Mit weitem Winkel durch Slowenien
Teil 1: Anlaufschwierigkeiten
Zunächst mal vorweg: Wer keine Weitwinkelbilder mag und keine Berichte, in denen beschmierte Züge zu sehen sind, der ist hier falsch und kann gleich weiterklicken - allen anderen wünsche ich viel Spaß beim Lesen! ;-)
Vorwort
Urlaub in Slowenien? Der gemeine Tourist kennt das Land vor allem vom Durchfahren auf dem Weg in die Küstenstädte Kroatiens. Der Eisenbahnfreund kennt in der Regel außerdem noch die Koperrampe, jene 30km aufwendig trassierte Bahnstrecke von der Hafenstadt Koper hinauf ins Gebirge. Doch dieses vergleichsweise kleine Land steckt voller Überraschungen: Vom mediterranen Flair an der Mittelmeerküste über verschiedene Mittelgebirgslandschaften bis hin zu den Alpen ist auf engstem Raum alles dabei. Die Eisenbahn dieses Landes besteht einerseits aus einigen stark belasteten elektrifizierten Hauptstrecken, andererseits aus gemütlichen Nebenbahnen. Im Gegensatz zu vielen anderen Balkanstaaten hat man in Slowenien bereits vor gut 15 Jahren begonnen, neues Fahrzeugmaterial anzuschaffen und verschiedene Bahnhöfe behutsam zu modernisieren. Dazu kommt nahezu ein Taktverkehr im Nahverkehr auf vielen Strecken. Einziges großes Problem der Slowenischen Staatsbahn: Graffiti auf Triebwagen! Leider findet sich kaum ein sauberer Triebwagen im ganzen Land - was im Lauf des Berichts auch erkennbar sein wird.
Zusammen mit Marcel wollte ich eine Woche hier verbringen. Wir hatten bereits 2015 eine gemeinsame Rundtour durch das ganze Land unternommen, um die schönsten Gegenden auszukundschaften (Reisebericht darüber habe ich allerdings damals keinen erstellt). Letztlich wählten wir als Hotelstandort die Stadt Celje aus - einerseits weil von dort aus nahezu alles gut erreichbar war (die Koperrampe wollten wir bewußt ausklammern) und andererseits weil wir in Celje von der 2015er-Tour noch ein Motiv offen hatten:
Das Motiv mit der Burg von Celje - unser Reiseanlaß!
Damals hatten wir leider nicht die Möglichkeit, die Stelle bei voller Sonne und mit einem Güterzug umzusetzen. Das wollten wir nun nachholen.
Aufgrund des engen Zeitfensters, wo wir beide Zeit hatten und finanziellen Erwägungen verzichteten wir diesmal auf eine Anreise per Bahn und Mietwagen vor Ort, sondern fuhren mit dem eigenen Auto gleich ab Deutschland ans Ziel.
Bereits in den Wochen vorher wurden ausführlich die Wetterprognosen studiert. Diese wechselten beinahe täglich zwischen überwiegend gut mit vier Tagen volle Sonne und durchgehend trüb mit 99% Regenwahrscheinlichkeit an fünf Reisetagen. Wir mußten uns also überraschen lassen.
Samstag, 20.05.17
Der Tag sollte in erster Linie für die Anreise genutzt werden. Ich startete gegen 9 Uhr in Schwandorf, um dann gegen 09.30 Uhr Marcel in Regensburg am Hauptbahnhof bei strahlendem Sonnenschein abzuholen. Noch während der Fahrt über die A3 Richtung Passau zog sich der Himmel zu. Die Fahrt an sich verlief unspektakulär, es war nur wenig Verkehr. Die beiden in Österreich geplanten Pausen-Fotohalte nahe der Autobahn ließen wir aufgrund der Wetterlage großzügig aus und ohne eine einzige Pause gemacht zu haben querten wir die Grenze Österreich - Slowenien. Da sich das Wetter zu bessern schien und die Lange Autofahrt doch etwas schlauchte, suchten wir im Raum Pragersko nach einem brauchbaren Motiv, wo man ein Stündchen verbringen konnte. Fündig wurden wir nach kurzer Suche am Bahnhof Slovenska Bistrica, der auf einem Damm liegt, wo man auf einem nahen Feldweg gemütlich stehen konnte.
Wenige Minuten später war auch schon das erste Bild im Kasten: Ein Siffsiro auf dem Weg Richtung Zidani Most.
Das hatte ja schon mal gut geklappt! Wir wollten noch ein wenig warten und hofften, daß sich vielleicht auch noch ein Güterzug blicken lassen würde. Leider verfinsterte sich der Himmel wieder immer mehr und wir waren schon kurz davor, abzubrechen, als es dann doch noch aus der richtigen Richtung rauschte.
Leider ohne Sonne: 363 + 541 mit Güterzug in Slovenska Bistrica.
Über den Taurus im Zug waren wir etwas verwundert, ist doch die Achslast der Strecke zwischen Celje und Zidani Most noch immer auf 20t beschränkt, womit der Taurus dort nicht fahren darf. Nach meinen Informationen wird derzeit aber daran gearbeitet, die Strecke entsprechend zu ertüchtigen.
Wir fuhren also weiter und nach gut einer Dreiviertelstunde standen wir vor unserem Hotel "Hochkraut" ([
hochkraut.com]) in Tremerje, einem Dorf ein Stück südlich von Celje. Wir hatten es unter anderem auch deshalb gewählt, weil es fast unmittelbar neben der Bahnstrecke lag und wir darauf hofften, ein Zimmer mit Bahnblick zu bekommen. Der riesige Hotelparkplatz war bei unserer Ankunft komplett voll - kurze Zeit später erfuhren wir auch warum: Es wurden heute zwei runde Geburtstage gefeiert und wir wurden um Entschuldigung gebeten, wenn es vielleicht etwas lauter zugehen würde. Uns war es egal, wir bezogen unser Zimmer - leider ohne Bahnblick.
Da uns das Abendessen im Hotelrestaurant an diesem Abend aufgrund der vielen Gäste etwas unpraktisch erschien, brachen wir nochmal auf und fuhren in die Nachbarstadt Lasko, wo es eine Pizzeria geben sollte. Zwischenzeitlich hatte starker Regen eingesetzt und wir waren froh, im trockenen die leckeren Speisen genießen zu können. Obwohl Marcel schon sichtlich müde war, konnte ich ihn überreden, noch kurz auf einen Erkundungsabstecher zum Bahnhof nach Zidani Most vorbeizuschauen. Der Regen auf dem Weg dorthin war so stark, daß sich sogar kleinere Steine aus den Felshängen an der Straße lösten. Eine tolle Begrüßung im Urlaubsland.
Der Bahnhof Zidani Most liegt eingepfercht im Tal der Sava an der Mündung der Savinja. Beiden Flüssen folgen wichtige Bahnstrecken: Im Tal der Sava die von Ljubljana nach Zagreb, entlang der Savinja geht es zunächst nach Celje und dann weiter über Maribor Richtung Österreich. Aufgrund der geographischen Gegebenheiten ist der Streckenabzweig als Gleisdreieck mit mehreren großen Bogenbrücken und extrem engen Kurvenradien angelegt.
Noch während wir am Bahnsteig herumschlenderten wurden wir von einem sichtlich betrunkenen Gast der Bahnhofskneipe auf englisch angesprochen. Er wäre mal in Darmstadt im Knast gesessen, weil man das in Deutschland ja alles so genau nähme mit Auto aufbrechen und so. Außerdem hatte er sofort unsere Kamerausrüstung bemerkt und meinte, daß diese sicherlich einiges Wert wäre. So richtig wohl fühlten wir uns daraufhin nicht mehr. Dennoch machten wir ein paar Aufnahmen von der Bahnsteigszenerie als der Regen doch einmal kurz aussetzte.
713/715 114 auf dem Weg aus Richtung Celje nach Ljubljana.
Die Lok glänzt noch aufgrund des kurz vorher niedergegangenen Regenschauers: EC214 Mimara Frankfurt - Zagreb.
Damit hatten wir erstmal genug gesehen. Um unsere Vorräte für den nächsten Tag zu ergänzen fuhren wir noch nach Celje, ehe es wieder zurück ins Hotel und recht bald ins Bett ging.
Zu diesem Zeitpunkt war uns bereits klar: Zumindest nachts war auf der Strecke eine Menge los, denn man hörte ständig Züge vorbeirauschen.
Sonntag, 21.05.2017
Nachdem die Wettervorhersage für den Vormittag eher weniger berauschend war hatten wir es mit dem Aufstehen nicht eilig. Erst gegen 9 frühstückten wir gemütlich. Als erstes wollten wir uns heute den "Hotelblick" ansehen - von einem Hang gegenüber unseres Hotels sollte man einen guten Blick auf die Savinjabrücke haben. Oben angekommen stellten wir fest: es ging! Und wenn man etwas früher aufsteht sogar auch in die andere Richtung!
Also warteten wir erstmal. Der Himmel zeigte sich von seiner freundlichen Seite: blau mit ein paar weißen Wölkchen. Wir standen die meiste Zeit in der Sonne. Doch irgendwie wollte sich kein Zug zeigen. Also gar kein Zug. Auch der im Fahrplan verzeichnete Siffsiro und der IC kamen nicht. Was war da los? Wir begannen im Internet zu suchen und Marcel fand irgendwann auf der Seite der SŽ einen Hinweis, daß auf unserer Strecke Bauarbeiten wären und bis 13 Uhr erstmal SEV eingerichtet war. Suuuuuper.
Aber noch besser war: Die Bauarbeiten sollten noch bin Mitte Juni gehen, mit eingleisigem Betrieb zwischen Lasko und Rimske Toplice und immer wieder einzelnen Zügen im SEV.
So packten wir unsere Kameras wieder ein und beschlossen, gleich rüber nach Hrastnik an die Strecke im Savatal zu fahren. Das Motiv von der dortigen Brücke über Bahnhof und Fluß war bereits aus dem Internet bekannt.
Wir erreichten die Stelle gegen 13 Uhr. Erste Überraschung: Ui sind die Berge hoch! Um alles wie gewünscht auf's Bild zu kriegen, mußte das Weitwinkelobjektiv drauf.
Noch waberte vor der Sonne eine dickere Wolke herum, aber ringsrum war alles blau, so daß wir guter Dinge waren... Der erste Zug ging aber gleich mal bei Wolke ab: ELL-Vectron mit Containerzug. Äh hallo? Geht's noch? Um sowas zu sehen, muß ich nicht 600km nach Slowenien fahren.
Der Güterverkehr rollte jetzt richtig - neben vielen Franzosen kamen auch ein paar 541 vorbei, in beide Richtungen, mit verschiedenen Zügen. Nur eine wollte so gar nicht vorbeikommen: die Sonne. Die Wolken waberten ständig an der gleichen Stelle herum ohne sich auch nur irgendwie zu bewegen. Ringsrum blieb weiterhin viel blauer Himmel zu sehen.
Also warteten wir erstmal weiter. Für etwas Abwechslung sorgte ein direkt neben der Brücke befindlicher Kanuclub, wo offenbar für eine Fernseh-Doku einige Aufnahmen gedreht wurden.
Auch die Polizei schaute mal vorbei um uns zu fragen, was wir die ganze Zeit auf der Brücke treiben. Nach einer kurzen freundlichen Erklärung war alles gut.
Zweieinhalb Stunden später: Wir hatten bislang außer einem Sonnenspot von ca. zehn Sekunden noch nichts von der Feuerkugel am Himmel gesehen. Aber wenn wir sie denn sehen würden, wäre sie schon "rum". Also Abbruch. Welch Frust!
Richtung Ljubljana sah es noch immer schön blau aus und das Satellitenbild versprach in diese Richtung auch viel Sonne. Wir fuhren also mal die Straße durchs Tal entlang um eine geeignete Stelle zu finden. Doch das war gar nicht so einfach: Landschaftlich wunderschön führen Strecke und Straße entlang des tief eingeschnittenen Flussen, jedoch immer gesäumt von viel Bewuchs auf allen Seiten. Bei Zagorje meinten wir erst eine Stelle gefunden zu haben, waren uns aber dann letztlich doch einig, nochmal weiterzufahren. Kaum wieder beim Auto wäre ein Güterzug gekommen. Der Bahnhof dort schien zwar nett, aber der Sonnenstand paßte nicht.
Immerhin sahen wir ein paar andere interessante Dinge: Zum Beispiel das Steinkohlekraftwerk bei Trbovlje, welches mit 360m Höhe den höchsten Kamin Europas besitzt ([
de.wikipedia.org]). Oder eine abenteuerliche überdachte Holzbrücke über die Sava bei Sava, die wir uns nicht zu befahren trauten, die aber wohl nach wie vor zumindest für den Anliegerverkehr freigegeben war.
Bei Litija wird das Tal dann etwas breiter und man kann den Fluß auf einer normalen Brücke überqueren, was wir dann auch taten. Etwas nordöstlich, bei Ponovice, fanden wir dann auch tatsächlich eine einigermaßen brauchbare Stelle mit einem größeren Gehöft wo das Licht paßte. Kaum aus dem Auto ausgestiegen rauschte es auch schon verdächtig. Ein kurzer Sprint und das erste Sonnenbild des Tages war im Kasten.
RTS 1216 mit Wascosa-Kesselwagen. Ein typisch slowenischer Zug also.
Irgendwie wollte sich Freude noch nicht so richtig einstellen. Wir waren eigentlich hier runtergefahren, um die slowenische Eisenbahn zu fotografieren und nicht denselben Alltagskram, den wir auch daheim hätten haben können. Irgendwie ist es ja toll, daß auch bei der Eisenbahn die Grenzen mehr und mehr zu verschwinden scheinen, aber gerade aus der fotografischen Sicht wird es dadurch wohl auch mehr und mehr ein europäischer "Einheitsbrei"...
Egal, es war jedenfalls klar, daß wir auch noch einen SŽ-Güterzug hier haben wollten. Zunächst kam von hinten aber ein 711. Sauber. Sauber!!! Leider aber bei Wolke, sonst hätte ich sogar mal einen Nachschuß gemacht. Die herrlichen Triebwagen aus den 70ern gefallen mir einfach immer wieder. Der erhoffte SŽ-Güterzug mit einer Brižita kam dann auch noch, leider auch bei Wolke. Die Schatten wurden immer länger und die Mücken immer ekelhafter. Zeit für einen Motivwechsel.
Mit einem Siffsiro-Doppel als Vertreter der slowenischen Eisenbahn mußten wir uns an dem Motiv zufriedengeben.
Es war mittlerweile schon fortgeschrittener Nachmittag und nicht mehr so einfach, ein brauchbares Motiv mit passendem Sonnenstand zu finden, wo die Schatten nicht schon zu lang waren. Bei Kresnice fanden wir eine Stelle, die zwar nicht überragend, aber brauchbar war. Und wo das Licht lange halten würde (nämlich bis Sonnenuntergang wie wir später feststellten).
Irgendwann rauschte es dann und es kam... dem Geräusch nach ein Güterzug! Klasse!!! Doch als der Zug dann um die Kurve kam:
Wiedermal ein slowenischer Klassiker.
Den lokbespannten Nahverkehr mit 342 fuhr uns dann ein von hinten kommender Güterzug zu. Achja: Von hinten kam außerdem noch eine schwarze 189 mit ARS-Altmann-Zug...
Die Erlösung kam dann kurz vor Sonnenuntergang:
Endlich ein slowenischer Güterzug bei Sonne!!! 363 019 bei Kresnice.
Zum Abendessen ging es diesmal in die Gaststätte Jurman in Ljubljana ([
jurman-sp.si]), das nicht mehr weit weg war.
Es war schon spät als wir dann wieder beim Hotel angekamen. Dort war alles dunkel. Wir hatten keinen Schlüssel für die Hoteltür. Ob das System mit der Nachtglocke funktionieren würde? Es klappte - wenn die Dame, die uns öffnete auch ziemlich verdutzt schaute. :-)
Da am morgigen Montag der wettermäßig beste Tag der Woche werden sollte, mußte ordentlich was dabei rumkommen - deshalb setzten wir uns noch ein wenig vor die Reiseunterlagen und planten...