Vorwort
Das iranische Hochplateau, welches den größten Teil des Landes umfasst, ist durch ausgedehnte Ebenen auf 800-2000 m Seehhöhe gekennzeichnet, die von noch höheren Gebirgen umgeben sind. Aufgrund des sehr trockenen Klimas wurde die Landschaft kaum durch Flussläufe und Wasser verändert, das Fehlen von Vegetation lässt die Berge in ihrer urtümlichen Form erscheinen, die scheinbar seit der Auffaltung der Erdkruste nur durch Wind und Sonne verändert wurden.
Fast unvorstellbar dass menschliche Zivilisation in dieser kargen Landschaft Fuß gefasst hat und durch geschickte Bewässerungssysteme aus der Wüste fruchtbaren Boden hervorgebracht hat, ja sogar blühende und reichen Städte errichtet hat.
Eine von ihnen ist Kerman, auf der Karawanenroute nach Belutchistan und Indien. Im Zentrum des Pistazien-Anbaugebietes ist diese heute 700.000 Einwohner zählende Handelsstadt wohlhabend und gut entwickelt. Eigentlich sind wir gekommen, da meine Frau eine Fabrik für Rosenwasser und Extrakte in den Bergen südlich der Stadt besuchen wollte, aber auch touristisch gab es einiges zu sehen.
Dieser Stausee auf 3000 m Höhe befindet sich in Lalesar, ca. 100 km südlich der Stadt. Auch Ende April war es hier noch ziemlich kalt und windig. Das hier seit etwa 20 Jahren produzierte Rosenwasser und der Anbau der Pflanzen hat den Bauern, die früher hauptsächlich vom Mohnanbau und der Opiumproduktion lebten, neue und sicher bessere Erwerbsmöglichkeiten gegeben. Die Marke „Golab Zahrah“ ist heute nicht nur im Iran bekannt denn die streng nach biologischen Grundsätzen produzierten Rosenextrakte werden mit Demeter-Zertifizierung bis nach Deutschland exportiert und dort in der Naturkosmetik verarbeitet.
Die Altstadt von Kerman, welche zu den ältesten Siedlungen im Iran gehört und schon von Marco Polo erwähnt wird, wurde in den letzten 50 Jahren fast gänzlich durch Neubauten ersetzt. Nur in und um den Bazar gibt es noch ältere Bauwerke aus der Safawiden-Dynastie, also etwa aus dem 16. Jahrhundert.
Kuppeldekoration am Eingang eines alten Bades (Hamam-e Ghanj-Ali Khan)
XXX-large Suppentopf
Goldschmiedbazar
Das allgemeine Stadtbild ist wenig attraktiv und gleich den neueren Stadtvierteln vieler anderer iranischer Städte.
Der eher phantasielose Azadi-Platz, das moderne Stadtzentrum von Kerman
Wie man an den Autos sehen kann gibt es einigen Wohlstand hier.
Nun aber zur Eisenbahn
Durch diesen Bahnhof haben wir die Stadt beschritten und auch wieder verlassen:
Entgegen den üblichen Gepflogenheiten steht hier auf Persisch nicht Bahnhof sondern Bahndirektion Kerman. Gemessen an der Größe der Stadt ist die Anlage relativ bescheiden. Bis 2003 befand sich hier das südöstliche Ende des eurasischen Normalspurnetzes, danach wurde die Strecke bis Bam verlängert und seit 2009 bildet sie die Verbindung zum Schienennetz des indischen Subkontinents, wobei es alle zwei Tage einen Zug von Teheran bis in die Grenzstadt Zahedan gibt, von dort aber nur zweimal im Monat einen Zug nach Quetta in Pakistan. Auch ein paar Güterzüge mit Reis und Getreide kommen aus Pakistan. In die Gegenrichtung werden Datteln und Pistazien befördert, wobei das Ladegut in Zahedan zwischen Breitspur und Normalspur umgeladen wird, denn Wagons für Spurwechsel gibt es zwischen diesen Netzen nicht.
Wie bei den meisten Provinzbahnhöfen herrscht unter Tags relative Stille. Die Bahnhofshalle füllt sich nur vor Abfahrt des Nachtzuges nach Teheran und der dreimal in der Woche verkehrenden Züge nach Maschad. Man wartet bis der Zug ausgerufen wird und betritt erst dann, nachdem beim Ausgang der Fahrschein kontrolliert wird den Bahnsteig und den Zug.
Bevor wir jedoch unseren Zug besteigen, treffen wir im Bahnhof auf einen einsamen Deutschen mit Fahrrad. Ich habe kaum Zeit mit ihm ein paar Worte zu wechseln und kann daher nicht in Erfahrung bringen woher er kommt. Da er weder persisch noch Englisch spricht, übersetze ich für ihn die Frage ob er sein Fahrrad im Zug mitnehmen kann. Das ist im Iran zwar offiziell nicht vorgesehen, die Perser finden aber für alles eine Lösung: wenn er das Vorderrad abnehmen könne dann gilt das Fahrrad als Gepäckstück und er kann es sogar in seine Wagen mitnehmen. Erstaunt meint die Bahnbeamtin wie er es denn so ganz ohne Englischkenntnisse bis ins tiefe Persien geschafft habe (im Iran ist Englisch weit verbreitet). Darauf meint er dass dort, wo er mit dem Fahrrad hinfahre ohnehin niemand Englisch sprechen würde. Er sah wohl ernährt aus, schien sich also auch so auf der bisherigen Reise recht gut durchgeschlagen zu haben. Später sollte er mit dem Nachtzug nach Teheran reisen. Wir aber müssen schon zu unserm Zug nach Yazd.
So sah es einige Tage zuvor bei unserer Ankunft mit dem Nachzug aus Teheran am Bahnsteig aus. Es gibt drei Gleise für den Personenverkehr.
Den neuen Inselbahnsteig muss man noch über eine Treppe betreten, denn die mechanische Rampe (Rolltreppe ohne Stufen) wird gerade erst gebaut. Hier steht der täglich um 13.30 abfahrende Doppeldecker-Zug nach Yazd bereit, der erst seit ein paar Monaten verkehrt. Mit diesem Zug – jedoch ein paar Tage später - werden wir fahren. Ich war in den letzten 25 Jahren oft im Iran und stelle jedes mal Verbesserungen im Bahnverkehr fest. Nicht nur die Zahl der Züge nimmt zu, das Streckennetz wächst jährlich um bis zu 500 km, die Bahnhöfe werden verbessert und der Fahrzeugpark wird stetig erneuert.
Den Zug wollte ich dann eigentlich vor Abfahrt besser fotografieren, bat jedoch zur Sicherheit zuerst den Zugführer um Erlaubnis. Er meinte dass dies nicht der richtige Moment sei. Offenbar waren irgendwelche „gefährlichen“ Aufsichtsorgane – sprich Revolutionsgardisten - in Zirkulation. Er versicherte mir jedoch freundlich und wohlgesinnt dass ich an einem anderen Bahnhof noch Gelegenheit für eine Aufnahme haben werde. Dieser flüchtige Schnappschuss entstand daher schon bei unserer Ankunft einige Tage zuvor.
Durch diesen Eingang betritt man den Wagen. Wie überall im öffentlichen Leben im Iran wollen die Mullahs der Gesellschaft ihre Vision des Islam aufdrücken. Obwohl im Koran nichts davon steht, sollen im Doppelstockwagen die Frauen im Obergeschoss und die Herren im unteren Platz nehmen, denn die vollkommen absurde Geschlechtertrennung ist oberste Maxime für die Turban-Träger. Aber die iranische Gesellschaft setzt sich längst über derart unsinnige Vorschriften hinweg, so dass ziemlich bald nach Abfahrt niemand mehr erkennen kann, welcher Wagenteil nun eigentlich welchem Geschlecht zugeteilt ist. Auch ich reise selbstverständlich gemeinsam mit Frau und Tochter im Obergeschoß.
Die Doppelstock-Wagen wurden im letzten Jahr in größerer Stückzahl von CNR aus Jinan/China geliefert, die Drehgestelle stammen von Siemens China - nachdem sich die EU im Gefolge der amerikanischen Sanktionen selbst aus dem Geschäft mit dem Iran herauskatapultiert hat. Mit diesen Wagen wurde ein vollkommen neuer Zugtyp mit hohem Reisestandard eingeführt. Sie sind nun im regionalen Mittelstreckenverkehr bis etwa 500 km im Einsatz, so etwa auf der vor ein paar Wochen zuvor neu eingerichteten Relation Shiraz-Isfahan und eben auf unserer Strecke von Kerman nach Yazd, aber auch als Verstärkung bei Fernverbindungen zwischen Teheran und Mashad.
Die Wagen sind dank des chinesischen Lichtraumprofils auch im ersten Stock extrem geräumig, sehr laufruhig und angenehm klimatisiert – nicht zu kalt, nicht zu warm und ohne störenden und lärmenden Luftzug.
Kaum haben wir Platz genommen bekommt jeder einmal auf sein Klapptischchen ein Mineralwasser als Grundversorgung – das ist selbst im Regionalzug Standard. Aber es soll nicht die einzige Dienstleistung währen der Fahrt bleiben.
Ebenso fehlt in keinem Reisezugwagen der iranischen Eisenbahnen die obligate Teeküche welche für das Wohlbefinden der Fahrgäste von je einem Steward pro Wagen bedient wird.
Mitten in der kahlen Landschaft sieht man einen großen Industriekomplex. Es ist ein Stahlwerk kurz vor Zarand. Der Iran steht bei den Eisenvorkommen weltweit an achter Stelle. Das Erz wird vielfach im Tagbau erschlossen und im Land zu Stahl verarbeitet, ein Industriezweig der für reges Frachtaufkommen auf der Bahn sorgt. Auch dieses Werk hat selbstverständlich eine Anschlussbahn.
Bei der Einfahrt in den Bahnhof Zarand fotografiere ich diesen ehemaligen Class 141 der British Railways, der im Iran noch einige Jahre im Lokalverkehr eingesetzt wurde und nun außer Betrieb ist. Das Bild hat in einem
britischen Eisenbahnforum einige Wogen geschlagen, man befürchtete sogar dass der Zug mit Sprengstoff beladen aus dem Iran zurück an den Absender kommen würde, nachdem dort bekannt ist dass es sich bei diesen Triebwagen um eine katastrophale Fehlkonstruktion gehandelt hatte. Unter anderem besaßen die Fahrzeuge die kuriose Eigenschaft bei Auslösen der Klospülung gelegentlich eine Vollbremsung einzuleiten.
Das Bahnhofsgebäude von Zarand ist wenig spektakulär, daher nur ein Dokumentationsfoto.
Im Iran haben Güterwagen generell automatische
Unicoupler/Intermat Mittelpufferkupplungen, welche mit den russischen SA-3 kompatibel sind, da es ja auch Wagenübergänge aus dem russischen Breitspurnetz gibt. Deshalb fehlen herkömmliche Puffer bei den meisten Wagen. Nur der rechte, schon etwas ältere Wagen der auch ein nicht mehr benutztes Bremserhaus hat weist noch Puffer auf. Personenwagen und Güterzüge aus der Türkei haben jedoch die in Europa üblichen Zug- und Stoßvorrichtungen.
Der nur im inneriranischen Verkehr eingesetzte seitlich entladbare Hochbordwagen für Schüttgut (Kohle) der Iranischen Staatsbahnen (Rah Ahan Iran – RAI) weist soweit ich lesen kann neben der UIC-Numerierung 345110-4 unter anderem Angaben zur Wagenlänge (33 m) und zur Revisonsfrist auf. Er wurde nach persischem Datum zuletzt am 18-12-1388, also am 9. März 2010 gewartet, während das untere Datum der nächsten Revison nicht ganz leserlich ist, vermutlich der 9. März 2014, da Jahreszahl 1392. Das U könnte auf eine Sonderbauform hinweisen, vielleicht aber auch nur auf ein doppeltes Kupplungssytem. Sein Heimatbahnhof ist Isfahan.
Auch bei der Ausfahrt aus Zarand gibt es nochmals ein Bild eines ausrangierten Wagons – vermutlich ein ehemaliger Speisewagen – den ich bereits auf der Herfahrt entdeckt hatte.
Am Stadtrand dann ein Blick auf die örtliche Wagonfabrik, in der unter anderem Reisezugwagen hergestellt werden.
Auch die Metrowagen von Tehran, die man bereits am vorigen Bild erkennen konnte, stammen aus dieser Schmiede. Sie werden nach chinesischer Lizenz bzw. mit elektrischer Ausrüstung von Alsthom (wenn ich nicht irre) gefertigt.
Nach so viel Eisenbahn ist nun Zeit für einen Kaffee gekommen, den mir der Steward formvollendet an den Platz bringt.
Schon seit einiger Zeit läuft auf den Bildschirmen eine eher anspruchslose Familienkomödie aus iranischer Produktion, die jedoch kaum jemand mitverfolgt, auch hier im Untergeschoss nicht. Es soll aber noch besser kommen...
Noch immer ist die Landschaft von Pistazienplantagen geprägt. Diese trockene und höchst schmackhafte Frucht findet hier ideale Anbaubedingungen und hat der Region zu großem Wohlstand verholfen. Der ehemalige Staatspräsident Hashemi Rafsanjani, der aus dieser Gegend kommt, wurde als Pistazienfarmer zu einem der reichsten Männer im Iran und herrscht heute über ein Familienimperium dass mit Baufirmen, Erdöl- und Erdgasförderungsfirmen, U-Bahnbau, Fluggesellschaften und Satellitenfernsehsendern in Dubai zu den bedeutendsten Wirtschaftsplayern im Mitteleren Orient zählt.
Wir sind immer noch im Eisenbahnnetz der Direktion Kerman. Bahnhof Siriz.
In diesem unscheinbaren Bahnhof, weit abseits jeglicher Siedlung steigen traditionell gekleidete Fahrgäste zu. Der schwarze Tschador (wörtlich: Zelt) wurde und wird noch immer vom theokratischen Regime als die ideale Kleidung für die Frau propagiert. Tatsächlich ist er aber zumindest aus den Städten weitgehend verschwunden und wird bestenfalls noch von älteren Frauen getragen, während junge Mädchen gerne jede Kopfbedeckung ablegen wollten – wenn es ihnen nur erlaubt wäre.
Keine Fischgräten sondern die Kontrolllampen für die WC-Belegung, die nur dann verständlich sind wenn man weiß wie orientalische Aborte aussehen (Loch im Boden bzw. hier Abfluss in ein chemisches Becken).
Selbst in diesem relativ kleinen Bahnhof gibt es Güterverschub mit einer eindeutig amerikanisch geprägten Lokomotive (EMD G12).
Die Eisenbahnersiedlung beim Bahnhof hat eine dem Klima angepasste Architektur: tiefe Loggien vor den Wohnräumen mit einem gitterartigen Ziegelverbau, um das Eindringen des direkten Sonnenlichts und somit einen Überhitzung des Hauses zu vermeiden. Die Türmchen sind keine Schornsteine sondern so genannte „Badgir“, also Windfänger, welche den heißen und trockenen Luftstrom aus der Wüste über ein im Keller befindliches Wasserbecken leiten um ihn dann abgekühlt und befeuchtet in die Räume zu leiten und so für ein wohliges Klima sorgen; das alles ganz ohne zusätzliche Energiezufuhr, einfach durch natürliche Zirkulation. Ich habe das Jahrhunderte alte Prinzip des Badgir in meiner
Reportage zu Yazd detailliert beschrieben.
Nun zeigt sich die Wüstenlandschaft in ihrer vollen Schönheit. Da lass ich lieber die Bilder sprechen.
Yazd liegt etwa 500 m tiefer als Kerman. Nun kommen wir zu einem Geländesprung, das ist ein recht gebirgiger Abschnitt zwischen zwei Hochebenen, in dem die Bahnstrecke über mehrere Kurven den Höhenunterschied abarbeitet.
Wir erreichen die kleine Stadt Bafgh, einen kontinentalen Eisenbahnknoten. Hier kreuzt die Süd-Nord-Route vom persischen Golf bis in die Staaten Zentralasiens. Auf ihr verkehren regelmäßig Containerzüge vom Hafen Bandar Abbas über Maschad und Sarakhs nach Turkmenistan, Usbekistan und bis nach Almaty in Kasachstan über eine Strecke von 3,766 km. Wir selbst befahren ja bekanntlich die Ost-West-Eisenbahnachse welche Indien und Pakistan über den Iran und die Türkei mit Europa verbindet, obwohl es auf dieser Route bisher noch keinen all diese Staaten durchquerenden direkten Zug gibt. Aber der Großteil des Verkehrs in Bafgh entsteht durch nationale Züge, welche das Land mit seinem wichtigsten Exporthafen verbinden, über den Güter aller Art importiert und exportiert werden. Dazu kommen noch die Erz- und Kohlezüge zwischen den diversen Lagerstätten und Stahlwerken in verschiedenen Landesteilen und täglich ein Dutzend Fernzüge im Personenverkehr. Für die Verhältnisse im mittleren Orient ist hier also einiges los. Das Bild zeigt wieder eine Verschublok aus Amerikanischer Fertigung (EMD G12).
Etwas aus der Entfernung erkennt man das große Lokomotivdepot in dem vor allem die das südöstliche Streckennetz beherrschenden Alstom-Lokomotiven (AD43C) beheimatet sind, neben den allgegenwärtigen amerikanischen GE-Derivaten (GTW22).
Endlich kann ich unseren Zug in voller Länge abbilden. Er wird ebenfalls von einer Alstom gezogen, gefolgt von einem Generatorwagen aus chinesischer Fertigung und den ebenfalls chinesischen drei Doppelstöckern.
An die Zugspitze begleitet werde ich von einem Techniker der Staatsbahn, der für die Bordelektronik und den Generatorwagen zuständig ist. Stolz posiert er vor der Lok - stellvertretend für all die wohlwollenden Eisenbahner denen ich begegnet bin - und liefert so ein stichfestes Alibi für allfällige Kontrollen der Bahnpolizei/Revolutionsgarden, welche meine Fototätigkeit bedrohen könnten. Denn Eisenbahn Fotografieren ist im Iran stets ein Karateakt. Man muss schnell und zielsicher zuschlagen, denn jedes zögerliche Herumsuchen nach einem Motiv könnte gefährlich werden und mit einem Besuch am Wachzimmer, mindestens jedoch mit einer gelöschten Speicherkarte enden. Ganz gelingt mir der Schlag nicht, weshalb die Puffer abgehakt bleiben.
Wir nehmen unsere Fahrt wieder auf und kommen an einer Kathedrale in der Wüste vorbei die den Umständen entsprechend eine Moschee ist.
Auf der nahen Straße liefern sich Lastwagen und Busse Überholgefechte. Wir sind trotzdem schneller und froh, nicht bei diesem Gerangel mitmachen zu müssen. Bahnfahren ist im Iran wohl der sicherste und bequemste Transport am Landweg, oft sogar der schnellste.
Nun ist der zweite Film – auch in HD - angelaufen, ein Familiendrama, bei dem es um den Generations- und Rollenkonflikt zwischen Mutter und Tochter geht. Diesmal jedoch wird es im Wagen ganz still und alle Fahrgäste verfolgen die Handlung gespannt auf einem der vier Bildschirme mit. Ich muss beim Gang durch den Wagen aufpassen, dass ich niemanden störe. Anders als im Westen hat das Kino im Iran eine zentrale kulturelle Bedeutung im Alltagsleben. International preisgekrönte Regisseure verstehen es durch das Medium Film Zensur und strenge islamische Vorschriften geschickt zu umgehen und so brisante gesellschaftliche Themen spannend zu verarbeiten. Als der Film schließlich ein tragisches Ende nimmt bleibt kaum ein Auge trocken.
Der Sonnenuntergang in der Wüste liefert nochmals ein unvergessliches Spektakel auf dieser Reise.
Gegen acht Uhr erreichen wir Yazd. In sechseinhalb Stunden haben wir 354 km zurückgelegt, was einem Reiseschnitt von 54 km/h entspricht. Zwar fuhren wir meist mit 90-110 km/h, verloren aber durch die zahlreichen Zugkreuzungen, welche in fast jedem Bahnhof der eingleisigen Strecke stattfanden einiges an Zeit. Busse brauchen für die Strecke mindestens 7 Stunden und sind nicht annähernd so bequem.
Wer sich für Fahrzeiten, Geschwindigkeiten, Streckenverlauf und Höhenangaben interessiert kann
hier die mit dem GPS-Logger mitgeschnittene GPX-Datei herunterladen. Die Zeitverschiebung MEZ-Iran ist +2.30 h.
Der Steward posiert vor seinem Wagen und verabschiedet die Fahrgäste
Am Morgen frühstücken wir im Hof dieses traditionellen Hotels im Zentrum. Diesmal haben wir nur eine Nacht in der jedes Mal aufs neue faszinierenden Stadt verbracht. In
dieser Reportage habe ich sie bereits ausführlich beschrieben.
Vor dem Bahnhof Yazd fährt dieser blank polierte alte Benz vor meiner Kamera vorbei, was mich einen Druck auf den Auslöser kostet.
Auch das imposante Bahnhofsgebäudes ist eine Aufnahme wert. Und schon geht es weiter...
Diesmal reisen wir (nur ebenerdig) mit dem Pardis-Schnelltriebwagen nach Tehran zurück. Diese Fahrzeuge wurden bei Siemens Österreich (vormals SGP) von einem hauptsächlich aus Exil-Iranern gebildeten Ingenieurteam entwickelt. Die ersten Einheiten wurden ab 2005 in Graz und Maribor gefertigt, der Großteil schließlich in Iran bei Wagon Pars in Arak. Dieser Zug verkehrt zweimal täglich zwischen Yazd und Teheran und fährt mit bis zu 160 km/h. Dabei braucht er für die 598 km Entfernung nur 5 Stunden, wohl eine der schnellsten Bahnverbindungen im mittleren Orient. Im Hintergrund ein in China gefertigter Wagen der Zuggattung Ghazal (Gazelle), welche sehr bequeme Fernreisezüge quer durch den Iran stellt.
Die Stewards erwarten die Fahrgäste an den Eingängen. Mit der Mappe mit den Reservierungen schützen sie sich vor der gleißenden Sonne. Um in den Genuss dieser Zugverbindung zu kommen muss man einige Tage vorher buchen, denn Personenzüge sind im Iran allgemein Mangelware. Die Strecke und eine Fahrt mit dem Pardis habe ich in einer
anderen Reportage bereits beschrieben. Die Triebwagen befahren auch die 850 km lange Strecke Teheran-Maschad, die zur Zeit jedoch elektrifiziert wird und die Strecke Tehran-Zanjan-Mianeh (Richtung Täbriz).
Hoffentlich hat die Reise Spaß gemacht und eine kleinen Einblick geboten in dieses trotz aller Gegensätze faszinierende Land und seine freundlichen Bewohner. Wir haben es jedenfalls genossen.
Wer mehr Informationen zum Bahnreisen im Iran sucht, dem empfehle ich meine früheren Reportagen und meine neue Webseite auf
iranrail.net
Andere Reportagen zum Iran:
Schienen im Perserreich
Teheran
Mit Hochgeschwindigkeit über die Karawanenroute
Die Wüstenstadt Yazd
Im Nachtzug nach Teheran
Mit der Eisenbahn in die halbe Welt
2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2013:06:02:00:13:36.