Fortsetzung. Teil 1: [
www.drehscheibe-online.de]
Hallo allerseits,
eineinhalb Monate sind vergangen, aber das Werk noch nicht vollendet — typisch Sommer! Endlich geht es weiter mit dem zweiten Teil der Reise ins ehemalige
Wysokie Litewskie auf europäischen Schienen.
Wie es kürzlich hieß, fuhr der Zug soeben am Vorsignal der zweiten Zwischenstation dieser kurzen Strecke vorbei. Es ist die Station
Łyszczyce (weißrus.: Лышчыцы). Der bereits erwähnte "Illustrierte Reiseführer für Süd-West-Eisenbahnen" meldet dazu ganz amüsant:
"weiter, auf der 482. Werst ab Kazatin, befindet sich die Station Łyszczyce, die an sich, wie auch der Bezirk herum, keine herausragenden Besonderheiten darstellt"
23. Der obligatorische Blick nach hinten aus dem geöffneten Fenster verrät einige interessante Details: Die Regelspur hat die Westseite des Bahnhofs erreicht, und "aus dem Walde" kommen zwei Gleise heraus, die, wie an ihrem Oberbau aus Sand, Holz und ein wenig Mut zur Lücke zu erkennen ist, ebenfalls die Spurweite von 1435±50 mm besitzen.
24. Es handelt sich um ein Anschlussgleis, wo einige Male in der Woche Gas zwischen Kesselwagen umgepumpt wird (Die Eisenbahnposse behauptet, das Umladevolumen ist gestiegen: [
xpress.by] (russ.))
Diesmal hatte ich Glück und erwischte den Nahgüter mit
Čmelák ČME3 bespannt im Bahnhof wartend. Leider gibt es hier kein Euro-Gleis mit einer Bahnsteigkante, da der Fahrplan eine Zugkreuzung auf Breitspur vorsieht.
25. Vor einem Jahr sonnte sich eine doppelte
Maschka 2M62 mit wenigen Kesselwagen sowie noch einer Gemischtwarenhandlung am Haken auf der Breitspur.
26. Wir verlassen die Station und sehen die Einfahrsignale im Nordkopf, die eindeutig eines neueren Datums sind. Im Schatten der Fliederbüsche macht sich das Nutzvieh vom Dorf gemütlich.
27. Selbe Stelle, anderer Blickwinkel ein Jahr zurück: eine Sh2-Scheibe prangt an der Ausfahrt Richtung Wysoko-Litowsk. Ab hier war die Strecke temporär außer Betrieb.
28. Vielleicht ein ehemaliger Posten aus der Zarenzeit, heute eher ein Lager für die Gleisbauer, aber die Kilometerangabe 519 ist Pflicht! Überhaupt ist die Kilometrierung der Strecke historisch, der Nullpunkt liegt bei Kazatin, wo zur Entstehungszeit der Kiew-Brester Bahn bereits eine Bahnstrecke Kiew mit Schmerinka verband. Somit findet man auch in der heutigen Ukraine offizielle Kilometerangaben in Schepetiwka, Riwne, Kowel, die zur dargestellten Strecke passen.
29. An einem der vielen Wald-Haltepunkte auf dieser Strecke hat man einen guten Blick auf die Vorbereitungsarbeiten zur Reaktivierung. Nicht besonders überzeugend, aber immerhin:
30. Wenige Augenblicke später sind wir schon im ehemaligen Bahnhof
Wiarba / Вярба. Das Stationsgebäude ist heute bewohnt, früher reichten die Gleise offenbar an die Wellblechbude und vielleicht weiter. Dafür kann heute auf beiden Spurweiten ausgestiegen werden:
31. Vor einem Jahr hatte
busol, der Storch, das Reigen über die einsame Station. Obwohl, 4-5 Leute sind auf jeden Fall ausgestiegen.
32. Die absolute Mehrheit der Passagiere hat aber die Stadt Wysokaje als Ziel, beide MDP-Triebwagen (eine Gefäßverkleinerung des DR1A) entleeren sich sichtlich auf dem Haltepunkt
Wysokaje Gorad. Belarussian Intermodal: ein älterer LIAZ-Stadtbus ist als Shuttle zwischen dem Stadtzentrum und Bahnhof unterwegs, immer an den Fahrplan angepasst.
33. Im Innern zeigt sich MDP nicht weniger rustikal, auch die Fenster lassen sich einwandfrei öffnen. Bis zur letzten Station Wysoko-Litowsk fährt kaum jemand mit. Offiziell befindet sich diese Station in der Grenzzone von Belarus, somit wäre eine Durchfahrt zwecks Ausreise zwar möglich, aber eine Rückfahrt ohne selbigen eventuell problematisch — ich habe es sein lassen.
33a. Der Vollständigkeit halber zeige ich dennoch zwei Bilder der Station
Wysoko-Litowsk von weißrussischen Kollegen, einmal von oben mit Gleisbild, links die Breitspur:
© Lodivi [
railwayz.info]
Und einmal vom Boden aus, das Hauptgebäude ist natürlich ein Nachkriegsbau, aber das Örtchen links könnte noch original sein. Am Hausbahnsteig läuft die Regelspur, die gerade so gut wie keinen Verkehr aufweist:
© Evgenij Gromov [
railwayz.info]
34. Und nun zurück zum Haltepunkt Wysokaje Gorad, also "Stadt". Scheinbar hat es eine Fahrkartenausgabe in der Wartehalle gegeben, heute zugemauert. Auf diesem Foto ist der Zustand von 2018 zu sehen...
35. ...und hier die gleiche Stelle 2017, ein Biotop im Gleis.
36. Zur Abwechslung schauen wir noch einmal kurz in das Städtchen
Wysokaje rein. Der Hinweis auf Litauen im Stadtnamen ist bereits beim Anschluss an die UdSSR 1939 offiziell entfernt worden. Heute wird unter Litauen so oder so eine andere Region verstanden.
Hier war in der Vergangenheit bedeutend mehr los: selbst
Gediminas hat hier auf seiner Reise in die Rus kurz Halt gemacht, von sanften Hügeln seitlich des Flusses Pulva angetan. Ab 1494 galt das Magdeburger Stadtrecht, später wurde ein Schloss auf dem Hügel gebaut, welche das polnische Adelsgeschlecht Potocki sein Eigen nannte. Heute steht nur Lenin einsam da.
37. Ziemlich ruhig, und stilistisch schwer zwischen Ostpolen, Westukraine und Weißrussland einzuordnen. Der geneigte Besucher hat die Wahl zwischen dem kleinen Stadtpark, nach sowjetischen Gestaltungsvorgaben aufgebaut, aber schön schattig, der Synagogenruine, oder eben der offenen Kirche. Auch ein Gang über die Pulva zu den Schlossresten lohnt sich.
38. Höchste Eisenbahn aber, zurück zu kehren! Unser Triebwagen hat seine zwei Stunden in der Endstation verbracht und wird von einer Minute auf die andere am Haltepunkt ankommen. Wenn man nicht wüsste, welche Geschichte dahintersteckt, könnte man in der Strecke eine zweigleisige vermuten...
39. Weiter geht´s: das geschmackslos renovierte Stationsgebäude von Łyszczyce und der kreuzende Gegenzug von Brest nach Wysoko-Litowsk, ebenfalls ein MDP-Triebwagen.
40. Die im 1. Teil behandelte Station Motykały kann noch mit einem ordentlich aussehenden Stationsgebäude punkten. Der kreuzende Breitspurzug bringt Containertragwagen - vielleicht nach Wysoko-Litowsk zum Beladen?
41. Bereits aus der Ferne beginnen die Ausläufe der riesigen Station Brest-Nord, hier ein Ausziehgleis zur Zugbildeanlage...
42. ...und die Anlage selbst. Die Mehrzahl der Gleise ist als Regelspur ausgelegt, von hier werden von Terespol ankommende Züge aufgeteilt in die unzähligen spezialisierten Gleisgruppen und Anschlüsse des Bahnhofs geschoben, um die Ladung auf der Breitspur weiter zu transportieren. In der Ferne stand auch ein Metrozug aus Budapest auf seinem Weg in die Heimatfabrik geparkt, aber leider, leider wäre man zu der Stelle nur schlecht durchgekonnt für ein gutes Bild.
43. Auch Tragpaletten für Stahlrollen eines bekannten Intermodal-Anbieters waren zahlreich vorhanden. Auf dem rechten Bildrand übrigens der Normalspurbahnsteig von Brest-Nord, dummerweise von einem weiteren Zug verdeckt.
44. Kurz vor dem Bahnhof Brest-Centralnyj mündet von Osten ein Gütergleis aus dem breitspurigen Teil von Brest-Nord ein, sogar mit 25 kV elektrifiziert. Irgendwann dachte man, entweder die Güterzüge durch den Bahnhof Centralnyj hierher zu bringen, oder abzuholen - es wurde nichts. Das größte Verkehrsaufkommen von Brest-Nord auf Breitspur geht in einem Bogen östlich an der Stadt vorbei und kommt erst in Brest-Ost auf die Hauptstrecke Richtung Minsk. Hier sind nur sporadisch Übergaben mit wenigen Wagen und Diesellok zu bestaunen.
45. Und wieder, in einem engen Bogen, geht es an Holzhäusern vorbei zum Bahnhof Centralnyj und damit zum Ende dieser kleinen Reise. Wir sind zurück!
Wie immer, vielen Dank für das virtuelle Mitfahren auf dieser besonderen Strecke! Ergänzt sei hier noch, dass es ab Brest noch zwei mit Triebwagen erreichbare Strecken gibt: die Fortsetzung von Brest-Grajewoer Bahn richtung Ukraine, jeweils bis Hotislav (BY) oder Zabolottya (UA) befahren, sowie die Brest-Cholmer Bahn bis "Włodawa", aber ohne Grenzübergang ins echte polnische Włodawa, welche nicht minder schön und historisch sind. Solange die weißrussische Bahn nicht stadlerisiert wurde (womit bis frühestens 2021 nicht großartig zu rechnen ist), ist hier und da ein Ausflug mit offenem Fenster empfohlen!
In diesem Sinne, da pabatschännja und bis bald,
Viele Grüße, tk 🕊️🇺🇦