Spülmaschinensalz, Schnaps und Spione – Mal wieder drei Wochen in Asien
Teil 1: Spülmaschinensalz, Schnaps und Spione – Nur wo bleiben die Züge?
Nachdem ihr das
letzte Rätsel erfolgreich gelöst hab, kommt hier endlich zur Belohnung der erste Teil des Reiseberichts. Am Anfang wird’s wieder ein bisschen off-topic, dann kommt aber wieder die Eisenbahn zum Zuge.
Bereits um elf Uhr ließ ich im Büro den Stift fallen, besser gesagt, ich fuhr meinen Rechner herunter. In gewohnter Weise ging es mit über 60kg Marschgepäck mit der S4 von Eschborn Süd zum Hauptbahnhof und von dort weiter in Richtung Flughafen Frankfurt, wo sich am Check-In-Schalter von Air China bereits eine mehr als 100m lange Schlange gebildet hatte. Ich hatte „nur“ 46kg Freigepäck, die ich aber mit 49kg leicht überschritt. Probleme gab es deswegen keine. Nach meinen „Nutella-Erfahrungen“ vom letzten Mal (siehe
letzte Reiseberichtsreihe) hatte ich diesmal entsprechend vorgesorgt und so hatte ich in meinem Handgepäck nur meinen Laptop, meine Fotoausrüstung sowie 8kg Spülmaschinentabs und Spülmaschinensalz. Meine Schwiegereltern haben sich nämlich eine neue Siemens-Spülmaschine gekauft und ein deutsches Qualitätsprodukt verlangt eben auch nach deutschem Qualitätszubehör. Das Zubehör gibt es im Gegensatz zur Spülmaschine in China aber nicht käuflich zu erwerben, folglich wurde ich dazu verdonnert, es mit nach China zu bringen. Das Zeug ist zwar nicht flüssig, aber ich ahnte schon, dass ich damit nicht problemlos durch die Sicherheitskontrolle kommen würde. Mein Rucksack wurde auch gleich aussortiert und der Sicherheitsbeamte fragte mich, was ich denn da Komisches im Handgepäck haben würde. Meine Antwort löste bei ihm eine Mischung aus Erheiterung und Kopfschütteln aus und ich wurde samt Handgepäck in ein separates Büro gebeten. Dort wurde das Spülmaschinenzubehör genaueren Prüfungen unterzogen und schließlich als unbedenklich eingestuft. Jetzt freut sich eine Siemens-Geschirrspülmaschine in China, denn auch dort leben Spülmaschinen länger mit Calgonit, ach halt, das waren ja glaube ich die Waschmaschinen, egal…
Trotz meines längeren Aufenthalts an der Sicherheitskontrolle war ich einer der Ersten am Gate, das Flugzeug aus Peking war noch gar nicht angekommen. Kurz nach mir kam die Crew und setzte sich neben mich. Die Gate-Managerin übergab dem Piloten die Abfertigungspapiere und versuchte in sehr gut verständlichem Englisch noch ein paar Infos zu geben. Der Pilot verstand aber nichts. Trotz meiner eigentlich nicht vorhandenen Chinesisch-Kenntnisse verstehe ich im Flugzeug die chinesischen Durchsagen besser wie die Englischen…
Bild 1: Mit dieser Air China-Maschine ging es von Frankfurt nach Peking.
Die Boeing 777 kam dann mit etwas Verspätung aus Peking an, dennoch hoben wir fast pünktlich ab. Die HSB gab wohl gerade ordentlich Dampf, denn genau über dem Harz wurden wir von so heftigen Turbulenzen durchgeschüttelt, dass einige Gepäckstücke aus den Gepäckfächern fielen. Zum Glück wurde niemand verletzt. Über Schweden ging es dann entlang dem Polarkreis Richtung Osten, eine solche Flugroute habe ich zum ersten Mal erlebt, bisher verliefen meine Direktflüge nach Peking weiter südlich.
Nachdem das Licht gelöscht wurde und fast alle schliefen, begleitete ich im Bordprogramm Jamie Foxx alias „Django Unchained“ auf der Suche nach seiner Brunhilde. Als sich beide gefunden hatten und davonritten, wollte ich noch ein kurzes Nickerchen machen, aber da wurde schon das Frühstück serviert. Dank der ungewöhnlichen Flugroute benötigten wir nämlich gerade mal 8 Stunden, so schnell war ich noch nie in Peking. Auf einer der Landebahnen waren am frühen Morgen noch Bauarbeiten im Gange, so umrundeten wir in mehr als 20 Minuten mit dem Flugzeug fast das gesamte Flughafengelände. Eine so lange Taxifahrt hatte ich zum letzten Mal am Flughafen Pyoengyang erlebt.
Der chinesische Zoll interessierte sich nicht für die zahlreichen Schnaps- und Weinmitbringsel und so saß ich um halb Sieben im Auto meines Schwiegervaters. Die Heimfahrt zog sich dann hin, da die Verkehrslage in Peking einfach nur noch katastrophal ist. Selbst am Samstagmorgen um halb Sieben staut sich schon der Verkehr auf den Ringautobahnen. So war mein Sohnemann, den ich fünf Wochen nicht gesehen hatte, auch schon wach, als ich in der Wohnung meiner Schwiegereltern ankam. So beschäftigte ich mich natürlich erst einmal mit meinem Sohn anstatt mit Eisenbahn.
Da ich im Flugzeug nicht geschlafen hatte, war ich hundemüde und wollte am liebsten einen vorgezogenen Mittagsschlaf mit meinem Sohnemann machen. Aber meine Frau eröffnete mir, dass wir von meinem Schwiegeronkel zum Mittagessen in ein Restaurant eingeladen waren. Ihm bin ich zum Dank verpflichtet, ermöglichte er mir doch im Februar die Zugfahrt nach Hami, obwohl ich keine Fahrkarte mehr bekam (siehe
letzte Reiseberichtsreihe). Und bei meinem Schwiegeronkel bedankt man sich am besten, indem man einige Runden Schnaps mit ihm trinkt. Auf dem Restauranttisch standen schon die MouTai-Flaschen bereit (MouTai ist eine bekannte chinesische Schnapsmarke, die bevorzugt von Beamten höheren Ranges und Parteikadern konsumiert wird und einst ideales „Geschenk“ war. Seit aber massiv gegen Korruption eingeschritten wird, hat die Schnapsmarke massive Absatzprobleme…) Na denn „ganbei“… Auf dem Rückweg schlief ich dann im Auto ein noch bevor der Motor gestartet war.
Am nächsten Tag stand die nächste Einladung zum Essen ein. Geladen hatte der Cousin meiner Frau in ein Restaurant in Sichtweite der Niederlassung meines Arbeitgebers. Mein Schwiegercousin hält wie die meisten seiner Altergenossen nichts vom exzessiven Schnaps- und Zigarettenkonsum seiner Vätergeneration. Es bestand also Hoffnung auf ein alkoholfreies Mittagessen. Allerdings war auch weitere Verwandtschaft geladen, darunter auch ein Offizier der militärischen Spezialkräfte. Ich selbst habe verweigert, kenne aber unzählige Geschichten von Trinkexzessen in deutschen Kasernen. Da unterscheiden sich deutsche und chinesische Armee kaum. Mehrfach wurden Toasts ausgesprochen gefolgt von einem Glas Schnaps auf Ex (und wir sprechen hier nicht von Schnapsgläsern, sondern normalen Trinkgläsern). Auf die Deutsch-Chinesische Freundschaft, ganbei. Auf dass das ohnehin gute Verhältnis zwischen China und Deutschland noch besser wird, ganbei. Auf den deutschen Ehrengast, der jetzt zur Familie gehört, ganbei…
Nach dem Essen ging es zur Wohnung meines Schwiegeronkels, in der auch mein Schwiegercousin noch wohnt. Mein Schwiegeronkel war einst für die Eisenbahn tätig und wohnt in einem Eisenbahnerblock direkt an der Hauptlinie zum Westbahnhof von Peking. Die erste Chance auf Eisenbahnfotos? Mitnichten. Während sich die Männer zum Mahjonggspielen in die nächste Spielhölle loszogen und sich die Frauen zum Tratschen ins Wohnzimmer zurückzogen, wurde ich von meiner Frau zu einem dreistündigen Ausnüchterungsspaziergang mit unserem Sohn verdonnert. Als wir zurückkamen, war es schon dunkel und ich konnte die Dieseldoppelbespannungen nur noch akustisch am Fenster genießen.
Für die nächsten Tage flog ich dann mit meiner Frau nach Hong Kong, darüber wird es dann separate Berichte geben.
Zwei Wochen später ergab sich aber bei einem erneuten Besuch bei meinem Schwiegeronkel die Chance auf ein paar Eisenbahnfotos. Zum Mittagessen im Restaurant gab es zwar auch jede Menge Schnaps, aber diesmal durfte ich den Spätnachmittag auf eigene Faust verbringen. So suchte ich mir in der Nähe eine halbwegs passable Fotostelle, kletterte leicht beschwipst unter neugierigen Blicken einiger Chinesen auf eine Mauer und wartete auf die nächsten Züge. Das Licht stand perfekt und es kam auch der eine oder andere Zug vorbei:
Bild 2: Als erstes kam Diesellok DF4-5291 vorbei, im Schlepptau einen Personenzug. Wie in China üblich, haben die Fernzüge noch einen Packwagen,
der hier direkt hinter der Lok läuft. Die Wohnung meiner Schwiegertante befindet sich übrigens im Wohnblock im Hintergrund.
Bild 3: Anschließend fotografierte ich den Hochgeschwindigkeitszug CRH5-015A (Alstom)
Bild 4: Zum Abschluss kam nochmals ein Personenzug mit Dieselbespannung und Waggons in alter, rot-weißer Farbgebung vorbei, nur leider in die falsche Richtung.
Nach einer guten halben Stunde war ein Stellungswechsel angesagt. Ich wollte zum nahen Bahnhof Chaoyang/Beijing East. Dort halten zwar kaum noch Züge, aber man sollte vom Bahnsteig aus doch ganz gut ein paar Sichtungsfotos schießen können. Da der Bahnhof recht klein ist, hatte ich die Hoffnung, dass ich mich so auf den Bahnsteig schleichen kann. Weit gefehlt, der Fahrdienstleiter hatte mich sofort gesehen und mich zurück gebrüllt. Ich versuchte ihm zu erklären, dass ich nur ein paar Fotos machen möchte, aber keine Chance. Nur wenige Tage zuvor gab es einen Terroranschlag mit mehreren Toten auf dem Platz des Himmlischen Friedens und so herrschte in allen öffentlichen Einrichtungen Pekings Alarmstufe Rot. In der weiteren Umgebung ist die Bahnstrecke von hohen Mauern und Stacheldrahtzaun umgeben, es gibt auch keine Über- oder Unterführungen. So musste ich mich leicht ernüchtert wieder zurück zur Wohnung meines Onkels begeben, wo schon das Abendessen in Form von Nudeln mit schwarzer Bohnensauce bereit stand. Was es zum Trinken gab, könnt ihr euch sicherlich vorstellen…
Bild 5: Sonnenuntergang am Bahnhof von Peking Chaoyang
Bild 6: Das typisch chinesische Bahnhofsgebäude von Peking Chaoyang.
Bild 7: Abendstimmung im Hutong auf dem Rückweg vom Bahnhof Chaoyang zu meiner Tante.
Bild 8: Szenerie im Hutong von Chaoyang
Bild 9: In diesem kleinen Laden kann man Vögel, Fahrradreifen, Altholz und Ledertäschchen kaufen.
Bild 10: Fünf Augenpaare starren die Langnase an, als selbige diese Fotoaufnahme in einem Hinterhof macht.
Bild 11: Hinterhof im Hutong von Chaoyang
Bild 12: Hinterhof des Wohnblocks, in dem meine Schwiegertante wohnt.
Zum Abschluss gibt es noch ein paar Impressionen aus Peking, garniert mit ein paar Trolleybussen:
Bild 13: Hinein geht es in das Lishi Hutong, einem Altstadtbezirk im Herzen von Peking.
Bild 14: Blick aus der Haustür meiner Schwiegeroma. Die Hochhäuser rücken bedrohlich näher, aber noch hält sich das Lishi Hutong.
Bild 15: Blick in einen Hutong-Hinterhof.
Bild 16: : Blick in einen Hutong-Hinterhof
Bild 17: Im Lishi Hutong werden Müll und Sperrmüll noch mit dem Fahrrad abgeholt.
Bild 18: Nach Einbruch der Dunkelheit entstand dieses Bild eines kleinen Lebensmittelladens im Lishi Hutong mit einem reichhaltigen und günstigen Angebot.
Nur wenige hundert Meter entfernt gibt es Läden, wo eine Handtasche so viel kostet, dass man mit dem gleichen Geld den ganzen Lebensmittelladen leerkaufen könnte.
Bild 19: Auch in Peking war Christo und seine Verpackungskunst schon aktiv.
Bild 20: Selten sind die Straßen so leer in Peking. Da heißt es für Hund und Herrchen nichts wie rüber über die Straße.
Bild 21: Englisch ist nicht gerade die Stärke der Chinesen. Oder was soll mir dieses Schild sagen: „Einkaufswagenpunkt.
Für ihre Einkaufsunannehmlichkeit. Bitte verstehe es. Danke!“ Gemeint war bei diesem Schild in einem Einkaufszentrum
in Peking, dass man seinen Einkaufswagen nicht über diesen Punkt hinaus schieben sollte.
Bild 22: Dieses Schild wiederum verstehe ich gut. Die Chinesen aber scheinbar nicht, wenn man sich so den Unrat im Hintergrund anschaut.
Bild 23: O-Bus nahe dem Lishi Hutong in Peking. Nur wenige Straßen in Peking sind so dicht mit Bäumen gesäumt.
Bild 24: In Gegenrichtung verkehrt ebenfalls ein O-Bus der Linie 106.
Bild 25: An einer großen Kreuzung nahe des Lishi Hutong kreuzen sich auch mehrere O-Buslinien, die zu recht interessanten Oberleitungskonstruktionen führen.
Bild 26: Verkehrsgetümmel mit O-Bus. Die VW-Jetta-taxis sind in Peking mittlerweile recht selten geworden.
Bild 27: Nochmals ein Blick auf die Kreuzung samt der Oberleitungen der hier kreuzenden O-Buslinien.
Wie gewohnt, war der erste Bericht dieser Folge wieder ziemlich off-topic. In den nächsten Berichten wird es aber besser, da gibt es praktisch nur noch Eisenbahn zu sehen. Im
nächsten Bericht geht es dann erst einmal um die Geschichte der Eisenbahn in Hong Kong. Ich hoffe, dass ihr dann wieder dabei seid.
2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2014:06:30:13:53:27.