Hallo Leute,
nachdem ich England und Wales seit 1973 mehr als 50x bereist habe, es aber in den Norden des Vereinigten Königreichs bisher noch nie geschafft hatte, stand im vergangenen Juni endlich die erste Urlaubsreise nach Schottland auf dem Programm. Dabei stand natürlich das Kennenlernen von Land und Leuten im Vordergrund, aber natürlich habe ich nicht weggeschaut oder die Kamera eingepackt, wenn etwas für die Hobbys in Sicht war.
Und das ging schon kurz nach der Ankunft los! Meine stark seekrankheitsgefärdete bessere Hälfte hat nämlich die Anreise per Flugzeug vorgezogen, während ich mir mit unserem PKW die Route mit der Fähre über Newcastle ausgesucht hatte. Und da die Fluggesellschaft kurzfristig den Hinflug um gut 4 Stunden nach hinten verschoben hatte, musste ich die Zeit bis zu ihrer Landung irgendwo in der Nähe von Edinburgh totschlagen.
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Zum Glück gibt es unweit des Flughafens von Edinburgh eine Museumsbahn, die Bo’ness and Kinneil Railway [
www.bkrailway.co.uk]. Leider verkehrt diese nur an Wochenenden, mein Besuch fand aber an einem Freitag statt. Jedoch gibt es am Bahnhof ein Eisenbahnmuseum,. Das geöffnet hatte. Über eine Fußgängerbrücke mit Blick in den Bahnhof von Bo’ness begab ich mich zum Museum.
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Auf dem Weg zum Eingang kam ich an einigen recht wenig einladenden „Museumsstücken“ vorbei, jedoch …
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… konnte ich mich an dem liebevoll gestalteten Wegweiser zum Eingang erfreuen, der die Lok Nr. 419 der Caledonian Railway darstellt. Leider konnte ich das Original nicht antreffen, da es derzeit in einer auswärtigen Bahnwerkstatt eine Hauptuntersuchung erhält. Die betriebsfähige Rückkehr ist für Ende 2017 angekündigt.
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Die Museumsstücke sind in zwei recht großen und hellen Hallen untergebracht. Als erstes fiel mir diese Kranlokomotive ins Auge. Diese Bauart ist ganz typisch für Großbritannien und insbesondere Schottland, da die meisten dieser Art von der Firma Andrew Barclay in Kilmarnock gebaut wurden. Die hier gezeigte Nr. 6 wurde erst 1942 unter der Fabriknummer 2127 von Barclay für die Clyde Allloy Steel Company in Motherwell gebaut. Häufig war diese Bauart auch auf Hafenbahnen zu sehen.
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Eine weitere Aufnahme der Lok, das die Ausmaße des Kranes zeigt. Dieser wurde durch eine kleine Dampfmaschine angetrieben, die sich auf dem drehbaren Rahmen mit dem Ausleger befindet.
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Relativ neu in der Sammlung des Museums ist die Ellok 84 001, die eine Leihgabe des National Railway Museums York ist. Die Lok wurde 1960 als erste von 10 Maschinen für die neu mit 25 kV Wechselstrom elektrifizierte Strecke von London nach Manchester gebaut und kam mit fortschreitender Elektrifizierung auch vor Zügen nach Edinburgh und Glasgow zum Einsatz. Die Class 84 bildete die Basis für den Bau von weiteren 90 Loks dieser Lokgeneration. Die letzte Class 84 wurde 1980 ausgemustert u7nd ist die einzige erhaltene Lok dieser Baureihe.
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Leider etwas schlecht zu fotografieren ist die F-Class No. 49 mit dem Namen „Gordon Highlander“ der Great North of Scotland Railway (GNSR) aus dem Jahr 1920, die für die Beförderung von leichten Reisezügen vorgesehen war.
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Diese formschöne 2’B-Lok war bis 1957 im Einsatz und wurde dann für das schottische Nationalmuseum vorgehalten. Dieses stellt die Lok der Museumsbahn zur Verfügung, wo sie bis zum Fristablauf im Einsatz war.
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Hier der Führerstand der „Gordon Highlander“, auf dem ich liebend gerne mal als Lokführer oder Heizer tätig wäre.
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Eine weitere interessante Maschine ist der 1891 gebaute C-Kuppler mit der BR-Nummer 65243. Bei der LNER trug sie die Baureihenbezeichnung J36, die Betriebsnummer 673 und den Namen „Maude“. Sie war bis 1966 im Einsatz und wurde danach von einem Verein erworben. Sie war lange Zeit betriebsfähig und nahm u.a. an der großen Lokparade von Shildon 1979 anlässlich des Jubiläums der Lokomotivrennen von Rainhill teil.
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Im hinteren Teil des ersten Museumshalle wird derzeit an der Lok 45170 gearbeitet, die etwa 2019 wieder dampfen soll. Bei der 1’D-Güterzuglok handelt es sich um eine Lok, die analog der Baureihe 8F für das War Department gebaut wurde. Nach Kriegsende wurde sie an die türkische Staatsbahn TCDD verkauft, wo sie die Nummer 45170 trug. Die Lok kam vor einigen Jahren zusammen mit weiteren TCDD-Dampfloks nach Großbritannien zurück und hat nun bei der Bo’ness and Kinneil Railway eine neue Heimat gefunden.
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Natürlich pass in die Sammlung auch ein Wagen der Untergrundbahn von Glasgow.
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In der zweiten Halle fand ich zwei 0-4-0 Satteltankloks. Bei der linken handelt es sich um die 1887 gebaute Nr. 42 der Class Y9 der LNER, die bei British Rail die Nummer 68095 trug. Die rechte Lok war als Nr. 4 der Central West Area des National Coal Boards bis 1968 im Einsatz. Sie ist eine echte Schottin, gebaut 1937 unter der Nummer 2043 von Andrew Barclay in Kilmarnock.
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Diese dreiachsige dieselmechanische Lok wurde 1941 unter der Nummer 343 von Andrew Barclay für die britische Marine gebaut. Bis zur Ausmusterung war sie in verschiedenen Marinedepots im Einsatz und kam 1973 zur frisch gegründeten Museumsbahn.
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Zur Sammlung des Museums bzw. der Museumsbahn zählen auch etliche Güterwagen, in der Mehrzahl sogenannte „private owner wagons“, also Privatwagen. Einer davon ist dieser kurze Zweiachser, in dem einst Salz befördert wurde. Beim Anblick überkamen ich einigermaßen wehmütige Gefühle, denn als ich vor vielen Jahren eine Spur 00-Modellbahn nach britischen Vorbild besaß, lief dort ein solcher Wagen.
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Eine britische Spezialität waren die „Mechanical Horses“ des Herstellers Scammel. Schon in den 30er Jahren konnte z.B. die Great Western Railway damit den Haus-zu-Haus-Verkehr rationalisieren. Diese dreirädrigen Klein-LKWs konnten einachsige Auflieger ankuppeln, ohne dass der Fahrer aussteigen musste. Auflieger gab es mit geschlossenen und offenen Aufbauten. Mit den Dreirad-LKW, die übrigens einen minimalen Wendekreis hatten, wurden die per Bahn angelieferten Auflieger von den Bahnhöfen zu den Kunden gezogen. Im Museum sind eine Zugmaschine aus den 50er Jahren (in Restaurierung) und dahinter ein Mechanical Horse der letzten Bauserie aus den 60ern vorhanden.
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So etwas gab es auch bei uns, hier nannte sich das Teil „Einrad-Wagenschieber“. In Großbritannien habe ich so ein Gerät zum ersten Mal gesehen.
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Ebenso wenig hätte ich in Schottland eine Dampflok mit Giesl-Ejektor erwartet. Die Lok 24 des National Coal Board (NCB) wurde 1953 unter der Fabriknummer 2335 von – wen wundert’s – Andrew Barclay in Kilmarnock gebaut und war auf den Zechenbahnen der West Ayr Area in Schottland eingesetzt.
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Im Freigelände waren einige Dieselloks aus den 60er/70er Jahren abgestellt, darunter die 47 643 in ihrer schmucken Scot-Rail-Lackierung. Die Lok wurde 1965 als D 1970 gebaut und war bis 1995 im Einsatz, u.a. mit Wendezügen zwischen Edinburgh und Glasgow.
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Mit dieser Dampflok werden an Wochenenden die Züge der Museumsbahn von Bo’ness nach Manuel bespannt. Die Lok trägt die British Rail Nummer 68007, was allerdings nicht ganz zutrifft. Die originale 68007 wurde als War Department WD 75097 (Hudswell Clarke 1944) abgeliefert, von BR als Baureihe J 94 übernommen, aber schon 1962 ausgemustert und verschrottet. Die hier gezeigte Lok ist einer J 94 sehr ähnlich, wurde aber 1954 unter der Fabriknummer 3818 von Hunslet gebaut. Sie war als Lok 19 beim National Coal Board im Einsatz, ehe sie museal erhalten wurde.
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Ich weiß, dies ist ein Eisenbahnforum, aber bekanntermaßen gibt es außer mir noch andere Bahnliebhaber, die sich auch für Oldtimer der Straße interessieren. Deshalb will ich kurz über ein weiteres Museum in Bo’ness berichten: Das Bo’ness Motor Museum. Unweit des Bahnhofs der Museumsbahn hat eine Familie in vielen Jahren des Sammelns eine bemerkenswerte Sammlung an Autos und Automobilia zusammengetragen. Dazu zählt auch dieser Ford Popular 103E aus der unmittelbaren Nachkriegszeit.
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Das Museum hat sich ein wenig spezialisiert, und zwar auf Autos, die in bekannten Filmen und Fernsehserien mitgewirkt haben. James Bon Fans können sich sicher an den Film „Der Spion der mich liebte“ mit Roger Moore und Barbara Bach erinnern, in dem die Beiden in einem Lotus Esprit ins Meer eintauchen. Für diesen Film wurden 8 Wagen dieses Typs verwendet, einer davon kann hier im Museum bewundert werden. Außerdem sind noch ein Aston Martin DB5 (aus „Goldfinger“) und ein BMW 740i (aus „Der Morgen stirbt nie“) im Museumausgestellt.
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Auch dieser Jaguar XJ-S ist ein Filmauto. Er war (nach einem Volvo 1800 Sport) Dienstauto des Agenten Simon Templar; die Serie hieß in GB „The Saint“. Simon Templar wurde ebenfalls von Roger Moore verkörpert.
Um diesen Thread nicht allzu lang werden zu lassen, habe ich den Bericht in zwei Teile aufgeteilt. Im zweiten Teil geht es dann auch mit reichlich Bahnfotos weiter. Wer von Bildern aus Schottland noch nicht genug hat, möge dort weiter schauen.
Für den ersten Teil, Grüße aus der Pfalz
Hubert
Edit hat einen sachlichen fehler berichtigt.
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2017:07:21:08:52:42.