilzsucher aussteigen. Nach gut zwanzig Minuten Fahrt sind wir am Ziel. Man beachte die solarbetriebenen Laternen!
Hier ging es mal weiter nach Cholmsk. Leider bereits seit längerem Geschichte...
Nur wenige Leute nehmen den Morgenzug zurück Richtung Stadt. Bei Ankunft in Dalnje wartet bereits der Anschlussbus, für den man extra eine kleine Einstiegsplattform auf den Boden betoniert hat:
So, und zum Schluss, damit man uns nicht vorwerfen kann, uns nur fürs Eisenbahnerische interessiert zu haben, gibt's noch ein bisschen Sightseeing aus Juschno-Sachalinsk. Die Stadt ist nämlich gar nicht so unattraktiv. In der Vergangenheit hatte ich schon oft gehört, die Stadt sei grau und trist. In den letzten Jahren muss dort aber einiges "gegangen" sein, vieles wird renoviert und neu gestrichen, und wie überall in russischen Städten schiessen an allen Ecken und Enden neue Einkaufszentren aus dem Boden.
Das Anton-Tschechow-Theater. Der Dichter hatte sich 1890 während drei Monaten auf der Insel aufgehalten.
Davor eine dieser liebevoll gepflegten, zum Verweilen einladenden Parkanlagen, wie man sie ebenfalls in vielen russischen Städten findet:
Regierungsgebäude des Oblast Sachalin:
Dieses Gebäude (heute ein Museum) stammt noch aus der Zeit, als Juschno-Sachalinsk japanisch war und Toyohara hiess:
Ein Muss ist natürlich auch die Gondelbahn-Fahrt auf den Hausberg mit dem klingenden Namen "Bolschewik":
Damit lassen wir den Besuch auf der Insel Sachalin ausklingen. Es war ein würdiger Abschluss einer tollen Transsib-Reise, über die wir in den kommenden Monaten hier noch berichten werden (sofern wir Zeit und Musse finden...).
Viele Grüsse,
403 002.
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2019:08:10:10:41:36.