In San Pedro Sula, der zweitgrößten Stadt Honduras und mit der weltweit höchsten Mordrate pro Einwohner, fährt an Mo-Freitagen eine der vielleicht verrücktesten, bzw. sinnlosesten Eisenbahnen der Welt. Wenn sie fährt, sollte man korrekterweise noch dazu fügen! Fahrpläne in unserem Sinn gibt es nämlich keine. Der Zug setzt sich erst dann in Bewegung, wenn sich eine bestimmte Anzahl an Fahrgästen eingefunden hat. Realistisch gesehen dürfte das kaum je der Fall sein. Wer nimmt schon längere Wartezeiten in Kauf, nur für eine kurze innerstädtische Fahrtmöglichkeit? Das Ganze dürfte also nur eine Art Alibifunktion haben, um das Bahnpersonal weiter aus Staatsmitteln beschäftigen zu können.
Im Bahndepot, wo Eindeutig der Schrott überwiegt!
Zum Glück fällt mir am Vortag auf der Taxifahrt vom Busbahnhof zum Hotel das Bahndepot auf. Genau hier setze ich am nächsten Morgen gleich mal an. Das Gepäck bleibt im Hotelzimmer und das Frühstück wird auf später verschoben. Im Depot werde ich freundlich empfangen und auf Nachfrage nach dem Zug wird mir eine Abfahrt um 9 Uhr in Aussicht gestellt. Bis dahin bleibt viel Zeit, in der das Frühstück nachgeholt werden kann.
Die Bahnstrecke!
Beinahe selbstverständlich taucht selbst bis 9:30 Uhr kein Zug am Bahnhof auf, was mich zu einem erneuten Gang Richtung Depot veranlasst. Jetzt soll der Zug um 10:00 Uhr fahren. Nach hartnäckigem Nachbohren bringe ich jedoch in Erfahrung, dass nur auf den Lokführer gewartet wird. Und wann der auftauchen wird, dass weiß keiner! Also gehe ich wieder zurück ins Hotel, um aus zu checken. Nach einer weiteren halben Stunde breche ich schließlich mit Gepäck zum Bahnhof auf. Potz Blitz: Es steht tatsächlich ein Zug am Bahnsteig!
Schnell fertige ich ein paar Fotos an, danach halte ich nach Bahnpersonal Ausschau. Vom Lokführer ist allerdings weit und breit keine Spur, nur einen Wagenreiniger kann ich finden, der gerade die beiden Personenwagen auskehrt. Nach der Abfahrt gefragt, heißt es in einer halben Stunde. Oder präziser: Erst wenn sich eine bestimmte Anzahl Passagiere einfindet. Außer mir ist keiner da, daher biete ich an fehlende Tickets eben aufzukaufen. Daraufhin erscheint nach 10 Minuten ein Mann mit einem großen Leguan auf der Schulter. Es handelt sich um den Lokführer! Nach weiteren 30 Minuten würde er tatsächlich abfahren, falls ich die entsprechenden Tickets kaufe. Deren genaue Anzahl schwankt zwischen 7 und 12 und am Ende zahle ich glatt für 15 Fahrten hin und zurück. Angesichts der billigen Preise ist mir das schlicht egal, Hauptsache der Zug fährt! Schließlich will ich heute noch ein gutes Stück Richtung Tikal in Guatemala weiterkommen.
Während der Zugfahrt
Um Punkt 12 Uhr fährt der Zug wirklich ab! Bereits einige Minuten vor Abfahrt wird die Diesellok angelassen und ein paar Mal auf die Pfeife gedrückt, damit die auf den Gleisen errichteten Straßenstände abgebaut werden können. Außerdem kann der Lokführer noch ein zufällig anwesendes Ehepaar mit Kleinkind zur Mitfahrt in der einzigen Eisenbahn Honduras motivieren! Weitere Zufallsfahrgäste, die nur aus Jux und Tollerei spontan (hin- und zurück) mitfahren, steigen einfach unterwegs zu. Das ist keine wirkliche Kunst, denn der Zug muss sich die ersten Gleismeter von den Straßenhändlern zurück erobern. Es dauert einige Zeit bis alles profilfrei weggeräumt ist! Die Strecke endet nach knapp 5 Km unmittelbar am Zentralen Omnibusbahnhof.
Nach knappen 5 Kilometern und 25 Min. Fahrzeit ist Endstation!
Grüße
RS
3-mal bearbeitet. Zuletzt am 2017:04:24:23:48:05.