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[US] Wenn im Westen die Signale erleuchten... (3) mvB

geschrieben von: Jan vdBk

Datum: 11.10.18 19:42

Howdy!!

Was bisher geschah: Von Denver haben wir uns entlang der UP Green River Subdivision und den Soldier Pass an die Interstate 15 bei Ogden vorgearbeitet, die es dann stundenlang nordwärts in unser Wunsch-Zielgebiet rund um Helena, der Hauptstadt Montanas, ging. Dieser Teil beginnt in einer einsamen Waldhütte in den Bergen südlich von Helena, und wir waren gespannt, was uns in Montana erwartete.

In jedem Bahnfoto ist in den IPTC-Daten im Abschnitt "Stichworte" / "Keywords" Bauart und Hersteller sowie die Roadnumber der jeweils führenden Lok hinterlegt. Außerdem findet man dort einen Kartenlink, der den relativ genauen Fotostandort anzeigt. Um diese Daten mit Rechtsklick auf das Foto auslesen zu können, sind unter Umständen Add-Ons namens "Exif-Viewer" o.ä. zum jeweils von euch verwendeten Browser erforderlich, die in der Regel kostenlos aus dem Browser heraus heruntergeladen werden können.

Viel Spaß on the road,
Jan

Link zu Teil 1: [www.drehscheibe-online.de] (Utah: UP Green River Subdivision)
Link zu Teil 2: [www.drehscheibe-online.de] (Utah: UP Evanston Subdivision / Echocanyon)




Wenn im Westen die Signale erleuchten... (3)

Freitag, 14.09.2018

Bevor wir in den Tag starten, muss ich noch erklären, wo wir bahngeografisch überhaupt sind. Es ist keine der ganz großen Bahnen, die uns in den nächsten Tagen beschäftigen wird. Wir befinden uns an der Strecke von Billings bzw Laurel, wo mehrere Schienenwege aus Richtung Twincities, Kansas und Denver zusammenlaufen, nach Sandpoint in Idaho, von wo die Verkehrswege in Richtung Seattle und Portland weiterführen. Die geschichtliche Kurz-Zusammenfassung lautet in etwa so: Von der Northern Pacific Railway gebaut, mit deren Übernahme von der Burlington Northern übernommen und von dieser in den 1980er Jahren quasi aufgegeben, übernahm 1987 ein Geschäftsmann aus Missoula die Bahnlinie unter dem Gesellschaftsnamen "Montana Rail Link" (MRL). Die MRL ist als "Class II Railroad" eingestuft und gewährt nun den Zügen der BNSF auf ihrem Netz gegen eine "kleine Gebühr" freie Fahrt. Die BNSF als Nachfolgegesellschaft der Burlington Northern macht von den Durchfahrrechten rege Gebrauch und ärgert sich nun bitterlich, dass man die Strecke 1987 aus der Hand gegeben hat. Die MRL hat eine schöne Übersicht über das Streckennetz Montanas herausgegeben, die ich um einige Ortsnamen angereichert habe, die im Reisebericht eine Rolle spielen werden:
Kartenlink

Doch MRL ist nicht nur Netzbetreiber. Auch wenn die orange Farbe der BNSF auf ihrer Strecke klar dominiert, so betreibt man doch eine Reihe eigener Züge mit den eigenen Loks. Außerdem kommen die markanten blauen MRL-Loks als Helper auf den steigungsreichen Streckenstücken am Bozeman- und Mullanpass zum Einsatz. An dieser MRL-Strecke, die in unterschiedliche Subdivisions aufgeteilt ist, lagen rund um Helena zwei Ziele, die uns besonders interessierten: Der Lombardcanyon im Südosten und der Mullanpass im Westen.

Die Wetterberichte, die ja die ganze Zeit ab heute Topp-Wetter hier in Montana angesagt hatten, brachen nun ziemlich zusammen. Aus "durchgehend sonnig" war nun für fast alle Tage ein "wechselhaft" geworden, besonders zum Nachmittag würde man sich wohl auf einen reichlich zugequollenen Himmel einstellen müssen. Das war jetzt etwas doof. Wir konnten nur hoffen, dass bischen was geht.

Sobald es hell wurde, konnte man viel blauen Himmel, aber auch große Wolkenfelder sehen. Als wir nach der Abfahrt weiter unten wieder Netz hatten, schauten wir uns erstmal den Wolkenfilm an. Den geplanten Ritt in den Lombardcanyon konnten wir uns schenken. Südöstlich Helena war es ziemlich bewölkt. Westwärts hingegen gar nicht. Ok, also sollte es heute der Mullanpass sein. Nun waren wir ja endlich in der Gegend, auf die wir uns vorbereitet hatten, und westlich des Passes hatten wir uns zwei Motive für morgens notiert. Hin da!

Von Helena führte der Highway 12 vierspurig über den Pass, allerdings deutlich weiter südlich als die Bahn. Hinter dem Pass stößt man nun bald wieder auf die Strecke. Und bei Annäherung an den Bahnhof Elliston gab es ne Schrecksekunde: Uns kam ein Zug entgegen. Nein, Moment mal, der Zug stand dort doch! Und er kam uns auch nicht entgegen, sondern war ein Westfahrer mit Schlusslok, der hier ziemlich offenbar auf Kreuzung wartete. Und zwar auf Kreuzung mit dem Zug, den wir in unserem Motiv brauchten! Oh Mann, wir hatten noch einige Meilen zu fahren. Beruhigend war nur, dass später, ua im Bf Avon, die Signale noch dunkel waren. Zu allem Überfluss fuhren wir nun auch noch durch fette Nebelbänke hindurch. Würde unser Motiv überhaupt möglich sein?

Unsere Sorge, zu spät losgefahren zu sein, erwies sich als unbegründet, denn unsere Fotokurve befand sich noch komplett im Schatten. Und sie sah auch ganz schön zugewuchert aus. Wie gut, dass es oberhalb der Straße einen hohen Hang gab, auf den wir mühelos steigen konnten. Dabei mussten wir viel Lärm machen, denn bei Ankunft am Parkplatz war ein Schwarzbär über die Straße getrottet und genau in Richtung Hang verschwunden. Die Tiere sind zwar im Prinzip scheu, aber man sollte überraschende Begegnungen vermeiden, die bei ihnen den Verteidigungsmodus aktivieren. Der könnte nämlich schmerzhaft bis tödlich sein - deshalb lieber mal bischen lauter sein.

http://www.blockstelle.de/1200/USA2018-09-weitere/Yannick-03.jpg
Als Beifahrer konnte Yannick schnell noch ein Handyfoto vom sich trollenden Bären schießen.

Oben angekommen war die Kurve noch immer nicht ausgeleuchtet. Aber bald war in der Ferne das Horn des erwarteten Ostfahrers zu hören. Oh je, das war noch zu früh! Allerdings klangen die Trööts noch sehr sehr weit entfernt. Und laaangsam wurde es auf der Strecke immer sonniger. Es passte! Ein wunderbares Motiv lag im Topp-Morgenlicht vor uns!

http://www.blockstelle.de/1200/USA2018-09/galerie-37-1200.jpg
Im ersten Sonnenschein des Talgrundes rollt ein leerer Kohlezug der BNSF an uns vorüber.

Da der Blick in die andere Richtung auch klasse war, wollten wir auf unserem Fotohang nun auch noch auf den Gegenzug warten, den wir ja in Elliston hatten stehen sehen. Doch bald hornte es schon wieder von Westen! Ein zweiter Güterzug passierte die Szene!

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Es folgt ein Manifest aus Richtung Garrison.

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Auflösende Nebelschwaden in skandinavischer Landschaft. Ob das Bärchen uns von dort irgendwo noch beobachtet?

Von unserem Schwarzbären hatten wir leider, aber auch erwartungsgemäß nichts mehr gesehen. Aber die Begegnung mit einem Bären in freier Wildbahn war für uns beide zweifellos ein Höhepunkt. Eine schöne Begrüßung in Montana! Schade, dass man auf die Schnelle kein besseres Bild hinbekommen hatte. - Bald näherte sich nun der Westfahrer.

http://www.blockstelle.de/1200/USA2018-09/galerie-40-1200.jpg
Nun kommt der Gegenzug aus Richtung Avon. Interessanterweise ist er mit einem Pärchen aus BNSF- und UP-Loks bespannt.

Nun hatten wir es hier aber auch. Was für ein herrlicher Morgen, an dem mal alles passte! Wir fuhren nun wieder ostwärts. Zwischen Avon und Elliston sahen wir Bauarbeiten auf dem Gleis. Deshalb rechneten wir nun erstmal nicht mehr mit weiteren Zügen. Nach einem Tankstopp an einer wahrhaft hinterwäldlerischen Uralttanke in Elliston wollten wir nun mal den Mullanpass bahnparallel queren. Da führt eine Schotterstraße über die Berge. Die Landschaft ist wunderbar, teils sehr offen. Gerade hatten wir einen tollen Weitblick am Westende des Bf Blossburg bewundert, da wurden wir gewahr, dass das Ausfahrsignal für einen Westfahrer grün zeigte. Da konnten wir doch direkt mal ausharren. Wir mussten wohl noch zwanzig Minuten warten, aber dann kroch langsam ein weiterer Güterzug um die Ecke.

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Der Bahnhof auf der Westseite des Scheiteltunnels auf dem Mullanpass ist Blossburg. Vor der weiten Prärie kommt ein Manifest westwärts angefahren.

Den konnten wir nun auch noch überholen. Wir hätten ihm noch weiter folgen können, doch in Elliston wurde der Zug hingestellt, während von Westen ein Zug Einfahrt hatte. Der Zug von eben hatte ein Viererbündel Mittelloks von der MRL (Montana Rail Link), die hier für die Helper über den Pass zuständig sind und deren Strecke dies hier ja auch ist. In Elliston wurden die Mittelloks nun rausgenommen. Dazu drückten sie die hinteren Wagen erstmal zurück, zogen wieder ein kleines Stück vor und verschwanden dann auf ein drittes Gleis nach hinten, das wir gar nicht gesehen hatten. Die führenden BNSF-Loks drückten nun gegen den hinteren Zugteil und zogen nach dem Ankuppeln zum Ausfahrsignal vor.

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Ein zweites Bild des Zuges etwa auf halbem Wege zwischen Blossburg und Elliston.

Wir rechneten nun mit einem ostfahrenden Zug, für den ja schon die Einfahrt gestanden hatte, und den vier MRL-Helper-Loks in Richtung Pass hoch. Deshalb fuhren wir mal wieder die Schotterstraße zum Pass ein Stück hinein. Dort hatten wir vorhin noch einen schönen Ausblick für Ostfahrer entdeckt. Doch es war eigenartig. Es kam nun erstmal gar nichts mehr...

Irgendwann wollten wir mal weiter. So hübsch der Ausblick hier auch war, ein unbedingtes "Must have" war er nicht. Und wir wussten, dass es auf der anderen Seite des Passes auch noch gut was zu tun gäbe. Im Bahnhof Blossburg am Scheitelpunkt vor dem Tunnel leuchteten die Asigs beider Richtungen aus dem Ausweichgleis rot. Das roch büschen nach anstehender Kreuzung. Motivlich gefiel es uns jetzt nicht sooo gut dort. Über die weite Pläne, die wir eben im Hintergrund hatten, ging es nun über die Passhöhe hinüber. Auf der anderen Seite folgte skandinavische Waldtal-Landschaft. Hier gibt es zwei Viadukte. Der Greenhorn Creek Viaduct konnte mittags gut von der Südseite genommen werden. Über Waldwege ohne "no trespassings", die auch nur im Google Luftbild auszumachen waren, gelangten wir direkt an die Bahn, wo man von einem Abhang oberhalb der Strecke einen topp Ausblick auf den Viadukt hatte. Das Röhren eines passenden Aufwärtsfahrers hallte schon beim Verlassen des Autos über das Tal und beflügelte uns ungemein, schnell den Hang zu erklimmen. Es dauerte dann aber doch noch zehn Minuten, bis der Zug mit seinen hart arbeitenden Loks langsam über das Viadukt gekrochen kam.

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Ein mit Loks in BNSF-, Santa Fe- und MRL-Farbgebung bespannter Zug kommt langsam über den Greenhorn Creek Viaduct ("Greenhorn Trestle") geschlichen. Dahinter wird der Zug die Betriebsstelle Skyline passieren, die aber keine Kreuzungsmöglichkeit bietet, verfügt sie doch nur über ein kurzes Nebengleis zum Abstellen von Baufahrzeugen o.ä.

Das war ja mal ein hübsch buntes Lok-Sammelsurium! Hinten schoben zwei von vier MRL-Loks nach - die anderen beiden machten keinen Lärm. Wir blieben nochmal sitzen. Vielleicht kämen die ja direkt von Blossburg zurück. Vier Loks würden sich gut auf dem Viadukt machen. Sie sollten tatsächlich zurück kommen, aber nicht jetzt und auch nicht allein. Wir brachen das Warten um 14 Uhr ab und wollten uns nun mal die Motive rund um Austin anschauen, wo die Bahn mit einer langen Kehrschleife durch offene Wiesenlandschaft führt. Als wir gerade im Auto saßen und zurück zur Austin Road (die Schotterpiste über den Pass) fuhren, sahen wir oben am Hang eine lange Wagenkette laaaangsam abwärts gleiten.

Gut, die hätte uns am Viadukt nun auch nichts gebracht, denn eine Schlusslok war nicht vorhanden. Die Zugloks hatten wir hingegen nicht erkennen können. Es ging nun den steinigen Passweg hinunter nach Austin. Leider war der Weg hoch in die Kehrschleife durch ein Tor versperrt, das allerdings nur leicht eingehakt war und nicht über das übliche Schilder-Sammelsurium verfügte. Da der Weg eine ganze Reihe Häuser weiter oben erschloss, hätte man vermutlich reinfahren können; das Gatter mag wegen der Tiere gewesen sein. Sowas kennt man ja z.B. auch aus Norwegen. Na gut, wir trauten uns da aber erstmal nicht rein und fuhren deshalb so weit in Richtung Helena vor, bis die Strecke wieder ein Stück nach Süden drehte.

Dort standen wir wohl eine Stunde und haben auf den Zug gewartet, den wir da oben ja schon gesehen hatten. Abgesehen davon, dass das Einfahrsignal in den zweigleisigen Abschnitt vor Helena irgendwann anfing gelb zu blinken (=Fahrt, Übernächstes Signal Halt), tat sich gar nichts. Im Süden hatten sich zudem schon die ganze Zeit dicke Wolken gebildet. Als die sich mehr und mehr vor die Sonne schoben, brachen wir ab und fuhren dem Zug entgegen. In Austin kam er dann tatsächlich durch den Bahnhof gerollt. Er hatte sage und schreibe 12 Loks vor, davon 11 von MRL und eine von BNSF. Leider konnten wir nur einen Notschuss anfertigen.

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Kurz hinterm Bf Austin kommt uns endlich der schon vor anderthalb Stunden etwas weiter oben beobachtete Güterzug entgegen. Da man ihm zwei Helper-Sets vorgespannt hat, hat er zwölf Loks an der Spitze!

Eine Verfolgung bis in die offene Pläne vor Helena scheiterte an einem BÜ bei Austin, wo wir den langen Zug komplett durchlassen mussten, und an einem zweiten BÜ vorm potentiellen Motiv, der genau vor dem Auto vor uns an ging. Da sich jetzt hinten im Bf Helena ein Spitzenlicht zeigte und wir genau so einen Westfahrer jetzt für zwei Motive gut gebrauchen konnten, fuhren wir direkt wieder nach Austin ins erste Motiv. Dort angekommen hornte aber bereits der nächste Ostfahrer von oben und rollte weiter in Richtung Helena. Er hatte sogar eine Schlusslok, doch mehr als ein Viertellichtbild war leider nicht drin.

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Nachschuss östlich des Bf Austin.

Es hatte jetzt immer mehr zugezogen. Wir fuhren nochmal zum schönen Blick auf Helena, denn dort musste ja immer noch der Westfahrer stehen. Der fuhr dann bald los. Wegen absoluter Aussichtslosigkeit auf Sonne machte Yannick nur ein Video davon, wie der Zug sich die lange Rampe aus der Stadt hoch kämpfte. Ich wollte mit Tele ein Dreilichtspitzensignal vor der sonnenbeschienenen Stadtkulisse machen. Völlig unerwartet fuhr der Zug im Verlauf der langen Gerade dann doch noch durch einen kleinen Sonnenspot, wobei die Loks nie vollständig ins Licht kamen.

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Ein MRL Manifest startet von Helena westwärts in Richtung Pass. Die 28tsd Einwohner starke Hauptstadt Montanas wird vom Geist beherrscht: Die zwei hervorstechenden Gebäude sind die Universität links und die Kathedrale rechts. Die Macht in Form des Capitols versteckt sich in der Abgaswolke der Loks. (Den Loks habe ich nachträglich beleuchtungstechnisch ein wenig auf die Sprünge geholfen).

Nach einem richtig gelungenen Morgen und Vormittag war der Nachmittag jetzt verhext. Da hat man jetzt eine Strecke, auf der es richtig gut rollte, und zwar gleichmäßig über den Tag verteilt, da muss natürlich das Wetter absaufen... Es gab noch einiges an Hin- und Hergedödel. Einmal hatte es ausgesehen, als ob ein Zug von Helena auf die nordwärts abzweigende Nebenbahn fahren würde, wodurch wir uns berufen fühlten, an dieser mal ein ganzes Stück entlang zu fahren. Auch hier gab es unwahrscheinlich schöne Landschaftsmotive, doch eine Lok oder gar einen Zug sahen wir nicht. Da muss das eben wohl nur eine Fahrt durchs Gleisdreieck gewesen sein. Wie wir zurück nach Helena kamen, rollte bereits der nächste Güterzug in Richtung Mullanpass. Wir wieder hinterher und den Zug wieder nur im Halblicht und auch noch weit vorm geplanten Auslösepunkt bei Austin erwischt. Wir waren etwa drei Fingerbreit in einem Wolkenfeld drin, da war schon der Spot weiter hinten auf dem Zug Glücksache.

Mittlerweile war es 18 Uhr geworden. Wir hatten bis auf einen Blaubeermuffin noch nicht wirklich was gegessen. Deshalb ging es nun erstmal zu Wendys, dann mussten wir Geld abheben und noch bischen was zu trinken aus der Tanke besorgen. Dann ging es zurück nach Clancy und unseren Waldweg hoch zur Hütte. Von der Fahrt auf dem Waldweg hat Yannick sogar ein Video gemacht:
Youtube-Video

Auf der Wetterkarte konnte man sehen, dass Kanada praktisch komplett unter Wolken lag. Das sah wirklich übel aus. In Montana war das Wetter durch die Ausläufer dieser Bewölkung bestimmt, die hier hereinzogen. Für morgen war die Vorhersage komplett "runter", Sonntag und Montag konnte hingegen nochmal eine Chance bestehen. Die Hoffnung stirbt zuletzt... Und erstmal konnten wir uns wenigstens über einen ersten (?) sehr gelungenen, ja, glücklichen Vormittag in Montana freuen.

Samstag, 15.09.2018

In der Morgendämmerung fiel ein erster prüfender Blick auf die Lichtung unterhalb unserer Hütte leider nicht auf Elche oder Schwarzbären, sondern wanderte schnell nach oben auf die über allem hängende Bewölkung. Da schien kein Gewaltstart nötig zu sein, auch wenn es natürlich theoretisch auch ein kleines lokales Wolkenfeld hätte sein können. Nach der Vorhersage von gestern konnte man darauf aber nicht hoffen. Erstmal gab es wieder nen schönen Kaffee, denn den konnte man sich selbst machen und die Stärke entsprechend selbst bestimmen.

Der Himmel war praktisch komplett verschlonzt. Nur einzelne blaue Lücken waren vorhanden. Gegen 8 fuhren wir einfach mal los. Erste Station war Mägges, wo wir erstmal ganz in Ruhe gefrühstückt haben. Und das WLAN haben wir natürlich auch genutzt. Als es im Wolkenfilm so aussah, als ob in Richtung Lombard Canyon eine wolkenfreie Zone zöge, brachen wir in die Richtung auf. Zum Kundschaften wollten wir ohnehin dort hin. Wir verließen Helena gleichzeitig mit einem Zug, dem wir zwischen Townsend und Toston zweimal in einem etwas aufgelockerten Abschnitt der Bewölkung auflauerten. Einmal mit weniger und einmal mit mehr Sonnenglück.

http://www.blockstelle.de/1200/USA2018-09/galerie-47-1200.jpg
Zwischen Townsend und Toston erwischen wir den BNSF-Zug einmal mit Sonne. Hier ist die Landschaft noch relativ flach, bevor es dann in den Lombardcanyon geht.

Bis in den Canyon hinein hatten wir den Zug dann nicht nochmal einholen können. Dort führt der Highway nämlich zum Glück nicht mit durch. Man musste hier auf eine Schotterstraße abzweigen. Das mit dem Nicht-Einholen war nun etwas schade, weil im Canyon dann doch bestimmt 80%iges Licht schien, was aus der Ferne nicht zu erahnen war. Zwischen Toston und Lombard führt die Schotterstraße über den Berg rüber, um eine Flussschleife abzuschneiden. Von der Anhöhe hatte man schonmal einen sehr tollen Ausblick auf den Canyon. Hier warteten wir schon mal etwas, ob vielleicht nach Kreuzung in Lombard ein Gegenzug käme.

Kam aber nicht. Und das Sonnenfeld brach dann auch irgendwann wieder zusammen. Nun betrieben wir intensivste Ortskunde. Erstmal fuhren wir über den Bergrücken nach Lombard. Dort gibt es Morgenmotive, für die aber etwas Kraxelei nötig ist. Und die Kulisse fanden wir nicht so schick wie in der Flussschleife vor Toston unweit der Staustufe Toston Dam, wo wir eben gewartet hatten. Wir entschieden, dass man das bei Bedarf immer noch mal später machen kann, dass die Motive bei Toston Dam einfacher und wichtiger wären für morgen.

Richtig spektakulär wären bei Lombard die Ausblicke auf die elektrifizierte "Chicago, Milwaukee, St. Paul and Pacific Railroad", kurz "Milwaukee Road", die einst aus einer Seitenschlucht ("Sixteen Miles Canyon") in den Lombardcanyon führte, mit der MRL-Piste aber keine Verbindung hatte und heute leider komplett abgebaut ist. Dieser Bahntrasse begegnen wir nochmal mehr, sollten sogar noch in einem Dienstgebäude der einstigen Bahngesellschaft übernachten. Die tragische Geschichte der "Milwaukee Road" ist äußerst spannend zu lesen, eine Geschichte von Misswirtschaft und Führungsversagen. Die Streckenführung war ideal, andere Bahngesellschaften waren an Nutzungsrechten interessiert, doch die Infrastruktur wurde komplett zugrunde gewirtschaftet. Ähnlichkeiten zu gewissen europäischen Bahnen sind natürlich nur rein zufällig...

Also fuhren wir nach Toston Dam zurück. Dort checkten wir diverse Aussichtspunkte an den verschiedenen Wegpisten da oben in den Hängen. Vor allem kam es uns darauf an, mit Zügen in beide Richtungen etwas anfangen zu können. Die schlaueste Idee war, sich an einem Blocksignal aufzubauen, das zufällig an der Gabelung von unterem und oberen Weg stand. Würde es südwärts grün werden, würden wir morgen (wir hofften auf Wetter!) schnell den unteren Weg reinfahren, würde südwärts das rote Licht angehen, würden wir schnell den oberen Weg zu einem Standpunkt für Nordfahrer aufsuchen. Die Idee fanden wir so lange gut, bis das Signal tatsächlich auf rot ging, wir jetzt nur mal zur Probe auf den oberen Weg zustrebten, der Zug aber plötzlich schon um die Ecke kam. Das war eindeutig zu wenig Vorwarnzeit!

Also musste ein neues Konzept her. Wir stoppten, dass die Züge zwischen Toston Dam und den BÜs von Toston, an denen getrötet wird, sieben Minuten brauchten. Man konnte sich also an einem Nordfahrer-Motiv aufstellen, und - sobald es aus Richtung Toston hornt - zu einem Südfahrermotiv umtopfen. Nach einigen Versuchen und hin und her hatten wir tatsächlich für morgen früh und den Vormittag ein fertiges Konzept im Hinterkopf. Züge UND Wetter durften kommen.

Das reichte von der Vormittagsseite erstmal an Kundschaft. Nun galt es, den Zugang zur Canyon-Kante auf der Westseite der Schlucht zu finden. Der Ausblick von dort war es, der mich überhaupt dazu gebracht hatte, mich näher mit Montana zu befassen; einfach ein Hammer-Motiv! Es ging zurück nach Toston, ein Stück den Highway südwärts und bald wieder einen Schotterweg links rein. Der führte nun auf die den Canyon umgebenden Höhenzüge auf deren Westseite zu. Einmal verfuhren wir uns, weil zwei Wege parallel liefen und wir nur eine schrecklich schlechte Feldwegspur sahen. Obwohl beide Wege ewig parallel führten, gab es keine weitere Verbindung zueinander, so dass wir den gar nicht mal so guten Weg wieder ewig zurück mussten.

Der richtige Weg wäre eine Schotterpiste parallel zu einem interessanten Bewässerungskanal gewesen, die wir dann auch reinfuhren. Der Bewässerungskanal wurde aus dem Missouri aus dem Lombard-Canyon heraus gespeist, indem durch eine teils unterirdische Rohrleitung das Wasser hochgepumpt wurde. Wo der Graben zutage trat, konnte man bald rechts auf eine Fahrspur wechseln, die zum Rim, also zum Canyonrand, hochführte. In die Motive musste man nun einen Stacheldrahtzaun durchklettern, konnte dann aber schön bequem am Rim entlang laufen.

Dann wussten wir das jetzt auch. Während der Erkundungen lief unten übrigens immer wieder Güterverkehr. Dass auch am Samstag ordentlich was fuhr, ließ uns für So und Mo hoffen. Hier gab es nichts weiter zu tun. Aufhellungen am Himmel zogen westlich, weit westlich, vorüber. Es war mittlerweile fast 15 Uhr. Wir beschlossen, die Rückreise anzutreten, bei Albertsons in Helena einzukaufen und uns einen schönen Hüttenabend bei Wein und Leckereien zu machen.

Das wäre nun aber zu einfach gewesen. Den zuletzt in der Schlucht beobachteten Kohlezug hatten wir in der Steigung oberhalb Townsend eingeholt, wo er sich unter Volllast der drei Loks im Schritttempo den Berg hoch quälte. Und in Louisville stand ein Zug zur Kreuzung drin - im Sonnenlicht! Als wir den Fotostandpunkt erreicht hatten, war die Sonne aber fast wieder weg bzw es kamen nur noch kleine Spots.

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Halblichtige Kreuzung im Bf Louisville.

Da sich jedoch über Helena immer mehr Blau am Himmel breit machte, fiel die Entscheidung einstimmig: Wir suchen nochmal den Stadtblick an der Rampe zum Mullanpass auf. Am Bahnhof standen drei Güterzüge für die Richtung; da sollte doch wohl bald mal einer kommen? Der Himmel wurde immer blauer, doch bald war lediglich von hinten ein Horn zu hören. In der Hoffnung auf eine Schlusslok bauten wir uns auf. Die Hoffnung wurde auch erfüllt, leider schob die Lok aber vorwärts, so dass wir leider nur die Rückseite zu sehen bekamen.

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Vom Mullanpass fährt ein Zug in den Bf Helena ein.

http://www.blockstelle.de/1200/USA2018-09/galerie-50-1200.jpg
Nochmal die Ortskulisse von Helena, diesmal sogar mit sichtbarem Capitol - allerdings nur als Nachschuss. Da es ja Bahnfotografen gibt, die zumindest bei kroatischen GM-Loks diese Lokstellung als "richtigrum" bezeichnen, zeige ich also auch gern mal so eine Konstellation.

Das Blau am Himmel hatte mit dieser Fahrt wohl seinen Höhepunkt an Größe erreicht gehabt. Während sich aus Richtung Hauptstadt immer noch nichts tat, zogen bereits erste Störungen durch, aber noch war viel blauer Himmel da. Bald hornte es schon wieder von hinten, dabei befand sich der eben eingefahrene Zug noch auf dem rechten Einfahrgleis. Und was war das, auf dem anderen Gleis tauchten nun Spitzenlichter aus Richtung Stadt auf! Wohin nun mit den Loks, die von hinten kamen, ein Viererpack Helper? Ganz einfach: Die blieben erstmal vor der Einfahrt liegen. Und zwar genau so lange, bis gerade mal wieder ein größerer Wolkenschatten bei uns vorbeischaute.

Aber viel mehr interessierten uns jetzt natürlich die Spitzenlichter aus Richtung Stadt. Da kam ein Zug, aber irre langsam. Mittlerweile war leider die Stadt schon wieder komplett in Schatten eingetaucht. Damit war das Motiv "Stadtblick" natürlich schon wieder total hinfällig. Aber bei uns schien noch die Sonne, wenn auch die blaue Himmelsfläche sichtlich kleiner geworden war. Man konnte also allein mit der Wolkenkulisse etwas machen. Aber bewegt sich der Zug aus Richtung Stadt überhaupt noch? Das Asig leuchtete nun schon eine ganze Weile grün, aber der Zug stand unten am Stadtrand vor einem BÜ und knipste sogar das Spitzenlicht aus. Wurden jetzt erst die Helper angekuppelt?

Als der Zug endlich kam, war das blaue Loch komplett Geschichte. Wir gingen wieder zu unserem ursprünglichen Plan zurück und starteten als erstes mal eine Besichtigungstour durch Helena. Die Altstadt liegt hübsch eingeschmiegt in ein kleines Tal und ist zum Teil Fußgängerzone, während alles andere auf einer Berglehne liegt. Die Kathedrale liegt etwas oberhalb der Altstadt und das Capitol mitten im Wohngebiet. Das machte alles einen ziemlich beschaulichen Eindruck. Die Hauptstadt Montanas ist gerade mal 28tsd Einwohner stark.

Wir besorgten uns nun bei Albertsons Weißwein und alle Zutaten für ein Truthahnsandwich, wobei wir als Brot einen Viererpack Naanbreads nahmen. Zurück in der Hütte konnten wir das herrlich auf der Veranda sitzend verputzen, denn trotz aller Bewölkung war es heute relativ warm gewesen. Einziger Störfaktor des Essens war der verspielte schwarze Hund des Hofes, der lieber mit uns rumgebalgt hätte. Aber als er merkte, dass wir ihn einstweilen nicht beachteten, setzte bzw legte er sich brav hin und schaute uns aus großen Hundeaugen beim Essen zu. Zur Belohnung gab es hinterher ein Stück Truthahnschwarte für ihn. Abends gab es dann noch ziemlich starken Regen. Da wird so eine Hütte ja gleich mal doppelt so gemütlich...

Würden wir den Lombardcanyon noch bei Sonne umsetzen können? Und warum klapperte es dort überall in der Natur? Diese und weitere gravierende Fragen beantwortet der nächste Teil, wenn es wieder heißt "Wenn im Westen die Signale erleuchten" - nicht im Kino, aber demnächst hier im Forum.


https://www.blockstelle.de/anderes/Banner37.jpg
Howdy Jan,

sehr schöne Bilder und mit der Ex-Santa Fe durchaus eine Rarität dabei. Diese Lackierungen dürften nicht mehr allzu so häufig sein. Genial ist natürlich die 12-fach-Bespannung! Wenn man sich da noch den Sound dazu vorstellt...
Freue mich auf deinen nächsten Teil!

Grüße
Tom

Einfach nur HAMMER! Danke. (o.w.T)

geschrieben von: Murrbahner

Datum: 11.10.18 21:40

(Dieser Beitrag enthält keinen Text)
Aha! Ein Bericht über mein blaues Lieblings-Bähnchen. Besten Dank dafür!
In der Nähe von eurer "Schwarzbär-Stelle" hat micht vor einigen Jahren mal ein kapitaler Elch begrüsst. Natur und Eisenbahn - einfach toll!


Jan vdBk schrieb:
.... Einmal hatte es ausgesehen, als ob ein Zug von Helena auf die nordwärts abzweigende Nebenbahn fahren würde, ..
Die BNSF-Strecke von Helena nach Great Falls ist seit vielen, vielen Jahren unterbrochen. Wenn da etwas reinfährt dann höchstens, um nicht benötigte Wagen für längere Zeit abzustellen.

Helpers werden übrigens beim wye in West-Helena in und hinter die westbounds eingefügt.
Und weil die MRL eine "Nacht- und Wochenende-Bahn" ist, bin ich schon gespannt auf den Bericht vom Sonntag und Montag.


Thomas



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2018:10:12:13:02:35.
Die BNSF-Strecke von Helena nach Great Falls ist seit vielen, vielen Jahren unterbrochen. Wenn da etwas reinfährt dann höchstens, um nicht benötigte Wagen für längere Zeit abzustellen.

Ah, danke für die Info. Das hatten wir nicht gewusst.

Viele Grüße, Jan

https://www.blockstelle.de/anderes/Banner37.jpg
Hallo,

da sind echt geniale Bilder dabei - da stellt sich fast die Frage, warum die Fans aus Europa sich so sehr auf die BNSF-Transcon stürzen ....

Auch die Hotelzufahrt hat was - ohen Ortsangabe hätte ich das durchaus auf Länder in der östlichen Hälfte Europa verortet .

Bin gespannt wie es weitergeht.

Grüße
Michael
Hallo Michael,

freut mich, danke!

da stellt sich fast die Frage, warum die Fans aus Europa sich so sehr auf die BNSF-Transcon stürzen ....

Ja, das ist wirklich sehr auffällig. Ich vermute mal, weil die BNSF Southern Transcon als die Strecke des Westens mit der dichtesten Zugfolge gilt. Und landschaftlich gibt es in deren Verlauf ja durchaus einige spektakuläre Abschnitte. Für den Einstieg jedenfalls ein gutes Thema :-)

Über die Dichte des Verkehrs auf der MRL waren wir wirklich überrascht, auch wenn unsere Vorab-Infos schon so eine Tendenz angedeutet hatten.

Viele Grüße, Jan

https://www.blockstelle.de/anderes/Banner37.jpg