Spülmaschinensalz, Schnaps und Spione
Teil 2: Die Geschichte der Eisenbahn in Hong Kong
Was bisher geschah:
Teil 0: Bahnhofsrätsel mit Weihrauch
Teil 1: Spülmaschinensalz, Schnaps und Spione – Nur wo bleiben die Züge?
Die Einkommensteuererklärung 2013 ist erledigt, der Garten angelegt und der Keller zur Hälfte gefliest. Da wird es wieder Zeit für ein bisschen Eisenbahn. Nachdem ich bereits
im letzten Bericht angekündigt hatte, dass es separate Berichte zu unserem Ausflug nach Hong Kong geben wird, folgt nun hier der erste Bericht: eine Einführung in die Geschichte der Eisenbahn Hong Kongs. Der Bericht hat keineswegs den Anspruch auf Vollständigkeit. Die Bilder stammen wenn nicht anders genannt aus dem Eisenbahnmuseum von Hong Kong.
Zunächst möchte ich eine kleine Einführung in die allgemeine Geschichte Hong Kongs geben, denn die Entwicklung der Eisenbahn ist meiner Ansicht nach immer im Gesamtkontext zu sehen. Wer sich wirklich nur für die Eisenbahn interessiert, kann gleich weiter nach unten scrollen.
Die Geschichte Hong Kongs
Bis weit ins 19. Jahrhundert war das Gebiet des heutigen Hong Kong nichts anderes als eine Ansammlung von Inseln und Halbinseln, auf denen sich vereinzelt Fischerdörfer und Piratennester fanden. Der Handel mit den Briten, insbesondere Tee und Porzellan, fand zunächst in den chinesischen Häfen wie Kanton (Guangzhou) statt. Die Chinesen waren dem Handel anfangs aufgeschlossen, akzeptierten sie doch als Gegenleistung nur Gold und Silber. Diese Wareneinbahnstraße missfiel den Briten aber und so überschwemmten sie China mit billigem Opium aus ihrer Kronkolonie Indien. Das wiederum missfiel den Chinesen und so kam es zum ersten Opiumkrieg (1839 – 1842), den die Chinesen hoffnungslos verloren. Am 20. Januar 1841 besetzten die Briten die Insel mit dem heutigen Namen Hong Kong. Der Name leitet sich aus einem Missverständnis ab. Auf die Frage der Briten nach dem Namen des Ortes antworteten die lokalen Fischer mit „Hong Kong“, was so viel wie „Weihrauchhafen“ (manchmal auch fälschlicherweise mit „Dufthafen“ übersetzt) bedeutet. Die Briten gingen fälschlicherweise davon aus, dass die ganze Insel so heißen würde und so trägt die Insel auch noch bis heute den Namen „Hong Kong Island“. Den Briten schienen die geschützten Buchten der ideale Stützpunkt für ihre Kriegsflotte zu sein, den Handel selbst wollten sie weiterhin in den bestehenden Hafenmetropolen wie Kanton oder Shanghai führen. Eine Handelsmetropole hatten sie also damals nicht im Sinn, zumal die bergige Topografie Hong Kongs dafür auch reichlich ungeeignet war. Das schwache chinesische Kaiserreich war sich deswegen wohl auch der Tragweite nicht bewusst, als sie eine kleine, bergige Insel im abgelegenen Südchinesischen Meer auf ewig den Briten abtraten. Die britische „East India Company“ errichtete aber schnell eine Handelsniederlassung, weitere Händler folgten und Hong Kong wurde zum Freihandelshafen. Am 29. August 1842 wurde die Insel dann folglich offiziell britische Kronkolonie.
Hong Kong entwickelte sich prächtig, schnell wurde es aber eng auf der engen, kleinen Insel. Da kam der zweite Opiumkrieg (1856 – 1860) gerade recht. Die Chinesen mussten zusehen, wie die Alliierten (Großbritannien, Frankreich, USA, Russland) in Peking einmarschierten und waren schließlich dazu gezwungen, die südliche Halbinsel Kowloon, die auf dem Festland direkt gegenüber von Hong Kong Island liegt, am 18. Oktober 1860 „auf ewig“ an die Briten abzutreten. Hong Kong wuchs weiter und bald wurde klar, dass die Kronkolonie nur überlebensfähig und militärisch gut zu verteidigen ist, wenn die komplette Halbinsel und weitere Inseln im Umland zu Hong Kong gehören würden. So nutzten die Briten die Schwäche des chinesischen Kaiserhauses aus und pachteten am 1. Juli 1898 weitere Gebiete vom chinesischen Kaiserreich für die Dauer von 99 Jahren. Das Datum sollte später dann nochmals eine gehörige Rolle in der Geschichte Hong Kongs spielen.
Der Appetit der Briten auf weitere ländliche Besetzungen war gestillt, und Hong Kong hatte genug Platz, um sich weiter zu entwickeln. Der Erste Weltkrieg wurde unbeschadet überstanden und so stieg die Einwohnerzahl Hong Kongs bis 1925 auf 750.000!
Im Zweiten Weltkrieg versuchten die Briten tapfer, Hong Kong gegen die japanische Übermacht zu verteidigen. Aber nach zweiwöchigen Kämpfen mussten die Briten am 25. Dezember 1941 kapitulieren und erst am 15. August 1945 konnten die Briten mit chinesischer Hilfe Hong Kong von den Japanern zurück erobern. Die Chinesen hofften darauf, dass die Briten ihnen Hong Kong zurückgeben würden, aber weit gefehlt, die Briten hielten an ihrer Kronkolonie im Gegensatz zu vielen anderen Besitzungen in Asien fest, auch wenn die Einwohnerzahl von 1,6 Mio. im Jahre 1940 auf nur noch 600.000 gesunken war und die Wirtschaft am Boden lag.
Die Machtübernahme der Kommunisten in China 1949 war ein neuer, einschneidender Wendepunkt in der Geschichte Hong Kongs. Hunderttausende von Flüchtlingen strömten nach Hong Kong, gleichzeitig verlegten viele Banken und Firmen ihren Sitz von Shanghai nach Hong Kong. So wurde Hong Kong „Chinas Tor zu Welt“, da fortan praktisch der komplette Handel Chinas über Hong Kong lief. Die chinesischen Flüchtlinge lebten unter katastrophalen Bedingungen in Slums, durch Feuer und Seuchen gab es tausende von Toten. So wurde in den Fünfzigerjahren ein ehrgeiziges Wohnungsbauprogramm gestartet. Mangels Platz wuchsen so die ersten Hochhäuser, die heute so typisch für Hong Kong sind, in den Himmel.
Die Kulturrevolution und weitere politische Ereignisse in China sorgten für weitere Flüchtlingswellen. Die Wirtschaft Hong Kongs hatte aber wieder Tritt gefasst und nahm die Flüchtlinge gerne auf. Neben Handel und Banken entwickelte sich auch die Industrie prächtig. Anfangs war es noch die Produktion von Textilien und anderen Billigprodukten, später folgten höherwertige Produkte wie Elektronik (ich kann mich noch gut daran erinnern, dass auf meinen alten Spielzeugautos noch „Made in Hong Kong“ stand, die neueren waren dann alle mit „Made in China“ versehen).
Nach dem Tode Maos begann die wirtschaftliche Öffnung Chinas, was auch massive Auswirkungen auf Hong Kong hatte. Die Industrie verlagerte sich schnell hinüber nach China, aus dem ehemaligen, chinesischen Fischerdorf Shenzhen an der Grenze zu Hong Kong wurde in nur zwei Jahrzehnten das größte Industrie- und Gewerbegebiet der Welt. Hong Kong blieb dagegen wichtiges Handelszentrum und zunehmend auch eine beliebte Touristendestination. Fast alle in China produzierten Waren liefen über den Hafen von Hong Kong, der sich zum umsatzstärksten Hafen der Welt entwickelte. Mittlerweile war Hong Kong zu einem der reichsten Länder Asiens mit einem entsprechenden Lebensstandard geworden.
Über der weiteren Entwicklung Hong Kongs schwebte aber das Damoklesschwert des 1. Juli 1997. Dann mussten die Briten ja weite Teile Hong Kongs wieder an die Chinesen abtreten. Der übrig bleibende Teil wäre alleine nicht überlebensfähig gewesen und so wurden bereits seit 1984 zwischen Briten und Chinesen die Übergabemodalitäten für den 1. Juli 1997 verhandelt. Ganz Hong Kong sollte in die Hoheit der Chinesen unter dem Motto „Ein Land, zwei Systeme“ übergehen, das für Hong Kong für mindestens 50 Jahre weitgehende Autonomie unter Beibehaltung der britisch geprägten Rechtsprechung bedeuten würde. Je näher das Datum allerdings rückte, desto mehr Einwohner und Firmen verließen Hong Kong aus Angst vor der Übernahme durch die Chinesen. Die Menschen zog es nach Großbritannien, USA oder Kanada, die Firmen flohen hauptsächlich nach Singapur.
Am 30. Juni 1997 wurde der Union Jack eingeholt und Prinz Charles übergab Hong Kong zum 1. Juli 1997 wieder den Chinesen. Die hielten auch Wort, zumindest aus wirtschaftlicher und rechtlicher Sicht blieb Hong Kong weitgehend autonom. In der Politik zogen die Chinesen aber die Zügel an und installierten einen ihnen genehmen Gouverneur. Langsam aber sicher weitete sich der chinesische Einfluss in den letzten 15 Jahren aus. Wurde z.B. früher an den Schulen auf Englisch und Kantonesisch unterrichtet, so ist mittlerweile nur noch Mandarin erlaubt. Zudem versucht Peking die wirtschaftliche Bedeutung Hong Kongs zu minimieren, indem Shanghai wieder als führende chinesische Handelsmetropole ausgebaut werden soll. Den umsatzstärksten Hafen hat Shanghai ja mittlerweile, auch die vor kurzem erfolgte Installation einer Freihandelszone in Shanghai geht in diese Richtung. Aber die Trennung ist an der Grenze immer noch deutlich spürbar. Während ich als deutscher Staatsbürger für China ein Visum benötige, kann ich nach Hong Kong ohne Visum einreisen. Meine Frau als chinesische Staatsbürgerin benötigt dagegen für den Besuch Hong Kongs ein spezielles Visum, das die lokalen Einwohnermeldeämter erteilen (oder auch nicht). Die Abneigung der Einwohner Hong Kongs gegenüber dem wachsenden chinesischen Einfluss ist deutlich spürbar, auch die zahlreichen chinesischen Touristen ohne jeglichen Anstand oder die vielen Chinesen, die Hong Kong Wohnungen kaufen und damit die Preise massiv ansteigen lassen, erzeugen immer mehr Unmut in Hong Kong. Es bleibt also spannend, wie die Geschichte Hong Kongs weitergeht.
Zeittafel Geschichte Hong Kong |
20.01.1841 | Die Briten besetzen Hong Kong Island |
29.08.1842 | Hong Kong Island wird britische Kronkolonie |
18.10.1860 | Die Chinesen müssen Kowloon an die Briten abtreten |
01.07.1898 | Die Briten pachten weitere Teile rund um Hong Kong für 99 Jahre von den Chinesen |
25.12.1941 | Besetzung Hong Kongs durch die Japaner |
15.08.1945 | Rückeroberung Hong Kongs durch die Briten |
1949 | Schließung der Grenze nach China, große Flüchtlingsströme nach Hong Kong, Hong Kong wird im weiteren Verlauf „Chinas Tor zur Welt“ |
1977 | Öffnung der chinesischen Wirtschaft hat massive Auswirkungen auf Hong Kong |
01.07.1997 | Rückgabe Hong Kongs an China |
Die Geschichte der Eisenbahn in Hong Kong
1881 – 1903: Rauf auf den Victoria Peak
Die Geschichte der Eisenbahn in Hong Kong begann mit einer Strecke, die wohl heute auch noch am berühmtesten für Hong Kong ist: die Standseilbahn hinauf auf den (Victoria) Peak. Bereits 1881 schlug ein gewisser Alexander Findley Smith deren Bau vor, da die oberen Hügelregionen insbesondere von den reicheren Bürger Hong Kongs besiedelt waren, um der schwülen und stinkenden Luft unten am Hafen zu entgehen. 1883 wurde die Konzession erteilt und am 28. Mai 1888 reisten die ersten Passagiere mit der 1,4km langen Bahn auf 1.520mm Spurweite die knapp 400 Höhenmeter hinauf zum Victoria Peak. Nutzten anfangs nur rund 150.000 Fahrgäste pro Jahr mit der Bahn, sind es heute über 4 Mio.!
Bild 1: Historische Ansicht der Peak Tram aus dem Jahre 1897 (Quelle Wikipedia).
1904 – 1909: Ding ding, hier kommt die Straßenbahn
Ebenfalls 1881 gab es bereits Vorschläge zum Bau einer Straßenbahn entlang der dicht besiedelten Nordküste von Hong Kong Island. Aber erst 1901 wurde eine Konzession erteilt und 1904 verkehrten die ersten Straßenbahnen zwischen Kennedy Town und Causeway Bay. Von Anfang an war die 13km lange Straßenbahn in Kapspur (1.067mm) elektrifiziert, wegen ihrer Klingel bekam die Straßenbahn von der lokalen Bevölkerung schnell den Namen „Ding Ding“ verpasst. Die ursprünglich eingleisige Strecke wurde 1949 zweigleisig ausgebaut (mit Ausnahme der Schleife zum „Happy Valley“), ansonsten hat sich seit dem Bau vor über 100 Jahren nicht viel verändert. Die zweistöckigen Triebwagen zockeln auch heute noch durch die Innenstadt und prägen das Stadtbild. Verlief die Linie einst entlang der Küste, so liegt sie heute allerdings aufgrund der zahlreichen Neulandaufschüttungen oft mehrere hundert Meter im Landesinneren. Seit 2009 gehört die Straßenbahn übrigens zum Veolia-Konzern.
Bild 2: Historische Aufnahme der Straßenbahn von Hong Kong aus den 1930er Jahren (Quelle Wikipedia)
1909 – 1916: Endlich kommt die erste richtige Eisenbahn nach Hong Kong
Für viele Eisenbahnfans sind Standseilbahnen und Straßenbahnen ja keine richtigen Eisenbahnen. Bis die erste „normale“ Eisenbahnlinie in Hong Kong gebaut wurde, vergingen viele Jahre. Nachdem 1860 Kowloon Teil der Kronkolonie wurde und Hong Kong somit Anteil am chinesischen Festland hatte, gab es erste Pläne zum Bau einer Eisenbahnlinie von Hong Kong nach Kanton (Guangzhou). Aber die britischen Kaufleute fokussierten sich auf den Handel per Schiff und hatten kein Interesse am Bau einer Eisenbahnstrecke. Als die Franzosen aber Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Bau der Yunnan-Bahn (siehe mein
Bericht zur Geschichte der Yunnan-Bahn) begannen und die Belgier eine Konzession zum Bau einer Bahn von Peking nach Hankow und weiter nach Kanton erhielten, war für die Briten Gefahr im Verzug. Im Jahre 1898 konnte das chinesische Kaiserhaus mit „sanftem Druck“ dazu bewegt werden, dass die Briten weitere Landteile rund um Hong Kong pachten konnten und gleichzeitig eine Konzession zum Bau einer Bahnlinie von Hong Kong nach Kanton erhielten. Der Boxeraufstand in China sowie der Burenkrieg in Südafrika verhinderten aber zunächst die Finanzierung des Unternehmens. Schließlich wurde der britische Gouverneur Hong Kongs aktiv, da er die Rolle Hong Kongs als führende Handelsmetropole in Fernost in Gefahr sah. Er sicherte 1904 Finanzierung, Bau und Betrieb der Linie auf dem Gebiet Hong Kongs zu. Der Bau auf chinesischer Seite sollte durch ein britisch-chinesisches Konsortium finanziert werden, der Betrieb sollte dann in Händen der chinesischen Regierung liegen. Während man bereits 1905 mit den Arbeiten in Hong Kong begann, war die Finanzierung für den chinesischen Teil der Strecke erst 1907 unter Dach und Fach.
Für die Streckenführung auf dem Gebiet Hong Kongs gab es zwei Varianten: eine westliche, 55km lange Linienführung, die ohne größere Kunstbauten auskommen würde, oder eine östliche Variante, die zwar nur 34km lang wäre, dafür aber den Bau eines längeren Tunnels erfordern würde. Dennoch fiel die Entscheidung auf die östliche Variante. Der Bau zog sich in die Länge, vor allem wegen des 2,4km langen Beacon Hill Tunnels, der Seinerzeit das angeblich größte Ingenieursprojekt in Asien darstellte. Zudem fehlte es an entsprechend ausgebildeten Arbeitern und Seuchen wie Malaria rafften immer wieder große Teile der Arbeiter danieder. Die Strecke sollte in Normalspur ausgeführt werden und die Trassierung war mit Ausnahme des Beacon Hill Tunnels bereits zweigleisig ausgelegt. So kostete der Bau anstatt der ursprünglich avisierten HK$5.053.274 schließlich mehr als das Doppelte (HK$12.296.929), was die Bahn zu einer der teuersten der damaligen Zeit machte.
Bild 3: Baustelle am “Beacon Hill Tunnel”, Seinerzeit das angeblich größte Ingenieursprojekt in Asien.
Bild 4: Um Zeit und Kosten zu sparen, verwendete man Baumaterialen, die direkt vor Ort verfügbar waren.
Bild 5: Aufgrund des hügeligen und teilweise sogar gebirgigen Terrains mussten zahlreiche Einschnitte gegraben werden.
Bild 6: Das beim Ausgraben der Einschnitte gewonnene Material wurde zur Neulandaufschüttung
in Kowloon verwendet, um dort den Endbahnhof “Tsim Sha Tsui Terminal Station” zu errichten.
Bild 7: Historische Aufnahmen von den Bauarbeiten an der Strecke im gebirgigen Hinterland von Hong Kong.
Bild 8: Bereits 1905 begannen die Arbeiten in Hong Kong, die Bilder zeigen Bauarbeiten bei Sha Tin im Jahre 1907.
Es sollte noch drei weitere, lange Jahre dauern, bis der Streckenabschnitt in Hong Kong eröffnet werden konnte.
Am 1.Oktober 1910 wurde der britische Abschnitt der „Kowloon-Canton-Railway (KCR)“ feierlich eröffnet. Anfangs reichten zwei Dampfloks für den Betrieb, erst mit der Eröffnung des chinesischen Abschnitts (143km Länge) ein Jahr später nahm der Verkehr zu. Die KCR hatte zunächst nicht einmal einen richtigen Endbahnhof. Dazu musste an der Südspitze Kowloons zunächst jede Menge Neuland aufgeschüttet werden und erst 1916, also sechs Jahre nach Eröffnung der Strecke, wurde das Bahnhofsgebäude in Tsim Sha Tsui mit direktem Anschluss an die berühmte Star Ferry eröffnet.
Bild 9: Feierlichkeiten zum Durchstich bzw. der Eröffnung des „Beacon Hill Tunnel“ in den Jahren 1909 bzw. 1910.
Bild 10: Der 1916 fertiggestellte Endbahnhof in Tsim Sha Tsui wurde auf neu aufgeschüttetem Land errichtet und befand sich damit direkt am Meer, so konnten
Güter direkt vom Schiff auf die Bahn bzw. umgekehrt verladen werden. Der markante Uhrturm ist heute noch erhalten, alle anderen Bahnhofsteile sind längst Geschichte.
Bild 11: Bei Aufnahme des Betriebs verfügte die KCR über vier Dampflokomotiven. Das historische Bild zeigt eine dieser vier Dampfloks.
Karte 1: Stand des Eisenbahnnetzes in Hong Kong im Jahre 1916: Erstes schienengebundenes Verkehrsmittel in Hong Kong war die Standseilbahn auf den Peak („Peak Tram“),
gefolgt von der Straßenbahn entlang der Nordküste von „Kennedy Town“ nach „Shau Kei Wan“ auf „Hong Kong Island“. Erst 1910 wurde die erste, normale Eisenbahnlinie eröffnet,
1911 war die Anbindung an Guangzhou hergestellt, der Terminus in Tsim Sha Tsui wurde gar erst 1916 fertig. 1911 wurde auch noch die schmalspurige Bahn von Fanling nach Sha Tau Kok eröffnet.
1916 – 1941: Business as usual
Mit dem Bau der „Kowloon-Canton-Railway“ endete zunächst der Bahnbau in Hong Kong. Der Verkehr entwickelte sich eher durchwachsen und hing stark von den turbulenten politischen Ereignissen in China ab. Im Jahresbericht 1921 steht dazu:
„The revision of the fares and rates and the movement for modern roads in Canton giving better access to the Railway have helped greatly to increase the earnings of the line but the chief cause for the increased revenue is due to the absence of trouble thus giving the line a chance to develope and with absence of trouble in the future the line should continue to show a steady development. Dennoch verzeichnet der Jahresbericht neben der notwendigen Umstellungen der Tarife auf das metrische System (sic!), da die Chinesen zum 1. Januar 1921 das metrische System einführten, einen Arbeiterstreik in China, drei bewaffnete Raubüberfälle auf Bahnhöfe in China sowie drei abgebrannte Bahnhofsgebäude (die mit Stroh gedeckten Dächer fingen wegen Funkenflugs der Dampfloks Feuer).
Bild 12: Fahrplan aus der Anfangszeit der KCR. Auf dem britischen Streckenabschnitt innerhalb Hong Kongs verkehrten acht Zugpaare am Tag,
an Sonn- und Feiertagen waren es nur sieben Zugpaare. Für die ca. 40km lange Strecke benötigten die Züge ziemlich genau eine Stunde,
kein schlechter Schnitt bei sechs Zwischenhalten mit durchaus hohem Fahrgastvolumen. Auf der schmalspurigen „Sha Tau Kok Railway“
verkehrten dagegen nur vier Zugpaare am Tag, für die ca. 7km lange Strecke von Fanling nach Sha Tau Kok benötigten die Züge fast eine Stunde!
Bild 13: Im Norden Hong Kongs nahe der Grenze zu China zieht eine Dampflok einen Personenzug durch Reisfelder.
Heute findet man an dieser Stelle statt Reisfeldern dichtgedrängte Hochhäuser und eine zweigleisige, elektrifizierte Bahnstrecke.
Bild 14: Historische Aufnahmen von Bahnhöfen der KCR.
Bild 15: Im Jahre 1936 setzte die KCR neben normalen Zügen auch zwei Luxustriebwagen zwischen Hong Kong und Kanton ein.
Aufgrund der Kriegshandlungen zwischen China und Japan musste der Betrieb ein Jahr später wieder aufgegeben werden,
stattdessen musste die KCR jetzt jede Menge chinesische Flüchtlinge transportieren, die vor den Wirren in China nach Hong Kong flohen.
Im Jahr 1928 kam es dann auch schon zur ersten Stilllegung. Während des Baus der KCR wurde 1911 auch eine Konzession zum Bau einer Bahnlinie im Nordosten Hong Kongs erteilt. Die „Sha Tau Kok Branch Line“ sollte in einer Spurweite von 610mm vom Bahnhof Fanling an der KCR bis nach Sha Tau Kok an der Grenze zu China führen. Zum Einsatz kamen praktisch ausschließlich Gleismaterialien und Feldbahnloks, die beim Bau der KCR verwendet wurden. So konnte die 7,25 Meilen lange Strecke bereits im Dezember 1911 eröffnet werden. Der Betrieb blieb rudimentär, für den Personentransport wurden offene(!) Güterwaggons verwendet, für die kurze Strecke benötigten Züge fast eine Stunde! 1926 kaufte man nochmals zwei neue Dampfloks bei W.Bagnall, aber mit dem Bau einer parallelen Straße endete nicht einmal 17 Jahre nach Eröffnung im Jahre 1928 der Betrieb. Die beiden Dampfloks wurden an Zuckermühlen auf den Philippinen verkauft, ein Exemplar fand wieder den Weg zurück nach Hong Kong und steht heute im dortigen Eisenbahnmuseum (separater Bericht über das Eisenbahnmuseum folgt noch).
Bild 16: Der Erste Weltkrieg hat begonnen, am Bahnhof von Fanling sind Soldaten aufmarschiert und warten auf den nächsten Zug.
Im Hintergrund dampft eine Lok der „Sha Tau Kok Railway“, die zwei Jahre zuvor eröffnet wurde, mit ihrem Zug zurück nach Sha Tau Kok.
Bild 17: Diese historischen Aufnahmen zeigen den Personentransport auf der „Shau Tau Kok Railway“. Es gab nicht einmal Personenwagen,
zusammen mit der extrem langen Fahrtzeit führte dies dazu, dass die Bahn bereits 1928 nach gerade mal 16 Jahren Betriebszeit wieder eingestellt wurde.
Bild 18: Historische Aufnahmen der “Sha Tau Kok Railway“.
1941 – 1945: Japanische Besatzungszeit
Mit dem Eintritt der Japaner, die bereits vorab einige Teile Chinas annektiert hatten, in den Zweiten Weltkrieg, wurden Brücken gesprengt und der Betrieb auf der KCR mehr oder weniger eingestellt. Die japanische Invasion konnte das aber kaum aufhalten, am 25. Dezember 1941 mussten die Briten kapitulieren. Die Japaner richteten die Strecke wieder notdürftig her, da sie aber keine große strategische Bedeutung hatte, wurde viel rollendes Material aus Hong Kong in kriegswichtige Gebiete Asiens abtransportiert. Gegen Ende des Krieges wurde die Strecke dann wiederum von den Alliierten bombardiert, bis Hong Kong am 15. August 1945 schließlich wieder Britisch wurde.
1946 – 1954: Dem Wiederaufbau nach dem Krieg folgt die Isolation
Nach dem Krieg war die KCR in einem desolaten Zustand. Die Strecke war weitgehend zerstört und funktionsfähige Loks waren so gut wie nicht vorhanden. Das Militär machte sich schnell an den Wiederaufbau der Strecke und zwischen 1946 und 1947 kamen 12 neue Dampfloks des „War Departments“ nach Hong Kong. Dennoch war der Betrieb weiterhin geprägt von Mangel an allen Ecken und Enden, von Ersatzteilen über Kohle bis hin zu entsprechend ausgebildeten Mitarbeitern. Gleichzeitig musste die Bahn immense Transportleistungen erbringen, kamen doch aufgrund des Bürgerkriegs in China jeden Monat durchschnittlich 100.000 Flüchtlinge pro Monat nach Hong Kong.
Bild 19: Nach dem Zweiten Weltkrieg verfügte die KCR über kaum betriebsfähiges Material. Die Lokomotiven waren
entweder zerstört oder waren von den Japanern in kriegswichtigere Gebiete abgefahren worden. So erhielt die KCR 1946
12 Dampfloks des britischen War Departments, um den Betrieb zumindest notdürftig wieder aufnehmen zu können.
Bild 20: Sonderlich zufrieden schien man mit den neuen Dampfloks wohl nicht gewesen zu sein.
Sie waren folglich auch keine 15 Jahre mehr im Betrieb und wurden durch Dieselloks abgelöst.
Bild 21: Ein Personenzug passiert ein Formsignal. Nachdem die Schäden aus dem Zweiten Weltkrieg größtenteils behoben sind, rollt der Zugverkehr im Jahr 1947 wieder.
Bild 22: Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden aufgrund der vielen Flüchtlinge aus China von der KCR immense Transportleistungen im Personenverkehr erbracht.
Mit der Machtübernahme der Kommunisten 1949 endete am 10. Oktober 1949 der durchgehende Zugbetrieb auf der KCR. Alle Personen- und Güterzüge endeten mit sofortiger Wirkung an der Grenze. Zwar konnte 1951 eine Übereinkunft für durchgehende Güterzüge getroffen werden, aber aufgrund von Sanktionen durch den Koreakrieg und weitere Beschränkungen auf chinesischer Seite blieb der grenzüberschreitende Güterverkehr zunächst sehr verhalten, der durchgehende Personenverkehr wurde erst 1977 wieder aufgenommen.
Bild 23: Am 14.Oktober 1949 beendeten die neuen kommunistischen Machthaber in China den
durchgehenden Zugverkehr. Personen mussten die Grenze zu Fuß überqueren, Waren umgeladen werden.
1955 – 1961: Ende des Dampfbetriebs
Durch die Quasi-Unterbrechung an der Grenze hatte der britische Abschnitt der KCR plötzlich nur noch den Charakter einer Vorortbahn, die Erträge gingen stark zurück. So kamen 1955 die ersten beiden Dieselloks aus Australien nach Hong Kong. Bis 1977 folgten zehn weitere, so dass bereits 1961 der Dampfbetrieb in Hong Kong endete.
Bild 24: Mit der Ausdehnung der Wohn- und Gewerbeflächen in Gebiete außerhalb von Hong Kong Island und Kowloon aufgrund
der stark anwachsenden Bevölkerungszahl wurden in den 1950er-Jahren an der KCR neue Bahnhöfe und Haltestationen eingerichtet.
Bild 25: Das Bild zeigt die erste Diesellok der KCR vom Typ EMD G12, die 1955 von Clyde Engineering (Australien) geliefert wurde.
Die Lok Nr. 51 ist heute nicht betriebsfähig im Eisenbahnmuseum von Hong Kong erhalten (mehr dazu in einem der folgenden Berichte).
Bild 26: Hier wird gerade Lok Nr. 52, die zusammen mit ihrer Schwester Nr. 51 im Jahre 1955
nach Hong Kong kam, am Endbahnhof „Tsim Sha Tsui“ vom Schiff auf die Gleise gesetzt.
Bild 27: Bis 1977 folgten noch zehn weitere Dieselloks (hier die zuletzt gelieferten Loks 61 und 62 vom Typ EMD G26CU),
die bis zur Elektrifizierung den gesamten Personen- und Güterverkehr auf der KCR abwickelten.
Bild 28: Lok 53, hier beim Rangieren mit einem Güterzug im Bahnhof von „Tsim Sha Tsui“, ist ebenfalls vom Typ EMD G12 und wurde von Clyde Engineering ausgeliefert.
Bild 29: Ein Lokführer posiert lässig vor Lok 54 (ebenfalls vom Typ EMD G12), die im Bahnhof von “Tsim Sha Tsui” einen Güterzug am Haken hat.
Bild 30: Lok 56 war die erste von vier Dieselloks des Typs EMD G16. Sie wurde zusammen mit den Loks 57 und 58 1961 von EMD nach Hong Kong geliefert.
Bild 31: Die fabrikneue Lok 57 steht im Depot von Hung Hom, neben ihr die Dampflok 26, die im gleichen Jahr noch in „Rente“ gehen wird.
Bild 32: Lok 58 (EMD G16) hat in Doppeltraktion einen Personenzug am Haken, rechts Lok 55 (letztes geliefertes Exemplar von Typ EMD G12)
Bild 33: Lok 59 ist ebenfalls vom Typ EMD G16 und wurde 1966 von Clyde Engineering ausgeliefert.
Bild 34: Lok 60 war die Erste vom Typ EMD G26CU, die 1974 geliefert wurde.
1962 – 1974: Wachstum macht Umbaumaßnahmen erforderlich
Wegen weiterer politischer Ereignisse in China (u.a. Kulturrevolution 1967) stieg die Einwohneranzahl Hong Kongs weiter, aber auch der Handel mit China wuchs stark an, was sich massiv sowohl auf der Fahrgastzahlen wie auch der Güterbeförderung auswirkte. Der alte Endbahnhof in Tsim Sha Tsui, der neben dem Personenverkehr auch direkte Anschlussgleise an den Hafenpier hatte, war dem stark angestiegenen Fracht- und Personenaufkommen nicht mehr gewachsen, zudem wurde Platz für den ersten Straßentunnel hinüber nach Hong Kong Island benötigt. So wurden 1968 Reparaturwerkstätten und BW, die sich nordwestlich des Endbahnhofs in „Hung Hom“ befanden, auf die andere Seite der Kowloon-Bergkette nach „Ho Tung Lau“ verlegt. Auf der frei gewordenen Fläche wurde dann bis 1975 der neue Endbahnhof „Hung Hom“ errichtet, der ebenfalls auch wieder Anschlussgleise an die Hafenpiers für den Güterverkehr hatte. Der alte Endbahnhof im viktorianischen Stil wurde leider bis auf den Uhrturm komplett abgerissen, der neue Bahnhof in Hung Hom ist dagegen an Hässlichkeit nicht zu überbieten. Die Gleise liegen einbetoniert im Untergrund, darüber erhebt sich ein mehrstöckiges Parkhaus.
Bild 35: Ein Personenzug, gezogen von der Diesellok 57 verlässt im Jahre 1963 den Bahnhof „Tsim Sha Tsui“ Richtung „Lo Wu“. Während sich die Bahn
mit Ausnahme der Diesellok noch in fast ursprünglichem Gewand zeigt, schießen im Hintergrund auf Hong Kong Island schon die Hochhäuser in den Himmel.
Heute sind diese Hochhäuser längst hinter ihren noch viel höheren Geschwistern versteckt und der Bahnhof „Tsim Sha Tsui“ ist längst abgerissen und unter die Erde verlegt.
Bild 36: Typische Impressionen der KCR aus den 1970er-Jahren. Noch ist die Strecke
eingleisig und noch nicht elektrifiziert, das wird sich aber in wenigen Jahren ändern,
denn dem Eisenbahnsystem von Hong Kong steht ein massiver Umbau bevor.
Bild 37: Großbaustelle des neuen Endbahnhofs „Hung Hom”, der alte Endbahnhof befand sich außerhalb
des Bildes links. Rechts die Anschlussgleise an einen neuen Hafenpier, die mittlerweile aber auch längst
stillgelegt und abgebaut sind. Ganz links ist der erste Straßentunnel hinüber nach Hong Kong Island in Bau.
Karte 2: Entwicklung des Eisenbahnnetzes in Hong Kong von 1916 bis 1975: in den knapp 70 Jahren gab es kaum Veränderungen. Die schmalspurige Bahn von „Fanling“
nach „Sha Tau Kok“ wurde bereits 1928 stillgelegt und abgebaut. Durch die Verlegung des Endbahnhofes der KCR von „Tsim Sha Tsui“ nach „Hung Hom“ wird auch der
Streckenabschnitt „Tsim Sha Tsui“ – „Hung Hom“ 1975 stillgelegt und abgebaut. Erst 30 Jahre später wurde er wieder eröffnet, dann allerdings einige Meter weiter tiefer unter der Erde.
1975 – 1985: Massiver Ausbau des Personennahverkehrs und Bau der ersten U-Bahn
Die massiv angestiegenen Einwohnerzahlen zwangen die Regierung Hong Kongs zum Handeln. Auf Hong Kong Island und in Kowloon war trotz 20-stöckiger Wohnsilos einfach kein Platz mehr für die inzwischen mehr als 6 Millionen Einwohner. So wurde der Bau sogenannter „New Towns“ weit außerhalb des Stadtzentrums beschlossen. Die neuen Stadtteile mussten natürlich adäquat an das Zentrum angebunden werden. Den damit erwarteten, massiven Anstieg an Fahrgastzahlen bei gleichzeitiger Steigerung des Güterverkehrs nach China konnte die alte KCR nicht mehr abwickeln. So wurde 1974 ein neuer Masterplan für den Schienenverkehr beschlossen. Dieser sah u.a. den zweigleisigen Ausbau samt Elektrifizierung der KCR-Stammstrecke sowie den Bau eines U-Bahnnetzes (MTR = Mass Transit Railway) vor.
Bild 38: Die Baugerüste im Hintergrund künden es bereits an. Die KCR wird 1983 zweigleisig
ausgebaut und elektrifiziert. Dazu müssen auch die Bahnhöfe wie hier in Sha Tin umgebaut werden.
Beim Bau der KCR war ein zweites Gleis ja bereits trassiert, lediglich der lange Beacon Hill Tunnel war nur eingleisig gebaut worden. So musste ein zweiter Tunnel gebohrt werden und alle Bahnhöfe an der Strecke entsprechend umgebaut werden. Das zog sich hin und erst am 6. Mai 1982 war der Abschnitt Hung Hom – Sha Tin zweigleisig und elektrifiziert (25kV Oberleitung) ausgebaut. Das Reststück bis Lo Wu an der Grenze zu China folgte dann am 15. Juli 1983. Der gesamte Personenverkehr wurde fortan ausschließlich mit elektrischen Triebwagen durchgeführt, den Dieselloks blieben zunächst die Güterzüge von/nach China.
Bild 39: Mit dem zweigleisigen Ausbau und der Elektrifizierung übernahmen Metrozüge von Metro-Cammell den Personenverkehr auf der KCR.
Bild 40: Am 6. Mai 1982 verkehrte der erste elektrische Triebwagen auf der KCR-Stammstrecke zwischen „Hung Hom“ und „Sha Tin“.
Bild 41: „Very british“ verlief die Zeremonie zur Eröffnung des elektrischen Zugbetriebs auf der KCR.
Bild 42: Am 15. Juli 1983 wurde auch auf dem Reststück „Sha Tin“ – „Lo Wu“ der KCR der elektrische Zugbetrieb aufgenommen.
Bereits in den 60er Jahren gab es Pläne zum Bau eines U-Bahnsystems (MTR). Aber erst 1975 wurde der Bau der 15,6km langen „Kwun Tong Line“ final beschlossen. Die Bauarbeiten begannen im November des gleichen Jahres, am 1. Oktober 1979 verkehrten die ersten Züge zwischen „Kwun Tong“ und „Shek Kip Mei“, am 18. Dezember folgte der Abschnitt bis „Tsim Sha Tsui“ und seit dem 12. Februar 1980 verkehrt die MTR bis nach „Central“ auf „Hong Kong Island“. Am 10.Mai 1982 folgte die U-Bahnlinie nach „Tsuen Wan“ und am 31. März 1985 wurde die „Island Line“ auf Hong Kong Island zwischen „Admirality“ und „Chai Wan“ eröffnet.
Bild 43: Am 1. Oktober 1979 verkehrte der erste U-Bahn-Zug in Hong Kong auf der „Kwun Tong Line“ zwischen „Kwun Tong“ und „Shek Kip Mei“.
Bild 44: Die ersten U-Bahnzüge wurden ebenfalls von Metro-Cammell geliefert. Nach Generalüberholungen sind sie auch heute noch im täglichen Betrieb zu sehen.
Aufgrund des Wachstums wurde die bisher rein staatliche KCR zum 24. Dezember 1982 privatwirtschaftlich organisiert, auch wenn sie zu 100% im Besitz von Hong Kong verblieb. Für die MTR wurde ebenfalls ein neues Unternehmen gegründet, das sich ebenfalls zunächst zu 100% in Staatshand befand. Es gab jetzt also zwei Firmen in Staatsbesitz, die schienengebundenen Nahverkehr anboten. Dies manifestiert sich auch in den unterschiedlichen Stromsystemen und Spurweiten. Während die KCR mit 25kV Wechselstrom aus einer Oberleitung versorgt wird und auf 1435mm verkehrt, sind es bei der MTR 1,5kV Gleichstrom, ebenfalls aus einer Oberleitung, die Spurweite beträgt aber ungewöhnliche 1.432mm, die es meines Wissens nach nirgendwo anders auf der Welt noch gibt.
Nachdem der gesamte durchgehende Zugverkehr nach China im Jahre 1949 von den neuen, kommunistischen Machthabern unterbrochen wurde, dauerte es ziemlich genau 30 Jahre, bis der erste durchgehende Personenzug am 4. April 1979 aus China wieder Hong Kong erreichte. Der durchgehende Güterverkehr wurde bereits einige Jahre zuvor wieder aufgenommen.
Bild 45: Nach den politischen Umwälzungen in China nach dem Tode Maos wurde am 4.April 1979
der durchgehende Personenzugbetrieb zwischen Hong Kong und China wieder aufgenommen.
Karte 3: Entwicklung des Eisenbahnnetzes in Hong Kong von 1975 bis 1985: Die KCR-Stammlinie von „Hung Hom“ nach „Lo Wu“ wurde zweigleisig ausgebaut und elektrifiziert. Zudem entstanden die ersten U-Bahnlinien: die „Kwun Tong Line“ („Yau Ma“ Tei – „Kwun Tong“), die „Tsuen Wan Line“ („Central“ – „Tsuen Wan“) und die „Island Line“ („Admirality“ – „Chai Wan“).
1985 – 1998: Hong Kong wächst, und die Eisenbahn wächst mit
Das scheinbar unaufhaltsame Wachstum Hong Kongs machte den Bau neuer Satellitenstädte weit außerhalb des Stadtzentrums notwendig. Insbesondere im Nordwesten entstanden die neuen Städte „Tuen Mun“ und „Yuen Long“. Für den Personennahverkehr innerhalb der beiden Städte standen ein Bussystem, ein Trolleybussystem und eine Straßenbahn („Light Railway“ genannt) zur Auswahl. Trotz der höchsten Investitionskosten fiel die Wahl auf die Straßenbahn. Ursprünglich sollte der Betreiber der Straßenbahn auf Hong Kong Island den Bau und Betrieb übernehmen. Mangels zu erwartender Rentabilität sprang das Unternehmen aber ab und die KCR übernahm Bau und Betrieb der Straßenbahn. Um die Kosten zu decken, wurde die KCR auch gleichzeitig Immobilienentwickler in den neu zu bauenden Städten, die Erlöse aus dem Immobiliengeschäft deckten zum großen Teil die Verluste des Straßenbahnbetriebs. Am 18. September 1988 verkehrte die erste Straßenbahn auf Normalspur mit 750V Gleichstrom aus einer Oberleitung. Bis 2003 wurde das Netz zu einer Gesamtlänge von 36,2km erweitert. Einen Bahnanschluss an das restliche Eisenbahnnetz Hong Kongs erhielten die Satellitenstädte erst einige Jahre später.
Bild 46: Ein Triebwagen der “Light Railway” in „Tuen Muen“.
Bild 47: Diese Bilder zeigen Triebwagen der “Light Rail” in „Tuen Muen“ und „Yuen Long“
Am 6. August 1989 wurde eine zweite Verbindung zwischen „Kowloon“ und „Hong Kong Island“ durch Verlängerung der „Kwun Tong Line“ nach „Quarry Bay“ auf „Hong Kong Island“ geschaffen.
Parallel zur Bevölkerung wuchs auch der Flugverkehr immens. Der alte, berüchtigte Flughafen in Kowloon mit seiner weit ins Meer reichenden Start-/Landebahn, was ihn für Jahre zu einem der gefährlichsten Flughäfen der Welt machte, war den Anforderungen längst nicht mehr gewachsen. Da es in Kowloon keinen Platz mehr gab, wurde vor „Lantau Island“, der größten und am wenigsten besiedelten Insel Hong Kongs, auf aufgeschüttetem Neuland der neue Flughafen „Chek Lap Kok“ gebaut. Um den abgelegenen Flughafen an das Zentrum Hong Kongs anzubinden, wurde die MTR mit dem Bau einer Bahnanbindung beauftragt. So entstand zum einen der sog. „Airport Express“, der den Flughafen direkt ohne Zwischenhalt mit Kowloon und Hong Kong Island verbindet. Parallel dazu wurde die „Tung Chun Line“ eröffnet, die von „Tung Chun“ auf „Lantau Island“ ebenfalls bis nach „Hong Kong Island“ führt. Die Meeresenge zwischen „Lantau Island“ und „Kowloon“ wird mittels einer imposanten Brücke überquert, erst ab Kowloon verlaufen beide Strecken unterirdisch bis „Hong Kong Island“. Die Ausführung entspricht den MTR-Standards, also 1.432mm Spurweite und 1,5kV Gleichstrom über Oberleitung. Der erste Zug auf der „Tung Chun Line“ verkehrte am 21. Juni 1998, der „Airport Express“ folgte am 6. Juli 1998.
Karte 4: Entwicklung des Eisenbahnnetzes in Hong Kong von 1985 bis 1998: Seit 1988 verkehrt die Straßenbahn in den Satellitenstädten „Tuen Muen“ und „Yuen Long“, bis 2003 folgten Erweiterungen des Straßenbahnnetzes. Zudem wurden bereits 1986 die „Island Line“ von „Admirality“ nach „Sheung Wan“ und 1989 die „Kwun Tong Line“ von „Kwun Tong“ nach „Quarry Bay“ (später Teil der „Tseung Kwan O Line“) verlängert. Schließlich folgte 1998 die Anbindung des neuen Flughafens auf „Lantau Island“ mittels der „Tung Chun Line“ und der „Airport Express Line“.
1999 – 2013: Das Netzwerk wird vervollständigt
Auch nach den ersten beiden Ausbauphasen seit Ende der 70er Jahre blieb das Netz unvollständig und der Bau zusätzlicher Eisenbahnlinien wurde erforderlich. Dazu wurde die MTR-Gesellschaft am 5. Oktober 2000 an die Börse gebracht, bis heute befindet sich aber der Mehrheitsanteil in staatlichen Händen. Bis 2007 werkelten auch die beiden voneinander unabhängigen Unternehmen KCR und MTR vor sich hin, erst am 2. Dezember 2007 fusionierten die beiden Unternehmen zur MTR Corporation.
Bild 48: 1999 verkehrten bei der KCR die letzten Triebzüge der ersten Generation von Metro-Cammell.
Allerdings wurden die Züge nicht verschrottet oder verkauft, sie wurden vielmehr generalüberholt und sind bis heute noch im Einsatz.
Bild 49: Nach der Generalüberholung zwischen 1997 und 1999 sehen die Metro-Cammell-
Triebwagen so aus und werden als Triebzüge der zweiten Generation bezeichnet.
Bild 50: Seit 2001 verkehren auf den Linien der KCR auch Triebwagen der sog. dritten Generation von Kinki Sharyo.
Auf Seiten der KCR entstanden bis zur Fusion noch die folgenden Linien/Erweiterungen des Netzwerks (alle 1.435mm Spurweite und 25kv Wechselstrom):
20. Dezember 2003: Eröffnung der „KCR West Rail“, die die Satellitenstädte „Tuen Mun“ und „Yuen Long“ endlich mit dem Zentrum „Kowloons“ per Bahn anbindet.
Oktober 2004: Verlängerung der „KCR East Rail“ von „Hung Hom“ nach „East Tsim Sha Tsui“. Damit wurde der im Rahmen des Neubau des Bahnhofs „Hung Hom“ im Jahre 1975 und dem damit einhergehenden Abriss des ehemaligen Endbahnhofs „Tsim Sha Tsui“ stillgelegte Abschnitt „Hung Hom“ – „Tsim Sha Tsui“ wieder reaktiviert, diesmal aber nicht ober- sondern unterirdisch.
28. Dezember 2004: Eröffnung der „Man On Shan Line“, die an der „KCR East Rail“ in „Tai Wai“ abzweigt und bis „Wu Kai Sha“ im Nordosten Hongkongs führt.
15. August 2007: Eröffnung eines zweiten Anschlusses nach Shenzhen/China durch die Zweiglinie „Sheung Shi“ – „Lok Mau Chau“ ganz im Norden Hong Kongs.
16. August 2009: Die bestehende Lücke zwischen „KCR West Rail“ und „KCR East Rail“ wird durch die Eröffnung des Abschnitts „Nam Cheong“ und „East Tsim Sha Tsui“ geschlossen.
Die MTR eröffnete bis 2013 noch die folgenden Strecken:
18. August 2002: Verlängerung der „Kwun Tong Line“ von „Kwun Tong“ nach „Tiu Keng Leng“, der Abschnitt „Kwun Tong“ nach „Quarry Bay/North Point“ wurde Teil der neu eröffneten „Tseung Kwan O Line“ (siehe nächster Punkt)
18. August 2002: Eröffnung der „Tseung Kwan O Line“ von „North Point“ auf „Hong Kong Island“ nach „Po Lam“ in Kowloon.
1. August 2005: Eröffnung der 3,5km langen „Disneyland Resort Line“, um das neu eröffnete Disneyland auf „Lantau Island“ an die „Tung Chung Line“ in „Sunny Bay“ anzubinden.
20. Dezember 2005: Verlängerung des „Airport Express“ von „Airport“ nach „Asia World Expo“
26. Juli 2009: Eröffnung der „Tseung Kwan O“-Zweiglinie nach „LOHAS Park“
Schließlich sei noch anzumerken, dass im Juni 2010 endgültig der Gütertransport auf der KCR endete. Seither gibt es in Hong Kong auf der Schiene nur noch Personentransport.
Karte 5: Entwicklung des Eisenbahnnetzes in Hong Kong von 1998 bis 2013: Zwischen 1998 und 2009 wurde das MTR-Netz in Hong Kong nochmals massiv ausgebaut.
Im Bereich der KCR (Normalspur, 25kV Oberleitung) wurde 2003 die „KCR West Rail“ von „Tuen Mun“ nach „Nam Cheong“ eröffnet und 2004 die „KCR East Rail“ von „Hung Hom“
nach „East Tsim Sha Tsui“ verlängert. Die fehlende Lücke zwischen „KCR West Rail“ und „KCR East Rail“ wurde erst 2009 mit Eröffnung des Abschnittes „Nam Cheong“ –
„East Tsim Sha Tsui“ geschlossen. Zudem eröffnete die KCR noch Zweigstrecken von „Tai Wai“ nach „Wu Kai Sha („Ma On Shan Line“) und von „Sheung Shi“ nach „Lok Ma Chau“.
Die MTR (1432mm, 1,5kV Oberleitung) verlängerte 2002 die „Kwun Tong Line“ nach „Tiu Keng Leng“ und die „Tseung Kwan O Line“ wurde unter Verwendung von Teilstücken
der „Kwun Tong Line“ zwischen „North Point“ und „Po Lam“ eröffnet, 2009 folgte noch ein Abzweig zwischen „Tseung Kwan O“ und „LOHAS Park“. Auf „Lantau Island“ wurde mit
Eröffnung des Disneyland Parks 2005 die „Disneyland Resort Line“ von „Sunny Bay“ nach „Disneyland Resort“ eröffnet, zudem wurde der „Airport Express“ von „Airport“ nach „Asia World Expo“ verlängert.
Karte 6: Netzkarte Hong Kong (Stand 2014), es fehlen die „Tram“ und die „Peak Tram“ auf Hong Kong Island“.
ab 2014: Was die Zukunft bringen wird
Folgende Erweiterungen sind am Eisenbahnnetz geplant bzw. schon in der Umsetzung:
Verlängerung der „Man On Shan Line“ nach „Hung Hom“ (Fertigstellung für 2018 geplant) sowie der „KCR East Rail“ von Hung Hom nach „Central“ (Fertigstellung für 2020 geplant)
Verlängerung der „Kwun Tong Line“ nach „Whampoa“ (Fertigstellung für 2015 geplant)
Verlängerung der „Island Line“ („West Island Line“) nach „Kennedy Town“ (Fertigstellung Ende 2014 geplant)
Bau der „South Island Line“ von „Admirality“ nach „South Horizons“ (East Section, Fertigstellung 2015 geplant) sowie von „Hong Kong University“ nach „Wong Chuk Hang“ (Fertigstellung für 2020 geplant)
Bau des „Northern Link“ zwischen „Kam Sheung Road“ und „Lok Ma Chau“ (Planungsstadium)
Zudem soll Hong Kong bis 2017 an das chinesische Hochgeschwindigkeitsnetz durch Bau des 146km langen “Guangzhou–Shenzhen–Hong Kong Express Rail Link“ angebunden werden (Streckenlänge in Hong Kong 26km). Die Bauarbeiten laufen bereits seit 2010, Endpunkt der Strecke in Hong Kong soll der neue „West Kowloon Terminus“ in Kowloon sein.
Karte 7: Geplante und in Bau befindliche Strecken im Eisenbahnnetz von Hong Kong: im Bereich der ehemaligen KCR (Normalspur, 25kV Oberleitung) wird die „Ma On Shan
Line“ von „Tai Wai“ nach „Hung Hom“ (Fertigstellung bis 2018 geplant) sowie die „KCR East Rail“ von „Hung Hom“ nach „Central“ (Fertigstellung bis 2020 geplant) verlängert.
Die MTR (1432mm, 1,5kV Oberleitung) verlängert die „Kwun Tong Line“ von „Yau Ma Tei“ nach „Whampoa“ (Fertigstellung bis 2015 geplant) sowie die „Island Line“ von
„Sheung Wan“ nach „Kennedy Town“ (Fertigstellung bis 2014 geplant), zudem entsteht auf „Hong Kong Island“ die „South Island Line“ in den Abschnitten „Admirality“ –
„South Horizons“ (Fertigstellung bis 2015 geplant) und „HKU“ – „Wong Chuk Hang“ (Fertigstellung bis 2020 geplant). Die Anbindung an das chinesische Hochgeschwindigkeitsnetz
nach „West Kowloon“ soll bis 2017 fertig sein. Eine Verknüpfung zwischen „KCR West Rail“ und „KCR East Rail“ im Norden Hong Kongs („Northern Link“) ist im Planungsstadium.
Bild 51: Ein Überblick über die Logos, die die KCR im Laufe ihrer trug.
Die Fortsetzung folgt aufgrund der Längenbeschränkung für Texte im Forum im nächsten Beitrag.