Mit Volldampf durch China – Vier Wochen in den letzten Dampfparadiesen des Fernen Osten
Einschub 1: Nachwuchsgewinnung für DSO – Familien-Trainspotting in Thailand und Taiwan
Im
letzten Bericht waren wir noch im Jahre 2010 im Tagebau von Sandaoling unterwegs. Bevor ich mit den Dampfimpressionen aus dem Jahr 2010 fortfahre, kommen drei kurze Einschübe aus meinem letzten Asienaufenthalt.
Von außen gesehen sind eisenbahnbegeisterte Menschen Einzelgänger der Generation 50+ mit etwas eingeengter Sozialkompetenz, die sich in den Keller zu ihrer Modelleisenbahn verkriechen und aus ihren Löchern höchstens hervorkommen, wenn so altmodisches Zeugs wie ein Zug irgendwo durch die Gegend fährt. Dabei entstandene Fotos und Videos werden eifersüchtig gehütet und wehe jemand anderes steht dabei im Weg (Ok, das war jetzt alles ein bisschen überspitzt formuliert…). Nicht gerade die besten Voraussetzungen, um junge Menschen der Generation Y und Z für das Eisenbahnhobby zu begeistern. Zum Glück gibt es hier im Auslandsforum ja auch junge Mitstreiter (ich gehöre ja auch noch nicht zur Generation 50+), dennoch kann man das Thema Nachwuchsgewinnung für das Eisenbahnhobby nicht hoch genug bewerten. Dabei sollte sich jeder an die eigene Nase fassen. Ich habe das im Rahmen meines letzten Asienaufenthaltes gemacht und möchte euch kurz davon berichten. Wem das nicht in den Kram passt oder wer keine Anfängereisenbahnbilder eines Vierjährigen sehen möchte, der sollte jetzt schnell auf den „Zurück“-Button seines Browser klicken. Allen anderen viel Spaß beim Lesen.
Rund um das chinesische Neujahr stand mal wieder ein Besuch bei der Verwandtschaft in Peking auf dem Programm. Das alleine ist aber langweilig und meine Frau wollte unbedingt Familienurlaubsabstecher nach Thailand und Taiwan machen. In beiden Ländern gibt es durchaus interessante Eisenbahnen zu sehen, also konnte ich mich dem Vorhaben meiner Frau durchaus anfreunden. So landeten wir also Anfang 2017 in Bangkok. Meine Frau wollte eines der Standard-Touri-Hotels an der Sukhumvit Road buchen, ich konnte sie aber mit dem Hinweis auf das reiche kulinarische Angebot in Chinatown zu einem Hotel an der Yaowarat Road überreden. Im Hinterkopf hatte ich natürlich was ganz anderes: rein zufällig liegt der Hauptbahnhof ja direkt neben Chinatown (was ich natürlich zunächst verschwieg). Als wir am zweiten Tag lange genug am Pool auf der Dachterrasse des Hotels gefaulenzt hatten, fragte ich meinen Sohn, ob er ein bisschen Eisenbahn schauen möchte. Auch wenn die Feuerwehr momentan höchste Priorität bei ihm genießt, stimmte er freudig zu. Meine Frau konnte ich mit dem Versprechen begeistern, dass wir mit dem Tuk-Tuk zum Bahnhof fahren könnten (sie wollte unbedingt mal Tuk-Tuk fahren).
So landeten wir also am Nachmittag am Bahnhof Hua Lamphong und begaben uns zum kleinen Park auf der westlichen Seite der Bahnhofseinfahrt. Kaum waren wir dort, brummte auch lautstark die erste alte Diesellok direkt an uns vorbei. Spätestens als mein Sohn dann die dabei entstandenen Bilder auf meiner Kamera gesehen hatte, war er vom Eisenbahnvirus infiziert und wollte auch unbedingt Fotos machen. Also drückte ich ihm mein Smartphone in die Hände, gab ihm eine Kurzanleitung in Sachen Eisenbahnfotografie und los ging’s:
Bild 1: Vater und Sohn bei der schönsten Nebensache der Welt: Eisenbahnen fotografieren! Dokumentiert hat es die Mama, für die es definitiv schönere Sachen gibt als Eisenbahnen zu fotografieren …
Bild 2: Immer wieder wurden mir die entstandenen Bilder zur Bewertung vorgelegt und …
Bild 3: … im Gegenzug Papas Fotos kritisch begutachtet.
Bild 4: Als erstes nahm mein Sohn die Express- und Postabfertigungsanlagen am Bahnhof ins Visier. Man muss sich ja erst einmal mit der Umgebung und den Lichtverhältnissen vertraut machen.
Bild 5: Aber auch Motive mit Eisenbahn wurden von meinem Sohn gesucht und gefunden. Dass das Signal direkt vor der Lok steht, sei dem Anfänger verziehen, zumal auch der Papa keine optimale Fotoposition finden konnte, um die Elefantensilhouette samt Lok ohne davorstehendes Signal auf Chip zu bannen.
Bild 6: Diese Bild von Papa zeigt, wie schwierig es ist, Elefantensilhouette und Zug ohne davorstehendes Signal in ein Motiv zu packen.
Bild 7: Das war übrigens Papas Motivversuch. Richtig glücklich wurde er damit auch nicht. Das Signal steht zwar nicht vor der Lok, dafür kommt die Elefantensilhouette nicht so richtig zur Geltung, mal abgesehen davon, dass der Elefant dringend zum Friseur müsste…
Bild 8: Aber mein Sohn ist extrem lernfähig. Beim nächsten einfahrenden Zug hat er im genau richtigen Augenblick zugeschlagen. Die Lok fährt gerade ins Licht, wird aber noch nicht vom Signal verdeckt. Für die DSO-Galerie reicht es noch nicht (Hochformat, das geht mal gar nicht!), aber ein Anfang ist gemacht.
Bild 9: Papa hatte bei der Einfahrt der Lok schon ein bisschen früher abgedrückt. So ergänzen sich Vater und Sohn.
Bild 10: Den nächsten ausfahrenden Zug hat mein Sohn dann verpennt. Er sprintet zwar los, aber …
Bild 11: … mehr als dieser Notschuss war nicht mehr drin. Er hat immerhin das Beste daraus gemacht und die Weichenlaterne der Kreuzungsweiche mit auf das Bild genommen. Die hat der Papa …
Bild 12: … auf seinem Bild nämlich dummerweise abgeschnitten.
Parallel gab es eine kurze Einleitung in Lokomotivtypen, Spurweiten und Signale. Erst als die Sonne schon weg war, konnte ich ihn zum Gehen überreden. Den Zusammenhang zwischen Blendenwert, Belichtungszeit und Tiefenschärfe hat er noch nicht begriffen… Dennoch zeigt er seither jedem stolz die von ihm gemachten Bilder und erklärt, ob es sich um eine französische, amerikanische oder japanische Lok oder einen südkoreanischen Triebwagen handelt (Exemplare der deutschen Loks aus der 4200-er Reihe haben wir leider keine gesehen).
Bild 13: Eine unverkennbar französische Dame aus dem Hause Alsthom steht vor einem deutschen Signal. Lok 4111 ist eine der insgesamt 54 Exemplare der ersten Lieferung vom Typ AD24C, die zwischen 1974 und 1975 nach Thailand gelangten.
Bild 14: Die ältesten noch im täglichen Einsatz befindlichen Loks in Thailand sind die Vertreter der 4000-er Baureihe. Zwischen 1964 und 1966 lieferte General Electric insgesamt 50 Exemplare des Typs GE UM12C. Während sich Lok 4022 noch im alten Farbkleid präsentiert, wurde ihre Schwester …
Bild 15: … dagegen schon generalüberholt und hat dabei auch eine neue Farbvariante bekommen. Die thailändische Staatsbahn war weltweit übrigens eine der ersten Staatsbahnen, die bereits in den 1920er-Jahren mit dem Regelbetrieb von Dieselloks begannen!
Bild 16: Man sieht es ihr nicht unbedingt an, aber Lok 4416 war so ziemlich die jüngste Lok, die wir sichteten. Sie gehört damit zur letzten gelieferten Tranche des Typs AD24C. Insgesamt 113 Loks dieses Typs wurden zwischen 1974 und 1985 nach Thailand geliefert, hergestellt wurden sie größtenteils bei Alsthom, die Exemplare der 4200-er Reihe dagegen entstanden auch unter Lizenz bei Krupp und Henschel. Eine Lok der 4200-er Reihe haben wir wie oben beschrieben leider nicht gesehen.
Am Ende der Fotosession war mein Sohn überglücklich. Aktuell ist zwar wieder die Feuerwehr wieder mehr in Mode, aber ich hoffe, dass ich bei meinem Sohn den Grundstein für eine Karriere als unverbesserlicher Eisenbahn-Fuzzie gelegt habe.
Bild 17: Auf dem Rückweg fuhr auf Gleis elf noch ein Triebwagen ein. Mein Sohn wählte dieses Motiv, während der Papa…
Bild 18: … ein paar Meter weiter hinten auf den Auslöser drückte. Ihr könnt ja selber entscheiden, was euch besser gefällt.
Jetzt kommt bestimmt gleich der Vorwurf, ich würde propagieren, dass Eisenbahn nur was für Männer wäre. Falsch! Auch meine Frau konnte sich durchaus für die Eisenbahn begeistern. Jetzt nicht unbedingt für Lokomotivbaureihen und Zugkompositionen, aber zur Eisenbahn gehört ja auch das ganze Drumherum:
Bild 19: Stimmungsvolles Motiv am Bahnsteig acht des Hauptbahnhofes von Bangkok, eingefangen von meiner Frau.
Bild 20: Chinesische Frauen fahren voll auf französisches Design ab, auch wenn die abgebildete französische Dame auch schon ein bisschen älter ist. Klassischer Stil kommt immer gut, und erst der Sound beim Anfahren…Je t’aime, mon amour!
Bild 21: Aber für wenig stilvolles Signaldesign aus Deutschland hat meine Frau durchaus auch ein Auge. Die neuen Dieselloks aus China haben wir am Hauptbahnhof übrigens nicht gesehen.
Bild 22: Fuzzen nur für Frauen und Kinder? Nicht ganz, Papa durfte auch mit fotografieren. Das Schild weist einen Wagen als Mutter- und-Kind-Wagen aus. So langsam fühlt man sich als Mann auch diskriminiert…
Weitere größere Trainspotting-Aktionen waren aufgrund des ehrgeizigen Ausflugprogramms nicht möglich. Immerhin kamen wir bei einem „Floating Market“/“Elefantenreiten“/“Kanalbootsfahrt“-Touri-Pauschal-Ausflug auch mit der Maeklong-Eisenbahn in Berührung. Hier konnten wir die Eisenbahn nochmals im wahrsten Sinne des Wortes „hautnah“ erleben (ich kam noch ohne Schrammen davon, die kleine russische Reisgruppe vor uns wollte mir nicht glauben, dass das Lichtraumprofil eines Zuges auch in Thailand breiter wie die Spurweite ist; sie haben es hautnah und leicht schmerzhaft dann doch erfahren müssen).
Bild 23: Ein Triebwagen der Maeklong-Eisenbahn brummt durch den berühmten Markt kurz vor der Endstation.
Von einem Ausflug nach Ko Lan vor Pattaya brachte ich dann keine Eisenbahnbilder, dafür aber eine schlechte Nachricht für alle NPD-, AFD-Björn-Hocke und Reichsbürger-Anhänger (ich hege keinerlei Sympathie für eine der genannten Gruppen!) mit. Die letzte nationaldeutsche Festung in Asien, Pattaya, ist endgültig gefallen. Gab es bei meinem letzten Besuch im Jahre 2005 nur vereinzelte russische Widerstandsnester, waren 2017 in Pattaya mehr Chinesen wie Sandkörner am Jomtien Beach, deutsche Touristen sah ich keine einzigen.
Das war es dann schon aus Thailand. Damit aber nicht genug, schließlich sollte es ja auch nach Taiwan gehen. Dort hatte meine Frau ein noch ehrgeizigeres Besuchsprogramm als in Thailand organisiert, für echtes Trainspotting blieb leider keine Zeit. Aber ein bisschen Eisenbahn geht immer. Ich hatte einen Abstecher nach Alishan durchgesetzt. Weniger wegen der dort angeblich so prächtigen Natur und Sonnenaufgänge, sondern vielmehr wegen der dortigen Waldeisenbahn. Zunächst aber ging es mit dem „Taiwan-ICE“ (O-Ton meines Sohnes) von Taipeh nach Kaohsiung.
Bild 24: Die HGV-Strecke zwischen Taipeh und Kaohsiung ist seit Anfang 2007 in Betrieb und wird ausschließlich von Shinkansen-Zügen der Baureihe 700T bedient.
Von dort ging es an die Südspitze Taiwans, wo es zwar tolle Natur, aber keine Eisenbahn gibt. Auf dem Rückweg nach Taipeh machten wir dann noch Halt in Alishan. Die berühmte Waldeisenbahn verkehrt wieder auf ganzer Strecke, nachdem ein Erdrutsch ja längere Zeit die Strecke in zwei Teile aufgeteilt hatte. Leider waren wir zur absoluten Nebensaison dort, und da verkehrt leider nur ein Zugpaar pro Tag auf der Gesamtstrecke (in der Hauptsaison sind es deren vier) und das zu einer so ungeschickten Zeit, dass mir eine Mitfahrt nicht vergönnt war. Am Endpunkt oben auf dem Berg verkehren die Züge im 15-Minuten-Takt, allerdings hat das ganze eher den Charme einer Touristen-S-Bahn. War jetzt nicht sooo interessant, aber eine Fahrt mit einer Shay-Lok von tropischen Palmenwäldern hinauf durch dichten Nebelregenwald zu alpiner Vegetation auf knapp 2.400 M.ü.d.M. und gleichzeitig atemberaubender Streckenführung steht ab sofort definitiv auf meiner To-Do-Liste.
Bild 25: Ja, mit einer Shay-Lok von Chiayi nach Alishan, das wäre was! Ich hatte es nicht mal geschafft, die Strecke mit dem Diesel-Zug zu fahren. Lok 18 stand nur im Lokschuppen am Bahnhof von Fenqihu.
Bild 26: Das ist übrigens die Ausfahrt des Bahnhofs von Fenqihu Richtung Alishan, rechts der Lokschuppen, in dem ich Lok 18 ablichtete.
Bild 27: Noch ein Bildbeweis, dass es sich bei der Bahn um eine klassische Waldbahn handelt. Das Bild entstand bei der Rückfahrt von „Sunrise Point“, der noch etwas oberhalb von Alishan liegt.
Bild 28: Auf dem zweiten „S-Bahn-Abschnitt“ zwischen „Sacred Tree Station“ und Alishan entstand noch dieses Bild. Leider lassen sich die oberen Fensterteile nur klappen und nicht richtig öffnen. So kann man nur die Kamera aus dem Fenster halten und „blind“ abdrücken.
Bild 29: Für jede Weiche gibt es einen eigenen Weichenwärter, hier an der Einfahrt in den Bahnhof Alishan. Überhaupt scheinen mir die Prozesse sowie die Personaldecke noch nicht „durchoptimiert“ zu sein. McKinsey-Berater hätten hier einige „To-Dos“.
Bild 30: Und um nochmal zum Thema Familien-Trainspotting zurückzukommen. Dieses Bild machte mein Sohn unter Papas Anleitung mit Papas Spiegelreflexkamera am Bahnhof Alishan. So richtig interessant ist das Trainspotting hier aber nicht. Viermal pro Stunde überquert die gleiche Lok mit den genau gleichen Wagen diese Stelle. Man könnte meinen, wir wären zur Hauptsaison in Alishan. Weit gefehlt! Es war absolute Nebensaison, wie es hier zur Hauptsaison aussieht, will ich gar nicht erst wissen.
Bild 31: Gerühmt wird Alishan für die Sonnenauf- und Untergänge. Ist ganz nett, aber ich hatte schon bessere Sonnenuntergänge wie diesen (z.B. folgen im zweiten Teil des Einschubberichts weitaus schönere Sonnenuntergänge).
Im zweiten Einschubbericht geht es dann in meine zweite Heimat China. Dort war die Familie von der Fototour leider ausgeschlossen, aber ein Kohletagebau mitten in der verschneiten Wüste ist jetzt nicht unbedingt der ideale Ort für einen Familienurlaub, selbst wenn es dort noch kräftig dampft. Ich hoffe, dass ihr dann trotzdem wieder reinschaut.
4-mal bearbeitet. Zuletzt am 2017:03:01:11:32:29.