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Liebe Forengemeinde,

ich danke allen, die mich bisher auf unserer Bahnreise von Moskau nach Sotschi begleitet haben. Im ersten Teil ging es um die Hinfahrt m neuen Doppelstock-Schlafwagenzug der RZD [www.drehscheibe-online.de], im zweiten Teil um Sotschi selbst und den zur Olympiade gebauten Eisenbahnanschluss von Krasnaja Poljana [www.drehscheibe-online.de]. Logischerweise fehlt noch die Rückreise.

Vorgenommen hatten wir uns, unterwegs einen guten Freund aus meiner Studentenzeit zu besuchen, der mittlerweile als Professor an der Universität in Rostow am Don arbeitet. Eigentlich war geplant, die Fahrt von Sotschi nach Rostow am Tag zurückzulegen, und zwar mit zwei der modernen Express-Regionalzüge "Lastotschka" ("Schwalbe") mit sieben Stunden reiner Fahrtzeit und Umsteigen in Krasnodar. Daraus wurde nichts, weil für diese Züge - im Gegensatz zu den "Lastotschkas" im Moskauer Umland - nur Tickets mit festen Sitzplätzen verkauft werden und der morgendliche Express nach Krasnodar bis auf den letzten Platz ausverkauft war, als ich das endlich bemerkte. Wegen der georgafischen Lage am äußersten südlichen Rand von Russland waren die Reisealternativen nicht allzu vielfältig. Wir erwarben die letzten 2.-Klasse-Schlafwagen-Fahrkarten für den langsamen Nachmittagszug nach Moskau, der nach gut zehnstündiger Fahrt in Rostow um kurz vor zwei Uhr nachts Station macht.

Da der Aufenthalt in Krasnodar nun ungeplant entfiel und wir nun noch einen halben Tag länger Zeit in Sotschi hatten, nutzten wir die verbleibenden Stunden für einen Abstecher ins "Grüne Wäldchen", wo sich Diktator Stalin einst in Tarngrün eine streng geheime Datsche bauen ließ. Einige Räumlichkeiten können heute besichtigt werden, inklusive Stalins privates Schwimmbecken und sein Billardzimmer.
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Am Nachmittag heißt es dann vorerst aber wirklich Abschied nehmen. Am imposanten Bahnhof haben wir noch etwas Zeit, bis unser Zug eintrifft. Der ist wie der gesamte Fernverkehr in Adler am südlichen Rand des Großraums Sotschi gestartet, braucht aber fast eine Stunde bis ins Zentrum.
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Der Hauptbahnhof von Sotschi wurde in seiner heutigen Gestalt zum Ende der Stalin-Ära im Jahr 1952 fertiggestellt, was man ihm sofort ansieht. Er steht mittlerweile unter Denkmalschutz. In Simferopol auf der Krim gibt es übrigens aus der selben Zeit ein praktisch baugleiches Bahnhofsgebäude.
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Unser Doppelstock-Express von Moskau hatte auf der Hinfahrt ja nur 23 Stunden benötigt - der langsamere Zug braucht hingegen bis in die russische Hauptstadt rund 37 Stunden. Er stoppt häufiger und fährt außerdem nicht auf dem direkten Weg sondern macht einen Schlenker über Kursk und Tula.
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Auch dieser Zug ist praktisch ausgebucht, wir haben nur noch auf drei Abteile verteilte Liegeplätze bekommen können. Allerdings steigen viele Passagiere erst später auf dem Weg Richtung Moskau zu. Zum Einsatz kommen ältere Schlafwagen, wie sie bereits Anfang der 90-er Jahre überall im Breitspurland in Gebrauch waren.
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Den praktischen - und früher unverzichtbaren - Samowar im Korridor gibt es in unserem Waggon auch noch.
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Wie auf der Hinfahrt führt die Strecke während der ersten beiden Stunden wieder am Schwarzen Meer entlang. An diesem Tag sehe ich vom Fenster aus die ersten Badegäste im Wasser, vermutlich Mitglieder eines nordrussischen "Walross"-Eisbade-Clubs...
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Wer in russischen Zügen ein Zugrestaurant besucht, spielt immer eine Runde Roulette. Es gibt ganz vorzügliche (An das Essen im Moskau-Wolgograd-Express denke ich noch immer gerne zurück), und es gibt die Marke Totalreinfall. Dieses Mal ist Letzteres der Fall. Der Proviant sei schon auf der Hinfahrt nach Süden aufgegessen worden, sagt die lustlose Kellnerin, die Getränke sind überteuert und die Summe auf der Rechnung wird zusätzlich zu einem "Servicezuschlag" noch einmal versehentlich etwas aufgerundet.
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Entsprechend schnell leert sich der Speisewagen dann auch.
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Einzig die Lektüre der Speisekarte macht Freude. Da heißt es: "Wegen der begrenzten Anzahl von Plätzen ist der Aufenthalt im Zugrestaurant auf eine Stunde beschränkt. Personen in Oberbekleidung, in kurzen Hosen, mit nacktem Oberkörper, in angetrunkenem Zustand oder mit unangemessenem Verhalten werden nicht bedient."
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Erster längerer Zwischenstopp ist wieder der Industriehafen Tuapse. Hier haben wir Zeit, unsere Knabber- und Getränkevorräte aufzufüllen.
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Anschließend geht es durch die nördlichen Kaukasus-Ausläufer. Die Landschaft entlang der Strecke ist wirklich hübsch und macht Lust darauf, bei nächster Gelegenheit etwas intensiver erkundet zu werden.
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Rostow erreichen wir planmäßig mitten in der Nacht. Weil wir im Schlafwagen unterwegs waren, fällt uns das Aufstehen um 1:30 Uhr aber gar nicht so schwer wie befürchtet. Nach einer kurzen Taxifahrt in unser vorab gebuchtes Hotel schlafen wir alle sofort wieder ein und sind am nächsten Morgen recht fit. Als mein Professor uns am Vormittag abholt, gießt es in Strömen, und das bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt. Wir machen das Beste aus den äußerem Umständen und besichtigen die griechische Ruinenstätte Tanais westlich der Stadt. Trotz unserer Zuneigung zur russischen Eisenbahn sind wir froh, dass mein Freund inzwischen ein Auto besitzt. Man kann die Ruinen allerdings auch mit dem Vorortzug erreichen.
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Rostow am Don, Russlands südlichste Millionenstadt, hatte früher in der Sowjetunion ja immer so ein wenig den Ruf einer Ganoven-Hochburg (zusammen mit Odessa, das waren im entsprechenden Gangster-Slang "Odessa-Mama" und "Rostow-Papa"). Seitdem ich das letzte Mal dort war, wurde die Stadt an manchen Stellen wirklich hübsch herausgeputzt, es wurden historische Gebäude in Ordnung gebracht und einige Fußgängerzonen hergerichtet. Alles Maßnahmen zur Fußball-WM, sagt der Professor. Rostow soll 2018 einer Austragungsorte werden.
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In meiner Studentenzeit fand ich besonders die gekachelten Fußgängerunterführungen in der Innenstadt spektakulär. Da gab es idyllische Szenen aus dem Leben der Donkosaken, Bilder vom sozialistischen Aufbau - und vom Großen Vaterländischen Krieg. Weil heute der 9. Mai gefeiert wird, während ich diesen Bericht zusammenstelle, hier ein passendes Panzerschlachten-Kachelbild:
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Am späten Abend endet unsere Stippvisite schon wieder. Wir setzen unsere Fahrt fort und haben dieses Mal ein schon in Deutschland gebuchtes ganzes Abteil im Schlafwagenzug 143 Kislowodsk - Moskau für uns. Der war bereits am Morgen in den "Mineralwasser-Kurorten" im Nordkaukasus gestartet. In Rostow findet ein reger Fahrgastwechsel statt.
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Am Nachbargleis macht sich gerade ein weiterer Nachtzug nach Wolgograd auf. Oder war es Wladikawkas? Ich kann mich gerade nicht mehr erinnern.
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Wie in allen Fernverkehrszügen der russischen Eisenbahn hängt im Korridor ein Fahrplan.
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Die kurze Transitfahrt durch den Ostzipfel der Ukraine verschlafen wir, ebenso den halbstündigen Aufenthalt in Woronesch am Morgen. Beim Aufwachen sieht es vor dem Fenster dann wieder ziemlich winterlich aus. Kaum zu glauben, dass wir vor zwei Tagen noch im T-Shirt unter Palmen herumspazierten...
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Die russische Eisenbahn gibt sich ja durchaus einige Mühe, modern zu wirken. An manchen typisch russischen Traditionen hält man allerdings eisern fest. Der Tee im Teeglas mit silbernem Teeglashalter ist so ein liebenswertes Detail.
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Entlang der Strecke fällt auf, dass in vielen Orten die Dorfkirchen in den vergangenen Jahren wieder hergerichtet wurden (oder vielleicht auch neugebaut). Die blitzenden Kuppeln und bunt bemalten Türme sind in jedem Fall ein angenehmer Farbtupfer im ansonsten allzu oft grauen russischen April.
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In Moskau am Kasaner Bahnhof wird unser Zug aus dem Kaukasus schon erwartet. Für manche ist es ein lange herbeigesehntes Wiedersehen, für andere ein kleines Geschäft, wenn jemand Koffer mitgebracht hat, die zu schwer zum Tragen sind.
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Unsere Reise ist noch nicht ganz zuende, aber der für ein Eisenbahnforum relevante Teil. Denn am nächsten Morgen steige ich mit den Kindern in eine Aeroflot-Maschine Richtung Westen, und lediglich meine dem Fliegen komplett abgeneigte bessere Hälfte setzt die Heimfahrt auf dem Landweg fort: mit dem "Polonez" über Minsk und Warschau fährt sie mit mehreren Ausländern im Waggon, die übrigens alle problemlos über Weißrussland ausreisen können, obwohl das ja eigentlich derzeit nicht geht.
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Eine etwas weniger eisenbahnzentrierte Version dieses und anderer Berichte sowie Fotos und Landesinfos aus Russland habe ich auf meiner Webseite zusammengestellt: [www.rhein-wolga.info]
Vielen Dank für das Mitnehmen auf die interessante Reise.

Eine Verständnisfrage noch:
Zitat:
Da heißt es: "Wegen der begrenzten Anzahl von Plätzen ist der Aufenthalt im Zugrestaurant auf eine Stunde beschränkt. Personen in Oberbekleidung, in kurzen Hosen, mit nacktem Oberkörper, in angetrunkenem Zustand oder mit unangemessenem Verhalten werden nicht bedient."
Was ist eine "Oberbekleidung"? Ich würde verstehen, wenn man mit Unterwäsche nicht in den Speisewagen darf, aber unter Oberbekleidung verstehe ich normale Kleidung. Was ist da gemeint?

LG Gustav
HIER sind meine Reiseberichte zu finden!
Sorry, um kurz vor Mitternacht waren meine Übersetzer-Fähigkeiten schon etwas eingeschränkt. Korrekt müsste es "Jacken und Mäntel" heißen.