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[MM]Myanma my love – Mit dem Puff-Bus in Berge (m 55B)

geschrieben von: Flo1979

Datum: 24.05.19 13:09

Myanma my love - Ein Abschied für immer?!

Teil 3: Mit dem Puff-Bus in Berge – Mit Hindernissen von Yangon über Mandalay nach Namtu



Im letzten Bericht gab es die Ausbeute eines gesamten Tages in Yangon zu sehen. Nun steht nach einem kurzen Vormittag der Transfer nach Namtu über Mandalay an. Viel Spaß beim Lesen.

Zur besseren Orientierung zunächst einmal eine Übersicht der Bahnstrecken rund um Yangon:

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Bild 0: Im Bahnhof von Yangon laufen die beiden Hauptstrecken aus dem Norden zusammen. Westlich kommt aus Pyay die größtenteils zweigleisige Strecke, östlich die zweigleisige Strecke aus Bago (in Bago geht es entweder zweigleisig weiter in den Norden in die zweitgrößte Stadt Mandalay oder eingleisig Richtung Süden nach Mawlamyaing und von dort seit einigen Jahren weiter bis nach Dawei). Die Ringbahn nutzt diese beiden Strecken, in Danyingon zweigt dann zweigleisig die Ringbahn ab und führt bis nach Mla Hwa Gone (Mahlwagon), zwischen Mla Hwa Gone und dem Hauptbahnhof ist die Strecke sogar viergleisig. Am Flughafen Yangon wurde die alte Strecke der Ringbahn (in der Karte rot) aufgrund einer Flughafenerweiterung verlegt. Am Bahnhof Dagon zweigt eine neue Stichstrecke zur Universität ab, sie soll zu einer zweiten Ringbahn erweitert werden), zudem kann man von dort auch durch Kopfmachen den Tiefseehafen in Thilawa erreichen. Zwischen Pazundaung und Kemmendine gibt es ein Gütergleis, das einst die ganzen Bootsanlegestellen anband. Zwischen Pazundaung und Mla Hwa Gone befindet sich ein großes Depot samt Rangier- und Güterbahnhof. In Insein gibt es noch ein großes Ausbesserungswerk.
Die Fernzüge von/aus Pyay und Bago/Mandalay laufen bis in den Hauptbahnhof, auf der Ringbahn gibt es in beide Richtungen umfangreichen Personenverkehr. Zudem gibt es Nahverkehrszüge vom Hauptbahnhof nach Dagon University sowie hinüber nach Thilawa. Auf dem Abschnitt Pazundaung – Kemmendine gab es kaum noch Verkehr, seit aufgrund der geringen Wassertiefe kaum mehr Schiffe anlegen, teilweise war die Strecke bei Kemmendine schon abgebaut. Bei meinem Besuch 2011 war man aber wieder mit dem Aufbau beschäftigt, 2015 richtete man dort sogar eine elektrische Straßenbahn ein, die inzwischen aber schon wieder stillgelegt wurde.




25.11.2011

Der letzte halbe Tag in Yangon brach heran, denn am frühen Nachmittag sollte es mit dem Flugzeug von Yangon nach Mandalay gehen. Ich räumte zunächst mein Hotelzimmer und machte mich dann noch auf zu einer Runde Eisenbahn fotografieren. Bis zur Moschee schaffte ich es nicht mehr, aber an der Straßenbrücke am Bahnhof blieb noch fünf Minuten Zeit für zwei Fotos:

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Bild 1: Als erstes kam DF 2052 (2008, Dalian) mit einem Personenzug auf dem Fernbahngleis, leider aus der falschen Richtung. Aber da ich nur kurze Aufenthaltszeit hatte, drückte ich dennoch ab.



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Bild 2: DF 2035 (1997, Sifang) kam dann zwar aus der richtigen Richtung, leider aber ohne Wagen am Haken. Mehr fuhr mir in den fünf Minuten leider nicht vor die Linse.




Danach machte ich einen Spaziergang durch das alte Kolonialviertel Richtung altem Hafen. Dabei sog ich nochmals die typische Atmosphäre Yangons auf.

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Bild 3: Altes Fahrrad.



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Bild 4: In diesem kleinen Geschäft gibt es neben Bananen auch Emaille-Haushaltswaren zu kaufen.



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Bild 5: Typische Straßenszene in Yangon. An der Straßenecke gibt es einen kleinen Gemüsestand und einen Tea-Shop, an dem hauptsächlich die Männer herumlungern. Ein Trishaw-Fahrer wartet auf Kunden, im Hintergrund steht eines der typischen Taxis.



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Bild 6: Wer in Myanmar ein Fahrrad hat, kann sich glücklich schätzen. Die meisten Einwohner können sich nämlich nicht einmal das leisten, von Autos ganz zu schweigen. Aufgrund des Wirtschaftsembargos und Restriktionen der Militärjunta, die den Autoimport ausschließlich einigen „Freunden“ überließ, kostete 2009 ein 30 Jahre alter Toyota Corolla in Myanmar mehr als 30.000 US-Dollar, mehr als das Hundertfache eines durchschnittlichen Jahresverdienstes!



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Bild 7: Diese Katze interessiert sich dagegen weder für Autopreise noch für komische Langnasen, die sie fotografieren.




Schließlich hatte ich das Flussufer in Botahtaung erreicht. Zu meinem Erstaunen herrschte am Hafenbahnhof in Botahtaung doch tatsächlich noch Betrieb. Nicht nur das, auch das stillgelegte und teilweise schon abgebaute Gleis vom Hafen zum Bahnhof Kemmendine wurde wieder aufgebaut. Im Jahre 2015 sollte dort dann doch tatsächlich eine elektrische Straßenbahn verkehren. Allerdings nur von kurzer Dauer, denn Ende 2016 war es schon wieder vorbei mit der Straßenbahn.

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Bild 8: Hier sah es noch so aus, als ob hier schon lange kein Zug mehr gefahren wäre. Von wegen …


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Bild 9: … an der nächsten Weiche war klar zu erkennen, dass die Schienenköpfe blank sind. Hier war vor kurzem definitiv ein Zug unterwegs. Bevor wir aber weiter entlang der Schienen wandern …



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Bild 10: … spendieren wir dem Weichenhebel noch ein Bild.



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Bild 11: Auf dem weiteren Weg kam ich noch an dieser alten Achse vorbei, bevor …



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Bild 12: … ich diesen alten, abgestellten Personenwagen passierte, der inzwischen als Unterkunft für Bahnmitarbeiter und deren Familien dient.



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Bild 13: An der Lagerhalle fand wohl gerade eine Inspektion durch wichtige Manager statt, daher traute ich mich nicht weiter in das Gelände hinein. Der alte LKW mit dem Container mit der alten Lagerhalle im Hintergrund war mir aber noch ein Foto wert. Im Hintergrund sind noch riesige Mengen Schienen gelagert.



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Bild 14: Und links neben der Lagerhalle standen dann die Waggons, die vor kurzem hierher rangiert wurden und jetzt beladen werden. Ob die Eisenbahn in Myanmar nach der Öffnung des Landes im Gütertransport noch konkurrenzfähig ist? Ich habe da ehrlich gesagt kein gutes Gefühl…



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Bild 15: Auf dem Rückweg kam ich an der Strand Road dann an dieser Gleisbaustelle vorbei. Hier hatte man die Schienen wohl vor längerer Zeit entfernt, jetzt legte man sie wieder, sogar in ein Betonbett! Hochgeschwindigkeitsverkehr war hier aber nicht geplant, den Hintergrund für den Wiederaufbau hatte ich nicht ermitteln können Zwischen 2015 und 2016 verkehrte hier dann sogar kurzzeitig eine Straßenbahn.




Schließlich suchte ich mir ein Taxi, holte im Hotel schnell mein Gepäck ab und fuhr dann zum Flughafen. Ich hatte noch mit meinen alten Erfahrungswerten kalkuliert, dass die Fahrt weniger als eine halbe Stunde dauern würde. Aber da hatte ich mich verkalkuliert, denn im Gegensatz zu früher waren die Straßen nicht mehr frei und wir standen öfters im Stau. So langsam kam ich ins Schwitzen, denn es blieb mir nicht viel Zeit bis zum Abflug. Rund um den Flughafen herrschte Verkehrschaos, daher stieg ich einfach an der großen Kreuzung in der Nähe des Flughafens aus und rannte in Richtung altes Flughafengebäude, in dem seit der Eröffnung des neuen Gebäudes nur noch Inlandsflüge abgewickelt werden. Die Hektik hätte ich mir aber sparen können, denn der Flug hatte sowieso Verspätung.

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Bild 16: In der Wartehalle im alten Flughafen von Yangon scheint die Zeit noch still zu stehen, seit der Eröffnung des neuen Terminals werden hier nur noch nationale Flüge abgefertigt. Es hätte sicher noch mehr interessante Fotomotive gegeben, allerdings wurde ich wenige Sekunden nachdem ich dieses Foto gemacht hatte, von einem Sicherheitsbeamten sehr bestimmt und deutlich darauf hingewiesen, das Fotografieren doch zu unterlassen. Bis hierher hat es die Demokratie scheinbar doch noch nicht geschafft.




Vom Flug selbst gibt es nicht viel zu erzählen. Es war ein typischer Inlandsflug mit einer Propellermaschine. Zum Essen gab es ein Croissant mit Thunfisch von LSG Sky Chefs. Und das Inflight-Magazin berichtete stolz über die steigenden Touristenzahlen. Hätten 2010 genau 510 Touristen den Chin-State besucht, waren es dieses Jahr bis September schon über 800. Als ich Anfang 2009 im Chin-State war, begegnete mir kein einziger Ausländer. Dafür musste ich meinen Fahrer aus dem Gefängnis freikaufen (er hatte eine Ziege angefahren) und meinen Guide mit viel Grand Royal Whiskey („First whiskey exported from Myanmar. Made with imported whiskey concentrate“) aus den Fängen des Militärgeheimdienstes befreien (denn mein Guide hatte uns illegaler Weise im Gästehaus der Militärjunta einquartiert).

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Bild 17: In diesem Jeep kurvte ich Anfang 2009 mehrere Tage durch den abgelegenen Chin-State. Links der Fahrer, den ich aus dem Gefängnis freikaufen musste, nachdem er eine Ziege angefahren hatte, die direkt vor uns die Straße überquert hatte. Meinen Guide musste ich mit Whiskey aus den Fängen des Geheimdienstes „freitrinken“, weil er uns illegaler Weise im Gästehaus der Regierung einquartiert hatte. Dass uns auf dem Trip dreimal die Hinterradaufhängung vom Fahrgestell wegbrach und jedes Mal notdürftig wieder angeschweißt wurde, geschenkt!



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Bild 18: Hier wurde das erste Mal die Hinterradaufhängung unseres Jeeps geschweißt. Dazu nehme man einen Dieselgenerator, verbinde ein Kabel mit der Karosserie, befestige einen Metallstab am anderen Kabelende und los geht‘s!




Gegen 15 Uhr setzte unsere Propellermaschine auf der Landebahn des Flughafens von Mandalay auf. Ich war zuvor noch nie dort gewesen, denn normalerweise nahm ich immer den Zug von Yangon nach Mandalay. Da ich meine wenig verfügbare Zeit bestmöglich einsetzen wollte, nahm ich diesmal auch das Flugzeug. Viel gehört hatte ich ja schon von diesem überdimensionierten Flughafen, der weitab von Mandalay mitten in der Pampa liegt (und sogar einen Bahnanschluss hat; abgesehen von wenigen Kerosintransporten habe ich aber noch nie davon gehört, dass dort mal einmal ein Zug gefahren sei), aber der persönliche Eindruck übertrifft es bei Weitem. Angeblich können hier sogar A 380 abgefertigt werden, am heutigen Tag war es aber nur eine einzige kleine Propellermaschine aus Yangon, die für etwas Betrieb sorgte (und ich glaube nicht, dass an anderen Tagen mehr los ist). Trotzdem mussten wir ewig auf unsere Koffer warten. Unsere Reisgruppe hatte fast die ganze Maschine ausgelastet, so war es auch nicht weiter verwunderlich, dass vor dem riesigen Flughafengebäude nur ein einziger Bus wartete: unser Puff-Bus (er hatte im Heckbereich eine sehr weich gepolsterte, U-förmige Sitzgruppe und von der Decke hingen lauter Glitzersteine herunter, daher bekam er von uns diesen Namen verpasst).

In Mandalay ging es zunächst in unser Hotel, das „Emerald Land Inn“, welches sogar über einen Swimming-Pool verfügte. Das hatte ich auch noch nie in Myanmar, bisher war ich schon immer froh, wenn es in meinen Unterkünften wenigstens eine „bucket shower“ gab. Wir ließen aber nur schnell das Gepäck zurück und fuhren dann zum Königspalast, gepriesen für seine unendliche Pracht voller Smaragde, Rubine, Jadesteine und vergoldeter Holzschnitzereien. So wird es zumindest in vielen bekannten Büchern (u.a. „Der Glaspalast“ von Amitav Gosh, sehr zu empfehlen) geschildert und so stellen sich das die Touristen auch vor. Tatsächlich blieb von dem Palast nach der Eroberung Mandalay durch die Briten im Jahre 1885 nicht viel übrig, die Kolonialherren nutzten das Areal als Kaserne. Die Militärjunta übernahm dann die Kaserne und richtete hier ihr Oberkommando für Nordmyanmar ein. Als die Militärjunta dann in den 1990-er Jahren ein großes Programm zur Förderung des Tourismus anschob, sollte auch der Palast wieder aufgebaut werden. Jede Familie Mandalays musste „Freiwillige“ abstellen, die dann in Handarbeit die riesigen Wassergräben und Mauern wieder herstellen musste. Hielt man sich bei den Arbeitsmethoden noch exakt an historische Vorgaben, war das beim Wiederaufbau der Palastgebäude eher weniger der Fall. Mit Beton wurden einzelne Gebäude wieder aufgebaut, die Dächer mit Wellblech eingedeckt und ein paar einfache Holzschnitzereien an der Wand befestigt. So war es jedenfalls bei meinem Besuch 2006 und trotz der allgegenwärtigen Veränderungen war ich mir sicher, dass hier noch der Status-Quo erhalten blieb.

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Bild 19: Man nehme ein wenig Beton, etwas Wellbech und male das Ganze an. Fertig ist der Nachbau des Königspalastes von Mandalay.



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Bild 20: Der Graben rund um den Königspalast wurde in den 1990er-Jahren von „Freiwilligen“ wieder ausgehoben, ganz links kann man noch die Mauer des Königspalastes sehen. Im Hintergrund der bekannte Mandalay-Hill. Wer auf Rolltreppen, die aufgrund von Strommangel nicht funktionieren, von einem kitschigen Tempel zum nächsten gehen will, für den war ein Besuch des Mandalay Hill das genau richtige Ziel. Für alle anderen definitiv nicht. Also nichts wie weg hier.



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Bild 21: Auf der Suche nach einem Transportmittel kamen wir an dieser Straßenbaustelle vorbei. Straßenbau ist noch echte Handarbeit in Myanmar. Ob es sich bei den Bauarbeitern, größtenteils Frauen, um „Freiwillige“ handelt, kann ich nicht sagen. Den Status des reichen Brautpaarens in traditioneller Kleidung, das vom Werbeplakat im Hintergrund blickt, werden sie jedenfalls wohl nie erreichen können.




Ein Besuch des Königspalastes kam daher für mich auf gar keinen Fall in Frage. Stattdessen seilte ich mich mit Manfred und einem Engländer ab, um dem Hauptbahnhof einen Besuch abzustatten. Dort wurde vor ein paar Jahren zwar auch leider das riesige Bahnhofsgebäude aus der Kolonialzeit abgerissen und durch einen hässlichen Betonbau ersetzt. Aber dafür sollte es dort auch Züge geben. In der schwülen Nachmittagssonne machten wir uns dann auf den Weg und wurden sofort von einem Trishaw-Fahrer angesprochen. Er war aber schon mit dem Transport von zwei westlichen Personen (alle durchweg schlank) überfordert, deswegen dauerte es ein bisschen, bis wir schließlich drei Trishaw-Fahrer gefunden hatten, die uns als Kolonne zum Bahnhof fuhren.

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Bild 22: Mit diesen Fortbewegungsmitteln hätten wir den Bahnhof wohl nie erreicht.




Im Bahnhof steuerte ich wie immer zielstrebig das staatliche Reisebüro MTT gleich links neben dem Haupteingang an. Ich erkannte die etwas ältere, aber noch immer sehr hübsche Dame sofort wieder. Schön, dass sich manche Dinge doch noch nicht geändert hatten. Und auch sie fing gleich das Grinsen an, als ich ihr Büro betrat: “Oh, you again. [Ich war das letzte Mal vor zwei Jahren bei ihr]. You are crazy German. You always travel by train. Where do you want to go this time?“. Leider musste ich ihr sagen, dass ich diesmal mit einer Gruppe unterwegs sei und daher leider keine Zugfahrkarten bei ihr kaufen könne. Aber da ich schon einmal hier war, fragte ich nach einem Kursbuch oder Fahrplan. Und zur Sicherheit wollte ich wissen, ob man auch in Mandalay inzwischen problemlos am Bahnhof fotografieren könne. Das müsse sie erst einmal klären und sie schwebte in Richtung Bahnhofschef davon. Nach gut zehn Minuten kam sie zurück. Vor zwei Jahren brachte sie mir noch den Jahreskalender der Staatseisenbahn, den sie dem Bahnhofschef abgeschwatzt hatte, mit. Diesmal hatte sie nur schlechte Nachrichten im Gepäck. Gedruckte Fahrpläne würde es nicht mehr geben und fotografieren dürfe man auch nicht. Scheinbar war die Demokratie noch nicht bis nach Mandalay vorgedrungen.

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Bild 24: 2009 bekam ich noch den (fast abgelaufenen) Kalender der Myanma Railways, heute ging ich leider leer aus. Das Kalenderblatt für September bis Dezember 2009 zeigt einen Zug vor dem neuen Bahnhof der neuen Hauptstadt Naypidaw.




Für uns sollte das aber kein Hinderungsgrund sein. Wir bedankten uns bei ihr und verließen das Bahnhofsgebäude. Wenn wir schon nicht am Bahnhof fotografieren können, dann eben im Bahnhofsvorfeld. Also ging es am BW vorbei bis zum ersten Bahnübergang und von dort wieder entlang der Gleise in Richtung Bahnhof. Langsam tasteten wir uns vor, bis uns schließlich kurz vor Erreichen der Bahnsteige das Personal wieder vertrieb. Beim strategischen Rückzug ließen wir uns Zeit, verkrochen uns unter anderem im schattigen Gestrüpp. So kamen wir doch noch zu einigen Aufnahmen, insbesondere der alten Krupp-Loks sowie einem gebrauchten, japanischen Triebwagen in Original JR-Lackierung.

Vorab zu den Krupp-Loks noch ein paar Infos. Insgesamt lieferte Krupp zwischen 1964 und 1987 fünf Baulose nach Myanmar:



Bau-/Lieferjahr Bezeichnung Krupp Bezeichnung BR Fabriknummer Achsfolge
1964 M 1500 BB DD.1501 – 1528 4585 – 4612 B'B'-dh
1969 M 800 BB DD.901 – 906 4964-4969 B'B'-dh
1979 M 1200 BB DD.943 – 958 5449 – 5464 B'B'-dh
1986 M 1200 BB DD.1211 – 1218 5587 - 5594 B'B'-dh
1987 M 1200 BB DD.959 – 969 5600 – 5610 B'B'-dh


In diesem Zusammenhang verweise ich gerne auf einen Bericht von Martin Welzel im Historischen Forum. Er hat den Bau der letzten beiden Baulose begleitet und historische Foto- und Tonaufnahmen einer Probefahrt auf der Härtsfeldbahn ausgegraben (auf alle Fälle anschauen, es lohnt sich):

Krupp-Loks für Burma (m. 14 B.)


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Bild 25: Da wären wir natürlich gerne rein gegangen. Aber nach der Abfuhr im Bahnhof wollten wir hier gar nicht erst nachfragen. Stattdessen umrundeten wir praktisch das Depot, …



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Bild 26: … um auf das Bahnhofsvorfeld zu gelangen. Dort begegnete und als erstes die Rangierlok DD.516 (1987, Kawasaki/Insein workshop). Es sollte der Auftakt zu einer japanisch-deutschen Sichtungsorgie im dieselhydraulischen Zentrum Myanmars mit kleinen indischen und chinesischen dieselelektrischen Zugaben sein.



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Bild 27: Sollten wir von Gleisseite aus nochmals in das Depot schleichen? Immerhin stand dort schon von außen sichtbar mit DD 1523 (1964, Krupp, Fabriknummer 4607) ein besonderes Exemplar herum, gehört die Lok doch zum ersten von fünf Diesellok-Baulosen, die die Firma Krupp nach Myanmar lieferte. Aber wir nutzen erst einmal die Tatsache, dass wir noch nicht entdeckt wurden, für ein paar Bilder im Bahnhofsvorfeld.



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Bild 28: Geschützt durch den Schatten und das Gestrüpp begaben wir uns in Position. Es dauerte nicht lange, da kam mit DD 901 (1969, Krupp, Fabriknummer 4964) ebenfalls ein besonderes Exemplar vor die Linse. Denn zu DD 901 gibt es noch eine ganz besondere Geschichte zu erzählen. Um die Lok vor der Auslieferung ausgiebig testen, suchte Krupp nach einer geeigneten Teststrecke in Deutschland und fand sie in der mittlerweile längst stillgelegten (OK, ein Teilstück wurde wieder aufgebaut) Härtsfeldbahn. So wurde das Exemplar DD 901 nach Aalen verfrachtet und fuhr von dort in Richtung Neresheim. Allerdings entgleiste das gute Stück gleich bei der ersten Testfahrt an einem Bahnübergang am Albaufstieg oberhalb von Unterkochen. Die ganze Geschichte, garniert mit Fotos und einer Tonaufnahme (!) der Entgleisung hatte Martin Welzel vor längerer Zeit im HiFo veröffentlicht. Die damalige Entgleisung war die perfekte Vorbereitung, denn die Gleislage in Myanmar ist eher noch schlechter wie zu Endzeiten auf der Härtsfeldbahn. Fast 50 Jahre später verkehrt sie frisch lackiert noch immer zuverlässig über burmesische Gleise.



http://www.eisenbahnhobby.de/burma/Burma6_S.jpg
Bild 29: Zum Beweis hier noch ein Bild aus dem damaligen Bericht von Martin Welzel. Einfach auf das Bild klicken, dann kommt ihr zu Martins Bericht im HiFo. Es lohnt sich!



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Bild 30: Natürlich war mir die besondere Lok noch eine Nahaufnahme wert. Leider trollte sie sich dann in Richtung Depot von dannen. Kaum war die Lok im Depot …



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Bild 31: … kam ein Triebwagen aus dem Depot getuckert. Leider reichte das Licht nicht aus, um den gesamten Triebwagen in der Sonne abzulichten.



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Bild 32: Aber der Triebwagen kam sowieso nach einer Sägezahnfahrt auf unseren Standpunkt zu. Normalerweise sind die Triebwagen in Myanmar immer beige-rot lackiert. Das Rätsel der Lackierung löst sich aber schnell...



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Bild 32: … nachdem der Triebwagen an uns vorbeizog und Richtung Bahnhof fuhr. Er war nämlich erst kurz zuvor gebraucht aus Japan gekommen. Umgespurt hatte man ihn schon, für eine Umlackierung hat die Zeit aber noch nicht gereicht, lediglich die Bezeichnung RBE.2573 hat man ihm schon spendiert. Ein Foto des Triebwagens hatte ich bereits in einem alten Bericht eingestellt. Daher möchte ich noch die Anmerkung zum Triebwagen von Gustav (User „tokkyuu“) aus dem alten Bericht zitieren:
„Das Zielschild lautet auf "Kubokawa" (das zweite Zeichen heißt kawa, also Fluss, das erste "Kubo" kann man mit Senke, Vertiefung, übersetzen).
Die Stadt Kubokawa liegt etwa 70 km westlich der Stadt Kochi, also im Südwesten der Insel. Es ist ein Abzweigbahnhof: von hier geht eine Privatbahn nach Sukumo (Westen) und eine Hauptbahn nach Uwajima (Yodo-Linie, nordwestlich). Beim Triebwagen handelt sich um einen zweiteiligen Triebwagen der Reihe kiha47 (einteilige heißen kiha40). Sie wurden ab 1977 (bis etwa 1983) in großen Stückzahlen gebaut und schauen typisch so aus, wie japanische Dieseltriebwagen Jahrzehnte lang ausgesehen haben. Auf Englisch gibt’s auch ein paar Infos: en.wikipedia.org“. Inzwischen habe ich auch weitere Details zur Herkunft dieses Triebwagens. Es handelt sich um den ehemaligen kiha47-503 der JR Shikoku.



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Bild 33: Und kaum war die eine Krupp-Lok weg, kam schon die nächste. Diesmal war es DD.968 (1987, Krupp, Fabriknummer 5609). Der kleine Junge im Vordergrund sucht übrigens leere Plastikflaschen, die Zugpassagiere aus dem Fenster werfen. Ein Pfandsystem gibt es in Myanmar nicht, dennoch zahlen Rohstoffhändler für ein Kilo Plastik ein paar Cent.



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Bild 34: Dann rangierte DD.516 (1987, in Einzelteilen von Kawasaki geliefert, zusammengebaut im AW Insein in Yangon) einen Personenzug aus dem Bahnhof und begegnete dabei ihrer deutschen Schwester. Das hässliche Betongebäude im Hintergrund ist der Hauptbahnhof von Mandalay.



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Bild 35: Neben Dieselhydraulischem aus Deutschland und Japan hatte ich ja auch Dieselelektrisches aus Indien und China versprochen. Hier kommt zunächst die indische Vertreterin in Form von DF.1342 (indische Baureihe YDM-4, gebaut bei Diesel Loco Works Varanasi, kam 2011 gebraucht nach Myanmar, da sie in Indien aufgrund des großen Umspurungsprogramm auf Breitspur arbeitslos wurde). Sie zieht einen Nachtzug Richtung Norden nach Myitkyina aus dem Hauptbahnhof von Mandalay.



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Bild 36: Das perfekt stehende Licht zwang mich noch zu einer zweiten Aufnahme. Sonderlich glücklich schaut der Lokführer nicht, dass sich ein paar Langnasen hier im Bahnhofsvorfeld herumtreiben. Vermutlich mit Folgen…



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Bild 37: Im Gegensatz zum Nachbarland Indien ist die Mitreise auf Waggondächern in Myanmar sehr selten. Genügend Platz hätte es eigentlich in den Zügen. Ob der junge Mann einfach keine Fahrkarte kaufen konnte oder wollte?



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Bild 38: Vermutlich hatte der Lokführer uns über Funk gemeldet, denn kurz darauf kam ein Bahnangestellter und vertrieb uns. Auf dem widerwilligen Rückzug wurde ich von der heranbrausenden DD.956 (1979, Krupp, Fabriknummer 5462) vollkommen überrascht. Es blieb nur ein Notschuss und von der Qualität her dürfte ich das Bild eigentlich nicht zeigen. Aber das Krupp’sche Familientreffen auf dem Bahnhofsvorfeld will ich euch trotzdem nicht vorenthalten. Jetzt fuhren mir innerhalb einer guten Stunde Exemplare von vier der insgesamt fünf Krupp-Baulose vor die Linse. Keine schlechte Ausbeute! Lediglich ein Exemplar des Bauloses aus dem Jahre 1986 war mir nicht vergönnt, so viel sei schon mal gesagt.



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Bild 39: Nachdem uns der Bahnmitarbeiter vom Gelände verwiesen hatte und irgendwohin verschwand, wagten wir uns wieder ein Stück nach vorne. So konnten wir die letzten Sonnenstrahlen nutzen. Als erstes kam der japanische Triebwagen, den wir bereits ja einige Zeit zuvor bei der Fahrt aus dem Depot in den Bahnhof abgelichtet hatten.



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Bild 40: Hatte ich nicht noch was Chinesisches versprochen? DF.2066 (2008, Dalian) verlässt im letzten Sonnenlicht das Depot in Richtung Hauptbahnhof.



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Bild 41: Und im wirklich allerletzten Licht rückte dann die Krupp-Lok DD.968 in das Depot ein. Das war dann doch ein würdiger Abschluss eines recht ertragreichen Aufenthalts im Bahnhofsvorfeld von Mandalay.



Als die Sonne weg war, machten wir uns auf den Weg zur „Bahnhofsgaststätte“, wo wir im Freien das eine oder andere eiskalte Bier zischten und viele Anekdoten zum Besten gaben. Wir waren richtig versackt, mittlerweile war es dunkel und das viele Bier auf den leeren Magen (ich hatte am heutigen Tag außer dem Croissant im Flugzeug keinerlei feste Nahrung zu mir genommen). Schließlich war es Zeit zum Aufbruch, nicht dass unsere Reiseleitung noch in Panik gerät (das tut sie nämlich recht gerne). Vor dem Bahnhof standen wie gewohnt unzählige, für Mandalay typische, kleine Mazda-Dreiräder und warten auf Kundschaft. Schnell war ein Fahrer gefunden, der uns für einen akzeptablen Preis zum Hotel fahren wollte. Also hüpften wir auf die Ladefläche und schaukelten durch die Dunkelheit. Ich kannte mich in Mandalay ja recht gut aus und schnell war mir klar, dass der Fahrer nicht in Richtung Hotel fährt. Gestenreich versuchte ich dem Fahrer das durch das winzige Rückfenster klar zu machen. Aber er ignorierte mich und bog schließlich in eine dunkle Seitengasse ein. Wenn ich das erste Mal in Myanmar gewesen wäre, dann hätte ich spätestens jetzt etwas Panik gehabt. Aber ich kannte Myanmar ja bestens und vertraute dem Fahrer. Er hatte nämlich nur einen Bekannten gesucht, der besser Englisch spricht. Denn unser Fahrer hatte zwar genickt, als wir den Namen des Hotels nannten, tatsächlich hatte er aber gar nicht verstanden, wo wir eigentlich hin wollten. Schließlich war alles geklärt und mit etwas Verzögerung kamen wir doch noch im Hotel an.

Das Abendessen hatten wir natürlich längst verpasst. Aber wichtiger als die Essensaufnahme war zunächst einmal die Statusabfrage zuhause. Das Hotel verfügte zum Glück über einen Rechner mit Internetanschluss, allerdings war der Rechner fast schon museumsreif und lief noch mit Windows 98. So dauerte es auch knapp eine Stunde bis ich Gewissheit hatte, dass zuhause alles in Ordnung ist. Das war mir wichtig, denn die nächsten 10 Tage würde ich voraussichtlich keinerlei Internetzugriff haben. Danach drehte ich noch ein paar Runden im Pool, auch wenn das Wasser sicherlich nicht deutschen Hygienevorschriften genügte. Aber wenn man in Myanmar mal ausnahmsweise ein Hotel mit Pool hat…

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Bild 42: Unser Hotel mit Pool in Mandalay, das Foto entstand am nächsten Morgen kurz vor der Abfahrt nach Namtu.





26.11.2011

Eigentlich wollte ich am heutigen Morgen noch am Bahnhof „Mandalay Nord“ vorbeischauen, wo die Züge nach Madaya losfahren. Aber irgendwie klingelte mein Wecker nicht und so blieb nur noch Zeit für ein kurzes Frühstück. Und obwohl es eines der besten Hotels in Mandalay war, so war das Frühstück wiederum das Bekannte allerlei von irgendetwas Toastbrotähnlichem, Bananen und Spiegelei. Würg! Mit dem Bus machten wir uns auf die lange und beschwerliche Reise Richtung Namtu. Luftlinie sind es von Mandalay nach Namtu nur gute 200km, aber es ist im Idealfall mit mindestens zwölf Stunden reiner Fahrzeit zu rechnen, wenn es keine Zwischenfälle gibt (und das kommt in Myanmar eigentlich nie vor). Wir hatten bereits gehört, dass der Monsun dieses Jahr heftig gewütet hatte und in Namtu auch Teile der Bahnstrecke fortgespült wurden. Das ließ insbesondere auch für die Busfahrt im Puff-Bus nichts Gutes erahnen, insbesondere für den letzten Abschnitt mit der unbefestigten Straße von Lashio nach Namtu.

Aber bereits nach einer guten halbe Stunde Fahrt mussten wir schon vor der Fahrt hinauf in die Berge eine Pause einlegen. Wir erwarteten drei weitere Teilnehmer, die am Morgen mit dem Flugzeug aus Yangon kommen und dann mit dem Taxi an diesem Treffpunkt eintreffen sollten. Aber sie kamen und kamen nicht. Direkt neben dem Treffpunkt befand sich ein Bahnübergang. Aber von Zugverkehr konnte man nicht ausgehen, denn auf der Strecke von Mandalay nach Lashio fährt nur noch ein einziges Zugpaar pro Tag, und das passiert diesen Punkt jeweils am frühen Morgen oder am späten Abend. So konnten wir nur den Straßenverkehr beobachten, der aber auch ganz interessant war.

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Bild 43: Spielende Kinder am Bahnübergang. Wenn schon keine Züge kommen, dann muss halt was anderes mit auf das Bild.



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Bild 44: Geschlossene Betelnussstände am Bahnübergang. Insbesondere Männer kauen in Myanmar gerne Betelnüsse. Die Betelnuss wird in mit Kalk bestrichene Blätter gewickelt und dann langsam gekaut. Die Betelnüsse töten die Parasiten im Darm ab und fördern den Speichelfluss. Den tief rot gefärbten Speichel rotzen die Männer dann überall hin. Auch beim Fotografieren aus dem fahrenden Zug heraus muss man tierisch aufpassen. Die Züge in Myanmar haben ja selten verglaste Fenster und so hat man ganz schnell einen großen Batzen roten Speichel im Gesicht bzw. dem Fotoapparat, wenn ein etwas weiter vorne sitzender Passagier aus dem Fenster rotzt. Nicht zu vergessen ist natürlich auch die berauschende Wirkung der Betelnuss. Auf einer meiner Reisen nach Namtu fuhr ich mal mit dem Sammeltaxi von Mandalay nach Lashio. Bei der Abfahrt hatte der Fahrer bereits leicht glasige Augen. Während der über 10 Stunden langen Fahrt kaute er trotzdem weiter unablässig Betelnüsse. Dadurch wurde sein Fahrstil immer unregelmäßiger. Mal rollte er teilweise mit Schrittgeschwindigkeit durch die Gegend, teilweise heizte er mit fast 100km/h über die schlechte Straße und unternahm waghalsige Überholmanöver. Sobald uns ein Fahrzeug entgegenkam oder wir in ein Dorf fuhren, hupte er mindestens eine Minute lang ununterbrochen. Als wir schließlich trotz allem heil in Lashio ankamen, machte ich drei Kreuze.



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Bild 45: Ebenfalls zwei typische Motive für Myanmar. Zum einen ein gut gefülltes Sammeltaxi, rechts davon eine typische Tankstelle. Zapfsäulen hatte ich in Myanmar so gut wie nie gesehen, stattdessen wird das Benzin in Flaschen und Kanistern verkauft. Benzin war aufgrund des Wirtschaftsembargos absolute Mangelware. Als offizieller Fahrzeugbesitzer bekommt man zwar Bezugsscheine, teilweise gibt es dafür an den staatlichen Tankstellen nach mehrmonatiger Wartezeit etwas Benzin. Daher bekommt man den Kraftstoff fast nur auf dem Schwarzmarkt, der durchaus sehr öffentlich wie an dieser Tankstelle daherkommt. Dafür kostet das Benzin dort auch fast so viel wie bei uns.




Mit fast zwei Stunden Verspätung kamen dann die drei fehlenden Teilnehmer, der Flug hatte (wie fast immer in Myanmar) Verspätung gehabt. Bei Tageslicht würden wir den letzten Streckenabschnitt nach Namtu über die unbefestigte Straße nun definitiv nicht mehr schaffen. Unser Bus quälte sich die vielen Kehren hinauf nach Pyin Oo Lwin. Kaum hatten wir die Hochfläche erreicht, mussten wir schon wieder Pause machen. Diesmal zum Motor kühlen.

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Bild 46: Motorkühlen am Ende des Aufstiegs hinauf nach Pyin Oo Lwin (Maymyo).



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Bild 47: Klassische Aufteilung in einem Sammeltaxi in Myanmar. Oben das Gepäck, die Mönche und die Männer, unten dem Dach dann die Frauen. Soviel Ordnung muss sein!



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Bild 48: Da unser Busmotor noch immer nicht ausreichend gekühlt worden war, suchte ich zwanghaft nach Fotomotiven.




Danach schaukelten wir über das mir bestens bekannte Shan-Bergland. Die nächste Pause legten wir dann am berühmten Gokteik-Viadukt ein. Auch hier war nicht mit Zugverkehr zu rechnen, so blieb es eben bei einer Aufnahme ohne Zug. Der Straßenabschnitt hinunter in die Schlucht wurde schon wieder ein bisschen ausgebaut (die Straße von Mandalay bis zur chinesischen Grenze wurde von einem chinesischen Investor gekauft, der jetzt kräftig Maut abkassiert) und am Talgrund hatte man die Behelfsbrücke aus dem Zweiten Weltkrieg mittlerweile durch eine Betonbrücke ersetzt. Erst am späten Nachmittag gab es in einem Straßenrestaurant bei Kyaukme ein verspätetes Mittagessen. Viel Zeit blieb aber nicht zum Essen, schließlich hinkten wir dem Zeitplan weit hinterher. War aber nicht weiter schlimm, das Essen lohnte auch nicht wirklich einen längeren Aufenthalt.

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Bild 49: Das berühmte Gokteik-Viadukt aus der Ferne. Die klassische „Trestle“-Brücke ist 689m lang und bis zu 102m hoch, der Fluss liegt sogar nochmals 250m tiefer, da das Viadukt auf einer natürlichen Brücke errichtet wurde. Der Bau begann am 28.4.1899, bereits am 1.1.1901 erfolgte die Eröffnung. Historische Bilder vom Bau, der übrigens durch die amerikanische Pennsylvania and Maryland Bridge Construction Company erfolgte (britische Firmen trauten sich damals angeblich den Bau einer solchen Brücke nicht zu), findet ihr in einem alten Bericht von mir.



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Bild 50: Links neben dem doppelten Pfeiler sieht man unten auch das Behelfsviadukt, das über mehrere Spitzkehren erreichbar war. Angelegt wurde es zu Zeiten, als hier noch heftiger Bürgerkrieg tobte und die Regierung eine Sprengung des Viadukts durch Rebellen befürchtete.



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Bild 51: Übersichtkarte der Strecke rund um das Gokteik-Viadukt. In Gelb ist die normale Strecke eingezeichnet, in Rot die Behelfsstrecke.




In Hsipaw legten wir dann die nächste kurze Pause ein, um uns über den Zustand der Straße von Hsipaw nach Namtu zu informieren. Man kann von Hsipaw aus direkt nach Namtu fahren. Das ist entfernungsmäßig weniger als halb so weit wie der Weg über Lashio und unser Reiseleiter wollte so verloren gegangene Zeit wieder hereinholen. Allerdings wusste ich, dass die Straße von Hsipaw nach Namtu früher selbst in guten Zeiten nur mit Jeeps befahren werden konnte. Der diesjährige Monsun hatte die Straße aber so übel zugerichtet, dass aktuell wohl nicht mal die Jeeps durchkamen. So ging es mit einer weiteren, unnötigen Verspätung eben weiter nach Lashio. Vor zwei Jahren war eine neue Betonbrücke in Hsipaw im Bau, mittlerweile ist sie fertig und wir mussten nicht mehr über die Behelfsbrücke, die US-amerikanische Soldaten im Zweiten Weltkrieg angelegt hatten, um die Nationalchinesen von Indien aus im Kampf gegen die Japaner zu unterstützen. Das sparte uns dann immerhin eine halbe Stunde. Auch sonst hatte sich Hsipaw massiv verändert. Zahlreiche Kneipen und Hostels waren aus dem Boden geschossen und Horden von Backpackern bevölkerten die Straßen.

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Bild 52: Sonnenuntergang über Hsipaw im Jahre 2006. Damals war es noch ein abgeschiedenes, ruhiges Plätzchen in den Bergen.




In Lashio angekommen war es dann schon dunkel und unser Fahrer hatte Probleme, die Straße Richtung Namtu zu finden. Anfangs war die Straße in sehr gutem Zustand und ich dachte schon, dass wir es in weniger als zwei Stunden bis Namtu schaffen würden. Aber ich sollte mich täuschen. Abrupt wurde die Straße massiv schlechter, immer wieder kamen wir an Baustellen vorbei, wo man noch immer notdürftig ohne jegliche maschinelle Unterstützung versuchte, die Schäden des Monsuns zu beseitigen. Zwischenzeitlich hatte ich so meine Zweifel, ob wir es heute überhaupt noch bis Namtu schaffen würden. Aber irgendwann passierten wir den Golfplatz und ich wusste, dass wir gleich da sein würden. Aber ich hatte mich schon wieder getäuscht. Der Busfahrer bog nämlich nicht auf die Straße zum Gästehaus hinauf ein, sondern fuhr trotz lautstarkem Protest von mir und der Reiseleitung weiter Richtung Namtu. Dabei ist dieser Weg doch gar nicht für größere Fahrzeuge geeignet. Folgerichtig endete unsere Fahrt auch zunächst an der scharfen Kurve vor der Behelfsbrücke über den Fluss. Zur Sicherheit mussten alle aussteigen, der Busfahrer rangierte mehrfach, bis er die Kurve gemeistert hatte und schließlich vorsichtig auf die Behelfsbrücke fuhr. Die quietschte und schaukelte bedenklich, aber schließlich hatte es der Bus geschafft. So kamen wir noch zu einer nächtlichen Stadtrundfahrt durch Namtu, bevor es am Bahnhof wieder auf die andere Flussseite ging. Hier ist die Brücke auch für LKWs ausgelegt und endlich hatten wir nach mehr als 15 Stunden Fahrt unser Ziel erreicht: das Gästehaus der Mine von Namtu. Das zahlreich versammelte Personal erwartete uns schon erwartungsfroh und geleitete uns in den Speisesaal, wo schon vor vielen Stunden das Essen serviert worden war. Gibt es was Schlimmeres als warme, ungewürzte, ölige, burmesische Currys? Ja, kalte, ungewürzte, ölige, burmesische Currys.

Auch im Gästehaus gab es zahlreiche Veränderungen. Alles wurde neu weiß gestrichen, ein Gästezimmer im Erdgeschoss wurde durch eine Toilette ersetzt, die Elektrik samt Lampen wurde erneuert und im Versammlungsraum blickte Generalissimus Than Shwe nicht mehr böse von der Wand herab. Ein Bild von Aung San Suu Kyi hatte man aber auch (noch) nicht aufgehängt. Ich bekam wieder mein Stammzimmer Nummer vier, das ich allerdings auch kaum wieder erkannte. Die uralten Lichtschalter und der große Deckenventilator waren verschwunden ebenso die gusseiserne Toilette. Dafür gab es eine chinesische Porzellanschüssel (allerdings ohne Klobrille) und neue Bettgestelle (allerdings wie gewohnt ohne Matratze). Eigentlich wollte ich noch duschen, aber die Warmwasserleitung wurde nicht mehr rechtzeitig fertig. Also war „bucket shower“ angesagt, in der Küche war allerdings schon das Feuer erloschen und somit war in nächster Zeit auch nicht mit warmen Wasser zu rechnen. Und mit dem eiskalten Wasser zu duschen, war mir dann doch zu frisch, zumal es hier oben in Namtu nachts nur 10 Grad hat. Egal, wir würden uns morgen sowieso gleich wieder schmutzig machen.

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Bild 53: Der Versammlungsraum im Erdgeschoss des Gästehauses.



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Bild 54: Die Toilette im Gästezimmer 4 im Jahre 2009.




Das soll es für heute auch erst einmal gewesen sein. Warum wir uns diese ganze Tortur im Puff-Bus angetan haben, erfahrt ihr dann im nächsten Bericht, wenn wir den ersten Tag auf der Minenbahn von Namtu unterwegs sind.


Und da nicht jeder Auslandsforum-Leser ins HiFo schaut, sei mir ein Link in selbiges erlaubt. Dort gibt es aktuell parallel zu dieser Berichtsreihe eine Berichtsreihe, die sich meinem Myanmar-Aufenthalt im Jahre 2007 widmet. Bei Interesse einfach auf eines der Bilder oder die Bildunterschrift klicken, dann werdet ihr automatisch zum aktuellen Bericht geleitet.






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Hier geht’s zum aktuellen Myanmar-Bericht im HiFo. Dort gibt es diese und noch viel mehr Bilder aus dem Januar 2007 zu sehen.













Zugliste
Datum Zugnummer Von Nach km Traktion Spurweite
25.11.Circle LineYangon Hbf Yangon Hbf 49,1Diesel1000mm






1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2019:05:24:13:10:59.

Wieder super, danke! :-) (o.w.T)

geschrieben von: Roni

Datum: 24.05.19 13:20

(Dieser Beitrag enthält keinen Text)
lg, Roni - [raildata.info] - Meine DSO-Reportagen Teil 1 (2005 bis 06/2019): [www.drehscheibe-online.de] - Meine DSO-Reportagen Teil 2 (neueste): [www.drehscheibe-online.de]
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Moin Florian,

vielen Dank für Deinen Bericht! Wie schön, mal wieder Bilder "unserer" Krupp-Loks im Einsatz zu sehen! Und hier der richtige Link auf meinen Beitrag zu den Versuchsfahrten der Burmalok auf dem Härtsfeld: [www.drehscheibe-online.de]

Vielen Dank für die vielen Bilder und Schilderungen,

Martin
Hallo Martin,

danke für die Ergänzung, den Link hatte ich total vergessen. Und danke für die e-Mail-Antwort.

Viele Grüße

Florian