Guten Abend
Nachdem Ihr mein Rätsel wie erwartet souverän gelöst habt (-->[
www.drehscheibe-online.de]), nun der erste Teil des Reiseberichts!
Vorwort:
Der folgende Reisebericht entführt euch per Bahn in das herbstliche Montenegro und zurück, wobei auch der knapp zehntägige Aufenthalt im Land mit viel Natur und wenig Bahn seinen Platz im Bericht haben wird. Ich habe mich aber bemüht, die Off-Topic-Passagen auf verschiedene Berichtsteile aufzusplitten, so dass jeder Teil zumindest ansatzweise Bahnbezug aufweist. Wer aber hauptsächlich eisenbahnbezogene Inhalte oder tolle Aussenaufnahmen von Zügen in schöner Landschaft erwartet, wird mit dem vorliegenden, eher textlastigen Bericht wohl nicht glücklich werden.
Ebenso noch einen Hinweis zu den im Bericht enthaltenen Fotos: Sie sind wahlweise mit einer Kompaktkamera oder einem alten Smartphone (Bilder im Panoramaformat) entstanden und stellen keinerlei Ansprüche an die hohe Kunst der Fotografie, betrachtet sie einfach als klassische Reise-Knipsbilder, welche aus diversen Gründen auch mal verwackelt und unscharf daherkommen können :-)
Teil 1: Einmal Montenegro direkt, bitte!
Zwei Wochen Ferien im Oktober kamen gerade recht, um dem zu dieser Zeit doch arg auf das Gemüt schlagenden, tristen Schweizer Herbstwetter zu entfliehen. Montenegro sollte das Ziel sein, ein mir bis dahin unbekanntes Land, welches vor allem aufgrund der Kombination von Bergen und Meer einiges versprach. Die Hin- und Rückreise per Zug war da natürlich Ehrensache, auch wenn dafür schon der eine oder andere Ferientag draufgeht. Die Reiseplanung erfolgte ziemlich spontan unterwegs, auch wenn ich mir im Vorfeld ein wenig über mögliche Ziele informiert hatte. Vorgegeben waren einzig die Hin- und Rückfahrt bis/ab Belgrad, wofür ich vorab schon Tickets gekauft hatte. Der Abwechslung halber erfolgte die Anreise über Zagreb-Belgrad während ich bei der Rückreise den D340 nach Budapest sowie den tschechischen Schlafwagen Prag-Zürich nutzte. Letzteres war unter anderem auch der Tatsache geschuldet, dass die Umsteigeverbindung Budapest-Prag-Zürich beim Buchungszeitpunkt einige Wochen vorher zu meinem Erstaunen deutlich günstiger gewesen war als eine direkte Liegewagenfahrt mit dem EN Budapest-Zürich.
Richtig los ging die Fahrt also im Zürcher Hauptbahnhof mit dem EN Zürich - Zagreb (-Beograd), für welchen ich im Vorfeld bei der ÖBB ein Sparnight im 6er Liegewagen bis Zagreb zu einem äußerst fairen Preis erworben hatte. Sogleich wurde also der moderne kroatische Liegewagen geentert und das Abteil bezogen, in welchem schon eine ältere slowenische Dame sowie ein Schweizer Paar einquartiert waren. Da sich bei ersterer die Kommunikation aufgrund der Sprachbarriere auf einige hilflose Handbewegungen beider Seiten beschränkte und sich das Paar relativ bald schlafen legte, fiel auch mein Abend relativ kurz aus. Der Schaffner schaute kurz nach der Abfahrt noch vorbei mit dem altbekannten Gummicroissant für das Frühstück, einer Flasche Wasser sowie der Frage, ob man morgens Tee oder Kaffee bevorzuge. Die nächtliche Fahrt war dann ereignislos und wurde auch durch keinerlei Grenzaktivitäten unterbrochen.
Der Wagen war zwar modern und gut in Schuss, die (obere) Liege empfand ich jedoch als relativ hart und unbequem, so dass ich schon kurz nach Jesenice wach wurde und anschließend auf dem Gang die Fahrt durch das morgendliche Slowenien genoss.
1 - Morgenstimmung in Slowenien
Der Schaffner war auch schon auf den Beinen, brachte mir nach kurzer Nachfrage meinen Kaffee und informierte mich netterweise noch darüber, dass ich ab Ljubljana alleine im Abteil sein würde. Dies half dann auch ein wenig über den wirklich grauenhaften Kaffee hinweg...
In der slowenischen Hauptstadt blieb ich dann tatsächlich alleine im Abteil, was mir in meinem noch leicht verschlafenen Zustand ganz recht war. So konnte ich es mir im Abteil für die Fahrt durch das noch nebelverhangene Tal der Sava richtig gemütlich machen und ab und zu ein wenig dösen.
2 - Kurz vor Zidani Most
3 - Blick zurück, rechts im Bild der Bahnhof von Zidani Most
Zagreb wurde dann auch schnell erreicht und begrüßte mich mit Sonnenschein, aber auch erschreckend viel Gepäck und Gepäckbesitzern auf dem Bahnsteig. Da der Liegewagen ja bekanntlich in Zagreb endet, stand nun ein Umstieg in den Sitzwagen an, wobei die Tatsache, dass der internationale Zug nach Belgrad aus sage und schreibe EINEM versifften serbischen Großraumwagen bestand, bei mir nicht gerade für Erheiterung sorgte. Neben Komfortmerkmalen wie absolut ekelerregenden Sanitäranlagen oder einem unangenehmen Klogeruch im Wageninneren versprach auch die Belegung eine tolle Fahrt, waren doch fast alle Sitzplätze ab Zagreb schon besetzt und der Gang mit Gepäck verstellt.
Als Retter(in) in der Not entpuppte sich die HZ, welche dem Zug noch zwei (ebenfalls gut gefüllte) kroatische Wagen bis Vinkovci spendierte. So verbrachte ich einen Grossteil der Fahrt bis zur Grenze am offenen Gangfenster des kroatischen Abteilwagens, wobei mir bei der Rückkehr in den serbischen Wagen vom Geruch jeweils fast schlecht wurde. Ich will dabei noch festhalten, dass ich keineswegs überall blitzblanke Wagen und Einrichtungen erwarte und mit eigenem Toilettenpapier, etc. auch entsprechend vorbereitet bin. Besagter Wagen war jedoch punkto Sauberkeit einfach nur unter aller Sau und meiner Meinung nach ist es eine Bankrotterklärung der serbischen Bahn, dass man Reisenden so etwas zumutet. Auf Nachfrage beim Schaffner gab es auch nur ein Achselzucken…
Ob nun aber im kroatischen Wagen oder im versifften serbischen, die Strecke Zagreb-Belgrad ist ziemlich spektakulär, nämlich spektakulär öd.
4 - Flach, flacher, Slawonien. Ein Belegbild musste dann doch sein
Immerhin wurde auf kroatischer Seite überraschend zügig gefahren, teilweise über längere Zeit 150 km/h auf anscheinend modernisierten Abschnitten. Beeindruckend auch die Pünktlichkeit, jeder Bahnhof wurde entweder auf die Minute pünktlich oder gar 1-2 Minuten zu früh verlassen. Da sowohl die Manöver in Vinkovci sowie auch die Ein- und Ausreisekontrollen zügig von statt gingen, fuhr mein Ein-Wagen-Zug (ab Vinkovci) auch in Sid einige Minuten vor der planmäßigen Abfahrtszeit ab. Ja, bin ich denn wirklich auf dem Balkan?
In Serbien war die Geschwindigkeit dann allerdings merklich tiefer und immer wieder wurde vor Übergängen angehalten, kurz gehornt und schließlich weitergefahren, was den Rest der Fahrt in Kombination mit der fehlenden Frischluft im serbischen Wagen doch etwas zäh werden ließ. Der Lokführer hatte jedoch sichtlich Freude am kurzen Zug, beschleunigte er doch nach jedem Halt mit voller Lokleistung innert Sekunden wieder auf maximale Geschwindigkeit, wobei er es in punkto Beschleunigungsvermögen wohl locker mit jedem heimischen Flirt oder Kiss hätte aufnehmen können…
Aufgrund einer Bummelfahrt vor Belgrad und der Donauquerung im Schritttempo erreichten wir die serbische Hauptstadt schließlich mit absolut vernachlässigbaren +15, so dass ich noch einige Stunden Zeit hatte bis zur Abfahrt des Lovcen. Als erstes wurde beim internationalen Schalter ein Ticket + Reservierung im 3er Schlafwagen nach Sutomore gekauft, eine Zahlung in Euro war dabei zwar erwartungsgemäß nicht möglich, aber meine Kreditkarte wurde anstandslos akzeptiert. Nach einem kurzen Rundgang durch Belgrad genehmigte ich mir in einem Lokal gleich beim Busbahnhof dann noch ganz klassisch Cevapi mit Zwiebeln und Brot, bevor ich mich in Richtung Bahnsteig aufmachte.
Wie mir bereits im Vorfeld der Reise bekannt war, wurde der Lovcen aufgrund von Bauarbeiten zwischen Belgrad und Valjevo via Kragujevac umgeleitet, was eine um eine Stunde vorverschobene Abfahrt in Belgrad sowie eine deutlich spätere Ankunftszeit in Montenegro zur Folge hatte. So hatte ich explizit den Lovcen gewählt, damit ich den schönsten Teil der Fahrt ab Bijelo Polje grösstenteils bei Tageslicht sehen würde, was Mitte Oktober beim Tara nicht mehr der Fall gewesen wäre (mal ganz abgesehen von den Freuden des serbischen Busersatzes…).
So fand ich mich also kurz nach 8 Uhr abends im fast menschenleeren und wenig einladenden Bahnhof von Belgrad ein, um mein Abteil im montenegrinischen Schlafwagen zu beziehen. Dieser war nur mäßig ausgelastet, so dass mir der Schaffner auf Nachfrage zu verstehen gab, dass ich die Nacht über alleine bleiben würde. Entsprechend gut gelaunt war ich also, als der Zug langsam aus Belgrad ausfuhr und im Schneckentempo über marode Infrastruktur durch die Dunkelheit in Richtung Kragujevac rumpelte. Da meine Abteilnachbarn nicht wirklich auf Konversation aus waren, richtete ich mich im Abteil ein und inspizierte die Eigenheiten des mir bis dato unbekannten Wagens:
5 - Mein gemütliches Abteil mit dem mittleren Bett noch ausgeklappt
6 - Mein persönliches Highlight, in welchem Wagen kann man schon das Fenster per Kurbel öffnen und schließen? :-)
7 - Habe ich schon erwähnt, dass ich leider nur Englisch verstehe und mir der Gefahren bewusst bin?
Man merkt dem Wagen sein Alter schon an, die Abteile sind extrem ringhörig und im ganzen Wagen war kein Fließend Wasser vorhanden, ich hatte diesbezüglich aber mit Ohrstöpseln und Wasservorräten vorgesorgt. Ansonsten war das Abteil jedoch sehr gemütlich, mit einem äusserst bequemen Bett und sogar einer funktionierenden Steckdose zum Laden der in zu großer Anzahl vorhandenen elektronischen Geräte. So schlief ich bestens, bekam vom Umspannen von Elektro- auf Diesel- und wieder auf Elektrotraktion rein gar nichts mit und erwachte erst irgendwo vor Prijepolje aus meinem Tiefschlaf. Irgendwie schien die Heizung allerdings nicht recht zu laufen, so dass es im Abteil saukalt war und ich mir kurzerhand die Decken und Kissen der nicht vorhandenen Abteilgenossen schnappte um es mir gemütlich zu machen.
8 - Kissenecke im Schlafwagen samt Vesuv
Ein erster scheuer Blick nach draussen offenbarte dann auch erst einmal graues und nebliges Wetter, den gut eingepackten Passanten nach zu schliessen war es auch relativ kalt, was ich nach einem kurzen Kurbeleinsatz am Fenster selber feststellen durfte. Zwischendurch drückte manchmal kurz die Sonne durch den Nebel, so dass man immer wieder schnelle Blicke auf die steil aufragenden Talseiten rechts und links erhaschen konnte.
9 - Sonne vs. Nebel
10 - Tau, Zug und Morgensonne
Die Grenzkontrollen waren kurz und schmerzlos, wobei der erneut dicke Nebel beim Aufenthalt in Bijelo Polje einige Bedenken bezüglich der nun folgenden, äusserst sehenswerten Streckenabschnitte aufkommen ließ. Ein kurzer Vergleich zwischen Uhr und Fahrplan sagte mir außerdem, dass der Zug knapp 2 Stunden Verspätung hatte (ja, das ist mit dem angepassten Baustellenfahrplan…), was mir angesichts meiner noch inexistenten Pläne für den Nachmittag allerdings ziemlich egal war. Ich hatte einen gemütlichen Sitz-, bzw. Liegeplatz, die Landschaft versprach einiges, was will man mehr?
11 - Bijelo Polje; in der Mitte unsere serbische Zuglok, links ein Regio aus Podgorica. Nach meinen Beobachtungen verkehren die meisten Regios auf der Bergstrecke lokbespannt, mit mind. einem Wagen mit Fenstern zum öffnen…
Die Bedenken bezüglich des Nebels sollten sich zum Glück schon bald als unbegründet erweisen, begann sich dieser doch schon kurz nach Bijelo Polje aufzulösen. Am offenen Abteilfenster konnte ich nun die magische Stimmung geniessen, welche durch die wabernden Nebelschwaden und die in der tiefstehenden Morgensonne leuchtenden Berghänge erzeugt wurde, wobei die klare und kalte Morgenluft und die mit frischem Neuschnee bedeckten Gipfel das Ihrige dazu beitrugen.
12 - Noch hat der Nebel die Oberhand…
13 - …aber schon wenig später sind nur noch einzelne Fetzen übrig
Durch eine in schönste Herbstfarben getauchte Berglandschaft schraubte sich der Zug nun langsam in die Höhe, während am Horizont mächtige Kalkberge die Szenerie dominierten.
14 - Unser Zug mit zwei serbischen 1./2.Kl. Sitzwagen, einem serbischen Bistro (?), zwei montenegrinischen Liegewagen und zwei Schlafwagen. Am Zugsende war außerdem ein Autotransportwagen eingereiht
15 - Noch sind beide Verkehrsträger parallel nebeneinander
16 - Schönes ländliches Montenegro in frischer Morgenluft, mit Schneeflecken garniert
Da mein Abteil nun definitiv auf der falschen Seite war, verbrachte ich die meiste Zeit am offenen Gangfenster, wo es sich auch andere Reisende nicht nehmen ließen, den Fahrtwind zu genießen und die Ausblicke fotografisch festzuhalten. Der Schaffner hatte am kühlen Luftzug im Gang zwar sichtlich wenig Freude, angesichts der relativen Übermacht blieb ihm jedoch nichts anderes übrig als sich damit zu begnügen, uns missmutige Blicke zuzuwerfen :)
17 - Kolasin, am Scheitelpunkt der Strecke
18 - Ein Ingenieurbauwerk folgt dem Anderen…
19 - ...und zwischen den Tunnels bieten sich immer wieder neue Ausblicke
Nach einem besonders langen der zahllosen Tunnels änderte die Szenerie schließlich schlagartig, wo vorher noch sanfte, bewaldete Berghänge zu bewundern waren, ragten nun schroffe Kalkfelsen steil in die Höhe während tief unten im gähnenden Abgrund irgendwo noch ein Fluss und eine Straße auszumachen waren. Dieser abrupte Szeneriewechsel kam für mich doch ein wenig unerwartet, umso eindrücklicher waren dann die folgenden Meter.
20 - Eine fundamental andere Topographie als vorher…
21 - ...welcher Titos Ingenieure vor allem mit Hangviadukten…
22 - ...und Tunnels Herr geworden waren
23 - Eine solche Aussicht gibts nur auf dem Schienenweg
24 - Da gehts mehr als nur ein paar Meter steil runter…
Der Streckenverlauf auf diesem Abschnitt ist wirklich spektakulär, hoch oben am Hang schlängeln sich die Schienen durch zahlreiche Tunnels, über Hangviadukte und Stationen im Nirgendwo Podgorica entgegen.
25 - Immer noch hoch über dem Talboden
26 - Es darf natürlich nicht fehlen: Das Mala Rijeka Viadukt, mit 198m die höchste Eisenbahnbrücke Europas
Beständig verliert die Strecke dabei an Höhe, gefühlt wurde es mit jeder Minute wärmer, und nach einem letzten kleinen Canyon war der Talboden von Podgorica erreicht, wo mich die Landeshauptstadt mit Eitel Sonnenschein begrüßte.
27 - Das Dorf Bioce (?), im Hintergrund wird gerade der Berg für die sich im Bau befindliche Autobahn umgegraben…
28 - Noch ein paar letzte Kurven…
29 - … und der Bahnhof Podgorica ist erreicht, wo Montecargo schon auf Ausfahrt wartet
An dieser Stelle möchte ich den Bericht fürs Erste unterbrechen, so dass der nächste Teil nicht komplett Off-Topic wird. Es wird an die Küste gehen sowie in überraschend touristenfreie Touristenorte mit toller Natur, ich hoffe ihr seid dann wieder mit von der Partie.
Hier geht es zu Teil 2: [
www.drehscheibe-online.de]
Einen schönen Abend wünscht
Samuel
2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2017:12:14:18:59:05.