Mit Volldampf durch China – Vier Wochen in den letzten Dampfparadiesen des Fernen Osten
Teil 20b: Vom Regen in die Traufe – Nicht nur Uncle Sam, auch das Lokpersonal lässt uns im Regen stehen
Nach dem dreiteiligen Einschub (den letzten Einschub findet ihr
hier) geht es wieder „normal“ mit der Dampftour durch China aus dem Jahre 2010 weiter. Auf der Reise durch die letzten Dampfparadiese Chinas sind wir ja mittlerweile in Tiefa/Diaobingshan angekommen, im
letzten Bericht aus dem Jahr 2010 hatte ich vom morgendlichen Teil der missglückten Charterfahrt mit der amerikanischen Dame KD6 487 berichtet. Und es sollte am Nachmittag noch schlechter werden. Trotzdem wünsche ich euch viel Spaß beim Lesen!
Zur besseren Übersicht wie immer zunächst eine Karte:
Bild 1: Die Staatsbahnstrecke von Yinzhou/Tieling endet in Daqing, dort befindet sich die Übergabestelle zwischen Kohlebahn und Staatsbahn, zudem hat die Kohlenbahn hier auch ihr Betriebswerk samt Werkstatt und Museum. Von Daqing verläuft eine zweigleisige Strecke zum Betriebsmittelpunkt in Diaobingshan Kurz vor dem Bahnhof Diaobingshan zweigen Stichstrecken nach Daming und Wangqian bzw. Xiaonan ab, die Stichstrecken sind sowohl nach Diaobingshan wie auch nach Daqing angebunden. Richtung Daqing laufen eher die Kohlenzüge, Richtung Diaobingshan die Personenzüge. Von Diaobingshan läuft noch eine lange Stichstrecke bis nach Dongguantun. An allen Stichstrecken sind diverse Kohlenminen sowie weitere Industriebetriebe angebunden. Die Personenzüge beginnen und enden in Diaobingshan, sie verkehren auf allen vier Stichstrecken nach Daming, Daqing, Xiaonan/Wangqian und Dongguantun.
Wir saßen gemütlich beim Mittagessen in der warmen Stube, trockneten unsere nassen Klamotten und spülten unseren Frust mit ordentlich Bier hinunter. Draußen regnete es schon wieder und so richtig Lust die Fotosafari am Nachmittag im strömenden Regen fortzusetzen hatte keiner. Plötzlich kam per Telefon die Meldung, dass der Sonderzug bereits schon losgefahren wäre, entgegen aller Absprachen. Hatten wir das nicht schon öfters in diesem Urlaub? Wer meine Berichte regelmäßig liest, der kennt vielleicht noch die nicht gehaltenen Absprachen mit dem Zugpersonal aus Yamansu. Alle anderen können es nochmal
hier und
hier nachlesen. Überhastet stiegen wir in den Bus und fuhren los. Die ersten Motive hatten wir schon verpasst. War aber sowieso egal, denn es regnete mal wieder in Strömen. Eigentlich wollten wir ein paar schöne Panoramaaufnahmen am Stausee zwischen Diaobingshan und Faku an der Strecke nach Dongguantun machen. Bei strömendem Regen wäre außer einer weißen Regenwand nichts zu sehen, also eher eine unbrauchbare Nahaufnahme.
Bild 2: Bei passablem Wetter hätte durchaus eine ganz schöne Landschaftsaufnahme mit Dampfzug entstehen können. Aber so…
Dann mussten wir schnell zum Bahnhof nach Faku, denn die Strecke sollte nun zunächst von Güterzügen besetzt sein. Der planmäßige Dieselverkehr verhinderte somit zunächst die Weiterfahrt unseres Charterzuges. Während wir am Bahnhof auf die durchfahrenden Güterzüge warteten, hörte der Regen auf, es blieb aber genauso dicht bedeckt wie den ganzen Tag. So gab es nur eine vorbeibrummende DF4 bei schauderhaften Lichtverhältnissen.
Bild 3: Der Grund für die längere Fotopause. Ein Güterzug aus Richtung Dongguantun brummt in den Bahnhof Faku ein. Die Lok gehört schon zur Baureihe DF4B, also keine wirkliche Rarität. Immerhin ist der sozialistische Frontschmuck nicht ganz alltäglich. Der Sound war ganz nett, aber eine Dampflok wäre uns lieber gewesen.
Wir gingen eigentlich davon aus, dass die Strecke nun wieder frei sei und suchten zu Fuß den nächsten geplanten Fotostandpunkt auf: eine pittoreske Straßenbrücke über die Bahnlinie. Nicht dass das Lokpersonal einfach wieder losfährt, bevor wir am geplanten Standpunkt sind. Aber alle Hektik war umsonst. Erst kam gar nichts und dann gleich zwei Dieselloks. Wollen die uns ärgern? Die Charterfahrt verkam zur Farce.
Bild 4: Nach dem Güterzug aus Dongguantun durch war, suchten wir die geplante Fotostelle auf. Aber erst einmal kam der nachmittägliche Personenzug aus Diaobingshan nach Dongguantun durch, leider nur mit Dieselbespannung.
Bild 5: Danach erwarteten wir eigentlich unseren Dampfzug. Aber der stand sich weiter am Bahnhof Faku die Räder platt. Um uns zu ärgern schickte die Zugleitung erst noch eine Leerfahrt durch. Wir wollten jetzt endgültig aufgeben und diesem Debakel ein Ende bereiten …
Wir wollten schon unsere Sachen zusammenpacken, als sich das Lokpersonal dann doch noch einen Ruck gab und unter der Brücke hindurchfuhr.
Bild 6: Kaum zu glauben. Wider Erwarten kam dann doch noch irgendwann unsere alte amerikanische Dame unter der Brücke hindurchgedampft.
Bild 7: Und weil wir noch kein richtiges Dampfbild am heutigen Nachmittag hatten, drücken wir nochmal ab.
Bild 8: Und aller guten Dinge sind drei…
Bild 9: Auf dem Rückweg in den wartenden Zug lichtete ich noch das Lokschild ab.
Da die Sonne bald untergehen sollte, suchten wir direkt die für den Sonnenuntergang geplante Fotostelle beim Dorf Mengjiazhen nördlich von Faku auf. Wir bestiegen also den Zug und dampften los zum Zielort. Bis dort dann alle ausgestiegen waren, sich durch morastige Felder gekämpft hatten und der Zug zur Scheindurchfahrt zurücksetzt hatte, verging endlose und wertvolle Zeit. Aber egal. So toll war das Motiv bei dicht bedecktem Himmel aber auch nicht.
Bild 10: Ein ganz nettes Motiv. Vor allem wenn der Zug mit Dampf noch weiter nach rechts gefahren wäre. Aber der Lokführer hat leider zu früh den Regler geschlossen. Immerhin zeichnet sich am rechten Bildrand am Himmel eine vom Standardgrau des bisherigen Tages abweichende Farbgebung.
Doch plötzlich ein Lichtschimmer. Die Sonne durchbrach tiefstehend die Wolkendecke. Eigentlich perfekt. Dummerweise schloss der Lokführer entgegen der Absprache viel zu früh den Regler. Wäre ja auch zu schön gewesen.
Bild 11: Die Sonne bricht kurz vor ihrem Untergang durch die dicke Wolkendecke. Das hätte ja noch richtig was werden können, wenn …
Bild 12: ... der Lokführer nicht erneut den Regler zu früh geschlossen hätte. Hätte, hätte, Fahrradkette…
Es sollten wenige Minuten verbleiben, bis die Sonne endgültig am Horizont verschwinden sollte. Also orderten wir hektisch eine erneute Scheinanfahrt. Aber die Lok setzte viel zu kurz zurück, uns blieb nur noch ein Notschuss.
Bild 13: Eigentlich wäre angerichtet: Telegrafenleitung, Sonnenuntergang und Dampflok. Aber noch bevor wir einen geeigneten Platz gefunden hatten ...
Bild 14: ... setzte die Lok schon wieder zurück …
Bild 15: ... macht eine angedeutete Scheinanfahrt …
Bild 16: … und bleibt dann einfach stehen.
Aber vielleicht hätten wir noch Zeit für eine dritte Scheinanfahrt, schließlich sind aller guten Dinge drei. Diesmal setzte die Lok weit zurück, noch weiter zurück und verschwand schließlich wie die Sonne am Horizont. Die chinesischen Eisenbahner hatten einfach keine Lust mehr auf die durchgeknallten Langnasen. Sie ließen uns einfach mitten in der Pampa einfach stehen. Der absolute Tiefpunkt einer bescheidenen Sonderfahrt. Extra eine besondere Lok organisiert und dann das. Das Wetter ist alles andere als toll, man hält sich nicht an Absprachen, verpasst eine Fotostelle nach der anderen und lässt uns zum Abschluss auch noch kurz vor Dunkelheit knapp 20km entfernt vom Hotel auf einem morastigen Acker in der tiefen Mandschurei stehen. Na ja, was soll’s. Schließlich hatten wir jetzt ja drei fast perfekte Wochen mit Dampfloks erlebt. Zu Fuß machten wir uns auf den Weg durch das kleine Dorf Richtung Straße, erkundigten uns bei Dorfbewohnern nach dem Namen des Dorfes und riefen über Handy den Bus an, der uns dann schließlich auch abholte.
Da sich im Verlauf des Tages einiges an Frust aufgebaut hatte, musste selbiger nach dem wiederum hervorragenden Abendessen weggespült werden. Rund um das Hotel liegende Imbisse wurden besucht und nach beidseitiger, ausgiebiger Begutachtung (wir begutachteten hocherfreut die angebotenen Bier- und Schnapssorten während die Einheimischen diese sonderbaren Langnasen hocherfreut begutachteten) wieder verlassen. Die Kaschemmen schlossen aber nach und nach, wir hatten den Frust aber auch schon längst ordentlich und vollumfänglich heruntergespült.
Bild 17: Wir benötigten jede Menge Bier und Schnaps, um den Frust herunterzuspülen, der sich am heutigen Tag angesammelt hatte.
Das war es leider schon für diesen Bericht, mehr hatte der Tag beim besten Willen nicht zu bieten. Im nächsten Bericht geht es dann weiter mit dem nächsten Tag in Diaobingshan. Und so viel sei schon mal verraten, das Wetter sollte erheblich besser werden, allerdings hinterließ die Spülung vom Vorabend noch so ihre Spuren. Ich gehe also davon aus, dass Ihr beim nächsten Bericht alle wieder dabei seid.
| Rätsel: Was gehört hier zusammen? Und wo? Und überhaupt… | |
| Teil 1: „Das ist normal in China“ - Ein Abstecher in die Touristenhölle der chinesischen Alpen | |
| Teil 2: Von der Hochzeit zur Schmalspurbahn – Die Schmalspurbahn von Shibanxi stellt sich vor | |
| Teil 3a: Eine Zeitreise zurück ins 19. Jahrhundert – Minenbetrieb wie vor 200 Jahren | |
| Teil 3b: Eine Zeitreise zurück ins 19. Jahrhundert – Schnapsproduktion wie vor 200 Jahren | |
| Teil 4a: Motorrad vs. Dampflok – Auf eine Kollision im Tunnel folgt Sonnenschein | |
| Teil 4b: Dampfzüge bis der Arzt kommt – Nachtwanderung entlang der Schienen zum Onkel Doc | |
| Teil 5a: Verpasste Chancen gefolgt von einer Schlammschlacht - Ein ganzer Morgen voll Pleiten, Pech und Pannen | |
| Teil 5b: Vom Fotomotiv zum Biergarten und zurück – Eine ethanol-getriebene Wanderung entlang der Schienen | |
| Teil 6: Total vernebelt, und das ohne Droge (Dampf) – Ob die Reise trotzdem (weiter)geht? | |
| Teil 7: Es gibt (ausgerechnet am 11.11.) kein Bier mehr in Xinjiang – dafür aber jede Menge Dampf | |
| Teil 8: Tief im Westen, wo die Sonne mit Dampf untergeht – Ein Tag im Kohletagebau von Sandaoling | |
| Teil 9a: Von oben nach unten und zurück – Ein Morgen zwischen Abraum- und Kohlehalden | |
| Teil 9b: Werkstatt statt Essen – Mit leerem Magen durch die Lokwerkstatt | |
| Teil 9c: Blitz mit Dampf aber ohne Donner – Ein sehr langer Abend im Tagebau | |
| Teil 10a: Zum Abschluss drehen wir uns im Kreis – Morgenstund hat Gold und Dampf im Mund | |
| Teil 10b: Gegen Ende drehen wir uns im Kreis – Kunterbuntes rund um den Tagebau | |
| Einschub 1: Nachwuchsgewinnung für DSO – Familien-Trainspotting in Thailand und Taiwan | |
| Einschub 2a: Willkommen im Jahr des Brathähnchens – Gedämpfte Züge zwischen Feuer-Affe und Feuer-Hahn | |
| Einschub 2b: Willkommen im Jahr des Brathähnchens – Gedämpfte Züge zwischen Feuer-Affe und Feuer-Hahn | |
| Teil 10c: Der Kreis schließt sich – Dampfgesättigter Sundowner an den Abraumhalden von Xibolizhan | |
| Teil 11: Yamansu, was bist du? - Steinreiche Wüste, aber mit oder ohne Dampf? | |
| Teil 12: Wie eine Fata Morgana, so nah und doch so fern – Vom ersten Versuch, einen Dampfzug in der Wüste zu fotografieren | |
| Teil 13a: Strafe in der Nacht, Belohnung am Morgen – Vom zweiten Versuch, einen Dampfzug in der Wüste zu fotografieren | |
| Teil 13b: Lüsterne Spannerfotos und ein Date in der Wüste – Vom dritten (und letzten) Versuch, einen Dampfzug in der Wüste zu fotografieren | |
| Teil 14: Ärger mit der Schaffnerin und der Minenverwaltung - Kampf und Dampf(?) an allen Fronten | |
| Teil 15: Dampf am frühen Abend, erquickend und labend – Ein Spätnachmittag in den Lößbergen | |
| Teil 16a: Dampfschlachtgetümmel mit Höhen und Tiefen – Ein Morgen eingekeilt zwischen Bergen und der Volksarmee | |
| Teil 16b: Leere Werkstatt, volle Gleise – Buntes Treiben rund um den Rangierbahnhof | |
| Teil 16c: Summ, summ, summ Triebwagen summ herum – Ein Nachmittag in Bayin Gongsi | |
| Teil 16d: Absturz in den Bergen bei Bayin – und das alles nur wegen einer Diesellok | |
| Teil 17a: Leise rieselt der Schnee, langsam rangiert die Lokomotivee – Morgendliches Schnee- und Dampfgestöber in und um Bayin | |
| Teil 17b: Sonne statt Schneesturm – Ein sonniger Nachmittag zwischen Berggipfeln und Schulkindern | |
| Teil 18: Höhepunkte ohne Ende – Zum letzten Mal im Leben Dampf in Bayin | |
| Teil 19: Schwer bewaffnet in die östlichen Kohlereviere – Mit dem Schlachtermesser nach Diaobingshan | |
| Teil 20a: Uncle Sam lässt uns im Regen stehen – Eine Charterfahrt mit amerikanischer Dampflok und jeder Menge Regen | |
| Entschuldigungsbericht Teil 1 - Dampf im Morgenland oder Eisenbahn zwischen -25° und +35° | |
| Entschuldigungsbericht Teil 2 – Dampf im Morgenland Teil 2: Filmreife Polizeikontrolle mit der S.W.A.T. der chinesischen Polizei | |
| Entschuldigungsbericht Teil 3 – Trainspotting unter Mauern und Palmen oder Eisenbahn zwischen -10° und +35° | |
| Teil 20b: Vom Regen in die Traufe – Nicht nur Uncle Sam, auch das Lokpersonal lässt uns im Regen stehen | |
Zugliste
Datum | Zugnummer | Von | Nach | km | Traktion | Spurweite |
07.11. | Zug 2 | Shixi | Huangcunjing | 18 | Dampf | 762mm |
07.11. | Zug 4 | Jioba | Yuejin | 10,3 | Dampf | 762mm |
08.11. | Zug 1 | Yuejin | Bagou | 12,1 | Dampf | 762mm |
08.11. | Zug 4 | Caiziba | Mifengyan | 1,9 | Dampf | 762mm |
10./11.11. | K9782 | Ürümqi | Hami | 556 | Diesel | 1.435mm |
15./16.11. | T296 | Hami | Lanzhou | 1.136 | Diesel | 1.435mm |
19./20.11. | ??? | Lanzhou | Xian | 676 | Elektrisch | 1.435mm |
21.11. | Charter | Wangqian | Daxing | 16,5 | Dampf | 1.435mm |
21.11. | Charter | Faku | Mengjia | ca. 1,5 | Dampf | 1.435mm |
2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2018:05:16:15:31:16.