Über Jahre war ich nur Leser der hier im Forum veröffentlichten Reiseberichte. Viele davon haben mich fasziniert und beeindruckt. Auch wenn meine Reise für manch einen hier weniger spannend und herausfordernd erscheint, so war sie für mich und meine Frau schon ein kleines Abenteuer. Etwa ein Jahr Vorbereitung stecken im dem Projekt Leipzig – Moskau – Baikal – Peking - Sri Lanka.
Die Reise begann am 10.09.2013 in unserer Heimatstadt Leipzig. Wenig spektakulär ging es zunächst nach Berlin. Wir sind noch ziemlich müde nach der kurzen Nacht. Haben wir uns doch abends noch die Köpfe zerbrochen, ob wir auch an alles gedacht haben... Als wir in Berlin ankommen, geht gerade die Sonne auf. Es scheint ein schöner Spätsommertag zu werden. Der Hauptbahnhof wird nur von wenigen Reisenden frequentiert, die große Stadt scheint noch zu schlafen. Nach einem Kaffee aus ToGo geht es mit dem Fahrstuhl hinauf auf die oberen Bahnsteige. Um 06:37 Uhr wird pünktlich unser Zug abfahren, der Berlin-Warszawa-Express in Richtung Osten.
Nach Verlassen des Bahnhofs Frankfurt/Oder hält der Zug nicht weit vor der Oderbrücke für knapp fünf Minuten an. Ich vermute das dient der Umstellung auf das polnische Stromsystem. Das fiel mir schon im Sommer in der Gegenrichtung auf. Jedenfalls ist mir ein solcher Halt zwischen Schöna und Tschechien nie aufgefallen.. Vielleicht weiß ja jemand hier mehr..?
Die Oder, der Grenzfluß, offenbart sich ganz ruhig und verträumt. Der Himmel ist leicht bewölkt und die Sonne hat sich schon etwas weiter nach oben gearbeitet.
Beim Gang durch den Zug fällt mir die doch sehr hohe Auslastung auf. Auch schon beim Grenzübertritt. Traurig, wenn man dagegen die Auslastung der Züge in Forst und Görlitz sieht. Hier befürchte ich langfristig nichts Gutes. Leider. Die weitere Fahrt verläuft recht unspektakulär über Posen weiter gen Warschau. Gegen 09:00 Uhr genießen wir ein leckeres Frühstück im Wars. Wobei man hier erwähnen muß, dass es sich um ein Ex BistroCafe aus einem Interregio/Intercity handelt. Die Ausstattung wurde etwas modifiziert. Die Bedienung ist freundlich und das Essen schmeckt!
Dem jungen Zugbegleiter von PKPIC berichten wir bei der Fahrkartenkontrolle von unserer langen Reise. Ebenso vom Vorhaben, im Verlauf der Tour einige Mitbringsel der jeweiligen Bahngesellschaften als Andenken mitzunehmen. Wir bekommen daraufhin im Tausch gegen ein DB Schlüsselband eine orangefarbene Warnweste mit Rückenaufdruck von PKP Intercity. Unser erstes Souvenir.
Wir erreichen Warszawa-Centralna mit einer Verspätung von etwa 15 Minuten gegen 12:20 Uhr. Im Schließfach verstauen wir unser Gepäck und begeben uns in die nähere Umgebung des Bahnhofs. Es ist sonnig mit wenigen Wolken und etwa 20 Grad warm. Wir spazieren um „Stalins“ Kulturpalast und entdecken dabei einige Arbeiter, die sich von einem den modernen Hochhäusern abseilen.
Gegenüber dem Bahnhof, im modernen Einkaufstempel „Goldene Terrassen“ essen wir in einem Restaurant gut zu Mittag, bevor wir uns auch schon wieder auf machen unser Gepäck zu holen. Wir begeben uns zu Gleis 3, wo unser Zug nach Moskau einfahren wird.
Wir haben uns bewußt für den D 10 (Polonez) entschieden. Im Wechsel verkehrt hier die PKP bzw. RZD Garnitur. Bei den PKP Wagen Bautzner oder Görlitzer Produktion findet man noch Übersetzfenster und kann so die Nase in den Wind stecken. Natürlich fuhr - wie „vorausberechnet“ - die PKP Garnitur ein. Die Schlafwagen nach Moskau befanden sich am Schluß des TLK nach Terespol. Die Auslastung war eher mäßig. In unserem Wagen waren insgesamt 2 Double und ein Single belegt. In den anderen Wagen war es etwas besser, aber trotzdem nicht überragend. Unser Schlafwagenbetreuer machte einen lustigen, aufgeschlossenen Eindruck. Wir bezogen unser Abteil und ich sah auf dem gegenüberliegenden Gleis den folgenden BWE einfahren. Hätten wir diesen benutzt, hätten wir etwas später und natürlich mit dem Zug in Leipzig starten können. Die Umsteigezeit in Warschau schien mir bei dieser Variante doch sehr knapp. Langjährige Fahrgasterfahrung in Polen lehrt mich, dass man Umstiege unter 1 h nicht planen sollte, wenn viel auf dem Spiel steht.. Hier hätte es heute funktioniert, wenngleich eine Hand voll Umsteiger den Wechsel im Laufschritt vollzogen.
Jetzt geht’s los, durch den Tunnel hindurch, über die Weichsel hinweg zum nächsten Halt in Warszawa Wschodnia. Wir schlüpfen in unsere bequemen Jogginganzüge und unser Schlafwagenschaffner verteilt die Migrationskarten für Weißrussland. Pünktlich um 18:26 Uhr erreichen wir Terespol. Der Bahnsteig ist durch einen Zaun geteilt. Menschenmassen aus dem vorderen, hier endenden Zugteil, strömten zum Ausgang. Dann wird das Tor geschlossen und die Grenzkontrolle beginnt. Bemerkenswert ist, dass sich ein Bundespolizist aus Deutschland im Kontrollteam befindet. Wir unterhalten uns eine Weile mit ihm. Er sagt, dass er hier Dienst im Rahmen der „Frontex“ schiebt und das er die Arbeit hier sehr interessant findet. Alles verläuft unspektakulär. Eine polnische Grenzerin regt sich darüber auf, dass ich fotografiere. Da war aber alles schon im Kasten, bzw. auf der Speicherkarte. Einige Fahrgäste standen an der Zugangskontrolle zum Bahnsteig. Sie wurden von den Beamten an die jeweiligen Schlafwagenbetreuer weitervermittelt. Wie ich beobachten konnte, stiegen die Leute dann in Brest wieder aus. Ob das offiziell so funktioniert oder ob dies ein Zubrot für die Betreuer ist – wer weiß. Der vordere Zugteil wird jetzt wegrangiert. Die E-Lok setzt sich aber dann wieder vor unseren Zug und nach einer Stunde Aufenthalt in Terespol geht es weiter nach Brest.
Über den Grenzfluß Bug geht es eingleisig - wobei: Es ist ein Vierschienengleis. Die Sonne ist gerade untergegangen, der Himmel ist in warmes rot/blau gefärbt und der Mond ist auch schon zu sehen. Nicht weit nach der Brücke halten wir am Grenzposten. Park Bug nennt sich dieser Bahnhof, augenscheinlich ausschließlich bestehend aus einem Gebäude für die Grenzeinheiten und einem kurzen holprigen Bahnsteig. Öffentlicher Zustieg ist hier nicht möglich. An das Ende des Zuges setzt sich eine Diesellok. Sie wird uns später bis zum Bahnhof Brest schieben. Die weißrussischen Grenzer sind ganz locker drauf. Sie scheinen zu scherzen. Wir verstehen es nicht, lachen trotzdem und nach wenigen Augenblicken ist alles vorbei. Die Pässe werden eingesammelt und nach ca. 20 Minuten abgestempelt wieder verteilt Die Grenzer werden noch im Waggon bleiben und erst im Bahnhof Brest wieder aussteigen. Die laut ratternde Diesellok schiebt uns also weiter bis zur sog. Warschauer Seite des Bahnhofs Brest. Hier sind Bauarbeiten im Gange, weshalb der Zug weit draußen hält. Ich meine aus der Ferne eine neue moderne Bahnsteigüberdachung erkannt zu haben. Die in Terespol zugestiegenen Kurzstreckenreisenden haben den Zug verlassen und wir werden wenige Minuten später in die Umspurhalle rangiert. Frauen sind zugestiegen und verkaufen Wodka, Bier, warmes Essen. Bei den wenigen Reisenden heute Abend wahrscheinlich kein sehr einträgliches Geschäft. Sie verlassen den Zug erst in der Umspurhalle wieder und verschwinden zielstrebig im Gebäude. Offensichtlich kennt man sich..
In der Halle geht es sehr routiniert zu. Kaum ist der Zug in der Halle, werden die Wagen getrennt. Ich steige aus und dokumentiere das Geschehen. Die Arbeiter sind freundlich. Mit russisch, wenigen Brocken deutsch und englisch versuchen sie mir zu erklären, wie alles funktioniert. Vor lauter Eindrücken von mir fast unbemerkt sehe ich, dass unser Waggon schon in die Höhe gehoben wurde. Der ganze Zug ist effektiv nach etwa 45 Minuten umgespurt. Ich bin erstaunt, wie schnell alles geht. Ich nehme deutlichen Alkoholgeruch der Arbeiter in meiner Umgebung wahr. Ich habe aber trotzdem den Eindruck, dass jeder Handgriff sitzt. Am anderen Ende der Halle steht ein Pkw mit offener Motorhaube. Einige basteln daran herum, wenn sie gerade an den Eisenbahnwaggons nichts zu tun haben.
Der Zug wird von einer Diesellok aus der Halle gezogen. Auf einmal schreit einer etwas, der Zug bremst abrupt und ein anderer zieht eine Art Hemmschuh vom Gleis. Alkoholbedingte Nachlässigkeit? Reine Spekulation. Dann geht es weiter zum Bahnhof Brest, zur sog. Moskauer Seite. Hier werden dem Zug noch Breitspurwagen beigestellt. Der Zug steht die restliche Zeit ab und ich gehe mich etwas umsehen. Im Bahnhof selbst ist – tote Hose. Überall provisorische Blechwände, Bauzäune, Baubuden. Umbau auch hier. Einige Mütterchen verkaufen Essbares und Getränke am Bahnsteig. Die angehängten Breitspurwagen füllen sich meiner Ansicht nach ganz ordentlich. In die aus Warschau kommenden Wagen steigt, soweit ich das sehen kann, niemand zu.
Der Zug setzt sich langsam in Bewegung und schaukelt uns in die Nacht. Der erste Tag liegt hinter uns.
Wir haben geschlafen wie die Murmeltiere. Draußen ist es bewölkt. Unser Schlafwagenschaffner bringt Kaffee und dazu essen wir lecker Schokocroissants. Die Bettkarte hat er behalten, dafür bekommen wir eine Quittung. Ich erzähle auch ihm von unserer langen Reise und bekomme ein „Wars“ Schlüsselband. Von der Deutschen Bahn möchte er nichts haben. Ich habe neben Schlüsselbändern noch Kugelschreiber und zwei Mützen im Angebot. Alles vorneweg im Freundeskreis oder bei einem Onlineauktionshaus besorgt, da ich selbst nicht bei der Bahn beschäftigt bin. Pünktlich auf die Minute fahren wir im Weißrussischen Bahnhof in Moskau ein. Die Breitspurwagen müssen bis auf den letzten Platz beleget gewesen sein, so viele Leute wie dort aussteigen. Nachdem wir uns mit Rubel eingedeckt haben, besorgen wir uns 11-er Karten für die Metro und schon geht es hinab in den imposanten Moskauer Untergrund.
Nach einer erfrischenden Dusche im Hotel begeben wir uns in die Stadt. Zunächst steuern wir das „Muzeon“ an. Ein Skulpturengarten mit Überbleibseln aus längst vergangenen Zeiten. Die „Nischel“ von Marx, Stalin, Lenin, Breschnew etc. findet man hier. Der Park wird neu gestaltet, kostet momentan keinen Eintritt. Im Anschluß geht es zum Neuen Arbat. Empfohlener Weise speisen wir im Restaurant „Muh Muh“ Es ist ziemlich voll. Viele leckere Sachen gibt es hier. Leider war ein Foto nicht möglich, da ich sehr schroff auf das Fotografierverbot hingewiesen wurde. Gut und günstig den Magen vollgestopft geht es weiter zum Roten Platz.
Es ist schon dunkel. Alles ist imposant beleuchtet. Wir genießen die Atmosphäre, bevor wir uns langsam auf den Weg zum Hotel machen.
Weiter im nächsten Teil. --> [
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Grüße Sven.
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Edit: Links sowie Rechtschreibung bearbeitet.
3-mal bearbeitet. Zuletzt am 2015:02:11:16:31:30.